Hefe (alkoholische Gärungsprozesse, Unterscheidung der Hefearten)
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später mit J.
^[Joseph]
Joachim. Nach dreijährigem weitern Studienaufenthalt in
Paris,
[* 2] von wo aus er Konzertreisen unternahm,
wurde Heermann 1865 als
Konzertmeister der
Museum gesellschaft nach
Frankfurt
[* 3] a. M. berufen, in welcher
Stellung er noch heute mit
ausgezeichnetem Erfolg thätig ist, seit 1878 zugleich erster
Lehrer des Violinspiels am HochschenKonservatorium.
Das
Streichquartett Heermann, Sturet-Koning, E.
Welcker,
HugoBecker ist gegenwärtig eins der angesehensten in Mitteldeutschland.
[* 4] Die großen Fortschritte, welche die
Gärungsgewerbe in neuester Zeit gemacht haben, verdanken sie hauptsächlich
der
Chemie, und die Forschungen, welche im
Interesse dieser
Gewerbe unternommen wurden, waren denn auch wesentlich chemische.
Erst in den letzten
Jahren hat der Umstand, daß die alkoholische
Gärung an die Lebensthätigkeit von
Hefepilzen gebunden ist, zu einer größern Beachtung der bakteriologischen Forschungsergebnisse geführt, und man ist
zu einer
Reform im Brauwesen gelangt, welche für die
Untergärung in den meisten
Ländern bereits eingeführt wurde, in den
Obergärungsbrauereien sowie in den andern
Zweigen der Gärungsindustrie sich vorbereitet.
Daß
Gärungs- und Fäulnisprozesse von mikroskopischen Organismen bewirkt werden, war schon zu
LinnésZeiten und von
Linné
selbst behauptet worden, aber erst 1836 wies
Cagniard-Latour nach, daß
Bier- und Weinhefe aus
Zellen besteht, welche sich durch
Sprossung vermehren, und daß diese
Zellen die Alkoholgärung hervorrufen.
Kurz danach kam
Schwann zu demselben
Resultat, und schon 1838 trat die
Anschauung hervor, daß verschiedene
Gärungen durch verschiedene Mikroorganismen eingeleitet
werden.
Die
Lehre
[* 5] von der Bedeutung der Mikroorganismen für die Gärungsprozesse kam aber erst durchPasteur im
Kampfe gegen
Liebig,
welcher diese
Prozesse auf rein chemischem Wege zu erklären suchte, zur allgemeinen Geltung. In seinen
»Études sur la bière« zeigte er klar und unwidersprechlich, welche Macht
die mikroskopischen Lebewesen besitzen, auch betonte er, daß die
Bakterien einen durchgreifenden Einfluß aus den Verlauf
der Alkoholgärung und auf den
Charakter des
Biers ausüben können.
Dennoch konnte dies
Buch die in seiner Vorrede verkündigte
Reform im Brauereibetrieb nicht herbeiführen,
weil es damals (1876) noch nicht möglich war, über die Verhältnisse der verschiedenen Alkoholgärungspilze
Klarheit zu schaffen. Zwar gabPasteur in seinem Werke eine Übersicht der Mikroorganismen, welche
Krankheiten im
Bier verursachen,
doch sprach er hier nur von
Bakterien und empfahl eine
Reinigung der Hefe durch Kultivierung derselben in
einer Zuckerlösung mit
Weinsäure oder in
Würze mit ein wenig
Karbolsäure, um die
Bakterien zu beseitigen.
