dem Fahrrad ist anzunehmen, daß keine derselben auf den
Kriegsgebrauch des Fahrrades verzichten wird. Überall da, wo gebahnte
Wege benutzbar sind, wird es mit Vorteil im
Ordonnanz- und Depeschendienst Verwendung finden, namentlich im
Küsten- und
Festungskrieg,
sowohl im
Angriff als bei der
Verteidigung. Im Feldkrieg wird es für denVerkehr des großen
Hauptquartiers,
der
Armeekorps-,
Divisions- und Brigadestäbe, im
Post-,
Etappen- und Relaisdienst sowie zur Beaufsichtigung und Instandhaltung
der Telegraphenlinien vielfach gute und unter Umständen vortreffliche
Dienste
[* 2] leisten und die
Kavallerie hiermit sehr entlasten.
Von einer Verwendung des Fahrrades im
Gefecht oder in den vordern
Linien am Feinde ist ein Vorteil kaum
zu erwarten, weil hier das Verlassen gebahnter Wege oft geboten ist.
Italien
[* 3] begann seine
Versuche mit dem Fahrrad (Sicherheitszweirad) 1878 und
hat bei jedem Infanterieregiment 4-8 Fahrräder eingestellt.
Mannschaften werden im Radfahrerdienst ausgebildet.
Österreich
[* 4] verwendet Fahrräder seit 1884,
Frankreich seit 1886, die
Schweiz
[* 5] und
England seit 1887; hier wurden 1888 bereits
Radfahrerabteilungen von 1
Offizier, 2
Unteroffizieren, 1 Trompeter und 20 Mann, mit
Karabinern bewaffnet, bei den Freiwilligen-Bataillonen
gebildet. In
Belgien,
[* 6] wo 1888 die Radfahrer bei den Übungen in den
Ardennen sich bewährten, wurde 1889 ein militärisches
Radfahrerkorps errichtet. In
Deutschland,
[* 7] wo das Fahrrad beständig in allen großen
Festungen zum Ordonnanzdienst
zwischen diesen und ihren
Forts sich im
Gebrauch befindet, wie in andern
Heeren, nimmt man von einer militärischen Friedensorganisation
der Radfahrer einstweilen
Abstand, weil bei dem überall bestehenden Radfahrersport im Kriegsfall ein Mangel an Radfahrern
nicht zu besorgen ist. Bezüglich der
Erfindung des Fahrrades enthält die »Spenersche
Zeitung« vom eine
Nachricht, daß Ignatz Trexler in Gräz einen zweiten
Wagen ohne
Pferd,
[* 8] dessen
Räder der
Fahrende mit den
Füßen zu treten hat,
gebaut habe. Er erreichte mit diesem
Gefährt die
Geschwindigkeit eines trabendes
Pferdes.
[* 10] gepreßte, mit ineinander greifenden
Stegen und
Falzen in den verschiedensten
Formen hergestellte Dachflachziegel,
die gegenüber den gewöhnlichen flachen
Dachziegeln (Biberschwänzen) mancherlei Vorzüge haben. Sie
verringern das
Gewicht der
Dachdeckung,
[* 11] geben dem
Dache Widerstandsfähigkeit gegen
Sturm und verleihen ihm eine vielfach willkommene
Musterung, sie verhindern das Abrutschen etwa zerbrochener
Steine und machen das Verstreichen der
Dächer gegen das Eindringen
von
Regen (weniger gegen Schneetreiben) unnötig. Mit einer ArtFalzziegel deckten schon die alten
Griechen ihre Tempeldächer. Die neuern
Arten wurden früher namentlich in
Frankreich gefertigt, doch hat ihre Fabrikation
jetzt auch in
Deutschland, insbesondere in
Südwestdeutschland, und andern
Ländern Verbreitung gefunden. Die Abbildung zeigt
Falzziegel von Gilardons u. Sohn in
Altkirch
(Oberelsaß).
Bei der neuern chemischen Auffassung der in der Färberei verlaufenden
Prozesse betrachtet
man die gefärbte
Faser, speziell die Tierfaser, als eine salzartige
Verbindung, in welcher die
Faser die
Rolle einer
Säure oder
Base spielt, je nachdem der zum
Färben benutzte
Farbstoff basischer oder saurer
Natur war. Die
BaseRosanilin ist ungefärbt,
während ihreSalze, wie z. B. das
Fuchsin, lebhaft rot gefärbt sind. Bringt man nun in eine farblose
Rosanilinlösung einen
Woll- oder Seidenstrang und erwärmt die
Flüssigkeit, so färbt sich die
Faser ebenso intensiv rot,
als ob die entsprechende
Menge eines Rosanilinsalzes angewendet worden wäre.
Man muß also annehmen, daß die farblose
Base mit der
Faser eine
Verbindung eingeht, welche sich wie ein
Salz
[* 17] des
Rosanilins verhält. Ist diese Deutung richtig, so müssen
Salze von Farbbasen durch den Färbeprozeß zerlegt werden,
und in der That kann nach dem Ausfärben genau abgewogener
Mengen von
Fuchsin,
Methylviolett und
Chrysoidin auf
Wolle oder
Seide
[* 18] die in diesen
Farbstoffen enthaltene
Salzsäure quantitativ in dem entfärbten Lösungsmittel nachgewiesen
werden.
Die
Flüssigkeit reagiert indes wie vor dem
Färben neutral, die
Salzsäure ist also gebunden, und zwar läßt sich qualitativ
Ammoniak nachweisen.
Letzteres ist als Zersetzungsprodukt der tierischen
Faser aufzufassen, welche indes wahrscheinlich noch
andre basische
Körper geliefert hat. Für die
Zwecke der Färberei werden selten mehr als 2 Proz. vom
Gewicht
der
Wolle an
Farbstoff angewandt.
Indes ist die
Faser im stande, bei weitem größere
Mengen von
Farbstoff aufzunehmen, wenn man
nur einen großen Überschuß von
Farbstoff anwendet, und es scheint, daß in einigen
Fällen die Maximalmengen der aufgenommenen
Farbstoffe zu einander im
Verhältnis der Molekulargewichte oder einfacher Multipla derselben stehen. Durch
Lösen von
¶
mehr
Wolle in verdünnter Schwefelsäure
[* 20] erhält man eine leicht lösliche Substanz, die sogen. Lanuginsäure, welche in Lösungen
der sauern Farbstoffe intensiv gefärbte Niederschläge erzeugt. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß beim Färben von Wolle in
Säurebädern sich diese oder eine nahe verwandte Amidosäure bildet und zur Fixierung der Farbstoffe Veranlassung gibt. Stellt
sich so die Färbung als ein chemischer Prozeß dar, dann ist es von höchstem Interesse, die Konstitution der tierischen Faser
kennen zu lernen. In dieser Hinsicht ist es von Bedeutung, daß Richard die Gegenwart von Amidogruppen in Wolle und Seide nachgewiesen
hat. Setzt man nämlich die Fasern 24 Stunden lang der Einwirkung von salpetriger Säure in sehr verdünnter
Lösung aus, so verhält sich die strohgelb gewordene Faser wie eine Diazoverbindung; beim Eintauchen in alkalische Phenollösungen
entstehen lebhafte, je nach der Natur des Phenols rote, orange oder braune Färbungen.