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Postanweisungsverkehrs, Ermäßigung der Einschreibegebühren etc. Die Verschmelzung der bisher getrennten Post- und Telegraphenämter steht bevor. Im Betriebsjahr 1888/89 belief sich die Zahl der frankierten Briefe auf 190,3 Mill. Stück. Dem Telegraphenverkehr standen 35,322 km Linien, 2477 staatliche und 1306 Eisenbahnstationen zur Verfügung. Im J. 1889 wurden 97 neue Stationen eröffnet. Der Verkehr belief sich auf 10 Mill. expedierte Depeschen.
[Finanzwesen.]
Die Staatseinnahmen des am abgelaufenen Etatsjahrs haben etwa 14½ Mill. Lire weniger ergeben, als präliminiert war, und zwar steht einem Plus von ca. 400,000 Lire im Zweige der direkten Steuern ein Minus von 15 Mill. Lire in Zöllen und Konsumsteuern gegenüber. Gleichwohl sind dem Vorjahr gegenüber um 46 Mill. Lire mehr eingenommen worden. Es kann nicht verwundern, daß die Konsumsteuern hinter dem Voranschlag zurückgeblieben sind, da die Spiritussteuer so bedeutend ermäßigt war und die Abgaben für Rechtsgeschäfte der Erhöhung nicht fähig waren, die im Nachtragsetat veranschlagt wurde.
Die Ausgaben des abgelaufenen Jahres, einschließlich der nach definitiver Etatsaufstellung bewilligten Mehrausgaben für militärische Zwecke, übersteigen die wirklichen Einnahmen um 70 Mill. Lire. Dazu kommen rückständige Amortisierungen, 10 Mill. Lire, und der Verbrauch der Erträgnisse des Pensionsfonds, ca. 11 Mill. Lire. Die 14½ Mill. Lire Mindereinnahmen werden bis auf 2 Mill. Lire durch Ersparnisse im Finanzressort ausgeglichen, welche auf geringere Lotteriegewinnzahlungen und verminderte Tabaksankäufe zurückzuführen sein werden. Rechnet man ferner, daß die nicht im Etat figurierenden Mehrausgaben für Afrika [* 2] etwa 7 Mill. Lire betragen, so stellt sich das Gesamtdefizit des abgelaufenen Etatsjahrs auf 100 Mill. Lire (weiteres s. unten bei »Geschichte«, S. 452).
Eine kürzlich veröffentlichte
Darstellung der italien
ischen Kommunalsteuern und
Abgaben zeigt, daß die selbständigen Gemeindeeinnahmen
im J. 1887 einen Betrag von 46 Mill. Lire ausmachten, wovon 7 Mill. Lire auf
Gebühren und solche
Steuern, die nicht auf
Grund
von
Steuerrollen eingehoben werden, und 39 Mill. Lire auf solche Rollensteuern entfallen. Von den letztern
sind die bedeutendsten die Familiensteuer mit fast 18 Mill. Lire; ihr zunächst steht die
Steuer auf landwirtschaftliches
Vieh mit fast 11 Mill. Lire.
Beide Steuern wurden den Gemeinden durch Gesetz vom zugestanden. Die Mietssteuer hat sich wenig entwickelt und 1887 nur 1¼ Mill. Lire ergeben; die Kommunalhundesteuer endlich trug kaum ½ Mill. Lire ein. Wenn man übrigens zu diesen selbständigen Kommunalsteuern die Gemeindezuschläge zu staatlichen Steuern hinzurechnet, so haben die Kommunalabgaben aller Art im J. 1887: 300 Mill. Lire abgeworfen; zu den selbständigen Steuern kommen nämlich die Zuschläge zur Grund- und Gebäudesteuer mit 117 Mill., jene zur Verzehrungssteuer mit 130 Mill., das Zehntel der Steuer vom beweglichen Vermögen mit 3,5 Mill. und sonstige Abgaben mit 2,5 Mill. Lire.
Dem seit
Jahren gefühlten
Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung der italien
ischen Emissionsbanken ist von der
Regierung
durch einen
Gesetzentwurf entsprochen worden, welcher in der
Kammer in einigen
Punkten modifiziert wurde
und demnächst in
Kraft
[* 3] treten soll. Bekanntlich haben in I. nicht weniger als sechs
Banken das
Recht der Notenausgabe und zwar:
die Banca nazionale in
Rom,
[* 4] der
Banco di
Napoli, der
Banco di Sicilia, die Banca Romana, die Banca
nazionale
Toscana und die Banca
Toscana di
Credito.
