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nördliche Sardinien [* 2] und vereinzelt im Norden [* 3] Treviso an der Spitze der Reihe. Für den südlichen Teil und Sardinien sind die Volksgebräuche der Vendetta (Sardinien), Mafia (Sizilien) [* 4] und Camorra (Süden, Kalabrien) als Hauptfaktoren der Delikte gegen das Leben zu nennen. Bezüglich der Personal- und der Eigentumsdelikte verhalten sich der Süden und Norden des Landes gerade entgegengesetzt. Die Eigentumsdelikte sind im Norden und Nordosten zu Hause, etwa mit Ausnahme von Piemont, dann in Treviso, Rom, [* 5] Sassari.
Dagegen steht der Norden, was die Delikte gegen das Leben anbelangt, sehr günstig da; es finden sich diese in größerm Maße vielmehr ill Girgenti und der westlichen Hälfte von Sizilien, in Avellino und Campobasso, auf der Südspitze des Festlandes, in Nordsardinien und Rom. Die Sittlichkeitsdelikte sind im Süden des Festlandes am zahlreichsten. Die Hauptstadt ragt nicht entfernt so hervor wie in Frankreich, wenn sie auch immerhin bez. der Eigentumsdelikte in den vordern Reihen steht.
Deutschland [* 6] (vgl. die Kartenbeilage). In Preußen [* 7] bilden die Delikte aus Gewinnsucht, wenigstens in der letzten Zeit, ungefähr die Hälfte, stehen also etwas mehr im Vordergrund als in Italien; [* 8] die andre Hälfte wird zum weitaus größten Teil durch die Personaldelikte ausgefüllt, wobei aber die Sittlichkeitsdelikte ziemlich zurücktreten; die Zahl der Delikte gegen die öffentliche Ordnung kann man nicht gerade als niedrig bezeichnen, etwa 15 Proz. Am ungünstigsten stellen sich bez. der Kriminalität überhaupt der Osten und die Mitte (Provinzen Ost- und Westpreußen, [* 9] Schlesien, [* 10] Posen, [* 11] Brandenburg), [* 12] am günstigsten Holstein und Hannover. [* 13]
Dabei zeichnet sich der kulturarme Osten mehr durch Gewinnsuchtsdelikte, der Westen besonders durch Leidenschaftsdelikte und Betrugsfälle aus. Bayerns Kriminalität ist gleichfalls eine hohe und nach Gebietsteilen sehr verschiedene; charakteristisch ist für Oberbayern Diebstahl, für Niederbayern Angriffe gegen Personen, für Schwaben Betrug, Oberpfalz Widersetzlichkeiten gegen die öffentliche Gewalt und für die Rheinpfalz Unsittlichkeitsdelikte. Sachsen [* 14] war insbesondere früher, vor etwa 20 Jahren, das Land zahlreicher Diebstähle, auf welche etwa zwei Drittel aller Delikte entfielen; dieselben haben aber seither bedeutend abgenommen.
Gegenwärtig betragen sie verhältnismäßig nur etwas mehr als in Preußen. Überhaupt sind die Gewinnsuchtsdelikte, dann jene gegen die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit häufiger, jene gegen die Personen weniger zahlreich als anderwärts im Deutschen Reiche. Diese aus den Erhebungen der einzelnen Länder gewonnenen Resultate werden durch die Resultate der Reichskriminalstatistik im wesentlichen bestätigt. Nach derselben verteilt sich die Gesamtziffer der strafbaren Handlungen in solcher Weise auf die einzelnen Abschnitte des Reichsstrafgesetzbuchs, daß die Gewinnsuchtsdelikte etwas mehr als die Hälfte aller (51 Proz.) und speziell der Diebstahl etwa ein Drittel (32 Proz.) ausmachen. Die Verbrechen und Vergehen gegen die Personen sind im Anteil nicht viel stärker als das letztgenannte Delikt und betragen 34 Proz. Auf die dritte Hauptgruppe endlich, auf die Delikte gegen Staat, öffentliche Ordnung und Religion, entfallen 14 Proz., sonach etwa derselbe Prozentsatz, der für Beleidigung (13 Proz.) oder für Körperverletzung (15 Proz.) zu verzeichnen ist. Näheres ist aus folgender Tabelle ersichtlich.
