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unterstützt: a) durch Errichtung von Freibänken behufs entsprechender Verwertung des minderwertigen Fleisches sowie des Fleisches kranker Tiere, welches zum menschlichen Genuß zugelassen werden kann; b) durch Einführung des Deklarationszwanges für minderwertiges Fleisch und das Fleisch kranker Tiere; c) durch möglichste Einschränkung und Erschwerung des Handels mit ausgeschlachtetem Fleische; d) durch gründliche und unschädliche Beseitigung des vom menschlichen Genuß ausgeschlossenen Fleisches, am besten auf chemischem oder thermischem Wege; e) durch Errichtung von Schlachtviehversicherungsanstalten.
5) Über die Verwendbarkeit des an Infektionskrankheiten leidenden Schlachtviehes sowie des minderwertigen Fleisches überhaupt sind gesetzliche Bestimmungen, ähnlich denen über Trichinose, erforderlich, wonach das Fleisch in bestimmten Fällen (z. B. bei Septikopyämie, bei allgemeiner Tuberkulose, Fleisch von krepierten Tieren) zum Verkauf als menschliches Nahrungsmittel [* 2] nicht zuzulassen ist, während bei einer zweiten Gruppe von Infektionskrankheiten (z. B. Tuberkulose einzelner Organe, Maul- und Klauenseuche, Rotlauf bei Schweinen, Aktinomykose, lokalen Entzündungen), je nach Ausbreitung, Stadium und Intensität der ursachlichen Krankheit, auf Grund des tierärztlichen Gutachtens entweder der Ausschluß des Fleisches vom menschlichen Genuß oder die Verwendung unter gewissen Bedingungen (vorheriges Kochen, Deklarationszwang) als minderwertiges Fleisch gestattet werden kann.
6) Der Genuß von rohem oder halbrohem Fleische ist in jeder Richtung zu verwerfen.
7) Bei der großen Bedeutung und Häufigkeit der Rindertuberkulose sind energische Maßregeln zu ihrer Bekämpfung von seiten des Staates dringend geboten. Redner führte an, daß in Leipzig [* 3] 15 Proz. der geschlachteten Rinder [* 4] tuberkulös befunden wurden, durchschnittlich im Königreich Sachsen [* 5] 11 bis 12 Proz., in einzelnen Schlachthäusern sogar über 20 Proz. Die Milch tuberkulöser Tiere schließt eine große Gefahr, namentlich für Kinder, in sich. In Bezug auf den Fleischgenuß ist die Frage noch nicht spruchreif.
Die Tuberkulose muß ebenso behandelt werden wie die andern Seuchen, und man wird dann auch dieser gegenüber Erfolge haben, wenngleich das Zeit und Opfer kosten wird. Schlachthausdirektor Hengst (Leipzig) führte aus, daß in den ersten 8 Monaten von 1890 im Leipziger Schlachthaus 24 Proz., im April sogar 29,7 Proz. der Rinder tuberkulös gewesen seien, bei Schweinen finde sich die Tuberkulose wahrscheinlich noch häufiger. Hölker hält es für richtig, schon für Städte von 5-10,000 Einw. Schlachthäuser einzurichten. Auf Antrag von Lohmann (Hannover) [* 6] wird die erste These folgendermaßen geändert: Bis zur völligen Durchführung der allgemeinen obligatorischen Fleischschau ist mindestens eine obligatorische Beschau der einer Krankheit verdächtigen Schlachttiere sowie der wegen Krankheit notgeschlachteten Tiere durch tierärztliche Sachverständige anzustreben. Alle übrigen Thesen werden unverändert angenommen.
Hierauf sprach Gaffky (Gießen) [* 7] über Desinfektion [* 8] von Wohnungen. In Berlin [* 9] wurde zuerst ein auf der Anwendung von Karbolsäure- oder Sublimatspray beruhendes Verfahren von Guttmann und Merke vorgeschlagen, welches nicht unbefriedigende Ergebnisse lieferte, 1887 aber durch das Verfahren der Abreibung der Wände und Möbel [* 10] mit Brot [* 11] und Waschen des Fußbodens mit Karbolsäure verdrängt wurde. Letzteres Verfahren ist nach Esmarchs Untersuchungen sehr zuverlässig.
