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Deutsches Reich. Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze (1887).
Berufsabteilungen | Von je 1000 der bei a), b) und c) bezeichneten Kategorien gehörten den nebenstehenden Berufsabteilungen an | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
c) Verurteilte wegen | ||||||||
a) Einwohner überhaupt 1 | b) Verurteilte überhaupt 2 | Meineid 3 | Unzucht etc. 4 | Diebstahl 5 | Betrug 6 | Wucher 7 | Brandlegung 8 | |
Land- u. Forstwirtschaft. Selbständige und Leiter | 73 | 57 | 98 | 16 | 30 | 33 | 28 | 42 |
Gehilfen | 189 | 237 | 255 | 261 | 268 | 208 | 28 | 452 |
Angehörige | 153 | 32 | 31 | 8 | 41 | 14 | - | 50 |
Industrie etc. Selbständige | 70 | 75 | 112 | 80 | 30 | 66 | 250 | 53 |
Gehilfen | 133 | 267 | 176 | 387 | 263 | 284 | - | 193 |
Angehörige | 136 | 43 | 36 | 15 | 58 | 28 | 28 | 44 |
Handel und Verkehr. Selbständige | 22 | 52 | 75 | 28 | 14 | 85 | 611 | 13 |
Gehilfen | 28 | 45 | 40 | 58 | 42 | 91 | - | 12 |
Angehörige | 41 | 11 | 10 | 3 | 9 | 8 | - | - |
Freie Berufsarten. Erwerbsthätige | 18 | 14 | 14 | 38 | 5 | 23 | - | 4 |
Angehörige | 17 | 2 | 1 | 2 | 2 | 2 | - | - |
Hausdienstboten. Erwerbsthätige | 47 | 21 | 39 | 6 | 45 | 38 | - | 27 |
Angehörige | 2 | 0 | - | - | 0 | 0 | - | - |
Tagelöhner. Erwerbsthätige | 8 | 79 | 60 | 77 | 142 | 92 | - | 76 |
Angehörige | 5 | 16 | 5 | 5 | 34 | 10 | - | 13 |
Ohne Berufsangabe. Selbständige | 43 | 46 | 42 | 15 | 13 | 16 | 55 | 19 |
Angehörige | 15 | 3 | 6 | 1 | 4 | 2 | - | 2 |
: | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 |
II. Die physikalischen oder kosmischen Ursachen.
Die wichtigsten der aus der den Menschen umgebenden äußern Natur hervorgehenden Ursachen der Ausgestaltung der sozialen Kriminalität sind Bodengestaltung, Klima, [* 2] Abwechselung von Tag und Nacht, Jahreszeiten, [* 3] Witterungsverhältnisse, Temperaturschwankungen etc. Von diesen Ursachen ist vorläufig erst der Einfluß der Jahreszeiten genügend festgestellt und soll in der folgenden Tabelle ersichtlich gemacht werden. Die mit * versehenen Zahlen bezeichnen die Maxima der Hauptsummen von 1)-3); die Maxima der einzelnen Delikte sind durch liegende Ziffern ausgezeichnet.
Deutsches Reich. Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze nach Jahreszeiten (1885).
Verbrechen und Vergehen | Wenn das Tagesmittel für das Jahr = 100 ist, so beträgt dasselbe für | |||
---|---|---|---|---|
Winter | Frühjahr | Sommer | Herbst | |
1) Verbrechen und Vergehen überhaupt | 98 | 95 | *104 | 103 |
2) Verbrechen und Vergehen gegen die Person überhaupt | 94 | 98 | *105 | 103 |
Unzucht | 61 | 103 | 141 | 95 |
Ärgernis durch unz. Handlungen | 62 | 108 | 142 | 88 |
Beleidigung | 84 | 97 | 118 | 101 |
Einfache Körperverletzung | 77 | 97 | 125 | 101 |
Gefährliche Körperverletzung | 78 | 97 | 120 | 105 |
3) Verbrechen u. Vergehen gegen das Vermögen überhaupt | *114 | 93 | 90 | 103 |
Einfacher Diebstahl | 119 | 89 | 87 | 105 |
Schwerer Diebstahl | 109 | 95 | 96 | 100 |
Hehlerei | 129 | 95 | 81 | 95 |
Betrug | 115 | 93 | 88 | 104 |
Sachbeschädigung | 93 | 108 | 102 | 97 |
Man ersieht deutlich, daß in der warmen Jahreszeit die Delikte gegen die Personen, in der kalten diejenigen gegen das Vermögen überwiegen. Dem entsprechend sind Versuche gemacht worden, zu beweisen, daß die heißen und kalten Gegenden, also z. B. der Süden und Norden [* 4] Europas, sich in analoger Weise zur Kriminalität verhalten, und in der That scheinen die hohen Ziffern Italiens [* 5] und Spaniens für Morde, Totschläge etc. hierfür zu sprechen. Dabei dürfte aber auch zu beachten sein, daß diese Gegenden auf einer relativ niedrigen Bildungsstufe gegenüber dem Norden stehen und demgemäß die gewaltsamern Delikte vorwalten. Dafür spricht auch, daß die Gewaltsamkeiten in Italien [* 6] mit den Fortschritten der allgemeinen Bildung in Abnahme begriffen sind.
