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gelegten Vergehen verficht, während der letztere an der Schuld des Ordens, freilich nicht mehr in demselben Umfang wie in seinen frühern Arbeiten, festhält. Mit der Kirche stehen im innigsten Zusammenhang auch die mittelalterlichen Universitäten, deren Geschichte neuerdings vielfach untersucht ist, insbesondere in den beiden erst begonnenen, großartig angelegten Werken von H. Denifle, »Die Universitäten des Mittelalters« (Berl. 1886, Bd. 1),
und G. Kaufmann, »Die Geschichte der deutschen Universitäten« (Stuttg. 1888, Bd. 1); auch der letztere behandelt im ersten Bande die Entstehungsgeschichte der mittelalterlichen Universitäten im allgemeinen; beide gehen in ihren Ergebnissen mehrfach auseinander, stimmen aber trotz ihrer lebhaften Polemik doch in Bezug auf viele wichtige Grundzüge der Entwickelung miteinander überein. Sehr groß ist dann auch die Litteratur zur Geschichte einzelner Universitäten; wir erwähnen die wichtigen Publikationen der Matrikeln der deutschen Nation zu Bologna durch Friedländer und Malagola (Berl. 1887) sowie der Universitäten Heidelberg [* 2] von G. Töpke (Heidelb. 1884-89,3 Bde.), Frankfurt [* 3] a. O. von Friedländer (Leipz. 1887-88, Bd. 1 u. 2), Rostock [* 4] von A. Hofmeister (Rostock 1889, Bd. 1), dann die Geschichten der Universitäten Heidelberg von A. Thorbecke (Heidelb. 1886 ff.), Freiburg [* 5] (in finanzieller Hinsicht) von E. Pfister (Freiburg 1889), Wien [* 6] (1520-65) von J. ^[Joseph] v. Aschbach (Wien 1889, als 3. Band [* 7] seines ältern Werkes), Ingolstadt [* 8] von Ch. Verdière (Par. 1887), müssen aber darauf verzichten, die zahlreichen, eine kleine Bibliothek füllenden Abhandlungen, welche durch das Jubiläum von Bologna hervorgerufen worden sind, an dieser Stelle aufzuzählen und auf den zusammenfassenden Bericht verweisen, der darüber in der »Zeitschrift für Rechtsgeschichte« (Bd. 9) erstattet worden ist.
Für die Geschichte des mittelalterlichen Kriegswesens ist das umfangreiche Werk des Generals Köhler, »Die Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit« (Bresl. 1886-90,3 Bde.), zu nennen; der Verfasser verbreitet vom militärischen Standpunkt aus vielfach neues Licht [* 9] über Vorgänge, die dem nichtmilitärisch gebildeten Historiker schwerverständlich sind; er hat die Quellen aufs fleißigste herangezogen, verwertet aber und kritisiert dieselben nicht selten mit bedenklichster Willkür.
Auch das Werk vom Freiherrn Roth zu Schreckenstein, »Die Ritterwürde und der Ritterstand« (Freiburg 1886), das die Zusammenfassung der Ergebnisse früherer Arbeiten bezweckt, hat der Natur des Stoffes nach für das gesamte Mittelalter Bedeutung. Dasselbe gilt nach andrer Seite hin von W. Heyds klassischem Buche über die Geschichte des Levantehandels im Mittelalter, das wir hier zu erwähnen haben, weil die neuerdings erschienene französische Übersetzung (»Histoire du commerce du Levant au moyen-âge«, Leipz. 1885-86,2 Bde.) vom Verfasser selbst mit erheblichen Zusätzen und Berichtigungen versehen worden ist.
Die Frage nach der Existenz des sogen. Jus primae noctis ist noch einmal in umfassender Weise behandelt von A. de Foras, »Le [* 10] droit du seigneur« (Chambéry 1886),
der sie unbedingt verneint. Endlich nennen wir hier noch ein bereits in die nächste Periode hinübergreifendes, die Fortsetzung seiner frühern Schriften bildendes Werk von A. Biese, »Die Entwickelung des Naturgefühls im Mittelalter und in der Neuzeit« (Leipz. 1888), welches an Vertretern der einzelnen Zeitepochen darlegt, wie das Verhältnis der Menschen zu den Schönheiten der Natur sich seit dem Beginn unsrer Zeitrechnung gestaltet hat.
