mehr
den Tropen Eigenschaften, welche eine größere Widerstandskraft des Herzens bedingen, oder die Gefahr ist in den Tropen deshalb geringer, weil bei der höhern Temperatur das Chloroform schneller wieder ausgeschieden wird. Von den gebräuchlichen Wiederbelebungsmitteln sind Ätherinjektionen, Elektrizität, [* 2] Kaffein, Atropin ohne Wirkung, Alkohol ist direkt schädlich. Von Nutzen dagegen ist Digitalis und besonders Strychnin, letzters weil es geradezu als Herztonikum wirkt.
Von großer Wichtigkeit ist ferner die Lage des Kranken. Wird der Kopf desselben gehoben, so sinkt der Druck im arteriellen Gefäßsystem, steigt also die Gefahr. Günstig wirkt Druck auf die rechte Herzgegend. Die forcierte künstliche Atmung (Einführung eines Kautschukrohrs in die Luftröhre und Benutzung eines Blasebalgs mit Hahnregulierung) mit rhythmischen Kompressionen der Brust ist das mächtigste Wiederbelebungsmittel. Für die Äthernarkose zeigte Redner einen in Amerika [* 3] viel benutzten Apparat, welcher genaue Dosierung und Sicherung der Konzentration gestattet.
Cantani
(Neapel)
[* 4] sprach über
Antipyrese. Er definiert das
Fieber als
Beschleunigung des
Stoffwechsels mit
Steigerung der Gewebsverbrennung und hiermit auch der Wärmeer
zeugung. Nicht alle
Fieber nehmen auf gleiche Art und in gleichem
Maße das Brennmaterial des
Körpers in Anspruch, und darin liegt die
Erklärung, daß die
Folgen des Fieberprozesses bei den
verschiedenen
Krankheiten so verschieden sind. Jedenfalls ist es Aufgabe der
Therapie, den Stoffverbrauch
zu vermindern, und deshalb trachtet man danach, das
Fieber herabzusetzen oder zu unterdrücken.
Die Entziehung von Wärme [* 5] ist nur ein symptomatisches Verfahren, welches gegen die gesteigerte Verbrennung von Körperbestandteilen nichts vermag. Die Antipyretika dagegen wirken der vermehrten Wärmebildung entgegen, vermindern den fieberhaften Stoffverbrauch. Es fragt sich aber, ob die Antipyretika, auf diese Weise wirkend, nützlich für den fiebernden Kranken sind. Die Krankheit ist der Ausdruck des notwendigen Kampfes des Organismus gegen den Krankheitserreger.
Wie nun die Entzündung die lokale Reaktion des angegriffenen Gewebes gegen den auf die Lokalität einwirkenden Krankheitserreger darstellt, so ist das Fieber die allgemeine Reaktion des Gesamtkörpers gegen die von dem Krankheitserreger im ganzen Stoffwechsel bewirkten Veränderungen. Diese Reaktion ist Bedingung der Genesung. Ein günstiger Einfluß des Fieberprozesses auf die Infektionswirkung kann auf dreifache Weise zum Ausdruck kommen:
1) indem es die Lebensthätigkeit, die Vermehrung und auch die Virulenz der lebenden Krankheitserreger im Körper durch die erhöhte Temperatur beeinträchtigt, 2) indem es die Widerstandsfähigkeit der Gewebselemente und ihre phagocytäre Bedeutung erhöht, 3) indem es den Nährboden in den Geweben durch die Modifikationen des fieberhaften Stoffumsatzes für die lebenden Krankheitserreger ungünstig gestaltet. Das Fieber kann also nützlich sein, wenn der Stoffumsatz nicht bis zur Erschöpfung gesteigert wird, und daß das Fieber wirklich nicht die Hauptgefahr der Krankheit bedingt, erhellt auch aus der täglichen praktischen Erfahrung. Es sind eben die akuten fieberhaften Krankheiten, welche im allgemeinen einer spontanen Heilung fähig sind, während die fieberlosen chronischen Krankheiten sehr schwer oder gar nicht heilen und die fieberlosen, mehr oder weniger akuten eine sehr große Mortalität geben.
Deshalb sollte man abstehen von der
Ausbildung einer Fiebertherapie und
nach
Mitteln suchen, welche das
Fieber dem Kranken entbehrlich
machen, indem
sie den Fiebererreger vernichten oder doch abschwächen. In dieser Art wirkt das
Chinin bei
Malaria, welches direkt
die
Ursache der
Malaria angreift.
Alle andern Fiebermittel setzen neben gesteigerter Wärmeabgabe die Wärmeer
zeugung
herab. Da nun aber die verschiedenen pathogenen
Bakterien den verschiedenen bakterientötenden
Mitteln gegenüber sich sehr
verschieden verhalten, so kann es kein allgemeines Fiebermittel geben. Es wird vielmehr Aufgabe der
Wissenschaft sein, für
jede Bakterienart ein Spezifikum zu suchen.
