und erweitern, was natürlich kein Simulant nachzumachen im stande sein würde.
Über das Nachwirken der
Suggestion im wachen Zustand hat neuerdings
Forel interessante
Beobachtungen veröffentlicht. Er fand,
daß ein erhaltener Befehl wie ein
Trieb nachwirkt, der aber gegebenen Falls auch unterdrückt werden kann, wenn dem Betreffenden
das Unpassende oder Unerlaubte des Befohlenen lebhaft gegenwärtig ist. Es ist daher nicht wahrscheinlich,
daß die Befürchtung, man könne
Personen auf diesem Wege zu
Verbrechen anstiften, allzu begründet wäre, obwohl Liégeois
in
Nancy
[* 2] ein junges Mädchen veranlaßt haben will, einen ungeladenen
Revolver
[* 3] nach dem Erwachen gegen die eigne
Mutter abzufeuern,
indem sie gedacht habe, die
Waffe sei geladen.
Außerdem würde ein solches
Verfahren nichts weniger als ungefährlich für den
Anstifter sein,
da man bei einem derartigen,
ganz unmotivierten
Verbrechen nach dem wahren
Urheber forschen und eine leise
Erinnerung an den
Urheber der verbrecherischen
Idee erhalten bleiben würde. Die
Frage, ob ein
Angeklagter von jemand zu derartigen
Experimenten benutzt
worden sei, wird sich allerdings bei unmotivierten
Verbrechen künftig häufiger in den Gerichtsverhandlungen einstellen.
Schließlich mag noch erwähnt werden, daß
Brugsch die
Praxis der Hypnotisierung nach einem
Leidener
[* 4]
Papyrus bei den alten Ägyptern
entdeckt zu haben glaubt. Er zeigt, daß dort
Kinder beim
Scheine einerLampe
[* 5] oder der aufgehenden
Sonne
[* 6] durch künstliche
Mittel in
Schlaf versetzt worden sind, um prophetische
Offenbarungen über
Dinge, die den so eingeschläferten
Kindern im
Traume kamen, zu erhalten. Diese
Praxis erinnert aber eher an das noch jetzt in
Ägypten
[* 7] gebräuchliche
Wasser- oder
Kristallschauen, wobei man
Kinder veranlaßt, in einer
Flüssigkeit (jetzt gewöhnlich in einem
TropfenTinte)
die Zukunft zu schauen. Ein echtes Hypnotisieren fällt bei
Kindern schwerer als bei Erwachsenen, und diese
Praktiken gründen
sich, wie es scheint, mehr auf die rege
Phantasie und Fabuliersucht des kindlichen
Alters. - Zur Litteratur:
Preger, Der Hypnotismus, Vorlesungen
(mit einer nachgelassenen Abhandlung vonBraid aus dem Jahre 1845,
Wien
[* 8] 1890).
JohannesAdolf, Pianofortefabrikant, geb. gest.
begründete 1794 in
Barmen
[* 9] eine Pianofortefabrik und Orgelbauanstalt, in welche 1834 und 1839 seine
Söhne C.
Rudolf (gest.
1862) und
Richard als Teilhaber eintraten.
Letzterer übernahm 1869 den Orgelbau für alleinige Rechnung,
und
Rudolf I., ein Sohn des erstern, führte die Pianofortefabrik weiter, die zu großem Ansehen gelangte und unter der
FirmaRudolfIbach Sohn gegenwärtig in drei Anstalten (in
Barmen,
Schwelm
[* 10] und
Köln)
[* 11] blüht. Ein dritter Sohn des Begründers,
Gustav
I., begründete 1862 eine eigne
Fabrik.
Wenn auch das
Wesen der I. immer noch nicht völlig aufgeklärt ist, so hat doch die
Lehre
[* 20] von derselben
(vgl. Immunität, Bd. 17) neuerdings
sehr bedeutsame Fortschritte zu verzeichnen. Indem einerseits die Unhaltbarkeit der Erschöpfungstheorie durch experimentelle
Untersuchungen klar dargethan wurde, hat sich anderseits zunächst das
Studium den andern
Theorien wieder mehr zugewandt, und
es ist
Metschnikow geglückt, trotz der gewichtigsten Einwände und vieler gegenteiliger
Beobachtungen andrer
Forscher schließlich
doch den Nachweis zu führen, daß, wenigstens unter Umständen, wirklich lebende
Bakterien in die weißen Blutkörperchen
[* 21] immunerTiere aufgenommen werden; zuerst glaubte er in einem besondern Färbeverfahren (mit
Vesuvin) die
lebenden von den toten
Bakterien unterscheiden zu können.