Neuzeit. Allgemeine Werke.
Daß die Neuzeit, in der das Leben der einzelnen Völker sich mehr und mehr individualisiert, allgemeiner kulturhistorischer Betrachtung weniger zugänglich ist als das Mittelalter, liegt auf der Hand. [* 11] Am meisten geeignet ist für eine solche noch das 16. Jahrh., in welchem eine großartige geistige Bewegung allmählich ganz Europa [* 12] ergreift; und für diese Epoche haben wir denn auch ein bedeutendes Werk zu nennen: M. Carrière, »Die philosophische Weltanschauung der Reformationszeit in ihren Beziehungen zur Gegenwart« (2. Aufl., Leipz. 1887), ein Werk, das freilich hauptsächlich nur die philosophische Gedankenarbeit dieses Zeitalters, daneben aber doch auch die sozialen Tendenzen und Theorien darstellt.
Von wesentlich andern Gesichtspunkten ausgehend, entwirft J. ^[Johannes] Janssen im sechsten Bande seiner »Deutschen Geschichte« (Freiburg 1888) ein seinen bekannten Anschauungen nach gefärbtes Bild von dem »Kulturzustand des deutschen Volkes vom Ausgang des Mittelalters bis 1618«. Anziehende Schilderungen von den politischen Stimmungen und Meinungen im Revolutionszeitalter bietet W. Wenck in dem größtenteils nach zeitgenössischen Flugschriften bearbeiteten Werke »Deutschland [* 13] vor 100 Jahren« (Leipz. 1887-90,2 Bde.). Im übrigen ist nur wenig von größerer Bedeutung zu erwähnen;
M. Thierbachs Buch über »Die geschichtliche Entwickelung der Handfeuerwaffen« [* 14] (Dresd. 1886-1889,3 Bde.),
das auf langjährigen grund lichen Studien in den hervorragendsten öffentlichen und privaten Waffensammlungen beruht;
E. Müntz, »La tapisserie«, ein Werk, das schon in dritter Auflage (Par. 1889) erschienen ist, gehören dahin;
die meisten derartigen Arbeiten aber, auch wenn sie einen allgemeinen Titel haben, berücksichtigen vorwiegend einzelne Länder (s. unten).
Deutschland, Niederlande, Belgien, Schweiz.
Die Länder, die wir hier zusammen behandeln, haben durch ihre Zugehörigkeit zum einstigen Deutschen Reich eine gemeinschaftliche Geschichte. Die Litteratur aber, welche ihre Kultur behandelt, ist so reich, daß hier noch mehr als in den übrigen Abschnitten unsers Berichts Beschränkung geboten ist.
Beginnen wir mit der Geschichte der Verfassung, so haben wir zwei Werke an die Spitze zu stellen, die beide als reife Frucht langjähriger Studien und umfassender juristischer wie historischer Gelehrsamkeit die reichste wissenschaftliche Förderung gebracht haben: H. Brunners »Deutsche [* 15] Rechtsgeschichte« (Leipz. 1887, Bd. 1) und R. Schröders »Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte« (das. 1889),
neben denen die »Deutsche Rechtsgeschichte« von H. Siegel (Berl. 1886) zurücktritt; in beiden großen Werken sind auch die wirtschaftlichen und sittlichen Grundlagen der rechtlichen und staatlichen Entwickelung berücksichtigt. Auch I. ^[Ignaz] Jastrows preisgekrönte Schrift »Geschichte des deutschen Einheitstraums und seiner Erfüllung« (3. Aufl., Berl. 1890) gewährt einen trefflichen Überblick über die Gesamtentwickelung, allerdings nur unter dem Gesichtspunkt der nationalen Einheit.
Wesentlich zur Orientierung von Ausländern bestimmt ist die kurze Schrift von S. E. Turner, »A sketch of the Germanic constitution from early times to the dissolution of the Empire« (New York 1888). Dagegen sind von erheblicher wissenschaftlicher Bedeutung E. Glasson, »Histoire du droit et des institutions de la France« (Par. 1888 ff., Bd. 1-3),
und Paul Viollets »Droit public, histoire des administrations politiques et administratives de la France« (das. 1890, Bd. 1),
Werke, ¶
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die, soweit es sich um die fränkische Zeit handelt, natürlich auch für die deutsche Verfassungsgeschichte in Betracht kommen.