Hiervon haben die beiden süditalien
ischen, vor langer Zeit von den dortigen
Regierungen gegründeten
Banken gar keine
Aktionäre.
Nach dem neuen
Gesetz werden die
Banken auf 10 Jahre zur Notenausgabe ermächtigt werden. Diese
Konzession ist in zwei
Perioden
geteilt, die erste (»transitorische«) von 5
Jahren, die zweite (»normale«) gleichfalls von 5
Jahren. Diese
Zweiteilung ist durch den gegenwärtigen
Stand der
Zirkulation und der Emissionsanstalten geboten.
Die einem jeden Institut gestattete Notenzirkulation beträgt das Dreifache des Kapitals und das Doppelte des Reservefonds. Der Vorschlag der Regierung, daß die zulässige Notenzirkulation 1050 Mill., die Reserve 420 Mill., die ungedeckte Zirkulation 630 Mill. Lire betragen solle, wurde in der Kammerkommission dahin modifiziert, daß die Zirkulation auf 1215 Mill. und die Reserve auf 607½ Mill. Lire erhöht wird, wonach die ungedeckte Zirkulation um 22½ Mill. Lire geringer als nach dem Regierungsentwurf, nämlich 607½ Mill. Lire, wäre.
Die volle Zirkulation darf übrigens erst erreicht werden, wenn die Institute das Kapital entsprechend vergrößert haben. Von dem Gesamtkapital, welches hiernach 405 Mill. Lire als Maximum ausmacht, entfallen auf die Banca nazionale 200 Mill., die Neapeler Bank 80 Mill., die Toscanische und die Römische [* 5] Bank je 50 Mill., die Sizilische Bank 20 Mill. und die Toscanische Kreditbank 5 Mill. Lire Kapital. Die Zahl der Fallimente, die 1885 noch 1123 betragen hatte, stieg im J. 1889 auf 2032. Über die Kolonien s. Italienisch-Ostafrika.
[Heerwesen, Flotte.]
Mit dem Jahre 1890 hat die dreijährige Dienstzeit für alle Rekruten begonnen. Ende 1889 wurden zum letztenmal Mannschaften nach zweijähriger Dienstzeit entlassen. Die Sollstärke der Armee betrug 1889/90: 280,833 (darunter 15,292 Offiziere), die Iststärke 249,946 (darunter 14,877 Offiziere) Köpfe. Die Zahl der vorhandenen Pferde [* 6] betrug 36,865. Am befanden sich unter der Fahne 242,508, im Beurlaubtenstand 583,610 Mann, zusammen 826,118 Mann stehendes Heer; die Mobilmiliz zählt 389,479 Mann.
Zum 9. bis wurden 73,602 Rekruten einberufen, davon 49,234 für die Infanterie, 6585 für die Kavallerie, 7608 Feld-, 2161 Festungsartillerie, 2167 Genie. Durch Gesetz vom ist die Regierung ermächtigt worden, im Mobilmachungsfall alle für den Militärdienst brauchbaren Pferde auszuheben. Alle Gemeinden müssen seitdem Stammrollen der Pferde führen; mit Eintritt einer Mobilmachung dürfen keine Besitzwechsel an Pferden und Maultieren mehr stattfinden.
Auch nicht ausgehobene Pferde bleiben zu späterer Verfügung der Regierung. Der Reichtum an militärbrauchbaren Pferden im Königreich I. hat sich von 105,000 im J. 1882 auf 206,000 im J. 1889 gehoben. Für 1889/91 sind 30,640,000 Lire für außerordentliche Ausgaben bewilligt und zwar 17½ Mill. Lire zur Herstellung rauchlosen Pulvers und Anlage einer neuen Pulverfabrik für dessen Herstellung bei Terni (Umbrien), nicht Avigliano, wie zuerst beabsichtigt, weil dies der Grenze zu nahe liegt; 10,600,000 Lire für Zwecke der Landesverteidigung, der Rest für andre Zwecke. Für die Truppen in Afrika waren für 1889/90: 10,924,100 Lire ausgeworfen. Durch Gesetz vom wurden für die Zeit bis einschließlich 1890 zur Herstellung von Gewehren M 70/87 (Vetterli-Vitali, s. Handfeuerwaffen, [* 7] S. 399) 36 Mill. Lire bewilligt, zu welchen noch 7,575,000 Lire für diesen Zweck von früher her verfügbar ¶
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hinzutreten. Dafür sind 1,551,950 Gewehre und Karabiner Vetterli-Vitali fertig gestellt. Der Bestand soll jedoch noch von 1¼ auf 1½ Gewehr für den Kopf der Gewehrtragenden in der Armee erhöht werden, wozu 3½ Mill. Lire gefordert werden. Zufolge Gesetz vom soll zum Zwecke der Landesverteidigung das Eisenbahnnetz, namentlich durch Anlage eines zweiten Geleises, vervollständigt werden. Am waren in I. vorhanden: 2170 Lokomotiven, 6216 Personen- und 38,857 Güterwagen.
