Kunstausstellungen d. J. 1890 in Deutschland (München)
mehr
darstellt, den
Titel führt: »The coming of the Friars, and other historical essays«
(1888).
Für die übrigen
LänderEuropas beschränken wir uns hier im wesentlichen auf die wichtigern
Schriften, die in deutscher
Sprache
[* 2] erschienen sind. Für
Italien
[* 3] sind so zwei
Arbeiten über die Geschichte des so reich entwickelten städtischenLebens
zu nennen: eine gründliche Untersuchung von E. Heyck,
»Genua
[* 4] und seine
Marine im
Zeitalter der
Kreuzzüge« (Innsb. 1886),
welche
sowohl für die
Kriegs- als für die Verfassungsgeschichte von Wert ist, und ein wichtiges
Buch von A.
Schaube,
[* 5] »Das
Konsulat
des
Meeres zu
Pisa«
[* 6] (Leipz. 1888), welches sich als Beitrag zur Geschichte des
Seewesens, der Handelsgilden und des
Handelsrechts im
Mittelalter bezeichnet und den bisher
Genua zugeschriebenen Ursprung der
kaufmännischen Beamtung des Meerkonsulats für
Pisa in Anspruch nimmt (eine
Ansicht, die indes nicht als völlig bewiesen
gelten kann).
In das frühste
MittelalterführenL. M.
Hartmanns »Untersuchungen zur Geschichte der byzantinischen
Verwaltung in
Italien« (Leipz. 1889),
mit denen
Ch. Diehls »Études sur l'administration byzantine dans l'exarchat de Ravenne«
(Par. 1888) ungefähr gleichzeitig erschienen sind. Reichhaltig, sorgfältig gearbeitet und gut
geschrieben ist A. Dresdners
»Kultur- und Sittengeschichte der italienischen
Geistlichkeit im 10. und 11.
Jahrhundert« (Bresl.
1890). Für die
pyrenäische Halbinsel ist Kulturgeschichtliche Haebler, »Die
wirtschaftliche
Blüte
[* 7]
Spaniens im 16.
Jahrhundert und ihr
Verfall« (Berl. 1888),
zu nennen; von kulturhistorischem
Interesse
ist auch die »Geschichte des spanischen
Protestantismus im 16.
Jahrhundert« von
Wilkens (Gütersl. 1888). Für die nordgermanischen
Länder kommen hauptsächlich rechtshistorische
Arbeiten in Betracht; in deutscher
Sprache sind erschienen: KulturgeschichtlicheLehmann,
»Der
Königsfriede der Nordgermanen« (Leipz. 1886) und desselben »Abhandlungen
zur germanischen, insbesondere nordischen
Rechtsgeschichte« (Berl. 1888),
sowie M.
Pappenheim, »Die altdänischen Schutzgilden«
(Bresl. 1885). Für Rußland nennen wir zwei
Arbeiten, die das gleiche
Thema behandeln, aber in
Methode und Ergebnissen erheblich
voneinander abweichen: E.
v. d.
Brüggen, »Wie Rußland europäisch wurde« (Leipz.
1885),
und A.
Brückner, »Die Europäisierung Rußlands. Land und
Volk« (Gotha
[* 8] 1888);
von dem letztern Verfasser sind außerdem
»Beiträge zur
Kulturgeschichte Rußlands im 17.
Jahrhundert« (Leipz. 1887) und ein mit dem schon erwähnten größern Werk
über die Europäisierung Rußlands zusammenhängendes
Buch: »Die
Ärzte in Rußland bis zum Jahre 1800«
(Petersb. 1887) erschienen.
Wir erwähnen noch H.
Daltons »Verfassungsgeschichte der evangelisch-lutherischen
Kirche in Rußland«
(Gotha 1887, Bd. 1), die uns schon zu der Litteratur über die
baltischen
Provinzen des Zarenreichs überführen. In derselben überwiegen die hier nicht zu berücksichtigenden
Schriften,
welche auf die gegenwärtigen Verhältnisse der
Ostseeprovinzen und ihrenKampf gegen die Russifizierung
Bezug haben; wir begnügen uns damit, auf
Th. Schiemanns
»HistorischeDarstellungen und archivalische
Studien« (Hamb. 1886) und
die vortrefflichen »Baltischen Kulturstudien aus den vier
Jahrhunderten der Ordenszeit« von F.
Amelung
(Dorp. 1885) hinzuweisen.
desJahres1890inDeutschland.