»Die Geschichte der deutschen Königswahlen« behandelt W. Maurenbrecher (Leipz. 1889), dessen Gesichtspunkt es hauptsächlich ist, das politische Moment in der Entwickelung hervorzuheben und den Kampf zwischen den einander widerstreitenden Prinzipien des Erb- und Wahlrechts bis zum vollen Siege des letztern darzustellen. Mit den einzelnen bei der Königswahl im spätern Mittelalter beobachteten Normen hat sich besonders die Schule des verstorbenen J. ^[Julius] Weizsäcker eifrig beschäftigt. So behandelt E. Engelmann den »Anspruch der Päpste auf Konfirmation und Approbation bei den deutschen Königswahlen« (Bresl. 1886),
und O. Schellhaß, »Das Königslager vor Aachen [* 17] und vor Frankfurt« (der Krönungs- und der Wahlstadt; Berl. 1887),
während J. ^[Julius] Weizsäcker selbst in einer sehr lehrreichen Untersuchung, »Der Pfalzgraf als Richter über den König«, die Entstehung und Entwickelung der Theorie von der Absetzbarkeit eines deutschen Königs dargelegt hat. Hierhin gehört endlich auch noch Kulturgeschichtliche Rodenbergs Untersuchung über »Wiederholte deutsche Königswahlen im 13. Jahrhundert« (Bresl. 1889). »Die Formen des unmittelbaren Verkehrs zwischen den deutschen Kaisern und souveränen Fürsten« (Kongresse und brieflicher Verkehr) hat für das 10.-12. Jahrh. W. Michael festgestellt (Hamb. 1888). Für die Geschichte des Reichstags sind nur zwei Arbeiten aus dem spätern Mittelalter zu nennen: H. Wendt, »Der deutsche Reichstag unter König Sigmund« (Bresl. 1889) und H. Keussens Untersuchung über »Die Reichsstandschaft der Städte unter Friedrich III.« (Bonn [* 18] 1885). Der Geschichte des Reichsbeamtentums gehören auch die Untersuchungen über die ältere Gerichtsverfassung an, mit welcher sich für die ältere fränkische Zeit Fustel de Coulanges in seinen »Recherches sur quelques problèmes d'histoire« (Par. 1885) beschäftigt, der den Anteil des Volkes an der Rechtsprechung (schwerlich mit Grund) für geringer hält, als die gewöhnliche Annahme ist; für das spätere Mittelalter ist hier von besonderer Bedeutung Th. Lindner, »Die Veme« (Paderb. 1887), ein auf umfassendsten Studien beruhendes Buch, das, wenn es nicht alle Fragen löst, die sich an die rätselvolle Erscheinung der Femgerichte knüpfen, doch alle ihrer Lösung näher gebracht hat. Sonst hat in eignen Schriften noch V. Krause, »Geschichte des Instituts der missi dominici« (Innsbr. 1890),
die Königsboten der karolingischen Periode, G. Seeliger aber »Das deutsche Hofmeisteramt im spätern Mittelalter« (das. 1885) behandelt, während eine zweite Schrift desselben Verfassers, »Erzkanzler und Reichskanzleien« (das. 1889), die Geschichte der einzigen Reichsbehörde, die in gewissem Sinne unsern Ministerien verglichen werden kann, bis in die Mitte des 17. Jahrh. verfolgt. Endlich stehen im Zusammenhang mit der Reichsjustizverfassung auch die Organisationen der Landfrieden, mit denen man sich in den letzten Jahren viel beschäftigt hat; wir erwähnen darüber F. J. ^[Fritz Josef] Kelleter, »Die Landfriedensbündnisse zwischen Maas und Rhein im 14. Jahrhundert« (Paderb. 1888),
und J. ^[Jakob] Schwalm, »Die Landfrieden in Deutschland unter Ludwig dem Bayern« [* 19] (Götting. 1889).
