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die Produkte der explosiven Reaktion genau bekannt sind, und wenn man von vornherein die Bildungswärme der ursprünglichen Substanzen sowie der Produkte aus ihren Elementen kennt. Zieht man die erste Menge von Wärme [* 2] von der zweiten ab, so erfährt man die während der Explosion entwickelte Wärme.
Die entwickelte Wärme ist ein Maß für das Arbeitsmaximum, das von der explosiven Substanz geleistet werden kann, wenn sie unter dem Atmosphärendruck zur Wirkung gelangt. Diese Menge von Wärme ist mit der Zahl 425, d. h. mit dem mechanischen Wärmeäquivalent, zu multiplizieren, um diese Arbeit in Kilogrammetern zu erhalten. Das Produkt ist der Wert ihrer potenziellen Energie.
Das entstandene Gasvolumen und seine Temperatur sind der konstante Bestimmungsfaktor für den entwickelten Druck, wenn die explosive Substanz sich zersetzt. Das Gasvolumen, auf 0° und 760 mm Barometerstand reduziert, kann entweder durch das Experiment beobachtet oder für jede genau bekannte Reaktion berechnet werden. Die Temperatur kann direkt gemessen werden, wenigstens im Prinzip, in Wirklichkeit ist diese Messung bei den in Betracht kommenden sehr hohen Temperaturen außerordentlich schwierig. Man weiß bisher nur, daß die Explosion des Schießpulvers eine höhere Temperatur entwickelt, als zur Schmelzung des Platins (1900°) erforderlich ist. Die theoretische Berechnung liefert nicht brauchbare Resultate.
Der im Entstehungsmoment der explosiven Reaktion entwickelte Druck kann entweder im voraus berechnet oder direkt gemessen werden mit Hilfe verschiedener Apparate, der Gasdruckmesser, durch an metallischen Organen bewirkte Deformationen (Eindrücken eines Meißels in eine Metallplatte oder Komprimierung von Kupfercylindern oder Pressung von Bleicylindern in einen konischen Kanal [* 3] von kleinerm Durchmesser). Die mit diesen Apparaten erhaltenen Deformationen werden verglichen mit den Deformationen, die man durch genau bekannte, mittels hydraulischer Pressen hervorgebrachte Drucke erhält.
Die Methoden, die vorgeschlagen worden sind, den durch die explosiven Substanzen entwickelten Druck zu berechnen aus dem Gasvolumen und der Wärmemenge, welche von ihnen erzeugt wurde, verdienen nur dann Berücksichtigung, wenn die erhaltenen Resultate mit den auf experimentellem Wege erhaltenen übereinstimmen.
Bei allen Explosivstoffen spielt die Zeitdauer der Reaktionen eine wesentliche Rolle. Einmal hervorgerufen, vollzieht sich die Reaktion von selbst, indem sie sich entweder durch einfache, allmähliche Entzündung oder durch fast augenblickliche Detonation fortpflanzt. Diesen Beginn der Reaktion hat man Zündung genannt, was eine erste lokale Erhitzung bedeutet. Der Beginn der Reaktion kann indessen auch von einem Stoß, einem Druck, einer Reibung [* 4] herrühren. Um sich zu entwickeln, bedarf die Reaktion einer sie einleitenden Arbeit; die explosive Substanz muß auf eine gewisse Anfangstemperatur gebracht werden, das Schießpulver [* 5] z. B. auf 315°, das Knallquecksilber auf 190°. Ohne diese Notwendigkeit könnte keine explosive Substanz im voraus dargestellt und in Magazinen gelagert werden.
Stoß, Druck, Reibung u. a. m. sind nur unter der Voraussetzung wirksam, daß auch sie eine lokale Erhitzung der explosiven Substanz bewirken. Je nach den Bedingungen, unter denen diese Erhitzung erfolgt, kann die Zersetzung derselben explosiven Substanz bei sehr verschiedenen Temperaturen und ebenso mit sehr verschiedenen Geschwindigkeiten erfolgen. Im Zusammenhang hiermit steht die Sensibilität der explosiven Substanzen. Eine Substanz ist sensibel für die geringste Temperaturerhöhung, eine andre für einen Stoß, eine andre detoniert bei der leisesten Reibung. Die Sensibilität hängt ab von der Initialtemperatur, der die explosive Substanz ausgesetzt wurde, ferner von der Substanzmenge, auf welche sich die Arbeit des Stoßes oder der Reibung verteilt, d. h. von der Kohäsion der explosiven Substanz.
