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Entfieberung ein, in manchen Fällen erfolgt aber auch allmählicher, sogen. lytischer Abfall. Der Beginn der Krankheit ist meist ein ganz plötzlicher, besonders wurde bei jungen, kräftigen Leuten, z. B. Soldaten, beobachtet, daß sie plötzlich bewußtlos niederstürzten, anscheinend aus vollem Wohlbefinden heraus. Ziemlich allgemein und für Grippe charakteristisch sind die Kopf-, Kreuz- und Muskelschmerzen, ferner Bindehautkatarrh, gerötetes Gesicht, [* 2] dann auch Katarrh der obern Luftwege. Um die mannigfaltigen Erscheinungen etwas zu gruppieren, wurde bei der letzten Epidemie vielfältig eine Trennung von drei Formen, einer katarrhalischen, einer gastrischen und einer nervösen, aufgestellt, womit jedoch nicht gemeint sein sollte, daß nicht diese drei Formen in der mannigfachsten Weise verbunden sein könnten.
Die soeben genannten katarrhalischen Erscheinungen würden dann die ersten Symptome der katarrhalischen Form bilden, zu welchen noch weiter ein auch auf die gröbern und eventuell feinern Bronchien sich erstreckender Katarrh hinzukäme. Der Husten ist dabei verschieden; häufig trocken, ohne Auswurf, krampfartig, manchmal schon von Beginn an mit reichlichem Auswurf; der letztere ist anfänglich meist zäh, glasig, später schaumig, nicht selten etwas mit Blut vermischt, in einzelnen Fällen wurde er sehr reichlich gefunden, bis zu 0,5 Lit. täglich.
Auch Fälle von Mandelentzündung, ferner Atemnot und asthmatische Anfälle wurden zuweilen beobachtet. Diese katarrhalischen Formen waren bei der letzten Epidemie entschieden die häufigsten. Nicht selten besteht neben den genannten katarrhalischen Erscheinungen auch Erbrechen schleimiger Massen, Appetitlosigkeit, in manchen Fällen Verstopfung, in andern Durchfall, ja sogar zuweilen profuser Brechdurchfall. Eine rein nervöse Form wurde bei der letzten Epidemie ziemlich selten beobachtet, am meisten werden dazu diejenigen Fälle der häufigsten katarrhalischen Form zu rechnen sein, bei welchen besonders heftige Erscheinungen von seiten des Nervensystems die Krankheit schwerer gestaltet haben. So zeigten sich häufig die Muskelschmerzen von besonderer Heftigkeit, ebenso Müdigkeit und Gliederschwere; dann Schlaflosigkeit, welche oft noch wochenlang nach Ablauf [* 3] der Krankheit bestehen blieb, in andern Fällen Schlafsucht in bedenklichen Graden, welche auf Hirnreizung schließen ließen, ferner ziemlich häufig sehr heftige Kopfschmerzen, besonders in der Stirn, Ohnmachtsanfälle, Überempfindlichkeit.
Inwieweit diese nervösen Erscheinungen unmittelbar durch die Grippe hervorgerufen werden, oder ob sie mehr zu den durch andre Krankheitsstoffe erzeugten Mit- und Nachkrankheiten zu rechnen sind, läßt sich nicht entscheiden. Milzschwellungen wurden in 10 Proz. der Fälle beobachtet, Hautausschläge in 12,4 Proz. In weitaus den meisten Fällen endigte die Krankheit in Genesung und zwar häufig schon nach wenigen Tagen mit kurzer Rekonvaleszenz. Seltener machte die letztere nur langsame Fortschritte, besonders waren es die nervösen Erscheinungen, welche oft lange Zeit anhielten.