Ständige Militär-Bahnhofskommandos sind vorhanden in Alessandria, Ancona, [* 9] Bologna, Florenz, [* 10] Genua, [* 11] Mailand, [* 12] Neapel, [* 13] Piacenza, Pisa, [* 14] Turin, [* 15] Verona. [* 16] In Messina [* 17] besteht jetzt auch eine Militärvorbereitungsschule (Militärkolleg), in Caserta eine Unteroffizierschule. Militärknabenkonvikte (convitti nazionali), 1888 neu geregelt, bestehen zu Mailand, Siena, Macerata, Aquila, Salerno, seit zu Tarent und 1890 in Rom. In Nettuno ist eine Zentralartillerieschießschule und in Rom eine Militärfechtschule für Armee und Flotte errichtet worden. Am wurde das afrikanische Sonderkorps neu geregelt. Es besteht aus 1 Regiment Jäger zu 4 Bataillonen à 4 Kompanien, 1 Bersaglieribataillon, 2 Gebirgsbatterien zu je 4 Geschützen, je 2 Festungsartillerie- und Sappeurkompanien, je 1 Kompanie Artilleriehandwerker, Spezialisten des Geniekorps (Luftschiffer-, Telegraphenabteilung etc.), Sanitäts-, Verpflegungstruppen und Train, zusammen 178 Offiziere, 4822 Mann, 112 Pferde.
Die Irregulären dieses Korps bestehen aus 1 Infanterieregiment zu 4 Bataillonen à 4 Kompanien, 1 Kundschafterschwadron, 1 Gebirgsbatterie, 2 Buluk zaptié, 1 innern Horde zu 2 oder mehr Kompanien, zusammen 116 Offiziere (von diesen 42 Eingeborne) und 3846 Mann. Bei jedem der Küstendepartements Spezia, [* 18] Neapel und Venedig [* 19] ist ein Kommando der lokalen Seeverteidigung errichtet, welche in eine feste und eine bewegliche sich gliedert. Zur erstern gehören die Seeminen und sonstigen Sperren sowie die ihrem Schutze dienenden Küstenbatterien, [* 20] feste und schwimmende Torpedobatterien, Stationen für elektrische Beleuchtung [* 21] und Telegraphie, photoelektrische Alarmapparate und Semaphoren.
Die bewegliche Verteidigung wird von Torpedobooten ausgeübt. Zu diesem Zwecke ist die italien
ische Küste
in 14 Torpedohaupt- und 19 Nebenstationen eingeteilt, die erstern sind für 9, letztere für 3 Torpedoboote eingerichtet und
mit den entsprechenden Magazinen und Werkstätten, elektrischen und optischen Telegraphen
[* 22] und akustischen Signalen ausgerüstet.
Nach dem Budget für 1889/90 sind 64 Semaphorstationen an den Küsten bereits errichtet und sollten 29 weitere Stationen
errichtet werden.
Die Häfen von Tarent und Maddalena werden zu Kriegshafen eingerichtet, letzterer ist durch Taubenpost auch mit dem Festland verbunden. Von den großen Panzerschlachtschiffen erster Klasse befindet sich Re Umberto in der Ausrüstung, Sardegna und Sicilia sollen 1890 vom Stapel gehen, 1 Schiff [* 23] erster Klasse soll begonnen werden, 5 Panzerschlachtschiffe zweiter Klasse befinden sich im Bau, 3 sind auf Stapel gelegt, 7 Torpedokreuzer und mehrere Transportschiffe sind im Bau.
Geschichte.
