besprochenen abhängt, ist die, ob die Aufforderung zur Zahlung unter Androhung der Veröffentlichung in den Listen strafbar
sei. Diese Frage hat bereits die Gerichte beschäftigt. Auch das deutsche Reichsgericht hat in derselben gesprochen (Entscheidungen
des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. 6, S. 405 ff.).
In der Abfassung und Absendung eines solchen Schreibens kann ein Erpressungsversuch (§ 253 und § 43 des
Strafgesetzbuchs) in idealer Konkurrenz mit einem Versuch der Nötigung (§ 240 und § 43 des Strafgesetzbuchs) gefunden werden.
Ein Erpressungsversuch würde aber nur dann vorliegen, wenn das Büreau, welches den Mahnbrief absendet, weiß, daß die in
demselben geltend gemachte Forderung nicht zu Recht besteht. Denn dann liegt auf seiten des Briefschreibers
die Absicht vor, einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen und zwar dadurch, daß er den Adressaten
unter Anwendung von Drohungen zur Zahlung einer thatsächlich nicht vorhandenen Schuld zu veranlassen sucht.
Unter derselben Voraussetzung, also unter der Annahme der Kollusion zwischen dem Schreiber des Mahnbriefs
und dem Abonnenten, würde in dem Schreiben auch der Versuch zu einer Nötigung im Sinne des § 240 des Strafgesetzbuchs liegen.
Nach dem genannten Paragraphen wird wegen Nötigung bestraft, wer einen andern widerrechtlich durch Gewalt oder durch Bedrohung
mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. In dem gesetzten
Falle versucht nun der Schreiber des Briefes, den Adressaten durch Bedrohung mit einem Vergehen (mit der Aufnahme in die Listen,
welche sich in unserm Falle nach dem obigen als ein Vergehen der verleumderischen Beleidigung aus § 187 des Strafgesetzbuchs
darstellt) zu einer Handlung, nämlich zur Zahlung des angeblich schuldigen Betrags, zu veranlassen.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß sich das Büreau durch Absendung des mit Veröffentlichung in den Listen drohenden Mahnschreibens
einer strafrechtlichen Verantwortung nur dann aussetzt, wenn es im Einverständnis mit seinem Abonnenten oder aus eigner Gewinnsucht
von dem Adressaten Beträge auf hinterlistige Weise zu erschwindeln sucht. Der Abonnent würde alsdann
als Anstifter, der Büreauinhaber als Thäter bestraft. In diesem Sinne hat sich auch das Reichsgericht in der angeführten
Entscheidung ausgesprochen.
Endlich bleibt noch zu erwähnen, daß sich stets der Einsender der Benachrichtigung, welcher wider besseres Wissen eine nicht
zu Recht bestehende Forderung geltend macht und dadurch ein gegen den angeblichen Schuldner gerichtetes
Mahnschreiben beim Büreau erwirkt, eines Erpressungsversuchs schuldig macht. Er wird wegen vollendeter Erpressung bestraft,
wenn der gemahnte Schuldner aus Furcht zahlt. Sollte endlich die falsche Benachrichtigung dazu führen, daß der vermeintliche
Schuldner auf die Liste gesetzt wird, so ist der Angeber (Abonnent oder Mitglied) der verleumderischen Beleidigung
aus § 187 des Strafgesetzbuchs schuldig. Hier wie dort bleibt das Büreau, welches, bona fides vorausgesetzt, nur als Werkzeug
in Betracht kommt, außer jeder strafrechtlichen Verantwortung.
Medizin. Der neunte Kongreß für i. M. tagte 15.-18. April in Wien. In der Eröffnungsrede
gab Nothnagel eine Skizze des 2000jährigen Entwickelungsgangs der Therapie. Lies dieselbe in diesem langen Zeitraum nichts als
Stagnation erkennen, so begann mit dem laufenden Jahrhundert eine neue Epoche, als die Medizin aus einer nur beschreibenden in
eine wahre, mit den Methoden echter
Naturforschung arbeitende Wissenschaft umgewandelt wurde. Erst als die
Physiologie und die pathologische Anatomie erblühten, die Physik und Chemie, das Tierexperiment, die pathologische Histologie
feste Anhaltspunkte schufen, begann auch die wissenschaftliche Behandlung.