Deutsches Reich. Verbrechen und Vergehen gegen die Reichsgesetze (1887).
Delikte | Verurteilt Personen überhaupt | Verurteilt Personen auf 100000 strafmündige Einw. | Auf je 10000 Delikte |
---|---|---|---|
Sämtliche Delikte | 356357 | 1068 | 10000 |
I. Delikte gegen Staat, öffentliche Ordnung und Religion. | 62348 | 187 | 1390.5 |
1) Hochverrat | 28 | 0.08 | 0.9 |
2) Beleidigung der Fürsten | 540 | 1.6 | 14.1 |
3) Widerstand gegen die Staatsgewalt | 14686 | 44 | 305.6 |
4) Del. gegen die öffentl. Ordnung | 44582 | 134 | 993.0 |
5) Münzdelikte | 202 | 0.61 | 4.6 |
6) Meineid | 1515 | 4.5 | 49.2 |
7) Falsche Anschuldigung | 507 | 1.5 | 16.3 |
8) Religionsdelikte | 288 | 0.86 | 6.8 |
II. Delikte gegen Personen | 137745 | 413 | 3396.6 |
1) Bezügl. Personenstand | 106 | 0.32 | 2.5 |
2) Gegen die Sittlichkeit | 7571 | 23 | 270.3 |
3) Beleidigung | 44084 | 132 | 1343.9 |
4) Zweikampf | 99 | 0.30 | 1.2 |
5) Wider das Leben | 1326 | 4.0 | 30.9 |
6) Körperverletzung | 77727 | 233 | 1467.6 |
7) Wider die persönl. Freiheit | 6832 | 20 | 280.2 |
III. Delikte gegen das Vermögen | 154745 | 463 | 5124.0 |
1) Diebstahl und Unterschlagung | 99911 | 299 | 3196.1 |
2) Raub und Erpressung | 841 | 2.5 | 24.9 |
3) Begünstigung und Hehlerei | 7901 | 24 | 310.6 |
4) Betrug und Untreue | 15689 | 47 | 786.0 |
5) Urkundenfälschung | 3246 | 9.7 | 149.5 |
6) Bankrott | 780 | 2.3 | 17.4 |
7) Strafbarer Eigennutz etc. | 10039 | 30 | 209.4 |
8) Sachbeschädigung | 13099 | 39 | 351.8 |
9) Gemeingefährliche Delikte | 3239 | 9.7 | 78.3 |
IV. Delikte im Amte | 1519 | 4.6 | 88.9 |
Anlangend die territoriale Verteilung dieser verschiedenen Delikte, gemäß den Ergebnissen der Reichsstrafstatistik, sind die Delikte gegen die Person am häufigsten in der Pfalz, Ober- und Niederbayern, Oppeln [* 15] und Posen, seltener im Norden; speziell die Delikte gegen die Sittlichkeit in den Rheinlanden. Dagegen stehen die Gewinnsuchtsdelikte in Sachsen, Thüringen und Ostpreußen im Vordergrund. Für einige der größern Staaten stellen sich die Zahlen in folgender Weise heraus:
Verurteilte wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze 1882-86 auf 100,000 strafmündige Einwohner.
Staaten | Gesamtzahl | Delikte gegen Personen | Delikte gegen das Vermögen |
---|---|---|---|
Preußen | 1016 | 368 | 514 |
Bayern | 1190 | 563 | 527 |
Sachsen | 973 | 276 | 544 |
Württemberg | 889 | 357 | 431 |
Baden | 831 | 307 | 448 |
Großherzogtum Hessen | 724 | 338 | 322 |
Sachsen-Weimar | 831 | 239 | 513 |
Oldenburg | 626 | 197 | 357 |
Elsaß-Lothringen | 722 | 354 | 313 |
b) Die sozialen Ursachen mit variabler und zwar akuter Wirkung.