III. Die sozialen Ursachen.
Die sozialen
Ursachen umfassen mehrere
Gruppen von verschiedenartiger Einwirkung auf die soziale Kriminalität und zwar a) diejenigen,
welche aus den
Erscheinungen der Zusammengehörigkeit und gesellschaftlichen sowie natürlichen
Verbände der
Menschen in
Familie,
Rasse, Ansässigkeit etc. hervorgehen und gemäß der
Stabilität dieser
Erscheinungen auch die Gleichförmigkeit
in den
Ziffern der Kriminalität hervorrufen; b) jene, welche mit ihrem plötzlichen Auftreten und raschen Verschwinden
ganz ebensolche Veränderungen in der Kriminalität eines
Volkes bewirken, denen dann der gleichförmige
Gang
[* 7] wieder folgt; wir nennen
diese die akut wirkenden
Ursachen; c) jene, welche eine allmähliche Umgestaltung der gesamten kriminellen
Verhältnisse eines
Volkes bedingen, und deren
Wirkung sich als eine chronische bezeichnen läßt; es ist dies im allgemeinen
jener unlösbare Ursachenkomplex
, den man als die
Kultur bezeichnet.
a) Die sozialen Ursachen mit konstanter Wirkung.
1) Zivilstand. Das eheliche Leben mit seinen Anforderungen an die Erhaltung der Familie ist ein schützender Damm gegenüber dem Verbrechen, und vornehmlich die männlichen ledigen Klassen stellen ein höheres Kontingent zu den Delinquenten als die verheirateten. Insbesondere ist es der Umstand der Filiation, d. h. des Besitzes von Kindern, der vom Verbrechen abhält. Im speziellen kann allerdings die eheliche Bevölkerung [* 8] krimineller sein, z. B. bei Giftmorden, Verwandtenmorden, Abortus. Im Deutschen Reiche wurden wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze verurteilt von je 1000 strafmündigen Einwohnern desselben Geschlechts und Familienstandes (1886): ¶
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männl. | weibl. | |
---|---|---|
Ledige | 27 | 4 |
Verheiratete | 15 | 4 |
Verwitwete und Geschiedene | 10 | 3 |
In Österreich [* 10] begingen 1883 von je 1000 Einw. desselben Geschlechts und Zivilstandes Verbrechen:
männl. | weibl. | |
---|---|---|
Ledige | 48 | 8 |
Verheiratete | 27 | 4 |
Verwitwete | 20 | 4 |
2) Legitimität. Daß die unehelich gebornen Personen am Verbrechen stärker Anteil nehmen als die ehelich Gebornen oder Legitimierten und dadurch des Segens des geordneten Familienlebens teilhaftig Gewordenen, wird allgemein und wohl mit Recht angenommen, obgleich der ziffermäßige Beweis bisher fehlt, da man bekanntlich noch für kein Volk die Zahl der Illegitimen in der stehenden Volkszahl kennt.
3) Seßhaftigkeit. Die flottante Bevölkerung ist ungleich krimineller als die seßhafte, denn der enge Zusammenhang in der Gemeinde, welcher die Scheu der Markgenossen voreinander erzeugt, aber auch die Lebensverhältnisse konsolidiert und sichert, schützt vor dem Verbrechen. Das wahre Berufsverbrechertum ist meist auch flottant, und seine Hauptherde sind neben den Proletariermassen der Vorstädte das eigentliche Bettler- und Vagantentum.
4) Konfession. Der Einfluß der Konfession kann im allgemeinen nur schwer für sich beobachtet werden, da sich mit demselben meist der Einfluß des Stammescharakters, der Rasse, Nationalität u. dgl. kreuzt. So zeigen z. B. die Katholiken und Protestanten gegeneinander ein wechselndes Verhalten, je nachdem, welche Staaten oder Gebietsteile man vergleicht, und je nachdem, in welchen Lebensverhältnissen sich die Angehörigen dieser beiden Konfessionen [* 11] befinden. Im Deutschen Reiche sind die Katholiken krimineller als die Evangelischen und auch als die Juden, wobei aber die letztern in den meisten mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden und einigen andern Delikten an der Spitze stehen, wie die folgende Tabelle aufweist; durch die fett gedruckten Ziffern ist leicht ersichtlich, welche Konfessionsangehörigen bei jedem einzelnen Delikt sowie überhaupt am kriminellsten sind.
Deutsches Reich. Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze nach der Konfession (1886).