Neben seiner Heilwirkung kann hohes
Fieber auch schädlich wirken, die hohe
Temperatur beeinträchtigt
die Herzkraft, bedroht die Nervenzentren, und man ist deshalb gezwungen, dieselbe herabzusetzen. Dies geschieht aber am besten
durch Wärmeentziehung, also ohne die Mehrbildung von Reaktionswärme zu vermindern. Hierzu eignen sich kalte Vollbäder,
kalte Einwickelungen, Übergießungen etc., dann reichliches Trinken von kaltem
Wasser und die Enteroklyse.
Die Wärmeer
zeugung wird durch diese
Methode der Wärmeentziehung noch gesteigert, und somit tritt der fundamentale Unterschied
gegenüber den chemischen Antipyreticis mit ihrer Herabsetzung der Wärmebildung klar hervor.
Meynert (Wien) [* 6] sprach über das Zusammenwirken der Gehirnteile. Das Gehirn [* 7] ist nicht wie das Gerippe aus gleichartigen Einzelteilen für eine Mechanik zusammengesetzt, sondern aus sehr ungleichartigen Formen, nur im Feinsten bestehen sie alle aus gleichartigen Teilen; es ist keineswegs, wie das allgemein geschieht, im Verein mit dem Nervensystem einem elektrischen Apparat zu vergleichen. Seine graue und weiße Substanz kann nur mit einer sozialen Gruppierung lebender beseelter Wesen zusammengehalten werden.
Das Gehirn ist in den Halbkugeln einer Kolonie durch Fühlfäden und Fangarme sich des Weltbildes bemächtigender, lebender, bewußtseinsfähiger Wesen vergleichbar, und dies ist mehr als ein bloßer Vergleich. Nur das Bewußtsein der Hirnrinde fällt beim Menschen in die Aufmerksamkeit, und durch die allseitig protoplasmatischen und markhaltigen Verbindungen der Elementarwesen der Rinde, durch ihre Associationsvorgänge erscheint sie sich als ein einziges Wesen.
Seinen geistvollen Vortrag schließt Meynert mit folgenden Worten: »Da wir von der Annahme spezifischer Energien der Gehirne ablassen mußten, da wir nur eine angeborne Anatomie und einen angebornen Chemismus übrigbehalten, aber kein angebornes Wissen von der Erscheinungswelt, so fällt ein Anhaltspunkt für die Deszendenzlehre, ein solches angebornes Wissen zuzulassen, der Annahme irgend welcher angeborner Hirnfunktionen oder angeborner Gedanken Spielraum zu geben. Licht [* 8] und Schall [* 9] sowie das Raumbild sind Gegenstände des Erlernens. Es gibt keine Instinkte, keine Triebe, kein Bewegen, welchen ein noch unerlebtes Ziel im Bewußtsein zu Grunde läge. Schon Ehrenberg hat für die einfachsten Wesen der Tierwelt den Instinkt abgelehnt und in ihnen Äußerungen eines Bewußtseins gesehen, das solidarisch ist bis aufwärts zum Menschen. Die Orientierung des Insekts über den Ort, wo es sein Ei [* 10] absetzt, ist nicht angeboren sondern den Erfahrungen entnommen, welche die Larve gemacht hat, deren Nervensystem dazu schon genug entwickelt, nicht die Umbildungen mehr durchmacht wie der übrige Leib, und deren Bewußtsein in das Bewußtsein des fertigen Insekts sich fortsetzt. Auch für das Erlernen der Arbeit bei ¶
mehr
Bienen und Ameisen lassen sich Belege geben. Die genetische, zu höhern Formen gelangende Umbildung der Organismen ist außer durch Zuchtwahl nur durch die Entwickelungsfähigkeit der organischen Keimanlage zu erklären. Wenn diese den einzelligen Organismus in einen mehrzelligen verwandeln konnte, so war jede weitere Stufe der Organisation gleichfalls durch sie erreichbar. Wir müssen dem Keime eine über alle unsre Einsicht und Ausdrucksfähigkeit hinausreichende Verwickeltheit zuschreiben, was seinen latenten anatomischen und chemischen Inhalt betrifft. Ein Wissen von der Außenwelt aber und Motive der Bewegungen, welche nur durch die äußern Reize reflektorisch angesponnen werden, kann er so wenig einschließen wie der Magnet auf andre Körper als auf Eisen [* 12] einzuwirken vermag. So wenig in dem Rohmaterial zu einer Maschine [* 13] etwas von deren Leistung gelegen ist, welche erst mit ihrer kunstvollen Vollendung und ihrer Beheizung hervortritt, so wenig sind im Keime der vielzelligen Tierkörper und auch in dem bezüglich des Zusammenwirkens seiner Teile einen verständlichen Mechanismus darstellenden Gehirn schon Funktionen wirksam, welche der Vollendung der Mechanismen und ihrer Auslösung durch Kraftübertragung von außen bedürfen.« Den letzten Vortrag hielt Stokvis (Amsterdam) [* 14] über Kolonialpathologie. Das Wesentliche seines Vortrags s. Akklimatisation.