[* 9] Der Erfolg der 1888 in
München
[* 10] veranstalteten dritten
internationalen
Kunstausstellung, die zugleich eine Jubiläumsausstellung zur
Erinnerung an die erste, eröffnete
Gemäldeausstellung
Münchens war, bewog die
Münchener Künstlergenossenschaft zu dem Entschluß, fortan Jahresausstellungen
von Kunstwerken aller
Nationen im königlichen Glaspalast zu veranstalten. Man verband damit zugleich die Absicht,
München
als den
Mittelpunkt der deutschen Kunstbewegung und des deutschen Kunstlebens darzustellen, und diese
Absicht hat zunächst dahin geführt, daß die gleichzeitig stattfindenden
Ausstellungen der königlichen
Akademie der
Künste
in
Berlin
[* 11] unter der
Münchener Nebenbuhlerschaft erheblich zu leiden hatten, und daß der
Senat der
Berliner
[* 12]
Kunstakademie nach
dem ungünstigen
Ausfall der
Kunstausstellung von 1890 den Beschluß faßte, für das Jahr 1891 von einer
akademischen
Kunstausstellung abzusehen. Da der
VereinBerlinerKünstler in diesem Jahre das
Jubiläum seines 50jährigen Bestehens
feiert, hat er selbständig, mit Unterstützung der
Regierung und mit
Hilfe einer vom
BerlinerMagistrat zur
Verfügung gestellten
Summe von 100,000 Mk., die Veranstaltung einer internationalen
Kunstausstellung für 1891 unternommen.
Die
Erfahrungen der letzten drei Jahre (1888-90), während welcher die
Kunstausstellungen in
Berlin und
München ungefähr gleichzeitig
stattfanden, haben gelehrt, daß das deutsche Kunstschaffen nicht ausreicht, um zwei große
Ausstellungen jährlich nach der
ideellen und materiellen
Sette gleich lebensfähig zu erhalten. Wenn trotzdem
München das Übergewicht über
Berlin gewonnen
hat, so hat es diesen
Sieg wesentlich der großen Beteiligung des
Auslandes zu verdanken, das auf den
BerlinerAusstellungen,
die einen vorwiegend nationalen, bez. lokalen
Charakter hatten, nur wenig vertreten war.
Auch der Erfolg der
Münchener Jahresausstellung von 1890 wurde zum großen Teil fremdländischen Künstlern und Künstlergruppen
verdankt, wozu noch die günstige
LageMünchens als einer der Zentralpunkte des sommerlichen Reiseverkehrs
und der durch die
OberammergauerPassionsspiele erheblich verstärkte Fremdenzufluß hinzukamen. Wenn auch die Herbeiziehung
fremdländischer Kunstwerke als ein wichtiges und förderndes Bildungsmittel für junge
Künstler anerkannt werden muß, so
bringt anderseits die Zulassung von solchen
Schöpfungen, deren wesentliche Merkmale in Überschreitungen
des guten
Geschmacks, in bizarren
Launen und
Exzentrizitäten jeglicher Art bestehen, eine
Gefahr mit sich, deren
Folge zunächst
eine allgemeine Verwirrung, Ratlosigkeit und Entmutigung, dann aber eine Verlockung zur Übertreibung des Gesehenen ist.
I. Die 2. Jahresausstellung in
München trug zwar wie ihre beiden Vorgängerinnen insofern einen internationalen
Charakter, als
Franzosen, Briten, Belgier,
Holländer,
Italiener und
Spanier auf ihr zum Teil so zahlreich vertreten waren, daß
die einzelnen
Nationen besondere
Säle mit ihren Sendungen füllen konnten. Aber nur
Belgien
[* 13] und
Holland gewährten durch ihre
Ausstellung ein in den Hauptzügen charakteristisches
Bild, das eine in den wesentlichsten
Punkten richtige
Vorstellung von dem gegenwärtigen
Stande der
Kunst in diesen
Ländern bot. In
Belgien wie in
Holland gehen in der
Malerei zwei
Richtungen nebeneinander: eine, die sich teils archaisierend, teils in frei nachschaffender Erneuerung an die alte nationale
Kunst, und eine zweite, die sich an den modernen
Naturalismus, zum
Teil nach französischem Vorbild, anschließt.
Für
Belgien erschien als Hauptvertreter der erstern
RichtungEdmund van Hove aus
Brügge mit einem in der Art des R. van der
Weyden und des
Memling gemalten
¶
Bisschop, dessen von Sonnenlicht durchströmte Innenräume mit Figuren an Pieter de Hooch erinnern. Wenn man auf die Zahl sieht,
scheint freilich in Belgien und Holland die naturalistische Richtung, die ihre Aufgabe darin sieht, die alltäglichsten
Vorgänge und Erscheinungen des gegenwärtigen Lebens mit naturgroßen Figuren zu schildern und mit Vorliebe bei Szenen der Not,
des Elends und des Lasters zu verweilen, die Oberhand zu haben. Die BelgierL. van Aken (im Altfrauenhaus), Albert Baertsoen
(Fischer auf der Schelde landend), Henry Luyten (Arbeiter zur Vesperzeit im Wirtshaus) und Alexander Struys
(Trost den Betrübten), und die Holländer Josef Israels (Muttersorgen) und Albert Neuhuys (ländliche Innenräume mit Frauen
und Kindern bei der Arbeit) stehen an der Spitze der naturalistischen Richtung, wobei hervorzuheben ist, daß die Holländer wenigstens
durch die Beleuchtung
[* 15] einen gewissen poetischen Reiz zu erzielen wissen.
