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Zivilprozeßordnung aufzuzählen, sondern stellt durch eine Reihe weiterer Vorschriften, welche sich an die wesentlichsten Bestimmungen der Zivilprozeßordnung anlehnen, den Gang des [* 2] Verfahrens im allgemeinen fest, um auf diese Weise eine für einfach verlaufende Streitigkeiten ausreichende und leicht zu übersehende Grundlage für die Handhabung des Verfahrens zu bieten. Der Hauptunterschied gegen den ordentlichen Prozeß vor den Landgerichten liegt für die Praxis der Parteien darin, daß der für das Verfahren vor den Amtsgerichten schon einigermaßen abgeschwächte Grundsatz des Prozeßbetriebs durch die Parteien in der Hauptsache beseitigt und durch den Offizialbetrieb seitens des Gerichts ersetzt ist.
Die hauptsächlichsten Konsequenzen dieses Prinzips äußern sich darin, daß alle Zustellungen von Amts wegen erfolgen (§ 30), die erforderlichen Verhandlungstermine von Amts wegen angesetzt und die Ladungen den Parteien abgenommen und durch den Gerichtsschreiber veranlaßt werden (§ 33). Rechtsanwalte und Personen, welche das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, werden als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände vor dem Gewerbegericht nicht zugelassen.
Nachdem die Klage eingereicht oder zum Protokoll des Gerichtsschreibers angebracht ist, hat der Vorsitzende einen möglichst nahen Termin zur Verhandlung anzusetzen. An ordentlichen Gerichtstagen können aber auch die Parteien zur Verhandlung des Rechtsstreits ohne Terminbestimmung und Ladung vor dem Gericht erscheinen. Die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. Die Klage ist zu Protokoll zu nehmen, falls die Sache streitig bleibt.
Erscheint der Kläger im Verhandlungstermin nicht, so ist auf Antrag des Beklagten das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, daß der Kläger mit der Klage abzuweisen sei. Erscheint der Beklagte nicht und beantragt der Kläger das Versäumnisurteil, so werden die in der Klage behaupteten Thatsachen als zugestanden angenommen. Soweit dieselben den Klageantrag rechtfertigen, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen. Bleiben beide Parteien aus, so ruht das Verfahren, bis die Ansetzung eines neuen Verhandlungstermins beantragt wird.
Die Partei, gegen welche ein Versäumnisurteil erlassen ist, kann binnen der Notfrist von 3 Tagen seit der an sie bewirkten Zustellung des Urteils die Erklärung abgeben, daß sie Einspruch erhebe. Nach Einlegung des Einspruchs hat der Vorsitzende einen neuen Verhandlungstermin anzusetzen. Erscheint die Partei, welche den Einspruch eingelegt hat, auch in dem neuen Termin nicht, so gilt der Einspruch als zurückgenommen. Andernfalls wird, sofern der Einspruch zulässig ist, der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in welcher er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.
Erscheinen beide Parteien im Verhandlungstermin, so hat das Gericht zunächst thunlichst auf eine gütliche Erledigung des Rechtsstreits hinzuwirken. Den Sühneversuch kann es in jeder Lage des Verfahrens erneuern, es muß ihn bei Anwesenheit der Parteien am Schluß der Verhandlung wiederholen. Kommt ein Vergleich nicht zu stande, so ist über den Rechtsstreit zu verhandeln und derselbe unter Berücksichtigung der bisherigen Verhandlungen zu entscheiden. In dem ersten auf die Klage angesetzten Termin kann die Zuziehung der Beisitzer unterbleiben.
Erscheint in dem Termin nur eine der Parteien, so erläßt auf Antrag derselben der Vorsitzende das Versäumnisurteil. Erscheinen beide Parteien, so hat der Vorsitzende den Sühneversuch vorzunehmen. Kommt ein Vergleich zu stande, so ist derselbe protokollarisch festzustellen. Das Gleiche gilt, wenn die Klage zurückgenommen oder wenn auf den Klageanspruch verzichtet oder wenn derselbe anerkannt wird; in diesen Fällen hat, sofern beantragt wird, die Rechtsfolgen durch Urteil auszusprechen, der Vorsitzende das Urteil zu erlassen.