Einen wesentlichen Fortschritt ermöglichte die Kochsche
Methode der Reinkultur der Mikroorganismen, welche durch
Hansen seit 1883 etwas
modifiziert auf
Hefepilze angewandt wurde. Zwar hatte schon
Reeß 1870
»Botanische Untersuchungen über
die Alkoholgärungspilze« veröffentlicht, doch waren damals die
Methoden viel zu wenig ausgebildet, um brauchbare
Resultate
zu liefern, und erst
Hansen gelang durch seine
Methode, welche die Anwendung von einer einzigen
Zelle
[* 6] abstammender
Kulturen gestattete,
der Nachweis, daß einige der gefährlichsten und gewöhnlichsten
Krankheiten im untergärigen
Bier nicht
von
Bakterien, sondern von bestimmten Hefearten herrühren, und daß mit dem
NamenSaccharomyces cerevisiae nicht eine, sondern
mehrere
Arten und
Rassen bezeichnet werden, welche in den
BrauereienProdukte verschiedener Art geben. Auf dieser Grundlage arbeitete
Hansen sein
System aus, nach welchem eine Anstellhefe, aus einer einzigen Art bestehend, benutzt wird.
Nach einigem
Widerstand wurde dies
System in allen bierbrauenden
Ländern anerkannt und in die
Praxis eingeführt.
Als Feinde der alkoholischen
Gärung wurden, wie bereits hervorgehoben, zunächst
Bakterien bezeichnet, welche die
Entwickelung
des wirksamen Gärungserregers stören oder
Substanzen erzeugen, die den
Geschmack oder sonstigen Wert des
Produkts beeinträchtigen.
Dabei kommen hauptsächlich diejenigen
Bakterien in Betracht, welche die
Essigsäure-, die
Buttersäure-
u. Milchsäuregärung hervorrufen. Hier verdienen die Untersuchungen von
Delbrück, Hayduck und Stenglein Erwähnung, welche
gezeigt haben, daß
Hopfen
[* 7] ein sehr starkes Bakteriengift ist. Er unterdrückt zunächst die Buttersäuregärung und die Fäulniserscheinungen,
dann die Milchsäuregärung, während die Essiggärung durch Hopfenextrakt nicht allein nicht eingeschränkt
wird, sondern vielmehr noch stärker zu verlaufen scheint als ohne Hopfenzusatz.
Als Feinde der alkoholischen
Gärung kommen ferner die
Schimmelpilze
(Botrytis cinerea,
Penicillium glaucum,
Eurotium,
Aspergillus
glaucus,
Mucor mucedo) in Betracht, weniger vielleicht, weil sie sehr energisch in den Gärungsprozeß eingreifen, als vielmehr,
weil sie bei unreinlicher Behandlung der Geräte auftreten, und weil in ihrer
Begleitung stets
Bakterien
auftreten, die durch die Konidienträger der
Schimmelpilze verbreitet werden.
Botrytis cinerea soll dem
Wein einen unangenehmen,
rauchartigen
Geschmack verleihen, während nach
Müller-Thurgau dieser
Pilz
[* 8] das wirksame
Element bei der
Edelfäule der
Trauben
ist, durch welche die
Qualität des
Weins bei richtiger Behandlung erheblich verbessert werden kann.
AspergillusOryzae bildet bei der Bereitung des japanischen Reisweins
(Saké) das diastatische
Ferment, als welches er das Reisstärkemehl
in
Zucker
[* 9] verwandelt; die eigentliche
Gärung bewirkt ein spontan auftretender, noch nicht näher bekannter
Hefepilz. Die
Mucor-Arten
dagegen können unter gewissen Umständen selbst alkoholische
Gärung hervorrufen; in zuckerhaltige
Flüssigkeit
untergetaucht, bilden sie hefeartige
Sprossungen, die wieder zu Schimmelrasen auswachsen, wenn sie durch die
Kohlensäure an
die Oberfläche gehoben werden. Ein vorläufig zu Monilia candida gestellter
Pilz soll nach
HansenRohrzucker direkt in
Gärung
versetzen, während diese Zuckerart durch
Hefepilze zunächst in Invertzucker verwandelt wird.
Für die Unterscheidung der Hefearten ist die Sporenbildung von größter Wichtigkeit.