Der Grippe besonders eigentümlich zeigten sich die Mit- und Nachkrankheiten (Komplikationen) der verschiedensten Art. Die wichtigste, weil häufigste und meist sehr gefährliche war in der letzten Epidemie die Lungenentzündung; alte oder durch anderweitige Krankheit geschwächte Individuen erlagen derselben ziemlich häufig; diese Krankheit nimmt während des Verlaufs der Epidemie an Häufigkeit zu und setzt bei den Kranken auf der Höhe der Krankheit oder in der Rekonvaleszenz ein. Unter 34,556 kranken Soldaten der deutschen Armee traten 219 Lungenentzündungen auf (= 0,63 Proz.), unter 439 Grippekranken im Bürgerhospital zu Köln [* 4] 150 (= 24 Proz.), davon verliefen tödlich 32 (= 30 Proz.). Als Ursache dieser Lungenentzündungen wurden in vielen Fällen sogen. Streptokokken, in andern der Diplococcus pneumoniae (s. Bakterien, S. 85) gefunden.
Selten trat als Komplikation Hirnhautentzündung auf. Ganz vereinzelt kam es auch zu einer Verbindung beider genannter Krankheiten; so entstand der Zustand, über welchen kurz nach der Grippe viel geredet wurde, die Nona. Das Wenige, was hierüber bekannt wurde, ist, daß bei der nachgewiesenermaßen vereinigt aufgetretenen Hirnhaut- und Lungenentzündung eine völlige Apathie der Kranken und eigentümliche Schlafsucht sich gezeigt hat. Die Fälle solcher Nona verliefen meist tödlich.
Von weitern komplizierenden Krankheiten wurden hauptsächlich noch beobachtet Lungentuberkulose, Brustfellentzündung, Herzbeutelentzündung, Herzschlag und Herzlähmung nach überstandener Grippe, ferner Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) in den Blutgefäßen; von seiten des Nervensystems außer den schon erwähnten, zum Wesen der Grippe selbst zu rechnenden Zuständen sowie den Hirnhautentzündungen auch Hirnabscesse, Geisteskrankheit. Besonders häufig traten als Nachkrankheit Ohrenleiden, Mittelohreiterungen und Blutungen ins Trommelfell auf; in der Armee wurde diese Erkrankung in 290 Fällen (= 0,52 Proz. aller Grippefälle) beobachtet. Auch Augenerkrankungen kamen infolge von Grippe zur Beobachtung, als Hornhaut-, Regenbogenhaut-, Sehnervenentzündung, Glaukom; die Gesamtzahl der Augenerkrankungen ist aber während und nach der Epidemie nicht gestiegen.
Die Behandlung der Grippe betreffend, ist viel debattiert worden, ob Vorbeugungsmaßregeln nützlich seien oder nicht. Diejenigen, welche auf dem miasmatischen Standpunkt stehen, halten sie für nutzlos, die Kontagionisten haben von denselben Vorteil erwartet. Die Erfahrungen, welche man mit Absperrungs- und Desinfektionsmaßregeln im deutschen Heere an dem großen Beobachtungsmaterial gemacht hat, konnten keinen deutlichen Nutzen dieser Maßregeln erweisen.
Von Ärzten, welche die tropischen Malariafieber aus eigner Beobachtung kennen, wurde auf eine gewisse Ähnlichkeit [* 5] zwischen Grippe und Malaria hingewiesen und in diesem Sinne als prophylaktische Maßregel der tägliche Genuß einer kleinen Menge von Chinin empfohlen, welche am zweckmäßigsten in irgend welchen Spirituosen genommen werde. Beim Bonner Husarenregiment wurde dann in einer Eskadron der Versuch gemacht; jeder Mann erhielt täglich 0,5 g Chinin in 15 g Kornbranntwein.
