Bienen und Ameisen lassen sich Belege geben. Die genetische, zu höhern Formen gelangende Umbildung der Organismen ist außer
durch Zuchtwahl nur durch die Entwickelungsfähigkeit der organischen Keimanlage zu erklären. Wenn diese den einzelligen
Organismus in einen mehrzelligen verwandeln konnte, so war jede weitere Stufe der Organisation gleichfalls durch sie erreichbar.
Wir müssen dem Keime eine über alle unsre Einsicht und Ausdrucksfähigkeit hinausreichende Verwickeltheit zuschreiben, was
seinen latenten anatomischen und chemischen Inhalt betrifft. Ein Wissen von der Außenwelt aber und Motive der Bewegungen, welche
nur durch die äußern Reize reflektorisch angesponnen werden, kann er so wenig einschließen wie der Magnet auf
andre Körper als auf Eisen einzuwirken vermag. So wenig in dem Rohmaterial zu einer Maschine etwas von deren Leistung gelegen
ist, welche erst mit ihrer kunstvollen Vollendung und ihrer Beheizung hervortritt, so wenig sind im Keime der vielzelligen
Tierkörper und auch in dem bezüglich des Zusammenwirkens seiner Teile einen verständlichen Mechanismus
darstellenden Gehirn schon Funktionen wirksam, welche der Vollendung der Mechanismen und ihrer Auslösung durch Kraftübertragung
von außen bedürfen.« Den letzten Vortrag hielt Stokvis (Amsterdam) über Kolonialpathologie. Das Wesentliche seines Vortrags
s. Akklimatisation.
Unter den verschiedenen Erklärungen, welche für die Entstehung der großen Meeresströmungen aufgestellt sind,
haben nur zwei eine größere Bedeutung, die man als die Gravitationstheorie und die Windtheorie bezeichnen
kann. Die Gravitationstheorie führt die allgemeine ozeanische Zirkulation auf die starke Erwärmung des Meereswassers unter
dem Äquator zurück, wodurch das leichtere Oberflächenwasser polwärts abfließt und durch eine Rückströmung kalten und
dichten Polarwassers in der Tiefe ersetzt wird; die Windtheorie sieht als einziges Agens der Meeresströmungen
die Passatwinde und die vorherrschenden Winde an der Meeresfläche an. Wenn nun auch festgestellt ist, daß die Bewegungen der
Atmosphäre in erster Linie für die Entstehung der Meeresströmungen in Betracht kommen, so darf man gleichwohl die Temperaturschwankungen,
Dichteunterschiede, Verdunstung, Rotation der Erde und Druck der an der Oberfläche lagernden Wassermassen
als sekundäre Faktoren nicht außer acht lassen.
Die allgemeine Versetzung der Wassermassen läßt sich oft weniger durch direkte Beobachtungen nachweisen als durch Temperaturmessungen.
Letztere haben nun ergeben, daß in allen Meeren, die in der Tiefe frei mit den Eismeeren in Verbindung stehen, selbst
unter dem Äquator, eiskalte Wassermassen lagern, die nur an der Oberfläche von einer verhältnismäßig dünnen Schicht warmen
Wassers überlagert werden. Das Aufquellen des kalten Tiefenwassers am Äquator läßt sich unzweideutig durch die Lage der
Isothermenflächen nachweisen, die von den höhern Breiten nach den Tropen aus der Tiefe emporsteigen.
Die chemische Zusammensetzung des Polarwassers lehrt ferner, daß das ganze Becken des norwegischen Meeres
in seiner Tiefe mit salzreichem atlantischen Wasser von hohem Stickstoffgehalt angefüllt ist. In der Richtung der Meridiane
herrscht also eine dreifache Zirkulation des Wassers: ein Absteigen in hohen Breiten, in der Tiefe eine Bewegung äquatorwärts
und ein Aufsteigen unter dem Äquator. Auf die vorherrschende Windrichtung ist auch der Austausch des
Wassers in der Richtung der Parallelkreise zurückzuführen.
Ein anhaltend gegen das Ufer wehender Wind bewirkt hier
eine Aufstauung des Wassers; der Druck, der hierdurch in der Tiefe an der
Luvküste erzeugt wird, veranlaßt einen Unterstrom am Meeresboden in einer dem Winde entgegengesetzten
Richtung. So wird eine vertikale Zirkulation eingeleitet mit einer absteigenden Bewegung des Wassers an den Luvküsten und einer
aufsteigenden an den Leeküsten. Entschiedene Leeküsten sind in der Passatzone die Westküsten der Kontinente, die Ostküsten
dagegen Luvküsten. Im nordatlantischen Ozean trifft man an der Küste von Marokko, der Sahara und von Senegambien
bis zum Kap Verde kaltes Küstenwasser, im südlichen Atlantic erstreckt sich eine Zone kalten Küstenwassers vom Kap bis zur
Congomündung.