Jetzt steht die Therapie inmitten der Bewegung, doch ist nicht mehr zu befürchten, daß eine besondere Forschungsmethode die
Klinik aus ihrer festen Bahn drängen, daß man über das kranke Organ den gesamten Organismus, über die
Krankheit den Menschen vergessen werde. Die Geschichte lehrt: für die Medizin führt der Weg zum Können durch das Kennen,
beide aber sollen getragen sein von höchster sittlicher, von echt menschlicher Gesinnung. Den ersten Vortrag hielt Immermann
(Basel)
über die Behandlung der Empyeme. Als Hauptindikationen für die Therapie der Empyeme dürften gelten: 1)
den vorhandenen Eiter zu entfernen, 2) die Wiederansammlung desselben zu verhüten, 3) das normale anatomische wie physiologische
Verhalten des respiratorischen Apparats so direkt und so vollständig wie möglich wiederherzustellen.
Die erste Indikation erfordert in der Regel operatives Vorgehen. Auf spontane Resorption des Eiters ist eigentlich
fast nur zu rechnen, wenn die Empyeme nur Pneumokokken enthalten. Sind auch Streptokokken, Staphylokokken, Tuberkelbacillen
vorhanden, dann tritt wegen der Lebenszähigkeit dieser Eitererreger keine Resorption ein. Auch innere, sogen. resorptionsbefördernde
Mittel sind wirkungslos. Spontane Abkapselung des Eiters ist ses selten, und der Durchbruch nach irgend
welcher Seite hin kann unberechenbare Folgen haben.
Der Redner empfiehlt möglichst umfassenden Gebrauch antiseptisch auszuführender Punktion, um die vorliegende bakteriologische
Spezies kennen zu lernen. Nur bei Pneumokokkenempyemen sei exspektatives Verhalten am Platze, in allen übrigen Fällen operative
Entfernung des Eiters einzig zweckentsprechend. Hierbei aber kommen nur solche Methoden in Frage, die eine
regelmäßige und vollständige Entfernung der Eiterreste und der Eiternachschübe ermöglichen.
Bleiben mit Eiterresten auch lebende Eitererreger zurück, so kommt es leicht zu einer neuen Ansammlung von Eiter. Die Erfüllung
der dritten Indikation bleibt häufig ein frommer Wunsch, man wird sich oft mit einer relativen Heilung oder
Herstellung mit Defekt begnügen müssen, und oft sind relativ geringe therapeutische Effekte noch erst durch sehr erhebliche
operative Eingriffe teuer zu erkaufen. Fällt das Resultat der Erwägungen sehr ungünstig aus, dann ist es besser, den Kranken
zu schonen und sich mit palliativen Maßregeln zu begnügen. In einfachen und frischen Fällen hat man
dagegen sehr entschieden die Herstellung unter möglichster Wahrung des noch erhaltenen anatomischen Bestandes und der noch
erhaltenen physiologischen Heilpotenzen zu erstreben.