Leider wurde der Versuch erst begonnen, nachdem schon eine Anzahl der Mannschaften erkrankt war. Während des Versuchs erkrankten bei der ersten Eskadron 22, bei der dritten 19, bei der vierten 42, bei der fünften 32 und bei der zweiten, welche den Chininschnaps bekommen hatte, nur 7 Mann. In andern Fällen freilich war die Wirkung weniger günstig. Von Heilmitteln gegen die hat sich keins gefunden, welches als spezifisches gewirkt hätte; insbesondere hat eben Chinin, welches ja gegen ausgebrochene Malaria sich als spezifisch wirksam erweist, bei Grippe ganz im Stiche gelassen, dagegen haben Antipyrin, Antifebrin und Phenacetin bei den oft sehr heftigen Neuralgien und andern nervösen Beschwerden gute Dienste [* 6] geleistet. Im allgemeinen hat man die Erfahrung gemacht, daß, wo keine Komplikationen bestehen, die rasch verlaufende und im ganzen gutartige Krankheit ohne viel Zuthun vorübergeht, und hat ein energischeres Eingreifen auf die Komplikationen beschränkt. ¶
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Allgemein wurde aber der Eindruck gewonnen, daß Verhütung von Erkältung sowohl die beste Vorbeugungsmaßregel ist, als auch am besten den Kranken vor Eintritt von Komplikationen schützt. In erster Linie wurde überall empfohlen Bettruhe, kräftige Nahrung und Alkohol, wo die Verdauungsorgane es zulassen; in der Rekonvaleszenz sollte man vermeiden, zu früh wieder aus dem Hause zu gehen.
Eine Beobachtung, welche sowohl in frühern Epidemien als auch in der letzten gemacht wurde, ist die, daß gleichzeitig mit der Epidemie beim Menschen auch ähnliche seuchenartige Erkrankungen von Hunden, Katzen, [* 8] insbesondere aber von Pferden vorkommen.
Unter Pferde-Influenza (s. Influenza, Bd. 8) versteht man drei verschiedene Erkrankungen, welche nicht immer genügend getrennt werden. Bei einer dieser drei Formen, der katarrhalischen oder Pferdestaupe, ist eine Beziehung zur menschlichen Grippe nicht ausgeschlossen; dieselbe wurde während der jüngsten Epidemie vielfach beobachtet; freilich ist eine unmittelbare wechselseitige Übertragung der menschlichen Grippe auf Pferde [* 9] oder umgekehrt zu wenig sicher beobachtet, und es ist anzunehmen, daß bei der ungeheuern Pandemie 1889/90 hierzu sehr häufig Gelegenheit gewesen wäre.
Endlich ist noch zu erwähnen, daß man während und nach der letzten Epidemie die Grippe häufig in gewisse Beziehungen zu andern Infektionskrankheiten hat bringen wollen. Vor allem wurde das Dengfieber (s. Bd. 17) genannt, welches man anfänglich mit der Grippe identifizierte. Das Dengfieber ist aber eine von Grippe grundverschiedene Krankheit, doch wurde die jüngste Epidemie allerdings im Anfang an manchen Orten für Dengfieber gehalten; so lief aus Smyrna die Nachricht ein, daß in dortiger Gegend 200,000 Personen am Dengfieber erkrankt seien; erst nachher stellte sich heraus, daß es sich um Grippe handelte.
Auch bezüglich der Cholera wollte man einen Zusammenhang mit Grippe statuieren in der Weise, daß man glaubte, die Cholera müsse der Grippe folgen; diese Annahme stützte sich darauf, daß nach der Grippe-Epidemie im J. 1831 eine Cholera-Epidemie auftrat; es haben aber nach dieser Zeit u. zuvor schon viele Grippe-Epidemien geherrscht, ohne daß Cholera darauf gefolgt wäre. Die Geschichte der Epidemien lehrt also, daß auch diese Annahme unbegründet ist.
Vgl. »Die Grippe-Epidemie im deutschen Heere 1889/90, bearbeitet von der Medizinalabteilung des königl. preußischen Kriegsministeriums« (Berl. 1890);
Seifert, Über Influenza (»Klinische Vorträge«, Nr. 240, Leipz. 1890).