die Beimischung von Stoffen zum Flußwasser, welche demselben an sich fremd
sind, nicht mit Regenwasser oder Grundwasser von gewöhnlicher Beschaffenheit hineingelangen. Ursachen der Flußverunreinigung sind in einzelnen
Fällen gewisse Bodenverhältnisse (aus Schwefelkies enthaltenden Bodenschichten entnimmt Quell- und Grundwasser Eisenvitriol
und Schwefelsäure, u. ersterer erzeugt Eisenoxydschlamm; andre Bodenarten geben Kochsalz, Humusstoffe ab),
in höherm Maße aber die Abwässer der Städte und Fabriken, durch welche organische Substanzen, Salze von größerer oder minderer
Schädlichkeit, auch Bakterien zugeführt werden (vgl. Abwässer, Bd. 17 und 18). Der Grad der Flußverunreinigung hängt von der Wassermenge,
welche der betreffende Fluß befördert, von der Geschwindigkeit und der Art und Weise der Strömung ab.
In einem größern Flusse mit starker Strömung und geregeltem Bette verteilen sich einseitig zugeführte Verunreinigungen
nicht leicht gleichmäßig über das ganze Flußprofil, sondern bleiben auf eine größere Wegelänge an einer Seite desselben.
So mischen sich die aus den Staßfurter und Ascherslebener Werken zugeführten salzreichen Wässer so wenig
vollkommen mit dem Elbwasser, daß nach einem Laufe von 40-45 km noch Unterschiede im Chlorgehalt an beiden Ufern des Flusses
nachgewiesen werden können.
Das schmutzigere Mainwasser ist noch bei Biebrich vom Rheinwasser zu unterscheiden. Je größer die Menge des Aufnahmewassers
ist, um so mehr werden die schädlichen Abwässer verdünnt; je größer die Geschwindigkeit der Strömung,
um so mehr werden die Abwässer auf eine lange Strecke verteilt. Stromschnellen, wirbelartige Bewegungen, starke unterirdische
Zuflüsse bewirken eine schnelle und vollständige Mischung des Flußwassers mit den Abwässern. Eine derartige Mischung herbeizuführen
ist im allgemeinen Interesse stets erwünscht, und zwar auch schon deshalb, weil verschiedene Abwässer
aufeinander reinigend wirken können.
Werden z. B. dem Flusse Abwässer zugeführt, welche Metallsalze enthalten, so wirken diese aufbessernd auf faulige Abwässer,
indem sie Schwefelwasserstoff binden. Die größte Hilfe aber findet die Flußverunreinigung durch jene Prozesse, welche man als Selbstreinigung
zusammenfaßt. Hier kommt in Betracht die Verbreiterung des Flußbettes, der Eintritt des Flusses in ein
Seebecken, wobei die Strömung so stark verlangsamt wird, daß ungelöste Stoffe und auch die Bakterien sich absetzen können,
dann aber besonders die Oxydation der gelösten Substanzen oder die Überführung derselben in unlösliche Substanzen, welche
sich ausscheiden und zu Boden sinken. Die einzelnen Flüsse verhalten sich in dieser Beziehung sehr ungleich,
und es ist noch nicht hinreichend
mehr
bekannt, von welchen Faktoren die Selbstreinigung abhängt. Im allgemeinen sollte bakterienreiches Abwasser niemals in fließendes
Wasser geleitet werden, bevor es durch Sedimentierung den größten Teil seiner Bakterien verloren hat. Dagegen kann bakterienarmes
Abwasser gewerblicher Anlagen, wenn es durch die Wassermasse des Flusses stark verdünnt wird, der selbstreinigenden Kraft des
Flusses unmittelbar überlassen werden, wo dessen Stromgeschwindigkeit sehr groß ist. Da die pathogenen
Bakterien nur durch Absetzen aus dem Flußwasser verschwinden, so werden sich diese naturgemäß längs der Ufer, also gerade
an den Schöpfstellen der Anwohner, ansammeln, weil dort die Stromgeschwindigkeit am geringsten ist.