Dieselbe Erscheinung wiederholt sich an der Westküste von Nordamerika vom Kap San Lucas bis San Francisco und an der Westküste
von Südamerika vom Kap Blanco bis über Valparaiso hinaus. Diese Kaltwassergebiete verdanken ihre Entstehung
den Passaten, die das Oberflächenwasser der Ozeane westwärts drängen; der Überdruck, der an den Luvküsten entsteht, veranlaßt
eine Kompensation an den Leeküsten durch Emporsteigen kalten Wassers aus der Tiefe. Entsprechend diesen Verhältnissen, liegen
im Westen der tropischen Ozeane die Isothermenflächen viel tiefer als in der Osthälfte.
In den Gebieten, welche außerhalb der Passatzone liegen, muß nun infolge der vorherrschenden Westwinde eine Zirkulation in
entgegengesetzter Richtung stattfinden. Für den nordatlantischen Ozean ist dieselbe nachgewiesen. Die Isothermen senken sich
gegen Osten; die »kalte Mauer«, jenes Kaltwassergebiet, das die amerikanische Küste von dem warmen Wasser
des Golfstroms trennt, rührt nur zum Teil von dem Labradorstrom her, zum Teil ist der Auftrieb an der Leeküste die Ursache.
Diese beiden großen Zirkulationssysteme stehen miteinander in einem Austauschverhältnis. Nur zum kleinen Teil sinken die
Wassermassen des Äquatorialstromes an der Luvküste zur Tiefe, die größte Masse biegt an den Antillen
um und lenkt als Golfstrom in den Oberflächenstrom der nördlichen Zirkulation ein. Von diesem letztern zweigt sich wieder
ein Arm an der spanisch-afrikanischen Küste südwärts zum Äquatorialstrom ab. Dieses ganze System verdankt seine Entstehung
der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, welche durch den Temperaturunterschied zwischen Pol und Äquator einerseits, Kontinent
und Ozean anderseits bedingt ist.
Von den Strömungen ist nun die Verteilung der Oberflächentemperatur der Ozeane abhängig. In den Tropen, wo die Strömungen
von O. nach W. setzen, verbreitert sich das Gebiet tropisch warmen Wassers (über 24°) ganz außerordentlich nach W. Entsprechend
den in gemäßigten Breiten herrschenden östlichen Strömungen, finden sich die Ansammlungen von Wasser
mit Temperaturen von 12-20° an den Ostseiten der Ozeane. Es beträgt die Breite der Fläche mit einer Oberflächentemperatur
von 12-24° im
Stillen Ozean
Atlantischen Ozean
Westseite
Ostseite
Westseite
Ostseite
August
16°
65°
15°
60°
Februar
12°
45°
8°
50°
Die Folge hiervon ist, daß die Wasserflächen mit einer Temperatur über 12° sehr viel breiter in den
Osthälften sind als in den Westhälften. Wie ausgedehnt die Flächen warmen Wassers sind, zeigt folgende Tabelle: Es beträgt
in Prozenten der bezüglichen Meeresfläche das Areal der Nordhemisphäre (NH.), bez. der Südhemisphäre (SH.) mit einer
Oberflächentemperatur
mehr
über 24°
über 20°
Febr.
Aug.
Jahr
Febr.
Aug.
Jahr
NH.
36,0
56,0
46
47,6
65,2
56
SH.
42,6
23,2
33
59,2
39,1
47
Erde
39,6
38,6
39
53,7
51,3
52
Zwei Fünftel der gesamten Meeresoberfläche sind im Jahresdurchschnitt tropisch und mehr als die Hälfte
über 20° erwärmt. Zugleich lassen die Zahlen erkennen, in wie hohem Maße die nördliche Halbkugel in Bezug auf die ozeanische
Wärmeverteilung begünstigt ist. Die Flächen hoher Temperatur verschieben sich mit dem Sonnenstand, so daß im Sommer der
Nordhemisphäre der größere Teil der erstern nördlich, im Winter aber südlich vom Äquator liegt. Im
Jahresmittel tritt die thermische Begünstigung der nördlichen Halbkugel deutlich hervor, wie folgende Tabelle zeigt, welche
angibt, wieviel Prozent der gesamten über 24°, bez. über 20° erwärmten Meeresfläche
der nördlichen und wieviel der südlichen Hemisphäre zukommt.
über 24°
über 20°
Febr.
Aug.
Jahr
Febr.
Aug.
Jahr
NH.
42
68
55
43
59
51
SH.
58
32
45
57
41
49
Der größere Teil der tropisch warmen Meeresfläche gehört der Nordhemisphäre an.
Vgl. O. Krümmel, in der »Zeitschrift
für wissenschaftliche Geographie«, Bd. 6,1887.
- Über Fauna der Tiefsee s. Naturforscherversammlung, S. 635, und Maritime wissenschaftliche Expeditionen.