Hansen hat nachgewiesen,
daß nur junge, kräftige
ZellenSporen bilden und zwar bei reichlichem Zutritt von
Luft. Außer der Gestalt der
Sporen kommt
dann für die einzelnen
Arten die Zeit in Betracht, welche bei einer gewissen niedrigen
Temperatur für dieBildung
der
Sporen erforderlich ist, und hierauf gründete
Hansen eine praktische
Analyse der Brauereihefe. Die reinkultivierte Carlsberger
Unterhefe Nr. 1
(BrauereiAlt-Carlsberg in
Kopenhagen)
[* 10] bildet nämlich bei 25° ihre
Sporen viel später als alle bisher untersuchten
schädlichen
Arten der Saccharomyceten. Da nun nach
Holm und Poulsen 1/200 an »wilder Hefe« auf
diese
Weise sicher zu erkennen ist, da anderseits nachgewiesen ist, daß wilde
Hefen keine
Krankheit des
Biers veranlassen, wenn
ihr
Anteil an der Anstellhefe nicht mehr als 1/41 beträgt, so ist damit eine für die
¶
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Praxis völlig ausreichende Methode zur Erkennung einer schädlichen Beimischung wilder Hefen gegeben. Die Untersuchung der
eigentlichen Kulturhefen ist noch nicht zu einem genügenden Abschluß gelangt. Hansen unterscheidet vorläufig unter- und
obergärige Rassen, da es bisher unmöglich war, eine wirkliche Umbildung von Oberhefe in Unterhefe und umgekehrt zu bewerkstelligen.
Beide Gruppen lassen sich nach praktischen Gesichtspunkten wieder in schneller und langsamer klärende
einteilen, mit welcher Eigentümlichkeit auch ein verschiedener Charakter des Biers, namentlich eine geringere oder größere
Haltbarkeit gegen Hefetrübung, in Verbindung steht.
In chemischer Hinsicht zerfallen die Saccharomyceten (Sproßpilze mit Endosporenbildung) in zwei Gruppen:
1) solche, die Invertin entwickeln und Alkoholgärung hervorrufen, und zwar a) solche, die nicht nur Rohr-
und Traubenzucker, sondern auch Maltose kräftig vergären, und b) solche, die Rohr- und Traubenzucker, aber nicht Maltose vergären;
2) solche, die nicht Invertin entwickeln und keine alkoholische Gärung hervorrufen. Von den Sproßpilzen ohne Endosporenbildung
vergärt die überwiegende Mehr- zahl nicht die Maltose. Viele von diesen rufen in Trauben- und Invertzuckerlösungen
mehr oder weniger kräftige Gärungen hervor. Einige (Torula-Formen) invertieren Rohrzucker, viele besitzen kein invertierendes
Ferment. Nur eine Art vergärt Rohr-, Traubenzucker und Maltose, besitzt aber kein invertierendes Ferment.
Nach diesen Untersuchungen können die Saccharomyceten nicht mehr ohne weiteres als Alkoholgärungspilze
charakterisiert werden, und es ergibt sich ebenso die Notwendigkeit, für die Gärungsgewerbe geeignete Arten auszuwählen.
Amthor ließ acht Proben einer und derselben Bierwürze unter gleichen Verhältnissen mit acht durch Reinkulturen gewonnenen
Saccharomyces-Arten vergären und erhielt greifbare Differenzen in der von den Hefen geleisteten chemischen Arbeit.
Der Alkoholgehalt der Biere variierte zwischen 4,34 und 6,02 Volumprozent,
die Extraktmenge lag zwischen 8,27 und 11,23, der Vergärungsgrad
zwischen 36,7 und 53,3, die Glycerinmenge zwischen 0,077
und 0,149. Auch zeigten die Mengen des Stickstoffs, der reduzierenden Substanz und zum Teil die Farbenintensität erhebliche
Unterschiede. In ähnlicher Weise fand Marx bei einer Anzahl aus Weinmost rein gezüchteter Arten Unterschiede
im Gärungsvermögen und in der Fähigkeit, flüchtige Stoffe hervorzubringen, die dem Weine ein besonderes Boukett verleihen.