Der Redner bespricht sodann die einzelnen gebräuchlichen Methoden der Empyembehandlung und verweilt besonders bei der Radikalmethode,
bei welcher der Thorax mindestens an einer Stelle breiter eröffnet und eine äußere Brustfistel angelegt
wird, die so lange offen bleibt, bis die Ausheilung erfolgt ist. Höchst beachtenswerte Anfänge dieser Methode lassen sich
auf Hippokrates und die Asklepiaden zurückführen; die jetzt vornehmlich geübte Technik ist von König angegeben und von Küster
verbessert worden. Sie erzielt zweifellos glänzende Erfolge, aber keineswegs korrekte Heilung in anatomisch-physiologischem
Sinne, und es erscheint daher Bülaus permanente
mehr
Aspirationsdrainage als ein großer Fortschritt. Bei dieser wird ein längeres elastisches Rohr seitlich an abhängiger Stelle
luftdicht in den Thorax eingeführt und äußerlich mit einem längern Schlauch verbunden, der am Boden in ein Gefäß mit desinfizierender
Sperrflüssigkeit taucht. Durch den Heber wird der Eiter herausgesogen und gleichzeitig eine Wiederausdehnung der
Lunge unter negativem Druck, also in durchaus natürlicher Weise, erzielt. Ist die Lunge noch vollkommen und leicht ausdehnbar,
so genügt die Heberwirkung, andernfalls kann dieselbe durch Aspirationsvorrichtungen verstärkt werden. In allen Fällen,
wo die Lunge überhaupt noch ausdehnbar ist, erzielt die Methode sehr günstige Resultate. - Der Korreferent Schede (Hamburg)
erkannte die Vorzüge der Bülauschen Methode an, zog aber doch die Incision mit Resektion eines Rippenstücks vor und nahm
sie gegen die Vorwürfe, daß bei ihr der Atmosphärendruck notwendig die Entfaltung der Lunge hindere, in entschiedenster
Weise in Schutz. Leyden (Berlin) trat für die Bülausche Operation ein, welche er auf seiner Abteilung stets
und mit bestem Erfolg anwendet, und schlug vor, eine Sammelforschung zu veranstalten, welche sich auf sämtliche von nun
an zu beobachtende Fälle beziehen soll. Dieser Vorschlag wurde vom Kongreß angenommen.
In der Sitzung vom 16. April sprach Fürbringer (Berlin) über die Klinik der Knochenentzündungen typhösen Ursprungs. Er
bemerkte, daß nicht alle publizierten Fälle sich auf typhösen Ursprung zurückführen lassen, und bezeichnete die Krankheit
als Osteoperiostitis, weil eine Trennung von Periostitis und Osteomyelitis nicht durchführbar ist. Auch seine Fälle sprechen
dafür, daß die Typhusbacillen aus dem Knochenmark ins Periost einwandern. Charakteristisch ist die auffallende nächtliche
Exacerbation der Schmerzen und die Häufigkeit der ohne Eiterung einhergehenden Fälle. Die Behandlung ist
eine exspektative, erst bei Eintritt von Eiterung ist Operation erforderlich. Gegen die Schmerzen wird Morphium gegeben.
Unna (Hamburg) sprach über die insensible Perspiration der Haut. Über die Folgen der Hautfirnissung und deren Ursache herrscht
bei den Physiologen noch immer keine Einigung. Unna untersuchte die Perspiration mit Hilfe von Hühnerhaut,
die von Federn und Fett befreit und über mit Wasser gefüllte Glastrichter gespannt wurde, welche mit graduierten Röhren zum
Ablassen des verdunstenden Wassers kommunizierten. Fette setzten die Wasserverdunstung regelmäßig herab, Lanolin mehr als Glycerinfette,
Vaselin wirkt ähnlich wie Lanolin, und auch Glycerin setzt dem Wasserdampf ein merklich es Hindernis entgegen.
Eine dünne Gelatinedecke vermehrt dagegen die Wasserverdunstung der Haut, und dies erklärt die klinische Wahrnehmung, daß
ein am ganzen Körper Eingeleimter beständig mehr oder minder friert. Kautschuk und Guttapercha setzen die Verdunstung herab
und zwar ersteres bedeutend stärker, dünne Kollodiumhäutchen dagegen steigern sie. Gelatine und Kollodium
stimmen darin überein, daß sie beim Eintrocknen sich zusammenziehen, und da sie auf der Haut hieran gehindert sind, so müssen
die dünnen Schichten porös werden, und hieraus erklärt Unna die Steigerung der Hautverdunstung.
Der Einfluß des Fettes gibt Ausschluß über die enormen Schwankungen der Zahlen, welche die Physiologen
bisher für die natürliche Wasserverdunstung der lebenden Haut gefunden haben. Man muß auf die alte Anschauung von Krause
zurückgehen,
welcher den rein physikalischen Prozeß der insensibeln Verdunstung von dem physiologischen Prozeß der sensibeln
Schweißbildung trennte. Die letztere beginnt erst auf der Höhe einer gesteigerten insensibeln Verdunstung
und nach Überwindung eines gewissen Widerstandes. Es besteht also keinesfalls ein unmerklicher Übergang der insensibeln
Verdunstung in Schweiß.