Die mehr oder weniger lange Dauer einer Reaktion ändert kaum die Menge der durch die vollständige Zersetzung einer gegebenen Explosivstoffmenge entbundenen Wärme. Können sich die entwickelten Gase [* 6] aber ausdehnen, dann wird der Anfangsdruck um so geringer sein, als die Zersetzung der betreffenden Explosivstoffmenge längere Zeit dauern wird. Erlaubt eine sehr rapide Zersetzung der ganzen, in einem geschlossenen Raume befindlichen Explosivstoffmasse dem Anfangsdruck, die kolossale Größe seiner theoretischen Grenze zu erreichen oder sich ihr zu nähern, so wird es schwierig sein, Gefäße herzustellen von genügender Widerstandsfähigkeit, um die Explosionsgase eingeschlossen zu halten.
Hieraus erklärt sich der Einfluß widerstandsfähiger Umhüllungen und der Verdämmung, ein Einfluß, der bemerkt wird sowohl bei langsam als bei schnell sich zersetzenden explosiven Substanzen. Da aber die Explosionsprodukte fortdauernd Wärmeverluste erfahren infolge von Berührung, Leitung und Strahlung und somit eine Abkühlung, welche die Temperatur und daher auch den Druck sowie die Geschwindigkeit der chemischen Reaktion vermindert, so erleidet der Anfangsdruck eine Abschwächung, die um so geringer sein wird, je schneller die explosive Substanz sich zersetzt, je enger der Raum ist, in welchem dieselbe sich eingeschlossen befindet, und je widerstandsfähiger die Wandungen desselben sind.
Aber selbst bei in schwacher Umhüllung oder unter einer Wasserschicht, ja sogar bei an freier Luft befindlichen explosiven Substanzen zeigt sich das gleiche Verhalten. Denn wenn die Dauer der Reaktion ins Ungemessene abnimmt, so entwickeln die entbundenen Gase einen Druck, der mit solcher Geschwindigkeit anwächst, daß sogar die in der Umgebung befindlichen festen, flüssigen und selbst luftförmigen Körper nicht Zeit finden, sich in Bewegung zu setzen und ihnen allmählich nachzugeben; diese Körper setzen dann der Ausdehnung [* 7] der Gase Widerstände entgegen, die denen, welche ein fester Einschluß bietet, zu vergleichen sind.
Ein Tropfen Chlorstickstoff kann auf einem Uhrglas detonieren, ohne dasselbe zu zertrümmern, während, wenn man ihn mit ein wenig Wasser bedeckt, das Glas [* 8] zerschmettert wird. Je nachdem sich mehr oder weniger große Massen einer explosiven Substanz zersetzen, kann die Art ihrer Zersetzung sich verschieden gestalten, ein Verhalten, das bei den spontanen Zersetzungen großer Explosivstoffmengen beobachtet wird. Zuerst langsam bei gewöhnlicher Temperatur, wird die Zersetzung schneller unter dem Einfluß der von ihr bewirkten Temperaturerhöhung, indem die Wärme auf die Anfangsreaktion eine neue Reaktion folgen läßt, die mehr Wärme entwickelt; hierdurch erhöht sich die Temperatur noch weiter, so daß die Reaktion eine stürmische wird und schließlich eine allgemeine Explosion eintritt. Auf diese in Laboratorien oft beobachtete Thatsachen hat man sich berufen, um die spontanen Explosionen der Schießbaumwolle und des Nitroglycerins zu erklären. Sie haben dahin geführt, als besonders gefahrvoll eine explosive ¶
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Substanz zu betrachten, die sich im Zustand von beginnender Zersetzung befindet. In diesen Zustand werden, wie man jetzt weiß, alle durch Einwirkung von Salpetersäure auf organische Körper erhaltenen explosiven Substanzen, nicht etwa nur Schießbaumwolle und Nitroglycerin, versetzt, wenn der zur vollständigen Entfernung des Überschusses von Salpetersäure nötige Waschprozeß von dieser Säure auch nur Spuren zurückgelassen hat.
