Feuergefährlichkeit und große Luftfeuchtigkeit bei Regenwetter. Unter den meisten dieser Übelstände leidet das Pflegerpersonal
mehr als die Kranken in ihren
Betten. In
Europa
[* 2] wurden
Zelte zuerst 1812 im spanischen
Befreiungskrieg benutzt, später wurden
sie von
Österreich
[* 3] sehr warm empfohlen und im
Krimkrieg mit Vorteil angewandt. Im größten
Maßstab
[* 4] aber fanden
sie im nordamerikanischen
Kriege Verwendung. Im deutsch-französischen
Kriege bestätigte es sich, daß
Wunden, aber auch innere
Krankheiten, besonders solche von infektiöser
Natur, bei Zeltbehandlung einen viel schnellern, vollständigern Heilungserfolg
aufweisen als in geschlossenen
Krankenhäusern.
Dabei kommt das Übergreifen ansteckender
Krankheiten von einem
Zelte auf das andre kaum in
Frage. Das Krankenzelt der
deutschen
Armee, welches zwölf
Betten aufnimmt, hat ein hölzernes
Gerippe, welches mit Segelleinwand, bez. wasserdichtem
Segeltuch
bespannt wird. Das
Dach
[* 5] besteht aus
Ober- und Unterdach mit Öffnungen zur
Ventilation. Die Giebelwände bestehen aus zwei übereinander
fallenden Vorhängen. An der einen Giebelwand ist ein Klosettraum und ein Wärter- und Geräteraum abgeteilt.
Für
Heizung
[* 6] empfiehlt sich Niederdruckwasserheizung.
Die geringere
Empfänglichkeit der
Farbigen gegen
Malaria und
Sumpffieber ist nach
Buchner eine Teilerscheinung der allgemeinen
Anpassung der tropischen
Bevölkerung
[* 8] an ihr
Klima;
[* 9] Stockvis bringt dieselbe in Zusammenhang mit dem Umstand,
daß im
Gegensatz zu den in den
Tropen lebenden Europäern die dortigen Eingebornen meistens keine
Spirituosen genießen. Auch
beweist die Mortalitätsstatistik der in Tropenländern stationierten englischen und holländischen
Truppen, daß die
Sterblichkeit
unter denselben zwar anfangs eine beträchtliche ist, daß dieselbe jedoch
Hand
[* 10] in
Hand gehend mit der Einführung
von hygienischen Maßregeln (Beschaffung von gutem Trinkwasser, Herstellung gesunder
Wohnungen, Trockenlegung von
Sümpfen
etc.) von Jahr zu Jahr abnimmt.
Bei der verschiedenen Widerstandsfähigkeit verschiedener
Völker kommt auch die
Ernährung in Betracht, wie denn z. B. in
Japan
[* 11] und
Ostindien
[* 12] die vorwiegend von
Vegetabilien lebenden Eingebornen von der
Beri-Beri weit häufiger und
heftiger befallen werden als die daselbst lebenden
Europäer, die viel
Fleisch essen. Daß die Widerstandsfähigkeit gegen
Krankheiten, bez. die größere oder geringere
Sterblichkeit bis zu gewissem
Grade durch die
Rasse bedingt wird, dafür spricht der Umstand,
daß bei den in den
Vereinigten Staaten
[* 13]
Nordamerikas lebenden
Negern und Negermischlingen jährlich auf 1000
Personen
durchschnittlich 17,3 Sterbefälle, auf die daselbst lebenden
Indianer auf 1000
Personen sogar 23,6 Sterbefälle kommen, während
unter der weißen
Bevölkerung der
Vereinigten Staaten die jährliche Durchschnittssterblichkeit nur 14,7 auf 1000 beträgt.
Daß bei der weißen
Rasse der brünette
Typus (schwarzes
Haar,
[* 14] dunkle
Augen und dunkler
Teint) dem blonden
Typus (blondes
Haar, blaue
Augen und heller
Teint) in gesundheitlicher Hinsicht überlegen ist,
folgert
de Candolle aus den Ergebnissen
der in
Nordamerika
[* 15] an 600,000 Konskriptionspflichtigen angestellten Untersuchungen. Es wurden bei dieser Gelegenheit von blonden
Individuen durchschnittlich 385 auf 1000, von brünetten
Personen nur 332
Personen auf 1000 wegen körperlicher Mängel
oder
Krankheit militäruntauglich befunden.