Zum Schlusse weist Unna auf die praktischen Folgerungen hin, welche die i. M. aus diesen physiologischen Versuchen ziehen kann.
Die Fetteinreibung erhält dem Körper Wärme und treibt große Wassermengen nach der Niere hin. Umgekehrt
wird letztere durch künstliche Entfettung der Haut entlastet. Er empfiehlt die Entfettung der Haut mit nachfolgender Einleimung
zur Herabsetzung des Fiebers, und Senator teilte mit, daß er dies Verfahren, von ganz andern Betrachtungen ausgehend, schon
vor Jahren angewandt und eine ziemliche Herabsetzung der Temperatur erreicht habe.
Mosler (Greifswald) sprach über Pemphigus. Unter diesem Namen werden zur Zeit noch mehrere Hautkrankheiten
zusammengefaßt, deren Wesen nicht näher bekannt ist. Die Untersuchungen des Redners beziehen sich nur auf chronische Fälle.
Es gelang, aus dem Inhalt der auf der Haut gebildeten Blasen gelbe und weiße Kolonien von Kokken zu züchten, die aber
aus frischen Blasen in viel geringerer Zahl erhalten wurden als aus ältern. Bei genauerer Untersuchung ergab sich, daß es
sich hierbei um Epiphyten der Haut handelte, welche in die Blasen eingedrungen waren.
Bei Anwendung von Sublimatbädern gelangte man zu dem Resultat, daß eine Beteiligung von Bakterien an dieser Erkrankung nicht
nachweisbar sei. Impfungen mit Blaseninhalt blieben erfolglos. Behandlung mit salzsaurem Chinin (40 g) führte nicht zu völliger
Heilung, wohl aber wurde der Ausschlag auf eine Abortivform in Gestalt einzelner kleiner Bläschen reduziert. Die von dem Redner
beobachteten Fälle von Pemphigus führten ihn zu der Ansicht, daß gewisse Formen, darunter auch scheinbar
genuiner Pemphigus, nicht als selbständige Erkrankung, sondern als Symptom einer vasomotorischen Neurose aufzufassen sind.
Ziemssen (München) demonstrierte einen Kugelthrombus des Herzens und einen gestielten oder echten Herzpolypen. Gans (Karlsbad)
sprach über das Verhalten der Magenfunktion bei Zuckerruhr. Seine Untersuchungen ergaben drei wichtige Thatsachen:
1) der Mageninhalt der Diabetiker weist ein sehr wechselndes Verhalten auf; neben Fällen mit normaler
Magensekretion stehen auf der einen Seite solche mit bedeutender Hypersekretion, auf der andern solche mit totalem Schwunde
der Salzsäure. Ebenso wechselt bei einem und demselbem Individuum sehr oft die Menge der abgeschiedenen Salzsäure von einem
Extrem bis zum andern.
2) Die motorische Magenthätigkeit der Kranken war vollkommen gut erhalten, trotzdem darunter
Fälle von sehr langer Dauer waren.
3) Irgend ein Abhängigkeitsverhältnis der Magenfunktion von der Menge des durch den Harn ausgeschiedenen Zuckers sowie überhaupt
von der Schwere oder Dauer des Falles konnte in keiner Weise aufgefunden werden. Die Versuche ergeben also
die schon so oft empirisch behauptete Notwendigkeit einer strengen Individualisierung der Ernährung der Diabetiker. Bäumler
(Freiburg)
referierte über die in den beiden letzten Influenza-Epidemien gesammelten Erfahrungen.
Adamkiewicz (Krakau) sprach über den pachymeningitischen Prozeß. Man nimmt gegenwärtig
mehr
an, daß die materielle Wirkung der im Gebiet der Rückenmarkshäute stattfindenden Wucherungen und Ablagerungen der Pachymeningitis
darauf beruht, daß dieselben das Rückenmark komprimieren und so Anämie, Entzündung, Myelitis, Nekrose und sekundäre Degeneration
erzeugt wird. Was die Erklärung der klinischen Erscheinungen der Pachymeningitis betrifft, so schreibt Charcot dieselben, zumal
die Lähmung der untern Extremitäten, dem Untergang der Pyramidenbahnen zu, nach Leyden dagegen erzeugen
die von den Wucherungen der pachymeningitischen Schwarte im Rückenmark direkt angeregten Veränderungen die Funktionsstörungen
des Rückenmarks.
