Artillerie auf Entfernungen bis zu 4000 m mit Schrapnells zu beschießen. Um gegen Artilleriefeuer sicher zu sein, ist ein Abstand
von 5 km, gegen Infanteriefeuer von 1500 m erforderlich. Der getroffene Ballon fällt übrigens nur sehr langsam und kann
leicht ausgebessert werden. Um das Beschießen zu erschweren, empfiehlt es sich, daß die Ballons möglichst
viel ihren Standort und, wo dies nicht angeht, wie in Festungen, ihre Höhe ändern. Schwebende Ballons folgen ihren Maschinenwagen.
Unter Brücken, Telegraphendrähten geht man mit gespaltenem Tau fort. In Frankreich hat man 1888 den Fesselballon an der Küste,
auf Deck eines Schiffes gehalten, zu Beobachtungen der See und zum Signalisieren der gemachten Beobachtungen
auf große Entfernungen mit Erfolg benutzt. Auf der Reede von Toulon hat man so Marseille (50 km), Nizza (130 km) und die Nordküste
von Corsica (240 km) beobachtet. - Zur Litteratur: H. Hoernes, Die Luftfahrzeuge der Zukunft (Wien 1890).
Um die mittlere Temperatur zu bestimmen, welche während einer gewissen Zeit an
einem Orte geherrscht hat, kann man sich entweder häufiger Thermometerablesungen oder der Registrierungen eines Thermographen
bedienen. Zu dem gleichen Zwecke sind aber noch besondere Apparate, die man neuerdings Thermointegratoren benennt, konstruiert
worden. Bekannt als ältestes derartiges Instrument ist die von seinem Erfinder Stanley Chronothermometer
genannte thermometrische Uhr; diese registriert ihre Pendelschläge wie jede andre Uhr auf dem Zifferblatt, besitzt aber gegen
andre Uhren die Eigentümlichkeit, daß bei ihr Fürsorge getroffen ist, den Einfluß der Temperatur auf den Gang der Uhr recht
groß zu machen. Zu dem Zwecke besteht das Pendel aus einer Art Luftthermometer, so eingerichtet, daß eine
Ausdehnung oder eine Zusammenziehung der Luft, entsprechend ihrer Erwärmung oder Erkaltung, eine Bewegung von Quecksilber aus
einem niedrigen Gefäß in ein höheres, resp. umgekehrt, zur Folge hat, und daß somit steigende Temperatur Beschleunigung,
sinkende Verlangsamung des Ganges der Uhr bewirkt.
Offenbar würde sich die mittlere Temperatur eines Zeitraumes aus dem Vergleich der von dieser Uhr registrierten
Zeit mit der wirklich verstrichenen Zeit ergeben, wenn der Einfluß der Temperatur auf den Gang des Instruments sicher beobachtet
wurde. Die Anordnung bietet mancherlei Schwierigkeiten, so daß dieser Apparat kaum zur Anwendung gelangt ist. Auf einem ganz
andern Prinzip beruht der Thermointegrator von Müller-Erzbach (Bremen), nämlich aus der Verdunstung von Flüssigkeiten in ihrer
Abhängigkeit von der Temperatur.
Der Wasserthermointegrator besteht aus einem durch eingeschliffenen Glasstopfen gut verschließbaren cylindrischen Glasgefäß,
das zum Teil mit konzentrierter Schwefelsäure angefüllt ist, in deren Mitte ein kleines, zum Teil mit Wasser angefülltes
Glaskölbchen mit verengerter cylindrischer Öffnung schwimmt, resp. auf einem Glasfuß ruht.
Indem die Schwefelsäure die Dämpfe des verdunstenden Wassers verschluckt und die Dampfspannung innerhalb der Flasche stets
auf nahe demselben kleinen Betrag erhält, wird die Gewichtsabnahme des verdunstenden Wassers fast lediglich abhängig von
seiner Temperatur.
Ein ähnlicher Apparat, der Schwefelkohlenstoff-Thermointegrator, besteht einfach aus einem Schwefelkohlenstoff
enthaltenden Kölbchen mit langem, cylindrischem Halse, aus welchem der Dampf frei in die Luft entweicht. Behufs Berechnung
der Mitteltemperaturen aus den mittels einer guten
chemischen Wage bestimmten Gewichtsabnahmen der Flüssigkeiten ist es nur
nötig, durch vorherige Beobachtung die Gewichtsabnahme bei einigen Temperaturen experimentell genau festgestellt
zu haben; Korrektionen sind erforderlich für den Luftdruck und die Größe der Temperaturschwankung während der Versuchszeit,
sobald letztere eine gewisse Grenze überschreitet. Diese Apparate sind noch neu, werden aber voraussichtlich mannigfache Anwendung
finden, besonders dort, wo die Temperatur geringen Schwankungen unterworfen ist; so ist der Wasserthermointegrator beispielsweise
zur Bestimmung mittlerer Erdbodentemperaturen etc. besonders geeignet. -
Über die auf dem Pariser Eiffelturm angestellten Beobachtungen in den obern Luftschichten vgl. Eiffelturm.