Erst das Studium der modernen Explosivstoffe hat erkennen lassen, daß die Explosionswirkungen explosiver Substanzen abhängig sind von der Art ihrer Zündung, daß insbesondere ein heftiger Stoß dieselben zu vollkommenster Kraftentfaltung bringt. Je nach der Art, wie das Dynamit gezündet wird, kann es sich ruhig und ohne Flamme [* 10] zersetzen oder mit Lebhaftigkeit verbrennen oder explodieren, bald mäßig stark, bald mit außerordentlicher Heftigkeit. Die Substanzen, welche diese letztere Wirkung hervorbringen, sind Detonatoren genannt worden.
Ihre Wirkungsweise hat zuerst Nobel (1864) bei seinen Arbeiten über das Nitroglycerin erkannt, und er hat das geeignete Verfahren gefunden, diese Substanz mittels einer Knallquecksilberkapsel mit Sicherheit zur Detonation zu bringen. Die Schießbaumwolle verhält sich, wie dies besonders Abel in Woolwich (1868) gezeigt hat, den verschiedenen Zündmitteln gegenüber ebenso verschieden wie das Nitroglycerin. Nach Berthelot läßt sich diese auffallende Verschiedenheit durch die thermodynamischen Theorien erklären.
In der That, die Verschiedenheit der explosiven Phänomene hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der die Reaktion sich fortpflanzt, und von dem mehr oder weniger starken Druck, welcher die Folge davon ist. Die Rechnung lehrt freilich, daß das Aufhalten eines Gewichtes von wenigen Kilogrammen, das aus 0,25-0,5 m Höhe fällt, die Temperatur einer explosiven Substanz nur um Bruchteile eines Grades erhöhen könnte, wenn die entstandene Wärme sich in der ganzen Masse verbreitete, diese letztere würde so nicht eine genügend hohe Temperatur erreichen, z. B. 190-200° für das Nitroglycerin, eine Temperatur, auf welche plötzlich die ganze Masse gebracht werden muß, damit ihre Explosion eintritt.
Man muß daher annehmen, daß der Druck, der infolge des auf die Oberfläche des Nitroglycerins ausgeübten Stoßes auftritt, zu plötzlich erfolgt, um sich gleichmäßig in der ganzen Masse zu verteilen, und daß die Umsetzung der lebendigen Kraft [* 11] in Wärme nur in den ersten von dem Stoße erreichten Schichten stattfindet. Ist dieser Stoß hinreichend heftig, so können diese Schichten ebenso plötzlich auf 200° gebracht werden, und ihre Zersetzung wird sogleich erfolgen unter Entwickelung großer Mengen von Gasen.
Diese Gasentwickelung erfolgt so plötzlich, daß der Körper, der den Stoß verursacht hat, seinen Platz noch nicht hat verlassen können; die rapid entwickelten Explosionsgase erzeugen einen neuen Stoß, der ohne Zweifel heftiger als der erste ist, auf die unter der ersten Schicht liegenden Schichten. Die lebendige Kraft dieses neuen Stoßes setzt sich in Wärme um in den Schichten, die er zuerst erreicht, und bringt diese zur Explosion, und diese Wechselwirkung zwischen einem Stoß, der eine lebendige Kraft entwickelt, die sich in Wärme umsetzt, und einer Erzeugung von Wärme, welche die Temperatur der erhitzten Schichten erhöht bis zu dem Grade, daß eine neue Explosion entsteht, die fähig ist, wiederum einen Stoß auszuüben: diese Wechselwirkung pflanzt die Reaktion von Schicht zu Schicht durch die ganze Masse fort.