Als dieses
Verfahren sich als nicht einwandfrei erwiesen hatte, ging er von der Überlegung aus, daß die Bacillen (in allen
den fraglichen
Versuchen handelte es sich um Milzbrandbacillen), wenn sie
vor der Berührung mit den
Freßzellen
geschützt wären, leichter auskeimen und sich vermehren müßten. Um dies zu erweisen, wickelte
er an Seidenfädchen angetrocknete
Milzbrandsporen in Schilfrohrsäckchen und ähnliches
Material, welches den Körpersäften, nicht aber den weißen Blutzellen
den Durchtritt gestattete, ein, brachte diese Säckchen immunen
Tieren unter die
Haut
[* 22] und fand nun, daß
die
Sporen innerhalb der Säckchen zum Auskeimen gelangten, außerhalb dagegen nicht.
Die
Resultate, welche andre
Forscher bei Nachprüfung dieser
Versuche erhielten, waren teils widersprechend, teils nicht Unbedingt
bestätigend. Schließlich gelang
Metschnikow der Nachweis auf die Art, daß er
Phagocyten haltendes
Exsudat von der Impfstelle
in
Bouillon brachte, wodurch die
Freßzellen getötet wurden, nicht aber die innerhalb derselben liegenden
Bacillen, und diese konnte er nun unter dem
Mikroskop
[* 23] unmittelbar auswachsen sehen. Er konnte darauf an eben diesen von den
Zellen aufgenommenen (aber durch Abtötung der
Freßzellen wieder befreiten) Bacillen sogar noch ihre Infektionstüchtigkeit
durch
Übertragung auf
Tiere erweisen. So schön aber der
Beweis geliefert war, daß wirklich lebende Bacillen
von den
Phagocyten aufgenommen werden, so konnte sich dennoch
Metschnikows auf diese
¶
mehr
Beobachtungen gestützte Theorie von der I. keine allgemeine Anerkennung verschaffen. Es wurde nämlich neuerdings von verschiedenen
Forschern übereinstimmend die Beobachtung gemacht, daß das zellenfreie Blutwasser (Serum) bakterientötende Eigenschaften
besitze. Darauf wurde eine neue Immunitätstheorie aufgebaut, indem man annahm, das normale Blut enthalte eine bakterienfeindliche
Substanz in größerer oder geringerer Menge, bez. Giftigkeit, und von der qualitativen oder quantitativen
Verschiedenheit dieser Substanz hänge die für die verschiedenen Menschen, bez. Menschenrassen
[* 25] und für die verschiedenen Tiergattungen
verschiedene I. ab. Diese Theorie mußte die Phagocytenlehre Metschnikows mindestens als überflüssig erscheinen lassen, denn
wenn beim immunen Tiere schon die Blutflüssigkeit die Bakterien abtötet, so bedarf es nicht noch des
Kampfes der zelligen Elemente mit den Bakterien, um diese letztern der Vernichtung entgegenzuführen.
Nun hätte man aber folgerichtig erwarten müssen, daß nur das Blutserum immuner Tiere diese Fähigkeit, pathogene Bakterien
zu töten, besitze, nicht aber auch dasjenige der empfänglichen Tiergattungen. Dies ist aber nicht der
Fall: auch das Serum der für Milzbrand empfänglichen Tiere vermag Milzbrandbacillen abzutöten, anderseits wurde diese Fähigkeit
bei Blutserum milzbrandimmuner Katzen
[* 26] etc. vermißt. Bei Würdigung all dieser Versuche darf man nicht aus dem Auge
[* 27] verlieren,
daß sie an aus der Ader gelassenem toten Blute angestellt sind. Eine befriedigende Erklärung für die
I. kann also auch die Thatsache der bakterienvernichtenden Kraft
[* 28] des zellenfreien Blutserums nicht liefern.