Bemerkenswert ist die Widerstandsfähigkeit der Naturvölker gegen
Verletzungen, operative
Eingriffe und dergleichen. Verwundungen,
die das
Leben des Europäers in
Gefahr bringen, werden von der
Mehrzahl der
Farbigen verhältnismäßig leicht überstanden.
Schon der vorgeschichtliche
Mensch hat eine bedeutende Widerstandsfähigkeit gegen operative
Eingriffe besessen, wie die von
Broca und Prunières in vorgeschichtlichen Fundstätten
Frankreichs aufgefundenen
Schädel beweisen, welche
erkennen lassen, daß an den betreffenden Individuen zu Lebzeiten die
Trepanation des behaarten
Kopfes ausgeführt wurde, und
daß dieselben die
Operation glücklich überstanden haben.
[* 16] (hierzu
Karte »Verbreitung einiger
[* 17]Krankheiten in
Deutschland«).
[* 18] Bis vor wenigen
Jahrzehnten waren in der wissenschaftlichen
Medizin die Bestrebungen der
Ärzte fast ausschließlich auf die Erkennung und
Heilung der menschlichen
Krankheiten, d. h. auf das
Studium des erkrankten
Menschen und dessen Wiederherstellung, gerichtet;
erst in neuerer Zeit ist eine andre, nicht minder bedeutsame Seite der ärztlichen Berufsthätigkeit,
die Bewahrung des gesunden
Menschen vor dem Erkranken, in den
Vordergrund getreten.
Der Abwehr oder Prophylaxe der
Krankheiten sind die umfassenden
Arbeiten auf dem Gebiet der Hygiene gewidmet, denen die Neuzeit
mit
Recht eine ganz besondere Wertschätzung zollt. Dem hygienischen
Forscher darf es nicht genügen, die Krankheitserscheinungen
am einzelnen ins
Auge
[* 19] zu fassen, er muß vielmehr den Verlauf der
Krankheiten unter ganzen Bevölkerungsklassen
verfolgen, er muß die Art und
Weise der Krankheitsverbreitung kennen zu lernen suchen, wenn er drohenden
Seuchen wirksam begegnen will.
Denjenigen
Zweig der medizinischen
Wissenschaft, welcher derartigen Forschungen dient, hat man, da es sich dabei vorwiegend
um epidemische
Krankheiten handelt, die Epidemiologie oder die
Lehre
[* 20] von den
Volkskrankheiten genannt. Die
erste Aufgabe derselben ist, ein möglichst umfassendes, auf zuverlässigen
Beobachtungen beruhendes statistisches
Material
herbeizuschaffen, das den
Gang
[* 21] dieser
Volkskrankheiten nach Zeit und
Ort übersehen und damit die
Bedingungen möglichst erkennen
läßt, welche ihre Verbreitung hemmen oder fördern, günstig oder ungünstig beeinflussen. Solange
man sich mit mehr oder weniger willkürlichen, unsichern
Vorstellungen über die
Beschaffenheit des von
Person zu
Person oder
von der
Außenwelt in das
Individuum gelangenden Krankheitskeims trug, war bei der Verwertung des statistischen
Materials der
SpekulationThür und
Thor geöffnet, und wir sehen demgemäß zu Beginn der epidemiologischen Forschungen
¶
mehr
mannigfache, bald mehr, bald minder scharfsinnige Kombinationen zur Erklärung der Art der Krankheitsverbreitung auftauchen. Erst die allerneueste
Zeit, welche uns den Ansteckungskeim zahlreicher Krankheitsformen in Gestalt kleinster Organismen unmittelbar vor das Auge
führte und deren Lebens- und Entwickelungsbedingungen verfolgen ließ, hat die Forschung auch auf dem Gebiet der Epidemiologie
von dem Wege der Spekulation zu dem der exakten Naturbeobachtung wieder zurückgeführt.
Diese neuere Erkenntnis von dem wahren Wesen der Infektionsträger hat indessen die statistischen Grundlagen der Epidemiologie,
umfassende Massenbeobachtungen, nicht entbehrlich gemacht; vielmehr gilt es, nach wie vor die Ergebnisse zuverlässiger Beobachtungen
über das Auftreten der vermeidbaren Krankheiten zu sammeln und zum übersichtlichen Bilde zusammenzustellen.
Erst wenn dies geschehen, kann man daran gehen, den Gang der Krankheit mit den biologischen Eigenschaften des Krankheitserregers
in Einklang zu bringen und so wissenschaftliche Klarheit in die ursachlichen Bedingungen der Verbreitung gemeingefährlicher
Krankheiten zu bringen.