Nach den Untersuchungen von Adamkiewicz ist nun aber die Kompression des Rückenmarks seitens der Wucherungen nicht die Grundlage
der schweren Veränderung desselben, vielmehr ist diese Kompression als ein in der Regel und im Prinzip
ganz indifferenter Vorgang anzusehen. Myelitis und Erweichung stehen zu ihr in gar keiner kausalen Beziehung und sind der Pachymeningitis
als Folge der Infektion vollkommen koordiniert. Dagegen sind es die direkten und wichtigsten Veränderungen, welche die Pachymeningitis
im kranken Rückenmark hervorrufen, der chronische Infarkt, der die weiße und graue Substanz mit ihren
Vorderhornzellen und mit diesen das System der Pyramidenbahnen zu Grunde richtet.
Frey (Leipzig) behandelte die Beziehungen zwischen Pulsform und Klappenschluß, Romberg (Leipzig) gab Beiträge zur Herzinnervation.
Nach seinen mit His unternommenen Studien über die Entwickelungsgeschichte des menschlichen Herznervensystems
sind die Herzganglien vorgeschobene Teile der Sympathikusganglien. Letztere gehören aber zum sensibeln System, und das Gleiche
muß man für die Herzganglien annehmen, die also sensibel sind und keine motorischen Funktionen besitzen.
Sie sind also weder automatische Herzzentren noch aktive Vermittler der Hemmung oder Beschleunigung des Herzschlags. Mit dieser
Annahme lassen sich die bekannten physiologischen Eigenschaften des Herzens sehr gut vereinigen. Das Herz
des Embryo vollführt rhythmische Kontraktionen, lange bevor es Nerven oder Ganglien besitzt. Über die Funktion der Herzganglien
ist nichts bekannt. Vielleicht vermitteln sie dem Zentralnervensystem die unbewußten Empfindungen, welche reflektorisch den
Herzschlag durch den Vagus und Accelerans regulieren und die Weite des Gefäßsystems beherrschen.
Da man die Annahme eines automatischen Herznervenzentrums aufgeben muß, so bleibt zur Erklärung der rhythmischen Herzthätigkeit
vorläufig nur übrig, eine Automatie des Herzmuskels selber anzunehmen, die durch die anatomischen und physiologischen Eigentümlichkeiten
des Herzmuskels leichter verstanden wird. Der Herzmuskel ist der anatomische Motor der Blutzirkulation,
ohne zu seinen Bewegungen von nervösen Elementen angeregt zu sein. Der Herzmuskel erscheint nach dieser Auffassung auch für
die Pathologie sehr viel wichtiger als bisher.
Während Veränderungen der Herzganglien wegen der Kompliziertheit ihrer Funktion und der Unklarheit derselben im einzelnen
keinen Rückschluß auf pathologische Abweichungen der Herzthätigkeit gestatten, während die Wirkung der
Herzgifte nicht mehr ohne weiteres auf die Reizung oder Schädigung der Herzganglien zu beziehen ist, wird die genaue
Untersuchung des Herzmuskels häufiger, als man jetzt annimmt, die Ursache des pathologischen Verhaltens des Herzens aufdecken.
- Krehl (Leipzig) sprach über die Veränderung der Herzmuskulatur bei Klappenfehlern. Er
fand bei systematischer
Durchforschung von sieben Klappenfehlerherzen Zeichen progredierender Entzündungen und zwar am verbreitetsten bei den Herzen,
deren Träger unter Erscheinungen der Herzinsuffizienz gestorben sind. Sie sind geeignet, die Leistungsfähigkeit des Herzens
herabzusetzen, und man wird also bei Beurteilung eines Klappenfehlerkranken versuchen müssen, sich ein Urteil über Vorhandensein
und Verbreitung progredierender Entzündungen im Herzmuskel zu verschaffen.