Höher als die Malerei steht die Plastik in Belgien, die neuerdings wieder einen neuen Aufschwung genommen
hat, an dem die Monumentalplastik ganz besonders beteiligt ist. Der heil. Michael als Besieger Luzifers von Vanderstappen
(als Bronzeguß im Ehrenhof des BrüsselerRathauses aufgestellt) und das zur Erinnerung an die Sporenschlacht auf dem großen
Platze zu Brügge errichtete Doppeldenkmal der vlämischen Volkshelden Breidel und de Koninck von Paul Devigne
verbinden einen stolzen, heroischen Schwung mit einem feinen Naturstudium, während die Giebelgruppe des Waisenhauses der
drei Alicen zu Ucclé von JulienDillens (die Vorsteherinnen nehmen die Waisen aus) wenigstens als eigenartiger Versuch, realistische
Figuren in moderner Tracht in den architektonischen Rahmen einzufügen, von Interesse ist. Das höchste Maß
der Vollendung in der Durchbildung des nackten jugendlichen Körpers haben Vanderstappen in einem David und J. ^[JosephMarieThomas, genannt Jeff] Lambeaux in der Bronzegruppe: der Kuß (ein nacktes Liebespaar) erreicht.
Auch bei der französischen Abteilung, bei deren Zusammenstellung im übrigen mehr der Zufall gewaltet
hatte, da die Franzosen sich gegen die MünchenerAusstellung gleichgültig zu verhalten beginnen, überwog die naturalistische
Richtung. Die exzentrischen koloristischen Phantasien von P. A. Besnard (s. d.), die in allen Farben des Spektrums schillernde
nackte Frau, die sich an einem Feuer wärmt, und das halbnackte, in einem Blumengarten umherirrende Mädchen
(Vision einer Frau) sowie die hart an die Karikaturen der »Vie parisienne« und des »Journal amusant« streifenden Bildnisse und
Bildnisgruppen von JeanBoldini galten, nach dem Urteil der Jury wenigstens, für den Höhepunkt der französischen Ausstellung,
da sie mit einer ersten, bez. zweiten Medaille ausgezeichnet wurden.
Noch entschiedener zum Naturalismus bekennt sich A. Ph. Roll (s. d.), der mit vier Genrebildern und einem großen dekorativen
Gemälde: Bei der Arbeit, vertreten war, das einen Werkplatz mit Steinmetzen und Bauhandwerkern
in Suresnes an der Seine darstellt,
Was CarolusDuran, Bonnat und H. Gervex an Bildnissen und Einzelfiguren eingeschickt hatten, trug nicht dazu
bei, den Glanz dieser Namen zu erhöhen. Die erfreulichsten und zugleich gesündesten Gemälde der französischen Abteilung
waren: die Heuernte von JulienDupré, der Abguß nach der Natur (Szene in einem Bildhaueratelier) von E. Dantan, die Segnung des
Meeres und der Schiffbrüchigen von Georg Haquette und In Arkadien (nackte Mädchen in einem von Sonnenlicht
durchdrungenen Walde) von dem in Paris
[* 16] lebenden Amerikaner AlexanderHarrison.
Die englische Abteilung war insofern von Wichtigkeit, als sie dazu beigetragen hat, die hohe Wertschätzung,
welche die englische Malerei infolge einiger mit großem Geschick in Szene gesetzter Eliteausstellungen auf dem Kontinent erworben
hat, auf das richtige Maß zurückzuführen. Der Schwerpunkt
[* 21] der englischen Malerei liegt im Bildnis und, im Zusammenhang damit,
in der genrehaften Darstellung von Einzelfiguren oder in der Verbindung mehrerer Figuren zu einer ruhigen
Existenz ohne leidenschaftliche Erregung oder dramatische Handlung.
Zunächst kommt die Landschaft, in deren Auffassung und Wiedergabe ebenfalls eigenartige nationale Züge zur Erscheinung kommen,
während die Geschichtsmalerei und die Malerei großen Stiles sich als künstliche, zum Teil auf italienischem Boden
gewachsene Zierpflanzen darstellen. Die besten Bildnisse hatte W. Ouleß eingesandt, der zwar als Kolorist stark unter dem
Einfluß von Tizian, Rubens und van Dyck arbeitet, aber in der Kraft
[* 22] und Tiefe der Charakteristik doch den Beweis einer selbständigen
künstlerischen Natur gibt.
Als eine völlig neue Erscheinung, die sich bisher den Blicken der übrigen Welt entzogen hatte, traten zum ersten Male die schottischen
Maler oder eigentlich nur die Maler von Glasgow
[* 23] in eine größere Öffentlichkeit. Dieses Auftreten einer
neuen Malerschule, deren Erzeugnisse ebenso warme Bewunderer
¶