Die Bedeutung der Flußverunreinigung ist je nach den in Betracht kommenden Verhältnissen sehr
verschieden. Die Landwirtschaft kann in einzelnen Fällen, z. B. bei Wiesenbewässerung, von Verunreinigungen durch städtische
Abwasser Nutzen ziehen, in weitaus den meisten Fällen aber ist jede Flußverunreinigung nachteilig, und es werden besonders die Uferbevölkerung,
die Schiffer während der Fahrt, Fischerei, Landwirtschaft und Industrie betroffen. Gewisse Industriezweige
bedürfen zu ihrem Betrieb Wasser von bestimmtem Reinheitszustand, wie es aus verunreinigten Flüssen nicht gewonnen werden
kann. Mit Sauren und Salzen überladenes Flußwasser kann bei Überschwemmungen die Landwirtschaft schädigen, und namentlich
wird das verunreinigte Wasser der Fischzucht nachteilig. Einige Fischarten sind gegen frische Exkremente wenig empfindlich, benutzen
dieselben sogar als Nahrungsmittel, während sie nach eingetretener Fäulnis darunter leiden.
Wieweit eine Verunreinigung des Flußwassers, wenn es nicht genossen oder im Haushalt benutzt wird, für den Menschen schädlich
sein kann, scheint noch nicht sicher festgestellt zu sein. Jedenfalls kann eine sehr bedeutende Schädigung eintreten, wenn
das unreine Wasser in die Verdauungsorgane des Menschen oder auch nur der Haustiere gelangt, und zweifellos
liegt hinreichende Veranlassung vor, der in jeder irgend möglichen Weise vorzubeugen. In dieser Richtung sind bisher bei dem
Anwachsen der Bevölkerung und der Zunahme industrieller Werke noch keine ausreichenden Erfolge erzielt worden.
Die hier zu überwindenden Schwierigkeiten sind teils technischer Natur (Reinigung der Abwässer in einer
die Fabriken nicht allzu stark belastenden Weise), teils liegen sie in der notwendigen Schonung von Privatrechten, teils darin,
daß es gilt, eine Vermittelung zwischen den bei der Frage sich gegenüberstehenden Interessenten zu schaffen. Dies gilt namentlich
für den Gegensatz zwischen Fischerei und Industrie. Die letztere ist unbedingt auf die Einführung von
Abwässern in die Flußläufe angewiesen.
Man kann weitgehende Reinigung der Abwasser, Anlage von Rieselfeldern etc. vorschreiben; es wird aber immer eine Lebensfrage
für viele industriereiche Bezirke bleiben, daß Abwässer in einem Zustand in die Flüsse gelangen, welcher eine Verunreinigung
der letztern herbeiführt. Anderseits haben die Flüsse, lange bevor es eine Industrie gab, den Anwohnern
Lebensunterhalt und verhältnismäßigen Wohlstand verschafft, und es ist sehr begreiflich, daß man diesen Nutzen der Flüsse
nicht verlieren will.
Nur an den Ufern gewisser kleiner Flüsse, wie Wupper, Emscher, Bode, wo die Bevölkerung durch die Industrie gegenwärtig im
Jahre ebenso viele Millionen Mark verdient wie früher Hunderte Mark durch die Fischzucht, hat man sich in den Wandel der Lebensbedingungen
gefunden, während für größere Flüsse die
Fischerei ihr Recht auch fernerhin geltend macht. Offenbar stehen sich gleichberechtigte
Interessen gegenüber, man wird von der Industrie verlangen können, daß sie soweit wie irgend möglich
das Interesse der Fischerei schont, aber man wird jeden einzelnen Fall besonders untersuchen müssen. Im allgemeinen Interesse
steht die Fischerei jedenfalls hinter der Industrie weit zurück.
Nach der Gewerbestatistik von 1882 waren bei der Fischerei in Binnengewässern 14,263 Personen beschäftigt. Von diesen dürfte
etwa ein Drittel auf Seefischerei entfallen; nimmt man aber an, daß alle Binnenfischer ihren Erwerb aus
Flüssen ziehen und setzt die Gesamtzahl derselben als Einheit, so stehen dieser letztern von Angehörigen solcher Industriezweige,
welche Abwässer in die Flüsse leiten, 377 Personen gegenüber. Preußen besitzt eine Wasserfläche von 1,280,000 Hektar für
Süßwasserfischzucht, und die daraus sich ergebenden Pachterträge beziffern sich auf 2 Mill. Mk.
Der nationalökonomische Gewinn für die Bevölkerung Preußens kann daher wohl kaum höher als zu 6 Mill. Mk. im Jahre angenommen
werden.
Dagegen stellt sich das Wertverhältnis der Binnenfischerei zur Abwässer liefernden Industrie auf 1:985 und der nationalökonomische
Gewinn dieser Industrie auf 5896 Mill. Mk. Offenbar verschwindet das Interesse der Fischzucht gegenüber
dem gewaltigen Interesse der Industrie, und der Staat ist nicht in der Lage, die Fischerei mit ihrem geringen Ertrag auf Kosten
der Industrie, welche durch ihre Produktions- und Steuerkraft zur volkswirtschaftlichen Erhaltung des Staates in erster Linie
beiträgt, zu schützen.