In der Sitzung vom 17. April sprach Senator über die Behandlung der Brightschen Nierenkrankheit. Er unterscheidet chronische parenchymatöse
Nephritis und Schrumpfniere. Die chronische Nephritis geht aus der akuten hervor, auch gelten Erkältung, Gicht, Syphilis, Malaria,
Alkohol- und Tabakmißbrauch, Blei- und andre Metallvergiftungen, chronische Entzündungen der Harnwege,
namentlich des Nierenbeckens, Diabetes, Schwangerschaft und langdauernde venöse Stauung der Nieren als verursachende Momente.
Disponierend wirken klimatische Verhältnisse, Heredität, psychische Einflüsse. Wo ein therapeutischer Eingriff in die kausalen
Momente möglich ist, soll er nicht unterlassen werden. Die chronische Nephritis kann in jedem Stadium einen Stillstand machen,
und um dies zu erreichen, sind zwei Grundsätze zu beobachten:
1) Schonung und Entlastung der erkrankten Niere, also Vermeidung aller scharfen, reizenden Mittel, und Beschränkung der Eiweißzersetzung
auf das notwendigste Maß. In der Nahrung müssen Fette und Kohlehydrate vorherrschen. Vorwiegende oder ausschließliche Milchdiät
entspricht am besten den Bedürfnissen und genügt auch der zweiten Hauptindikation: Durchspülung der
Niere. Die Getränke dürfen die Niere nicht reizen, von den alkoholischen sind die leichten Obstweine noch am besten zu ertragen.
Wenn Milch nicht vertragen wird, gibt man stärkemehlreiche Nahrung, allenfalls etwas weißes Fleisch; körperliche Bewegung
und Muskelarbeit sind möglichst einzuschränken; in schweren Fällen ist absolute Ruhe angezeigt. Erkältungen
sind zu vermeiden; durch warme Bäder, Abreibungen ist eine gewisse Entlastung der Niere herbeizuführen. Wenn die Harnmenge
stark herabgesetzt, der Harn trübe und reich an Formelementen ist, sucht man durch reichliches Getränk und durch Erhöhung des
Blutdruckes (Digitalis etc.) die Harnsekretion zu steigern. Für die Behandlung der Schrumpfniere kommen
besonders Schonung des Herzens und hygienische Maßregeln in Betracht: Mäßigkeit, Minderung der Eiweißzufuhr und der Getränke,
besonders alkoholischer, Vermeidung des Rauchens, körperlicher Ermüdung, Schutz vor Erkältung, nicht zu warme Bäder, Aufenthalt
im Süden während des Winters.
Stadelmann (Dorpat) sprach über den Einfluß der Alkalien auf den menschlichen Stoffwechsel. Große Dosen
von kohlensaurem, doppeltkohlensaurem und zitronensaurem Natron wurden längere Zeit an Menschen im Stickstoffgleichgewicht
verabreicht. Harnsäure und Ammoniak zeigten sich vermindert, die Harnstoffausscheidung erlitt sehr große Schwankungen, doch
zeigte die Mittelzahl nur geringe Abweichung. Die Konsistenz der Fäces war vermindert, und die Stickstoffausscheidung durch
dieselben stieg gelegentlich fast auf das Doppelte der normalen. Die Alkalien wirken diuretisch, vermehrte
Oxydation des Fettes und Verbrauch des angesetzten Körperfettes ist sehr wahrscheinlich. Die Ausscheidung von Kalk, Magnesia,
Phosphorsäure und Schwefelsäure durch den Harn wird durch die Salze nicht
mehr
beeinflußt, es gelingt also nicht, dem Körper durch Alkalien anorganische Säuren zu entziehen, obwohl man umgekehrt durch
Zufuhr von Säuren die Abscheidung von Alkalien befördern kann. Zitronensaures Natron wird im Blut, nicht schon im Darm in Carbonat
verwandelt, da letzteres viel schlechter resorbiert wird als ersteres. Dyspeptische Erscheinungen, Einwirkung auf
den Allgemeinzustand wurden auch nach sehr großen Dosen von zitronensaurem Natron nicht beobachtet.