Die auswärtige Politik der italien
ischen Regierung bewegte sich auch im J. 1890 auf den durch den Dreibund gewiesenen Bahnen.
Eine gewisse Annäherung an Frankreich wäre zwar nicht nur der radikalen Opposition, sondern in anbetracht
der durch die französische Zollgesetzgebung erheblich geschädigten wirtschaftlichen Lage
des Königreichs auch den Anhängern
des Ministeriums, vielleicht auch Crispi selbst willkommen gewesen, aber es gelang nicht, sie herbeizuführen.
Zwar betonte der Ministerpräsident bei verschiedenen Gelegenheiten, so bei einer Interpellation im Senat 26. März und bei
der Beratung des auswärtigen Budgets in der Deputiertenkammer 13. Mai, noch entschiedener im Herbste bei einer Unterredung mit
einem französischen Journalisten, Saint-Cère, dem Berichterstatter des »Figaro«, daß er die Bündnisse mit Deutschland
[* 24] und
Österreich
[* 25] bereits vorgefunden und nicht mit abgeschlossen habe, daß auch über ihre Verlängerung
[* 26] noch nichts entschieden
sei; zwar schickte er im April, als der Präsident Carnot sich in Toulon
[* 27] aufhielt, ein italien
isches Geschwader
zu seiner Begrüßung dorthin: allein in Frankreich verhielten sich Regierung und öffentliche Meinung diesen Äußerungen gegenüber
sehr kühl und reserviert.
Über die Frage, ob jene Höflichkeit bei Gelegenheit einer Reise König Humberts nach Spezia im September d. J. von französischer Seite entsprechend erwidert werden sollte, entspann sich in der Pariser Presse [* 28] eine so lebhafte und taktlose Erörterung, daß der König, auch als die französische Regierung sich zuletzt für Absendung einer Flotte entschieden hatte, die beabsichtigte Reise ganz aufgab; und jenen Eröffnungen Crispis an den französischen Korrespondenten setzte dieselbe Presse einmütig die Forderung entgegen, daß der Ministerpräsident erst durch die That seine Freundschaft für Frankreich beweisen müsse, ehe er auf ein Entgegenkommen seitens des letztern rechnen könne.
Viel entschiedener noch als in frühern Jahren ging aber das Ministerium gegen die Österreich feindlichen Bestrebungen der
italien
ischen Irredentisten vor. Auf das nachdrücklichste erklärte Crispi 26. Febr. bei einer Interpellation
des Abgeordneten Imbriani, des Führers jener Partei, daß die Regierung jede Störung ihrer Beziehungen zum Ausland durch die
Freunde des Interpellanten verhindern werde; und den Worten ließ er die That folgen, indem er im August in seiner Eigenschaft
als Minister des Innern die sämtlichen Barsanti- und Oberdank-Vereine in I., von welchen die irredentistische
Agitation hauptsächlich unterhalten wurde, auflöste und polizeilich schließen ließ. Ja der Ministerpräsident ging sogar
so weit, dieser Politik ein Mitglied seiner eignen Regierung zum Opfer zu bringen: 19. Sept. mußte der Finanzminister Seismit-Doda
seine Entlassung nehmen, hauptsächlich deshalb, weil er bei einem Festmahl, dem er beigewohnt hatte, einige
Reden, die in höchst taktloser Weise Österreich angriffen und den Wünschen auf Einverleibung von Triest
[* 29] und Südtirol Ausdruck
gaben, angehört hatte, ohne dagegen Einspruch zu erheben; das Finanzministerium wurde provisorisch dem Schatzmeister Giolitti
neben seinem bisherigen Portefeuille übertragen.
Unverändert blieb auch die italien
ische Kolonialpolitik, welche von der Deputiertenkammer durch einen Beschluß vom 6. März ihrer
Richtung wie ihrer Führung nach rückhaltlos gebilligt wurde. Die Organisation der Colonia Eritrea, wie das italien
ische Afrika
seit den Dekreten vom Januar 1890 heißt, machte weitere Fortschritte; im Juni wurde der General Gandolfi
zum Zivil- und Militärgouverneur derselben ernannt. Im Innern von Abessinien gestalteten sich die Verhältnisse mehr und mehr
zu gunsten des Kaisers Menelik, des Verbündeten Italiens,
[* 30] der am 26. Jan. seinen Hauptgegner, Ras Alula,
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