Das Brot darf weder zu frisch noch zu trocken sein und wird in lange, handliche Stücke zerschnitten. Ein Arbeiter wird in einigen Stunden mit einem mittelgroßen Zimmer fertig, und die Ausgaben betragen 2-2,5 Mk. Bei getünchten Wänden wird der Anstrich erneuert und in der ursprünglichen Farbe wiederhergestellt. Wäsche, Kleider, Betten desinfiziert man mit heißen Wasserdämpfen oder kocht sie mit Wasser. Andre Gegenstände werden je nachdem mit trocknen Lappen oder mit solchen, die mit Desinfektionsflüssigkeit getränkt sind, abgerieben.
Brotreste und Lappen werden schließlich verbrannt. Bei manchen ansteckenden Krankheiten, wie Cholera, Darmtyphus, Ruhr, kann man auf Abreiben der Wände verzichten, wie überhaupt das Verfahren bei einzelnen Krankheiten einige Abänderungen erleidet. Redner rühmte die Zuverlässigkeit u. Tüchtigkeit der betreffenden Organisation in Berlin und stellt dann folgende Thesen auf:
1) Von dem wertvollen Mittel der Bekämpfung der Infektionskrankheiten, welches in der Desinfektion der Wohnungen zu Gebote steht, ist bisher nur in verhältnismäßig geringem Umfang und vielfach in wenig zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht worden.
2) Die Vornahme der Wohnungsdesinfektion darf nicht lediglich dem Belieben der Haushaltungsvorstände überlassen bleiben; sie ist vielmehr für bestimmte Fälle im allgemeinen Interesse obligatorisch zu machen.
3) In allen Fällen von behördlich angeordneter Wohnungsdesinfektion ist dieselbe ausschließlich solchen zuverlässigen Personen zu übertragen, welche praktisch entsprechend vorgebildet sind und ihre Befähigung durch Ablegung einer besondern Prüfung dargethan haben.
4) Die Organisation der Wohnungsdesinfektion hat thunlichst im Anschluß an öffentliche Desinfektionsanstalten zu erfolgen, und die Wohnungsdesinfektion kann in der Regel auf das Krankenzimmer einschließlich seines Inhalts sowie auf die von dem Kranken benutzten, bis dahin noch nicht oder nicht genügend desinfizierten Gegenstände beschränkt werden.
5) Für die Ausführung der obligatorischen Wohnungsdesinfektion sind genaue Anweisungen zu erlassen, bei deren Aufstellung unter andern auch folgende Gesichtspunkte in Betracht kommen: a) Für die verschiedenen Infektionskrankheiten sind verschiedene Desinfektionsverfahren vorzuschreiben. Dabei ist die Anzahl der Desinfektionsmittel thunlichst zu beschränken und von allen Maßregeln Abstand zu nehmen, deren Durchführbarkeit in der Praxis zweifelhaft erscheint, oder welche durch einfachere ersetzt werden können. b) Die Anweisungen haben erforderlichen Falls auch die ländlichen Verhältnisse und insbesondere auch die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß ein Dampfdesinfektionsapparat zur Zeit noch nicht zur Verfügung steht. c) Mit der Anwendung chemischer Desinfektionsmittel muß die gründlichste Reinigung stets Hand [* 12] in Hand gehen.
6) Die Durchführung der obligatorischen Wohnungsdesinfektion bedarf einer fortlaufenden sachverständigen Überwachung.
7) Die Kosten, welche durch die obligatorische Wohnungsdesinfektion erwachsen, sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.