Bei großen Dosen setzen die Alkalien die Gallensekretion herab, während die Ausscheidungsgröße von Gallenfarbstoff, Gallensäure,
Fett nicht geändert wird. Da die Alkalien die Alkaleszenz des Blutes vermehren, so wird unter ihrem Gebrauch auch eine stark
alkalische Galle abgesondert, welche Gallenkonkremente löst, Gallensteine verkleinert. Auch beeinflussen
die Alkalien katarrhalische Zustände im Darm, in Gallengängen und Gallenblase günstig.
Klempner (Berlin) sprach über Fieberbehandlung und Blutalkaleszenz. Die Alkaleszenz des Blutes und damit im Zusammenhang sein
Kohlensäuregehalt sind bei allen Einwirkungen giftiger Substanzen auf den Organismus vermindert, und der Grad der
Verminderung bildet einen Maßstab der Stärke der Intoxikation. Im Fieber ist die Alkaleszenz wesentlich vermindert, und weder
Antifebrin noch Antipyrin, obwohl sie die Temperatur auf die Norm herabsetzen, vermögen den Kohlensäuregehalt des Blutes zu
heben, sie wirken antithermisch, aber nicht antitoxisch.
Große Dosen von doppeltkohlensaurem Natron, welche die Alkaleszenz des Blutes normal machen, steigerten
bei Typhus wohl in gewöhnlicher Weise den Eiweißumsatz, minderten aber nicht das Fieber. Kraus (Wien) bemerkte hierzu, daß
bei gesunden Menschen nach 2-8 g doppeltkohlensaurem Natron schon in wenigen Stunden ausgesprochene Alkaleszenz des Harns eintritt,
bei Fiebernden aber erst nach 20-30 g. Dies Verhalten gibt ein wichtiges und
sicheres diagnostisches Hilfsmittel für das Vorhandensein einer Säureintoxikation.
Cantani (Neapel) empfahl zur Unschädlichmachung der Krankheitserreger im Darme (Darmantisepsis) die von ihm vielfach angewandte
Enteroklyse oder hohe Darminfusion. Bei derselben wird jeder mechanische Reiz auf Darm und Magen vermieden, der wirksame Stoff
kommt mit der Darmwand in direkte Berührung, Bakterien und Ptomaine werden entfernt, und dem Blute wird
Wasser zugeführt. Eine Tanninlösung wirkt entwickelunghemmend, selbst tötend auf Bakterien und fällt die Ptomaine der Cholerabacillen.
Auch beim Unterleibstyphus wirkt sie günstig, und beim Beginn der Krankheit hat sie abortiven Einfluß. - Pfeiffer (Wiesbaden)
zeigte kieselsauren Harnsand vor, und Eppinger (Graz) sprach über eine neue Cladothrix asteroides aus
dem Eiter eines Abscesses im Gehirn eines Glasschleifers, bei welchem kalkige Knoten und Miliartuberkeln in Lungen und Pleura,
Vergrößerung und Versteinerung der Bronchialdrüsen und Verkreidung einer Lymphdrüse gefunden worden war. Die Alge ließ sich
kultivieren, und mit derselben geimpfte Meerschweinchen gingen unter Erscheinungen zu Grunde, die echter
Impftuberkulose sehr ähnlich waren.
In der Sitzung vom 18. April sprach Sternberg (Wien) über Sehnenreflexe. Diese bestehen aus zwei Phänomenen, einem Knochenreflex
und einem reinen Muskelphänomen, welches höchstwahrscheinlich gleichfalls ein Reflex ist. Der Knochenreflex besteht darin,
daß ein Stoß auf den Knochen die Nerven des Periostes und der Gelenkenden erregt und dies eine Kontraktion
sämtlicher den
Knochen beherrschender Muskeln auslöst. Der Muskelreflex besteht darin, daß sich der Muskel kontrahiert, wenn
auf ihn ein Stoß in der Längsrichtung übertragen wird. Die Sehne spielt bei dem ganzen Vorgang nur eine mechanische Rolle.
Es lassen sich keine Reflexe auffinden, welche von den Nerven der Sehne entstünden. - Leubuscher (Jena)
hat die Beeinflussung der Darmresorption durch Arzneimittel studiert. Er fand, daß Chinin, Opium, Morphium schon in schwachen
Konzentrationen die Resorption herabsetzen.