In Frankreich bestehen Gesetze zur Verhütung der Flußverunreinigung, doch scheint die Handhabung der Gesetze eine wenig ausreichende zu sein,
wie allein schon der aller Beschreibung spottende Zustand der Seine unterhalb Paris beweist. In England wurde 1876 ein Gesetz
erlassen, welches unter Androhung hoher Strafen die Einleitung von Abwässern in die Flüsse verbot, die
mit bestimmten Mengen gewisser Stoffe beladen wären. Dieses Gesetz erwies sich für die Industrie so vollkommen unerträglich,
daß es 1886 durch ein andres ersetzt wurde, welches die Einleitung verunreinigter Wässer in die Flüsse gestattet, soweit
die Verunreinigung mit gewissen Stoffen eine bestimmte Grenzzahl nicht überschreitet.
Die Höhe dieser Grenzzahlen ist von den besondern Gebrauchszwecken des betreffenden Flusses abhängig
gemacht. Das schweizerische Bundesgesetz von 1886 richtet sich ausschließlich gegen die der Fischerei nachteilige und läßt
den Schutz gesundheitlicher Interessen unbeachtet. Die Durchführung des Gesetzes ist in die Hände von Chemikern gelegt. Im Königreich
Sachsen zielen verschiedene Bestimmungen mehr auf die Regelung des Einzelfalles hin. Die betreffenden
Behörden werden angewiesen, vorbeugend zu wirken; genauere Charakteristiken für die Flußverunreinigung sind nicht aufgestellt.
Eine gewisse Einheitlichkeit in der Durchführung der Verordnungen sichert das Bestehen der technischen Deputation der obersten
Landesverwaltungsstelle als Rekursinstanz. In Preußen liegt die Verwaltung der Angelegenheit zunächst
in den Händen der Regierungen, welche nach den Gutachten der ihnen beigeordneten ärztlichen und bautechnischen Sachverständigen
entscheiden. Außer den Vorschriften der Gewerbeordnung und einigen Vorschriften baupolizeilicher Natur existieren als allgemeine
Direktiven nur die bezüglichen Rechtsgrundsätze sowie ministerielle Erlasse, die sich auf ergangene Begutachtungen durch
die wissenschaftliche Deputation des
mehr
Kultusministeriums gründen. In einem derartigen Gutachten ist gesagt, solange eine befriedigende Lösung der ganzen Angelegenheit
nicht gefunden sei, könne die Frage, ob ein Kanalwasser hinreichend gereinigt sei, um ohne Besorgnis den öffentlichen Wasserläufen
einverleibt werden zu dürfen, nur von Fall zu Fall durch eine kombinierte chemische und mikroskopische Untersuchung unter
gleichzeitiger Berücksichtigung der Beschaffenheit der betreffenden öffentlichen Wasserläufe und der sonst in Betracht
kommenden lokalen Verhältnisse mit einiger Sicherheit entschieden werden.
Nach Entscheidungen des Reichsgerichts muß sich der unterhalb liegende Uferbesitzer eines Privatflusses diejenigen Zuleitungen
in den Fluß gefallen lassen, welche das Maß des Regelmäßigen, Gemeinüblichen nicht überschreiten, selbst wenn
dadurch die absolute Verwendbarkeit des ihm zufließenden Wassers zu jedem beliebigen Gebrauch irgendwie beeinträchtigt wird.
Dem Rechte der Polizei, in vorbeugender und unterdrückender Weise gegen Flußverunreinigung einzuschreiten, werden durch stark verklausulierte
Entschädigungsansprüche, durch den mit Zeit und Ort wechselnden Begriff des Gemeinüblichen sowie auch durch die angegebene
Auffassung der wissenschaftlichen Deputation Schranken gezogen, die wohl im stande sind, das durch die
Polizei vertretene Gemeinwohl zu beeinträchtigen.
Vgl. König, Die Verunreinigung der Gewässer (Berl. 1887);
Gerson, Die
Verunreinigung der Wasserläufe durch die Abflußwässer aus Städten und Fabriken (das. 1888);
Fleck, Über Flußverunreinigungen,
deren Ursachen, Nachweis, Beurteilung und Verhinderung (Dresd. 1884);
»Bericht über die Reinigung und Entwässerung
Berlins, Anhang III« (Berl. 1874);
Jurisch, Die Verunreinigung der Gewässer (das. 1890).