Bei der Debatte, welche sich dem Vortrag anschloß, wurde der Schwierigkeit der Durchführung der Desinfektion in kleinen Wohnungen gedacht. Fehlt ein Raum zum einstweiligen Aufenthalt, so begeben sich die Leute wohl zum Nachbar und tragen so den Ansteckungsstoff in ihren Kleidern weiter. Man hat also auch für die Unterkunft dieser Leute beim Desinfizieren und für Wechselkleider beim Desinfizieren der Kleidung zu sorgen. Die Kostenlosigkeit der ¶
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Desinfektion wurde von manchen Seiten für bedenklich erachtet. Löffler (Greifswald) [* 14] will den Fußboden mit Sublimatlösung waschen, weil Karbolsäure von vielen nicht vertragen wird und das Sublimat ohne wesentliche Schädigung der Gesundheit für die Bewohner eine kräftige Nachwirkung in Aussicht stellt. Schließlich nahm die Versammlung eine Resolution des Inhalts an, daß sie überzeugt sei von der Notwendigkeit der Wohnungsdesinfektion und, obschon sie die ihr entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht verkenne, doch eine Überwindung dieser Schwierigkeiten, bez. die allgemeine Einführung der Wohnungsdesinfektion erhoffe.
In der dritten Sitzung sprach Kalle (Wiesbaden) [* 15] über das Wohnhaus [* 16] der Arbeiter und gelangte am Schlusse seiner Erörterungen zu folgenden Sätzen:
1) Die Vermehrung des Angebots geeigneter, also insbesondere gesunder kleiner Wohnungen ist das wirksamste Mittel zur Beseitigung der Wohnungsnot der arbeitenden Klassen.
2) Staat und Gemeinde können durch entsprechende Maßregeln auf dem Gebiete der Verwaltung, des Verkehrs und der Besteuerung sowie durch anderweite materielle und moralische Unterstützung des Baues von Arbeiterwohnungen durch Dritte mittelbar zur Erreichung des Zweckes beitragen, während sie dadurch, daß sie selbst für ihre Arbeiter und Unterbeamten freihändig zu vermietende Wohnungen herstellen, unmittelbar auf die erforderliche Vermehrung des Angebots hinzuwirken haben.
3) Die Hauptaufgabe fällt aber der Privatinitiative zu. a) Bei günstiger und dauernd gesicherter Lage der arbeitenden Klassen erscheint der Ban von als Eigentum zu erwerbenden kleinen Häusern durch Genossenschaften der Wohnungsbedürftigen mitunter möglich und ist dann zu fördern; b) in der Regel wird aber ein werkthätiges Vorgehen der besitzenden Klassen notwendig sein. Den Arbeitgebern zunächst fällt die Pflicht zu, das Wohnungsbedürfnis der von ihnen beschäftigten Leute zu befriedigen. Ergänzend, besonders in den größern Städten, müssen jedoch die Besitzenden überhaupt eintreten, indem sie Baugesellschaften bilden. Um diesen die zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlichen beträchtlichen Kapitalien zuzuführen, müssen sie auf geschäftlicher Grundlage arbeiten, so daß dem Kapital eine genügend hohe Rente gesichert wird.
4) Die für Arbeiterhäuser anzuwendende Bauart hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. a) Wenn in geeigneter Lage Grundstücke billig zu kaufen sind, empfiehlt sich der Bau von kleinen Häusern für eine oder ein paar Familien mit je einem Stück Gartenland. Die Überlassung solcher Hauser zu Eigentum an die sie bewohnenden Arbeiter ist nur dann anzuraten, wo die letztern in dauernd gesicherter, günstiger Lage sind, auf einer hohen Stufe wirtschaftlicher und sittlicher Bildung stehen und großen Wert auf den Eigentumserwerb legen. b) Bei hohen Grundstückspreisen, wie sie in den großen Städten beinahe stets herrschen, sind an Stelle der kleinen Häuser große Arbeiterfamilien-Mietshäuser nach Art der Londoner Modell-Dwellings, welche den hygienischen Ansprüchen aufs beste genügen, zu errichten. c) Wo große Mengen unverheirateter Arbeiter und besonders Arbeiterinnen thätig sind, sind besondere Logierhäuser für Alleinstehende zu bauen.
5) Außer der Anlage der Arbeiterhäuser und der Disposition der Räume der einzelnen Wohnungen ist die innere Einrichtung der letztern von hygienischer Bedeutung. Insbesondere ist hierbei den Ventilations- und Kochvorrichtungen Aufmerksamkeit zuzuwenden.