1) Kriege. In Kriegszeiten geht die Verbrechensziffer gewöhnlich herab. Dies dürfte bei sogen. Volkskriegen auf einen Aufschwung des Volksgeistes ¶
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zurückzuführen sein; anderseits darf man nicht übersehen, daß zu Kriegszeiten die kriminellsten Volksklassen, nämlich jene zwischen dem 20. und 30. Jahre, unter den Fahnen stehen und vielleicht außer Landes sind, und daß naturgemäß eine Herabminderung der Thätigkeit der Gerichte eintritt. Nach dem Friedensschluß geht die Verbrechensziffer wieder entschieden in die Höhe, und es zeigt sich in derselben die Verrohung, welche in gewissem Maße als Folge eines jeden Krieges eintritt, vornehmlich durch die Vermehrung der Gewaltsamkeitsdelikte (s. Textfigur, S. 523).
2) Politische Revolutionen. Wie diese auf die Verbrechensziffer einwirken, hängt von den Ursachen und der Beschaffenheit der Revolten ab. Als ein höchst charakteristisches sozial-ethisches Moment sei hier erwähnt, daß Generationen, welche in Revolutionszeiten geboren worden sind, durch ihr ganzes Leben hindurch eine ganz prägnante Kriminalität beibehalten.
3) Ökonomische Krisen. Die ökonomischen Krisen finden in die städtische Bevölkerung [* 17] ungemein leicht Eingang, äußern hier sehr bald und sehr rasch ihre Wirkungen durch die Erhöhung der Gewinnsuchts- und Gewaltsamkeitsdelikte, der Delikte gegen Staat, öffentliche Ordnung u. dgl.; sie verlieren aber ebenso rasch wieder, oft durch nebensächliche Umstände, ihre Wirkung. Dagegen dauert es meist geraume Zeit, ehe die Krisen ihre Einwirkung auf das offene Land ausüben, dafür aber sind dort ihre Spuren um so nachhaltiger und um so schwerer zu vertilgen. Alle diese genannten Ursachen mit variabler akuter Wirkung rufen in der Verbrechenskurve plötzliche markante Unterbrechungen, entweder Einschnitte oder Erhöhungen hervor, nach welchen deren Lauf wieder eine ruhigere Gestalt annimmt.
c) Soziale Ursachen mit variabler chronischer Wirkung.
Alle jene sozialen Thatsachen, welche wir unter dem Namen der Kultur zusammenfassen, üben auf die Entwickelung der Kriminalität eines Volkes einen allmählich umgestaltenden Einfluß aus. Die Einwirkung derselben ist gerade entgegengesetzt der Einwirkung der individuellen Ursachen, welche vielmehr die Grundlage der Gleichförmigkeit und Regelmäßigkeit in den alljährlichen Kriminalitätsziffern sind. Mit Hilfe der Kriminalstatistik ist man nun im stande, für einige Staaten und einen großen Zeitraum des 19. Jahrh. die Bewegung der Kriminalitätsziffer zu beobachten. Die wichtigsten Erscheinungen sind hier folgende:
1) Die strafbaren Handlungen im ganzen, also die schweren und leichten zusammengenommen, sind im Verlauf der letzten 30-50 Jahre im Steigen begriffen; dabei aber vermehren sich nur die leichten, während die schweren eher abnehmen. Nun ist es allerdings richtig, daß der Kreis [* 18] der strafgesetzlich zu ahndenden Delikte in diesem Jahrhundert eher in Zunahme als in Abnahme begriffen ist und viele Strafsachen aus der administrativen Gerichtsbarkeit in die strafgerichtliche übergingen; ferner, daß die Repression und die Ausbildung der Polizei immer mehr und mehr zunimmt. Diese Umstände dürften jedoch nur zu einer Abschwächung der Ziffern, keineswegs aber zu einer prinzipiellen Änderung des Resultats führen. Es ist ja überdies immerhin schon ein sozial-ethisch ungünstiges Symptom, wenn der Staat genötigt ist, früher erlaubte Handlungen als strafbar zu erklären oder administrative Strafsachen in richterliche umzuwandeln, resp. auf eine schärfere Handhabung der Repressivgewalt hinzuarbeiten.