Das statistische Material über die den Epidemiologen interessierenden Krankheiten wird auf sehr verschiedene
Weise gewonnen. In vielen Fällen, wenn es nicht möglich ist, brauchbare Angaben über die Zahl der Erkrankungen zu erlangen,
muß man sich mit der Zahl der Todesfälle begnügen, was auch für gewisse, besonders gefürchtete, weil relativ häufig
zum Tode führende Krankheiten ausreicht. So gewinnt man beispielsweise über die Verbreitung der asiatischen
Cholera, der echten Pocken, des Kindbettfiebers aus den registrierten Todesfällen ein meist zutreffendes Bild, ja oft ein richtigeres
als aus der Erkrankungsstatistik.
Bei der asiatischen Cholera werden zur Zeit einer herrschenden Epidemie die Todesfälle ziemlich richtig eingetragen, da sie
unter sehr markanten, auch dem Nichtarzt erkennbaren Erscheinungen auftreten, während es bei den Erkrankungen
an Cholera häufig vorkommt, daß entweder Fälle verheimlicht werden, oder umgekehrt von ängstlichen Personen jede Magenverstimmung,
jeder leichte Katarrh der Verdauungsorgane als Cholera angezeigt wird. Unsre epidemiologischen Erfahrungen über das Vorkommen
der Cholera, namentlich in ihrem Heimatsgebiet Ostindien, fußen daher mit Recht vorwiegend auf den hierher
gelangten Mitteilungen über die Choleratodesfälle, und auch bei den Einbrüchen der Cholera auf europäisches Gebiet (Italien,
[* 23] Spanien
[* 24] etc.) thut man gut, den Betrachtungen über den Verlauf der Epidemie in erster Reihe die gemeldeten Todesfälle zu Grunde
zu legen.
Unsicherer ist dieser Weg schon bei den Pocken. Erfahrungsgemäß wird der NamePocken oder Blattern
in manchen
Gegenden auch harmlosen Ausschlagsformen beigelegt, und hat diese Begriffsverwirrung da, wo ärztliche Bestätigung der Todesursachen
mangelt, schon zu unrichtigen Vorstellungen über die Verbreitung der Pocken geführt. Im DeutschenReiche ist erst seit 1886 durch
Bundesratsbeschluß eine sehr genaue ärztliche Pockentodesfallsstatistik eingeführt, welche ein klares,
verläßliches Bild von dem Auftreten dieser vor Einführung der Schutzpockenimpfung mit Recht sehr gefürchteten Krankheit
gibt.
Mit aller Bestimmtheit ist dadurch unter anderm die interessante Thatsache festgestellt worden, daß Pockentodesfälle in den
östlichen Grenzbezirken des Reiches zehnmal häufiger vorkommen als in den mehr zentral und westlich gelegenen
Gegenden. Der Verkehr der östlichen Grenzbezirke mit den dauernd pockenverseuchten Nachbargebieten Österreichs und Rußlands
führt nämlich unaufhörlich zur Einschleppung der Krankheit in das deutsche Gebiet, hier aber faßt sie, dank den Erfolgen
des deutschen Reichsimpfgesetzes, nicht mehr festen Fuß, sondern erlischt meistens bald.
Zieht man statt der Todesfälle die Pockenerkrankungen in Betracht, über die seit 1886 ebenfalls sehr genaue Ausweise aus
fast allen Staaten des DeutschenReiches vorliegen, so ergibt sich die Notwendigkeit, die schwer verlaufenden
Fälle der echten Pocken von den meist leicht ablaufenden sogen. modifizierten Pocken zu trennen. Erstere kommen hauptsächlich
bei ungeimpften oder bei den vor langer Zeit einmal geimpften Personen vor, letztere dagegen treten auch (obgleich relativ
selten) innerhalb der durch die Impfung
[* 26] gewährten Schutzfrist auf.
Tödlich endende Pockenerkrankungen betreffen, wie die neuere Pockenstatistik gezeigt hat, fast ausschließlich
ungeimpfte Personen oder solche Leute, bei denen die Schutzkraft der in früher Kindheit einmal vollzogenen Impfung erloschen
ist. Die Häufigkeit der Pocken in einigen außerdeutschen Ländern ist, da es dort mehr Ungeimpfte, bez. nur einmal Geimpfte
gibt, seit Jahren sehr viel höher als im DeutschenReiche. Nach der Sterblichkeitsstatistik der größern
Städte des In- und Auslandes (1885-87) starben an den Pocken auf je 100,000 Einw. jährlich in den größern Städten