Bleibt die
Sache in dem
Termin streitig, so hat der Vorsitzende die
Entscheidung zu erlassen, wenn dieselbe sofort erfolgen
kann und beide
Parteien sie beantragen. Andernfalls ist ein neuer Verhandlungstermin, zu welchem die
Beisitzer zuzuziehen sind,
anzusetzen und sofort zu verkünden.
In den vor die Gewerbeger
ichte gehörigen Rechtsstreitigkeiten finden die
Rechtsmittel statt, welche
in den zur
Zuständigkeit der
Amtsgerichte gehörigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zulässig sind
(Berufung und
Beschwerde).
Die
Berufung ist jedoch nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 100 Mk.
übersteigt. Als
Berufungs- und Beschwerdegericht ist das
Landgericht, in dessen
Bezirk das
Gewerbegericht seinen Sitz hat, zuständig;
für die
Berufung (nicht auch für die
Beschwerde) gilt daher der Anwaltzwang. Aus den
Endurteilen der Gewerbeger
ichte, welche rechtskräftig
oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind, sowie aus den
Vergleichen, welche nach
Erhebung der
Klage vor dem
Gewerbegericht
geschlossen sind, findet die
Zwangsvollstreckung statt.
Die der Berufung oder dem Einspruch unterliegenden Urteile sind von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn sie Streitigkeiten über den Antritt, die Fortsetzung, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder über die Aushändigung, resp. den Inhalt des Arbeitsbuchs, resp. Zeugnisses betreffen, oder wenn der Gegenstand der Verurteilung an Geld oder Geldeswert die Summe von 300 Mk. nicht übersteigt. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist aber nicht auszusprechen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde; auch kann sie von einer vorgängigen Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.
Die Gerichtsgebühren betragen bei einem Gegenstand im Werte bis 20 Mk. einschließlich 1 Mk., über 20-50 Mk. einschließlich 1,50 Mk., über 50-100 Mk. einschließlich 3 Mk.; die fernern Wertsklassen steigen um je 100 Mk., die Gebühren um je 3 Mk.; die höchste Gebühr beträgt 30 Mk. Wird der Rechtsstreit durch Vergleich beigelegt, so wird keine Gebühr erhoben, wird er sonst ohne kontradiktorische Verhandlung erledigt, so sind die halben Gebührensätze zu zahlen.
Das
Gesetz hat auch (in
Abschnitt III, § 61-69) eine Thätigkeit der Gewerbeger
ichte als
Einigungsämter (s. den Art.
Einigungsämter, Bd. 5, S. 383) bei Streitigkeiten, welche
zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über die
Bedingungen der Fortsetzung oder
Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses entstehen,
vorgesehen und geregelt. Aber man ging davon aus, daß eine Verpflichtung, diese Streitigkeiten vor einem
Gewerbegericht als
Einigungsamt zum Austrag zu bringen, den Beteiligten nicht auferlegt und ebensowenig eine Vollstreckbarkeit
der Schiedssprüche des Einigungsamts vorgesehen werden könne.
Die Thätigkeit des Gewerbeger
ichts als Einigungsamt soll daher nur eintreten, wenn sie von beiden Teilen angerufen wird.
Der Anrufung ist in diesem
Falle
Folge zu geben, wenn die beteiligten
Arbeiter und Arbeitgeber, letztere sofern ihre Zahl mehr
als drei beträgt, Vertreter bestellen, welche mit der
Verhandlung vor dem Einigungsamt beauftragt werden. Als Vertreter können
nur Beteiligte bestellt werden, welche das 25. Lebensjahr vollendet haben, sich im
Besitz
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der bürgerlichen Ehrenrechte befinden und nicht durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt sind; sofern aber Arbeiter in diesem Alter nicht, oder nicht in genügender Anzahl vorhanden sind, können auch jüngere Vertreter zugelassen werden. Die Zahl der Vertreter soll in der Regel nicht mehr als drei betragen; das Einigungsamt kann aber auch eine größere Zahl zulassen. Über die Legitimation der Vertreter entscheidet das Einigungsamt nach freiem Ermessen.