6) Neben dem Neubau von Wohnhäusern für Arbeiter ist der Ankauf alter Mietshäuser und die Verbesserung der darin enthaltenen Arbeiterwohnungen nach dem Vorgang von Miß Octavia Hill in London [* 17] zu empfehlen.
7) Behufs Kontrolle der Ausführung der über Bau und Benutzung der Wohnungen erlassenen Vorschriften sowie zur Information der Behörden und der Bevölkerung [* 18] sind, wenigstens in den Gemeinden, in welchen Wohnungsnot herrscht, Gesundheitsräte einzusetzen, welchen Vertreter der Gemeindeverwaltung, Ärzte, Architekten und Erbauer von Arbeiterwohnungen als Mitglieder angehören, und Wohnungsinspektoren anzustellen. Ein Antrag des Vortragenden, der Verein möge einen Betrag bis zu 1000 Mk. bewilligen behufs Prämiierung von Lüftungs- und Kocheinrichtungen für Arbeiterwohnungen, wurde angenommen.
Den letzten Vortrag hielt Meyer (Hamburg) [* 19] über Baumpflanzungen und Gartenanlagen in Städten. Die meisten und namentlich die größern Städte verarmen immer mehr an Privatgärten, und so ist es doppelte Pflicht, zur Erhaltung des Schmuckes des Pflanzengrüns jede Gelegenheit auszunutzen. Selbst in Städten und Stadtteilen mit sehr verdichteter Bebauung kann man Anpflanzungen schaffen, sei es auch nur Bekleidung mit Schlingpflanzen an öffentlichen Gebäuden und Anstalten oder kleine Rasenplätze mit einem Baume oder Gebüsch in Winkeln, die bis dahin nur Schmutzwinkel gewesen sind. Wo irgend eine Möglichkeit sich darbietet, größere Flächen für öffentliche Anlagen zu gewinnen, z. B. beim Schleifen von Festungswerken, ist es dringend geboten, dieselben nicht zur Bebauung zu stellen, sondern in möglichster Vollständigkeit und unter Erhaltung der in denselben etwa befindlichen alten Baumbestände zu Schmuckanlagen auszunutzen. Um die Gartenvorstädte größerer Orte vor Verwüstung ihres grünen Schmuckes durch die Bauspekulation zu schützen, soll man bei Anlage der Häuser die Verpflichtung, einen Vorgarten zu unterhalten und dem entsprechend mit der Bauflucht von der Straße genügend weit abzubleiben, in das Grundbuch eintragen lassen. Wo mit alten Alleen besetzte Landstraßen anfangen, mit Häusern eingefaßt zu werden, soll man Sorge tragen, mit der Bauflucht nicht zu nahe an die Bäume heranzukommen, da sonst das Verschwinden der Bäume nur eine Frage der Zeit sei. 6-7 m ist der geringste Abstand des Baumes von der Hausfronte, den man bei Neupflanzungen innehaben solle, 8 m, falls ein Vorgarten angelegt wird.
Die Bäume sollen 8-9 m voneinander entfernt gepflanzt werden. In der geschickten Ausbildung und Ausnutzung der Vorgärten sind die Amerikaner uns weit voraus, die ja überhaupt großartige Park- und Schmuckanlagen in und bei ihren Städten zu schaffen verstehen. Man findet in amerikanischen Städten sehr häufig die trennenden Umzäunungen der Vorgärten beseitigt und dadurch diese Gärtchen zu einem einzigen, die ganze Straße entlang laufenden Gartenstreifen umgewandelt. Es pflegt dann die Stadt die Unterhaltung dieses Streifens zu übernehmen, wogegen jeder Spaziergänger das Recht hat, denselben zu durchwandern. Überhaupt wirkt die bei uns vielfach übliche hohe Umzäunung vieler im Grunde öffentlichen Gartenanlagen recht beklemmend. Man möge doch den Rasen freigeben, ein gut gepflegter, kurzer, dichter, festgewalzter Rasen leidet gar nicht so besonders unter dem Betreten, selbstverständlich sind die Kanten zu schützen (etwa durch niedrige Einfassung), auch muß man durch beliebig zu versetzende Dornenzäune die ¶