Es eröffnet sich hierdurch die Aussicht, daß es gelingen könnte, aus Most, in welchem alle fremdartigen Gärungserreger
abgetötet sind, durch Zusatz ausgewählter HefenWeine von bestimmten Eigenschaften zu erzeugen, auch unabhängig
von dem Orte, wo die Trauben gewachsen sind.
Schon die Untersuchungen Pasteurs, nach welchen Bakterien neben der Hefe auftreten und Krankheiten des Biers veranlassen können,
führten zur Konstruktion von geschlossenen Kühlschiffen für die gekochte Würze und zur Herstellung solcher Lüftungsvorrichtungen
für dieselbe, die ein Eindringen von Keimen mit der Luft ausschlossen. Eine neue Epoche für die Gärungsgewerbe
begann aber erst mit den Hansenschen Arbeiten, welche ermöglichten, die Gärungsprozesse mit einer einzigen Hefeart von bestimmten
Eigenschaften durchzuführen.
Hierzu dient der von Hansen und Kühle konstruierte Hefevermehrungsapparat, welcher, mit einer absoluten Reinkultur einmal
versehen, jahrelang kontinuierlich arbeiten kann. Derselbe
besteht im wesentlichen aus drei Teilen, einer
Luftpumpe
[* 12] mit Luftreservoir zum Einführen keimfreier Luft zwecks Lüftung der Würze, dem Würzecylinder, in den die siedendheiße
Würze eingeführt wird, um darin gekühlt und gelüftet zu werden, und dem Gärungscylinder, der mit einer Vorrichtung
zum Einbringen einer Reinkultur und mit einem Ablaßhahn zur Entnahme der Flüssigkeit und der vermehrten
reinen Hefe versehen ist.
Mit diesem einfachen Apparat ist es möglich, mit kurzen Zwischenräumen absolut reine Anstellhefe für ca. 8 hlWürze zu entwickeln.
Von größter Bedeutung ist es, daß man selbst nach Verlauf von Jahren immer wieder genau dieselbe einmal ausgewählte Hefe zur
Verfügung haben kann, wenn man im Laboratorium
[* 13] die absolute Reinkultur in einer 10proz. Rohrzuckerlösung
aufbewahrt. In solcher Lösung erhalten sich die Kulturhefen jahrelang lebendig und ohne Veränderung ihrer Eigenschaften.
Hansen fand auch eine Methode, die reinen Hefen ohne Schaden selbst nach den Tropen versenden zu können, und daraufhin hat sein
Verfahren außer in Europa
[* 14] auch in Nord- und Südamerika,
[* 15] in Asien
[* 16] und Australien
[* 17] Anwendung gefunden. Die Berichte
über die erhaltenen Biere lauten im allgemeinem sehr günstig, namentlich in Bezug auf Haltbarkeit, Glanz und reinen Geschmack
derselben. Vielfach war allerdings der Geschmack des mit nur einer Heferasse erhaltenen Biers abweichend von dem bisher
gebrauten, offenbar weil man bis dahin mit einer andern oder mit einem Gemisch mehrerer Heferassen gearbeitet hatte.
Offenbar sind nach dieser Richtung noch erhebliche Fortschritte zu erwarten. Auch für obergärige Biere scheinen die Versuche
gute Erfolge zu versprechen. Die mit reiner Hefe hergestellten obergärigen Biere haben einen reinern süßern Geschmack
und größere Haltbarkeit als die gewöhnlichen, und es ergeht daher die Mahnung an die Brauereien obergäriger Biere, daß
sie, statt ihren Betrieb einzustellen oder für Untergärung einzurichten, denselben in zeitgemäßer Weise weiterentwickeln.
Vgl. Hansen, Untersuchungen aus der Praxis der Gärungsindustie ^[richtig: Gärungsindustrie] (2. Aufl., Münch. 1890);
Jörgensen,
Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie (2. Aufl., Berl.
1890).