Die Intensität des ersten Stoßes kann natürlich eine sehr verschiedene sein, je nach der Art, wie er hervorgebracht wird. Eine und dieselbe explosive Substanz kann also sehr verschiedene Wirkungen hervorbringen, je nach der Art, wie ihre Zersetzung bewirkt wird. Ebenso variieren die Wirkungen, je nachdem die Substanz für sich oder im Gemisch mit einer andern Substanz sich befindet, und welcher Art die Struktur dieser letztern ist. Das Dynamit, von Kieselgur aufgesaugtes Nitroglycerin, ist gegen einen gewöhnlichen Stoß wenig sensibel, explodiert aber durch den Aufschlag eines Geschosses und besonders durch den Stoß von explodierendem Knallquecksilber.
Ein geringer Zusatz von Kampfer setzt seine Sensibilität für den Stoß noch weiter herab. Die Schießbaumwolle, wenn mit Wasser oder Paraffin [* 12] imprägniert, kann nur durch eine mit trockner Schießbaumwolle geladene Zündpatrone, die selbst durch Knallquecksilber gezündet wird, zur Detonation gebracht werden. Bei der durch Essigäther oder einem andern Lösungsmittel gelatinierten nitrierten Cellulose, dem wesentlichen Bestandteil aller rauchlosen neuen Pulver, ist deren Sensibilität für den Stoß außerordentlich herabgesetzt.
Von der Heftigkeit des Stoßes und von der Größe der Arbeit, die er leisten kann, ist die Menge der in Wärme umgesetzten lebendigen Kraft abhängig. Diese beiden Faktoren sind verschieden bei den verschiedenen Explosionsstoffen. Die geeignetsten Detonatoren sind nicht immer diejenigen, deren Explosion augenblicklich erfolgt. Der Chlorstickstoff ist nicht sehr wirksam, um Schießbaumwolle zu detonieren; der gegen Reibung so empfindliche Jodstickstoff bleibt fast ohne Wirkung auf Schießbaumwolle, nur weil beide Körper weniger Wärme entwickeln als das Knallquecksilber.
Die komprimierte Schießbaumwolle ist infolge ihrer Struktur weniger dicht als das Nitroglycerin, es muß daher der durch Stoß hervorgerufene Druck durch die vorhandenen Zwischenräume merklich abgeschwächt werden; daher ist auch die Schießbaumwolle viel schwieriger zur Detonation zu bringen als das Nitroglycerin. Durch zur Explosion gebrachte Schießbaumwolle kann Nitroglycerin detoniert werden, nicht aber Schießbaumwolle durch explodierendes Nitroglycerin.
Die Schießbaumwolle verlangt zu ihrer Detonation den viel heftigern Stoß des reinen Knallquecksilbers, und auch das letztere ist weniger wirksam, wenn es frei liegend, als wenn es in einer Metallkapsel eingeschlossen zur Verwendung gelangt. Es ist weniger wirksam, wenn es in einer Kapsel von Papier oder Stanniol als in einer Kapsel aus Kupferblech benutzt wird; es ist noch weniger wirksam, wenn die Knallquecksilberkapsel nicht in unmittelbarer Berührung mit der Schießbaumwolle ist; es ist wirkungslos, wenn es sich in einer Federpose befindet, die elastisch ist. Ebenso ist unmittelbarer Kontakt nötig zwischen der Zündkapsel und der durch dieselbe zu detonierenden explosiven Substanz, andernfalls wird der von der Zündkapsel gelieferte Stoß durch die vorhandene Luftschicht abgeschwächt.
Das Studium der detonierenden Substanzen hat zur Erkennung noch einer andern Art der Fortpflanzung der Reaktionen im Innern einer explosiven Substanz geführt; diese Art der Fortpflanzung besteht in einer Wirkung in die Ferne und zwar durch Vermittelung der Luft oder fester Körper, die selbst keine chemische Veränderung erfahren. Man hat diese Explosionen Explosionen durch Influenz genannt. Auf dieses Phänomen ist besonders durch das Studium des Nitroglycerins und der Schießbaumwolle die Aufmerksamkeit gelenkt worden. Hierbei hat sich folgendes ¶