Das als Einigungsamt thätige Gewerbegericht soll neben dem Vorsitzenden mit vier Beisitzern, Arbeitgeber und Arbeiter in gleicher Zahl, besetzt sein; es kann sich durch Zuziehung von Vertrauensmännern der Arbeitgeber und Arbeiter in gleicher Zahl ergänzen und dies muß geschehen, wenn es von den Vertretern beider Teile unter Bezeichnung der zuzuziehenden Vertrauensmänner beantragt wird. Beisitzer und Vertrauensmänner dürfen aber nicht zu den Beteiligten gehören.
Das Einigungsamt hat durch Vernehmung der Vertreter beider Teile die Streitpunkte und die für die Beurteilung derselben in Betracht kommenden Verhältnisse festzustellen und ist befugt, zur Aufklärung der letztern Auskunftspersonen vorzuladen und zu vernehmen. Nach erfolgter Feststellung ist in gemeinsamer Verhandlung jedem Teile Gelegenheit zu geben, sich über das Vorbringen des andern Teiles sowie über die vorliegenden Äußerungen der Auskunftspersonen zu äußern.
Demnächst findet ein Einigungsversuch zwischen den streitenden Teilen statt. Kommt eine Vereinbarung zu stande, so ist der Inhalt derselben durch eine von sämtlichen Mitgliedern des Einigungsamts und von den Vertretern beider Teile zu unterzeichnende Bekanntmachung zu veröffentlichen. Kommt eine Vereinbarung nicht zu stande, so hat das Einigungsamt einen Schiedsspruch über die streitigen Fragen abzugeben. Stehen bei der Beschlußfassung über den Schiedsspruch die Stimmen sämtlicher für die Arbeitgeber zugezogenen Beisitzer und Vertrauensmänner denjenigen sämtlicher für die Arbeiter zugezogenen gegenüber, so kann sich der Vorsitzende seiner Stimme enthalten und feststellen, daß ein Schiedsspruch nicht zu stande gekommen ist.
Der Schiedsspruch ist den Vertretern beider Teile mit der Aufforderung zu eröffnen, sich binnen einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob sie sich demselben unterwerfen. Der abgegebene Schiedsspruch ist mit den Erklärungen der Parteien durch eine von sämtlichen Mitgliedern des Einigungsamts unterzeichnete Bekanntmachung zu veröffentlichen. Ist weder eine Vereinbarung noch ein Schiedsspruch zu stande gekommen, so ist dies vom Vorsitzenden öffentlich bekannt zu machen.
Die Motive des Gesetzentwurfs bemerken zu diesen Bestimmungen: Daß eine auf diese Weise herbeigeführte und öffentlich kundgegebene Vereinbarung von allen Beteiligten für die Bedingungen des weitern Arbeitsverhältnisses als maßgebend anerkannt wird, kann zwar durch äußere Mittel nicht erzwungen werden, wird aber als Regel angenommen werden dürfen. Das moralische Gewicht, welches dem Schiedsspruch, wenn eine Einigung zwischen den Vertretern beider Teile nicht erreicht wird, beiwohnt, wird um so größer sein, je sorgfältiger und objektiver das Einigungsamt bei der Feststellung der Thatsachen und bei den Einigungsverhandlungen vorgegangen ist, und es ist die Hoffnung nicht ausgeschlossen, daß, namentlich wenn die neue Einrichtung erst länger in Wirksamkeit gewesen ist, in nicht seltenen Fällen beide Teile sich schließlich dem Schiedsspruch unterwerfen werden.