Auf 100000 Einwohner (Gesamtbevölkerung) derselben Konfession kommen Verurteilte:
Hauptgruppen | Evang. | Kathol. | Juden |
---|---|---|---|
Delikte gegen Staat, Religion und öffentliche Ordnung | 118 | 119 | 139 |
Delikte gegen die Person | 252 | 344 | 233 |
Delikte gegen das Vermögen | 317 | 371 | 227 |
Einzelne Delikte | |||
Meineid | 1.6 | 2.0 | 3.2 |
Beleidigung | 87 | 93 | 136 |
Einfache Körperverletzung | 37 | 48 | 31 |
Gefährliche Körperverletzung | 92 | 157 | 37 |
Einfacher Diebstahl | 162 | 189 | 52 |
Schwerer Diebstahl | 18 | 21 | 4.4 |
Sachbeschädigung | 25 | 33 | 9.0 |
Brandstiftung | 1.2 | 1.1 | 0.4 |
Delikte gegen § 147 der Gew.-Ordn. | 10 | 5.4 | 17 |
Hehlerei | 13 | 18 | 13 |
Betrug | 25 | 27 | 63 |
Fälschung von Urkunden | 6.0 | 6.6 | 11 |
Einfacher Bankrott | 0.9 | 0.7 | 19 |
5) Nationalität und Volkscharakter. Die Kriminalität hat bei jedem der Hauptvölker einen bestimmten Charakter, wenn auch derselbe selbstverständlich nicht ausschließlich vom Faktor Nationalität oder Stammeseigentümlichkeit abhängig ist. Überdies ist dabei die Summe der Merkmale, welche man unter Stammeseigentümlichkeit, speziell unter Nationalität begreift, sehr umfassend und mit andern Ursachen gekreuzt, Immerhin aber läßt sich wenigstens für einige Hauptvölker, die Deutschen, Franzosen und Italiener, ihr krimineller Typus angeben.
In Frankreich (vgl. die Kartenbeilage) kommt die Zahl der Verbrechen gegen die Person, einschließlich jener gegen die öffentliche Ordnung einerseits den Verbrechen gegen das Eigentum etwa gleich, und gilt dabei als besonderes Merkmal die starke Verbreitung der Sittlichkeitsdelikte. Die kriminellsten Departements bilden einen zusammenhängenden Komplex, der den Norden vom Osten bis zum Westen umfaßt, sich gegen Süden fortsetzt und durch einen schmalen Streifen (die Departements Tarn und Hérault) mit dem Komplex der Departements im Südosten zusammenhängt.
Dabei ist sonach die Mitte des Landes (mit Ausnahme von Puy de Dôme und Rhône) die günstige Gegend, ebenso wie vereinzelte äußerste Grenzdepartements im Norden, Westen und Süden. Was nun speziell die Delikte gegen die Person anbelangt, so stehen am ungünstigsten die Departements Seine, Seine-Inférieure nebst Umgebung, Rhône und Bouche du Rhône, Ober-Garonne, Gironde und die nördliche Bretagne, d. h. meist Departements mit großen Städten. Die Sittlichkeitsdelikte gegen Kinder und jene gegen Erwachsene haben untereinander ganz verschiedene Standorte; die erstern finden sich zumeist in den Departements mit großen Städten, Industriezentren und Handelsemporien, die letztern in Corsica, [* 12] den Alpen [* 13] und der Bretagne, so daß beide Arten ethisch wohl vollständig verschiedenartig zu qualifizieren sind.
Die Morde sind am zahlreichsten in Corsica, den südlichen Alpen und Pyrenäen; während in Corsica Gewehr und Pistole benutzt werden, dient sonst in erster Linie das Messer. [* 14] Der Kindesmord ist am häufigsten im Norden und Nordosten, in den zurückgebliebenen Gegenden der Bretagne und Umgebung, dann in Creuse, wo die männliche Bevölkerung auswärts beschäftigt ist, endlich in der Umgebung der Hauptstadt. Überhaupt sind Corsica und dann das Departement der Seine die kriminellsten Gebiete des ganzen Landes.
Corsica, welches bez. der Morde an der Spitze steht, ist, was die Eigentumsdelikte anbelangt, am Ende der Reihe zu suchen;
doch nehmen die Morde ab.
Dagegen wird die Stellung des Departements Seine immer ungünstiger;
es steht 1825-80 geradezu bez. aller Eigentumsdelikte entweder an erster oder nächstfolgender Stelle, ebenso wie bez. der Unsittlichkeit gegen Kinder;
dabei haben sich die Gewinnsuchtsdelikte um etwa die Hälfte vermindert, die Personaldelikte verdreifacht.
Die gesamte Kriminalität von Paris [* 15] hat sich in den letzten 40 Jahren verdoppelt, während sie in den übrigen Städten etwa um ein Viertel stieg und auf dem Lande um ein Drittel fiel.
Italien (vgl. die Kartenbeilage). Die Kriminalität Italiens ist schon an sich und auch im Verhältnis zu den übrigen Staaten hoch; die Delikte gegen die Person und gegen das Eigentum stehen sich beiläufig gleich, und dabei behaupten diejenigen gegen die öffentliche Ordnung einen ganz besonders hervorragenden Platz. Unter den Personaldelikten ragen ganz vornehmlich solche gegen das Leben, und zwar insbesondere der Totschlag, hervor. Der Süden ist entschieden krimineller als der Norden, und zwar stehen die Provinzen Livorno, [* 16] Rom, [* 17] Neapel, [* 18] Avellino, Campobasso in der Mitte, dann die Südspitze des Festlandes, das ¶