Die Kriegsverfassung des Reiches erläutern A. Prenzel, »Geschichte der Kriegsverfassung unter den Karolingern« (Leipz. 1887),
Kulturgeschichtliche Spannagel, »Zur Geschichte des deutschen Heerwesens vom Beginn des 10. bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts« (das. 1885),
und G. Rosenhagen. »Die Reichsheerfahrt von Heinrich VI. bis Rudolf von Habsburg« (das. 1885),
endlich für einen Abschnitt der bei verfassungsgeschichtlichen Studien sehr vernachlässigten Neuzeit R. Fester, »Die armierten Stände und die Reichskriegsverfassung 1681-1697« (Frankf. 1886); im Anschluß hieran können noch die »Beiträge zum Kriegsrecht im Mittelalter, insbesondere in den Kämpfen, an welchen Deutschland beteiligt war, vom 6.-11. Jahrhundert« von A. Levy (Bresl. 1889), sowie die Arbeiten von M. Mendheim (Leipz. 1889) und A. von der Nahmer (Marb. 1888) über reichsstädtisches Kriegs- und Söldnerwesen im spätern Mittelalter erwähnt werden. Die Reichsfinanzverfassung endlich hat nur für eine kurze Periode in M. Prowes Schrift »Die Finanzverwaltung am Hofe Heinrichs VII. während des Römerzugs« (Berl. 1888) eine eigne Bearbeitung gefunden.
Sehr eifrig hat man sich auch in neuester Zeit mit dem Rätsel der deutschen Städteverfassung beschäftigt. Allgemeinere Versuche zur Lösung der schwierigen Fragen haben G. v. Below und R. Sohm unternommen: der erstere in mehreren Aufsätzen in der »Historischen Zeitschrift« und in dem Buche »Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde« (Düsseld. 1889),
unter Anlehnung an den Gedanken v. Maurers, der die Stadt- aus der Landgemeinde hervorgehen ließ, der letztere in der glänzend geschriebenen Abhandlung »Die Entstehung des deutschen Städtewesens« (Leipz. 1890) in schärfster, aber doch wohl etwas einseitiger Beleuchtung [* 20] der Zusammenhänge zwischen Stadt- und Marktrecht. Daneben sind zahlreiche Spezialstudien zu nennen, teils für einzelne Gruppen von Städten, so Köhne für Worms, [* 21] Speier, [* 22] Mainz [* 23] (Bresl. 1890), Lövinson für die westfälischen Reichsstiftsstädte (Paderb. 1889), teils für einzelne Städte, so Stephan für Mühlhausen [* 24] (Sondersh. 1886), H. Pirenne für Dinant (Genf [* 25] 1889), Reinhold für Wesel [* 26] (Bresl. 1888), Liesegang für Köln [* 27] (Bonn 1885) und Rees (Trier [* 28] 1890), Dieckmeyer für Cambray (Bielef. 1890) u. a. Aber auch abgesehen von den eigentlichen Verfassungsfragen übt die Kulturgeschichte der deutschen Städte nach wie vor großen Reiz aus.
Die Methoden, mit denen man sich bemüht hat, über die Bevölkerungszahlen derselben am Ende des Mittelalters ins klare zu kommen, hat I. ^[Ignaz] Jastrow, »Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit« (Berl. 1886), besprochen und darauf hingewiesen, daß unsre Quellen reichlicher für das 16. als für das 15. Jahrh. fließen, daß also die Forschung bei dem erstern einzusetzen habe (s. Bevölkerungsgeschichte, [* 29] S. 116). Für eine einzelne Stadt hat dann Kulturgeschichtliche Bücher, »Die Bevölkerung [* 30] von Frankfurt a. M. im 14. u. 15. Jahrhundert« (Tübing. 1886, Bd. 1), gründliche Studien nicht über die Zahl, sondern auch über Herkunft und Gewerbe der Frankfurter Einwohnerschaft veröffentlicht. Auch was sonst über deutsches bürgerliches Leben gearbeitet worden ist, bezieht sich meist auf einzelne Städte. So schildert L. Hänselmann »Deutsches Bürgerleben« (Braunschw. 1886, Bd. 1) in anziehender Weise im Anschluß an zeitgenössische Chroniken die Zustände Braunschweigs in den drei letzten Jahrhunderten des Mittelalters; andre Arbeiten zur braunschweigischen Stadt- und Landeskulturgeschichte hat derselbe in seinen »Werkstücken« (das. 1887) vereinigt. Ähnliche Sammlungen verschiedenartiger Aufsätze zur Geschichte norddeutscher Städte geben die Bücher von W. v. Bippen, »Aus Bremens Vorzeit« (Brem. 1885),
und Kulturgeschichtliche Koppmann, »Aus Hamburgs ¶