Dies wird allerdings in der Regel dann nicht zu erwarten sein, wenn auch innerhalb des Einigungsamts die Ansicht sämtlicher für die Arbeitgeber zugezogenen Beisitzer und Vertrauensmänner derjenigen sämtlicher für die Arbeiter zugezogenen gegenübergestanden hat, und der Schiedsspruch nur durch die ausschlaggebende Stimme des Vorsitzenden zu stande gekommen ist. Deshalb soll in solchen Fällen der Vorsitzende berechtigt sein, sich seiner Stimme zu enthalten und zu konstatieren, daß ein Schiedsspruch nicht zu stande gekommen ist.
Aber auch in dem Falle, in welchem nur eine der beiden Parteien oder keine von beiden sich dem Schiedsspruch unterworfen hat, soll eine Veröffentlichung des letztern stattfinden, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß trotzdem größere oder kleinere Kreise [* 4] der Beteiligten auf beiden Seiten sich entschließen, unter den im Schiedsspruch angegebenen Bedingungen das Arbeitsverhältnis fortzusetzen oder wieder aufzunehmen. Unter allen Umständen wird die Veröffentlichung des Schiedsspruchs den Wert haben, daß sie auf die öffentliche Meinung, deren Bedeutung für den Ausgang der in Frage stehenden Streitigkeit erfahrungsmäßig eine sehr erhebliche ist, aufklärend und berichtigend einzuwirken geeignet ist.
In der Kommission stieß die Vorlage durch die in ihr nicht vorgesehene Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche auf Widerspruch. Es wurde erörtert, ob nicht wenigstens gegenüber den Rädelsführern, welche die Arbeiter oder die Arbeitgeber gegen die Schiedssprüche aufhetzten, Strafbestimmungen getroffen werden könnten. Es wurde darauf hingewiesen, daß in England eine gewisse Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche bereits Eingang gefunden (s. Einigungsämter, Bd. 5) und in ziemlichem Maße sich bewahrt zu haben scheine.
Doch fand die gegenteilige Ansicht die Billigung der Mehrzahl, welche dahin ging, daß eine Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche sowohl vom juristischen als vom sozialpolitischen Standpunkt aus für die deutschen Verhältnisse weder möglich noch wünschenswert sei. Die Thätigkeit des Einigungsamts müsse lediglich basieren auf dem moralischen Ansehen, welches das Gewerbegericht sich durch seine Thätigkeit bei Entscheidung von Streitigkeiten erworben habe.
Der Zweck sei die soziale Versöhnung, nicht die Herstellung eines Friedens durch Gewaltmittel. Auch erscheine es aussichtslos, Arbeiter den Schiedssprüchen durch Zwangsmittel unterwerfen zu wollen, welche ohne Kündigung oder mit höchstens 14 tägiger Kündigung jeder Zeit ihre Arbeit verlassen könnten. Eine Vollstreckbarkeit sei überhaupt nur denkbar bei kleinen, vielleicht auf eine Fabrik beschränkten Ausständen, während bei Massenstreiks der modernen Zeit eine Vollstreckbarkeit vollständig ausgeschlossen erscheine.
Durch die Kommission wurde einstimmig dem Gesetz ein neuer Abschnitt IV (§ 70), »Gutachten und Anträge der Gewerbeger
ichte«, eingefügt,
nach welchem das Gewerbegericht verpflichtet ist, auf Ansuchen von Staatsbehörden oder des Vorstandes des Kommunalverbandes,
für welchen dasselbe errichtet ist, Gutachten über gewerbliche Fragen abzugeben. Zur Vorbereitung oder Abgabe derselben können
Ausschüsse aus der Mitte des Gewerbegerichts gebildet werden. Diese Ausschüsse müssen, sofern es sich um Fragen handelt,
welche die Interessen beider Teile berühren, zu gleichen Teilen aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzt
sein. Ebenso ist das Gewerbegericht berechtigt, in gewerblichen Fragen, welche die seiner Gerichtsbarkeit unterstehenden Betriebe
berühren, Anträge an Behörden und an Vertretungen von
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