Johann, Freiherr von, bayr. Staatsminister, erbat 21. Mai 1890 wegen andauernden körperlichen Leidens seine Entlassung
aus dem Amte eines Ministerpräsidenten, das er 10, und dem eines Kultusministers, das er 22 Jahre verwaltet
hatte. Er erhielt dieselbe an demselben Tage durch ein überaus gnädiges Handschreiben des Prinz-Regenten, in welchem seine
großen Verdienste anerkannt und ihm Rang und Titel eines Staatsministers verliehen wurden. Doch starb er schon 3. Sept. 1890 in
Pöcking am Starnberger See, nachdem er die Sterbesakramente empfangen hatte.
Obwohl Lutz während seiner ganzen Amtsführung von der klerikalen Partei aufs heftigste und unversöhnlichste angefeindet wurde,
weil man ihn als das Haupthindernis der Erfüllung der ultramontanen Wünsche ansah, fand er doch bei den Liberalen nicht durchweg
Anerkennung, die ihm wieder eine inkonsequente Nachgiebigkeit gegen die kirchlichen Ansprüche zum
Vorwurf machten. Doch mußte zugestanden werden, daß er die Stellung des Staats und die Geltung seiner Verfassung gegenüber
der Kirche geschickt und energisch gewahrt und Bayern durch die Krisis von 1886 ohne jede Erschütterung geführt habe. Namentlich
aber war es ihm zu danken, daß Bayern seine richtige Stellung im Deutschen Reiche fand und behauptete.
Friedrich, Komponist, geb. 24. Nov. 1820 zu Ruhla, Schüler von Fr. Schneider in Dessau, 1841 Musikdirektor am Dessauer
Hoftheater, 1851 Kapellmeister am Stadttheater zu Mainz.
Schrieb zahlreiche Orchester- und Chorwerke, drei Opern (»Schmied von
Ruhla«, »Käthchen von Heilbronn«, »Fürstin von Athen«),
Lieder u. a.
Vgl. Reißmann, Friedrich Lux (Leipz.
1887).
Großherzogtum. Da der König Wilhelm III. im Oktober 1890 von neuem schwer erkrankte und zwar an einer Geisteskrankheit,
so daß an eine Wiedergenesung nicht zu denken war, übernahm, nachdem die Kammer 4. Nov. die Notwendigkeit einer Regentschaft
ausgesprochen hatte, Herzog Adolf von Nassau dieselbe und leistete 6. Nov. den Eid. König Wilhelm III. starb 23. Nov. 1890,
und damit wurde die Verbindung Luxemburgs mit den Niederlanden, welche schon lange als lästig empfunden worden war, gelöst.
Luxemburg erlangte seine volle Selbständigkeit als neutraler Staat. Daher wurde der neue Großherzog Adolf bei seinem Einzug 8. Dez. in
die Hauptstadt mit lebhaftem Jubel begrüßt. Seine Thronbesteigung wurde von allen Mächten anerkannt. Er begnügte sich
mit der bisherigen bescheidenen Zivilliste von 200,000 Frank. Der Staatsminister Eyschen verblieb an der Spitze der Regierung.
Luigi, ital. Staatsmann, geb. 1841 aus einer begüterten
israelitischen Familie zu Venedig,
mehr
studierte die Rechte und wurde 1867, nachdem er einige Zeit am Istituto tecnico zu Mailand gelehrt hatte, zum Professor der
Nationalökonomie und des Staatsrechts an der Universität Padua ernannt. Im gleichen Jahr vertrat er die italienische Regierung
als Kommissar bei der Pariser Ausstellung und wurde 1869 unter Minghetti als Generalsekretär in das Ministerium
des Handels und Ackerbaues berufen, dem er indes nur wenige Monate angehörte. Schon 1870 wurde er in die Deputiertenkammer gewählt,
doch ward seine Wahl für nichtig erklärt, da er noch nicht das gesetzliche Alter erreicht hatte, und erst 1871, nach einer
dritten Wahl, konnte Luzzatti ins Parlament eintreten, dem er zuerst für Oderzo, später für Padua angehörte.
Hier schloß er sich der Rechten an, gewann besonders großen Einfluß in wirtschaftlichen und Finanzfragen und war mehrere
Male Vorsitzender der Budgetkommission. Diese Stellung bekleidete er wiederum im Januar 1891 und wirkte dabei zum Sturze Crispis
erheblich mit. Im Februar 1891 wurde er zum Schatzminister in dem neugebildeten Kabinett di Rudini-Nicotera
ernannt. Luzzatti hat eine Reihe staatsrechtlicher Schriften veröffentlicht, unter anderm Abhandlungen über »Staat und Kirche in
Belgien« und über die »Embryologie und Entwickelung der Staatsverfassungen«.