Alkohol in schwacher Konzentration (0,5-2 Proz.) steigert die Resorption, in stärkerer setzt er dieselbe herab. Glycerin ist
im wesentlichen indifferent, schwacher Kochsalzzusatz wirkt günstig. Peiper (Greifswald) berichtete über
die Ausrottung des Plexus coeliacus und ihre Folgen. Es zeigte sich, daß durch die Exstirpation jener Ganglien erhebliche Störungen
in der Verarbeitung der eingeführten Nahrungsmengen hervorgerufen werden können, die aber doch des Ausgleichs fähig sind;
ferner daß Harnruhr nicht auf Störungen in diesem Plexus beruht, und daß durch Ausrottung desselben keineswegs
Zuckerruhr hervorgerufen wird.
Winternitz (Wien) sprach über eine eigentümliche Gefäßreaktion der Haut. Streicht man mit einem Stäbchen über die Haut,
so sieht man zuweilen, daß ein anfangs anämischer, dann ödematöser Streifen entsteht, dessen Ränder eine Injektionsröte
aufweisen, die sich zungenförmig längs der ganzen Linie verbreitet, ähnlich wie ein Tropfen Wasser auf
Filtrierpapier (Autographismus). Winternitz erklärt diese Erscheinung dadurch, daß die in den oberflächlichen Kapillaren
stagnierenden Blutkörperchen durch die Haut Kohlensäure abgeben und Sauerstoff aufnehmen, daß sie also durch die Haut hindurch
atmen. Die Erscheinung weist auf eine beträchtliche Verlangsamung der Zirkulation hin und ist ein deutlicher
Beweis für die respiratorische Funktion der Haut.
Dolega (Leipzig) sprach über Ätiologie der Malaria. Er fand in einem Fall in den roten Blutkörperchen eigentümliche Gebilde,
welche ganz den von Marchiafava und Celli beschriebenen hyalinen Plasmodienformen gleich sahen. Sehr ähnliche Gebilde fanden
sich aber auch vereinzelt im Blute Gesunder, spärlich bei Phthisikern, reichlich bei Typhus, Scharlach,
anämischen Zuständen, besonders aber bei Skorbut und Krebs, und Dolega hält dieselben deshalb nur für Alterations- und Disgregationsprodukte
der roten Blutscheiben und nicht für der Malaria eigentümliche Gebilde. - Rothziegel (Wien) berichtete über Versuche, die
er einige Jahre mit Strophantin angestellt hat.
Die Indikation für die Anwendung des Strophantin bei Klappenfehlern mit und ohne Affektion des Mycardiums sowie bei organischen
Affektionen des Herzmuskels allein wird durch die Insuffizienz der Herzarbeit und die daraus resultierenden Folgeerscheinungen
gegeben. Auch bei akuter und chronischer Brightscher Krankheit sowie bei Pleuritis bewirkt Strophantin eine
Steigerung der Harnabsonderung nur dann, wenn dieselbe infolge ungenügender Herzarbeit vermindert ist. - Jacob (Cudowa) sprach
über Blutdruck und Pulsgröße im lauen, bez. kohlensauren Bade. Im Wasserbad von 37-38° sinkt der Blutdruck, und das Lumen
der Arterie erweitert sich entsprechend oder auch mehr als das Messungen der Temperatur der Haut und des
Körperinnern zeigten, daß hier eine Beschleunigung der Zirkulation vorhanden ist, indem erstere um ebensoviel stieg, wie
letztere sank. Im gleichwarmen kohlensauren Bade steigt der Blutdruck
mehr
durchschnittlich unter Erweiterung des Gefäßlumens. Nach beiden Bäderarten ist das Gefäßlumen absolut vergrößert,
während die gesteigerte Verdunstungsperiode den Blutdruck unter relativer Verengerung des Lumens erheblich erhöht, später
normal, d. h. die Leistung des Herzens nimmt zu. Außerdem erzeugen diese Bäder ein sehr lebhaftes Spiel der Vasomotoren mit
Überwiegen der Erweiterung des Lumens. Durch dieselbe wird im kohlensauren Bade die Herzarbeit verringert,
das Herz selbst verschont, nach beiden Bäderarten außerdem die Thätigkeit des Herzmuskels reflektorisch gesteigert.