Wie aber die praktischen Bestrebungen, zum Schutz, bez. zu Heilungszwecken künstliche I. zu erzeugen, in der Erreichung
glänzender Erfolge der theoretischen Ergründung des Wesens der I. vorausgeeilt sind, so haben sie auch für die Theorie neue
Gesichtspunkte eröffnet: die Beobachtungen, welche man bei der Herstellung und Anwendung der künstlich abgeschwächten Giftstoffe
gemacht hat, haben die Wahrscheinlichkeit immer näher gerückt, daß die künstliche Immunisierung weniger durch die (abgeschwächten)
Bakterien selbst, als vielmehr durch deren Stoffwechselprodukte, also durch chemische Gifte bedingt werde, daß also die Durchseuchung
eines Individuums mit einer Infektionskrankheit im wesentlichen dadurch zur I. führen müsse, daß Stoffwechselprodukte
von Bakterien im Körper zurückbleiben, welche nur sehr langsam aus dem Körper wieder verschwinden, und an deren Anwesenheit
der Körper sich gewöhnt wie an andre chemische Gifte auch.
Diese Stoffwechselprodukte machen es, wenn sie in gewisser Konzentration im Organismus vorhanden sind,
neu eindringenden Bakterien derselben Art unmöglich, sich anzusiedeln, weil, wie auch im Reagenzglas zu beobachten ist, die
Bakterien, nachdem sie eine gewisse Entwickelungsgrenze erreicht haben, durch ihre eignen Stoffwechselprodukte am Weiterwachsen
gehindert werden. Dies ist nichts andres als die schon Band 17 erwähnte Retentionshypothese. Auf solchen Erwägungen
fußend, hat man denn auch angefangen, zur Erzielung künstlicher I. statt der abgeschwächten Bakterienkulturen sterilisierte
zu verwenden, also die I. lediglich durch die chemischen Produkte des Bakterienstoffwechsels herbeizuführen und, so jung
diese Bestrebungen noch sind, mit dem glänzendsten Erfolg.
Die Verwendung sterilisierter Kulturen zur Immunisierung hat neben der hohen theoretischen Bedeutung den
gar nicht hoch genug anzuschlagenden praktischen
Vorteil, daß damit der zur Immunisierung verwandte Stoff zu einem richtig
abmeßbaren, dosierbaren, chemischen Körper wird, wogegen man bei Einverleibung wenn auch abgeschwächter, so doch vermehrungsfähiger,
pathogener Mikroorganismen die Wirkung auf den Organismus nicht in allen Fällen mit der nötigen Sicherheit in der
Hand
[* 29] hat.
Schon in Band 17 wurde hervorgehoben, wie als letztes Endziel der Studien über I. die Heilung der Infektionskrankheiten angestrebt
werde. Die EntdeckungRobertKochs steht auf diesem Boden der künstlichen Immunisierung durch Stoffwechselprodukte der Tuberkelbacillen,
welche durch Sterilisierung der Bacillenkulturen und Isolierung der chemischen Giftstoffe durch ein besonderes
technisches Verfahren (Ausziehen mit 50proz. Glycerin) gewonnen werden.Koch äußerte sich über diesen Punkt in seinem Vortrag beim
achten MedizinischenKongreß in Berlin
[* 30] wie folgt: ». ich kann über dieselben (Versuche) daher nur so viel mitteilen, daß Meerschweinchen,
welche bekanntlich für Tuberkulose außerordentlich empfänglich sind, wenn man sie derWirkung einer solchen
Substanz aussetzt, auf eine Impfung
[* 31] mit tuberkulösem Virus nicht mehr reagieren, und daß bei Meerschweinchen, welche schon
in hohem Grade an allgemeiner Tuberkulose erkrankt sind, der Krankheitsprozeß vollkommen zum Stillstand gebracht werden kann.«
Ferner gelang es Fränkel, vermittelst sterilisierter Kulturen von Diphtheriebacillen Meerschweinchen gegen
Diphtherie immun zu machen, und Behring und Kitasato konnten sogar schon mit Diphtherie, bez. Wundstarrkrampf infizierte Tiere
durch ähnliche Immunisierungsverfahren heilen.
Sind auch zur Zeit die Erfolge mit dem Kochschen Heilmittel gegen Tuberkulose noch nicht richtig übersehbar, haben sich auch
die Stimmen, welche demselben seine Bedeutung absprechen oder dasselbe für schädlich zu erklären geneigt
sind, eher gemehrt als gemindert, so bleibt doch für diejenigen, welche den Gang
[* 32] der Immunisierungs-Untersuchungen verfolgen,
kein Zweifel, daß hier die Therapie der Zukunft, und zwar der allernächsten, liegt, und daß die zur Zeit noch bestehenden
Mißstände und Schwierigkeiten sich bald und sicher werden beseitigen lassen.