Im Deutschen Reiche z. B. entfielen strafbare Handlungen auf 100,000 strafmündige Einwohner:
1882: 1215
1883: 1241
1884: 1316
1885: 1346
1886: 1362
1887: 1362
In Österreich [* 19] kamen Verurteilte wegen Verbrechen auf 10,000 Einw.:
1882: 14,5
1883: 13,6
1884: 13,5
1885: 13,6
1886: 13,0
dagegen wegen Übertretungen in derselben Zeit 210,219,223, 237,244. Über den Gang [* 20] der Verbrechenskurve in Frankreich seit 1830 und in Preußen seit 1854 vgl. die zwei folgenden Tabellen:
Frankreich. (Alle Ziffern in 1000)
Jahr | Von den Schwurgerichten abgeurteilte Verbrechen | Von den Korrektions-Tribunalen abgeurteilte délits (Vergehen) | |
---|---|---|---|
gegen d. Eigentum | gegen die Person | ||
1826 | 4.2 | 1.6 | 41.0 |
1830 | 4.4 | 1.3 | 40.0 |
1835 | 3.8 | 1.9 | 50.1 |
1840 | 4.9 | 1.7 | 67.9 |
1845 | 3.8 | 1.7 | 76.7 |
1850 | 3.5 | 2.3 | 109.6 |
1855 | 3.5 | 1.7 | 127.6 |
1860 | 2.3 | 1.7 | 114.9 |
1865 | 2.0 | 1.8 | 116.0 |
1870 | 1.7 | 1.3 | 85.2 |
1875 | 2.3 | 1.8 | 145.3 |
1878 | 1.9 | 1.7 | 142.9 |
In Preußen kam in dem Zeitraum 1854-78 im Durchschnitt eine Untersuchung wegen
Jahr | Verbr. u. Vergehen | Übertretung auf Einwohner: | Holzdiebstahl |
---|---|---|---|
1854 | 170 | 103 | 52 |
1860 | 191 | 125 | 43 |
1865 | 182 | 122 | 45 |
1870 | 177 | 118 | 50 |
1875 | 176 | 79 | 59 |
1878 | 142 | 63 | 60 |
Den verschiedenen Gang der Kurve für die schweren und jener für die leichten Delikte soll die Darstellung (nach Starke) S. 523 versinnlichen.
2) Die Delikte aus Gewinnsucht nehmen relativ ab, jene gegen die Person zu, man zählte in Frankreich:
1826-30 | 1874-78 | |
---|---|---|
Verbrechen gegen die Person | 100 | 117 |
Verbrechen gegen das Eigentum | 100 | 49 |
In Deutschland wurden gezählt reichsstrafgesetzlich verfolgbare Handlungen, wegen deren Verurteilungen erfolgten im Verhältnis zu 100,000 strafmündigen Einwohnern:
Jahr | gegen die Person | gegen das Vermögen |
---|---|---|
1882 | 336 | 696 |
1883 | 349 | 708 |
1884 | 397 | 718 |
1885 | 416 | 724 |
1886 | 437 | 712 |
1887 | 447 | 702 |
Über Frankreich und Preußen, resp. längere Zeiträume vgl. die graphische Darstellung S. 523 und die vorhergehenden Tabellen. Wenn aber die Gewinnsuchtsdelikte nicht entschieden in Zunahme begriffen sind, so ist das ein Zeichen, daß die ökonomische Depression [* 21] unsrer Zeit in ihrer Einwirkung auf die Kriminalität nicht überschätzt werden darf.
3) Die Delikte werden gegen früher in erhöhtem Maße von einzelnen verübt, und die Zahl der sich zum Verbrechen Vereinigenden nimmt gegen früher stetig ab, letztere beträgt jetzt für Deutschland 3-4. Es entfallen z. B. auf je 100 Strafsachen in Frankreich Angeklagte:
1826-30 | 1874-78 | |
---|---|---|
bei Geschwornengerichten | 130 | 126 |
bei Korrektionstribunalen | 140 | 118 |
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