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Körper benutzt, wie das Diazobenzol und das Stickstoffsulfid, Körper, die, da sie unter Wärmeabsorption aus ihren Elementen entstanden, einen Vorrat von Energie enthalten, der bei ihrer plötzlichen Zersetzung frei werden kann.
Erst nachdem die neuen Explosivstoffe entdeckt waren, gelang es allmählich, an Stelle des bisherigen empirischen Herumprobierens eine auf die allgemeinen Prinzipien der Chemie und Thermochemie gegründete exakte Theorie der Explosivstoffe zu setzen, eine Theorie, die die Kraft [* 2] der explosiven Substanzen ableitet allein aus der Kenntnis ihrer chemischen Reaktionen.
Die Anwendung der Explosivstoffe gründet sich auf den Druck und die Arbeit, die sie entwickeln. Der Druck hängt hauptsächlich ab von der Natur der gebildeten Gase, [* 3] von ihrem Volumen und ihrer Temperatur, die Arbeit hauptsächlich von der entbundenen Wärme, [* 4] die ein Maß für die entwickelte Energie ist. Mit andern Worten, das Arbeitsmaximum, welches eine explosive Substanz leisten kann, ist proportional der durch ihre Zersetzung entwickelten Wärmemenge. Bezeichnet. A diese Wärmemenge, ausgedrückt in Kalorien, so ist die entsprechende Arbeit, in Kilogrammetern ausgedrückt = 425 A, nach dem mechanischen Wärmeäquivalent.
Diese Zahl drückt die potenzielle Energie der explosiven Substanz aus; sie wird in der Praxis natürlich niemals erreicht, aber man muß sie kennen als die einzige absolute Vergleichungsgrenze. Die thatsächliche Umwandlung dieser Energie in Arbeit ist abhängig von dem Volumen der Gase und dem Gesetz der Expansion. Diese Umwandlung ist immer unvollständig, ja nur ein Teil derselben wird ausgenutzt. Bei den Waffen [* 5] z. B. ist die Arbeit, die dem Geschoß [* 6] seine lebendige Kraft verleiht, allein von Nutzen, während die auf Kosten der Waffe sowie zur Fortschleuderung der Gase und der Luft aufgewandte Arbeit verloren ist. Außerdem bleibt ein beträchtlicher Bruchteil der Energie ungenutzt unter der Form von in den Gasen aufgespeicherter oder dem Geschoß, der Waffe etc. mitgeteilter Wärme.
Entsprechend den verschiedenen Arbeiten, die mittels der explosiven Substanzen geleistet werden sollen, verwendet man Pulver, deren Kraftentwickelung eine verschiedene ist. Die Kraft der Explosivstoffe gibt sich aber kund durch den Druck, welche dieselben ausüben, und die Arbeit, die sie leisten. Der Druck resultiert von dem Volumen, welches die Gase bei der Explosionstemperatur einnehmen, die Arbeit von der Wärmemenge, die entbunden wurde, und die Verteilung dieser auf die Explosivstoffe und die diese umgebenden Massen hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der die Gase sich entwickeln. Diese fundamentalen Bedingungen, Gasvolumen und Wärme, sind die Folgen der chemischen Reaktion. Jede Reaktion, die Gase entbindet oder das Volumen eines bereits vorhandenen Gases vergrößert, kann eine Explosion veranlassen. Zur Bestimmung der Kraft einer explosiven Substanz muß man also ihre chemischen Reaktionen kennen, die von ihr entwickelte Warme und das Gasvolumen sowie die Geschwindigkeit der Reaktion.
Die chemische Reaktion ist bekannt, wenn die chemische Zusammensetzung der explosiven Substanz sowie die Zusammensetzung der Explosionsprodukte bekannt ist, da aber die letztere infolge des Temperaturwechsels, der während des Explosionsvorganges sich vollzieht, sich ändern kann, so muß auch die Dissociation in Rechnung gezogen werden.
Die chemische Zusammensetzung einer explosiven Substanz bestimmt ihre Eigenschaften. Bald besteht dieselbe aus einem Gemisch verschiedener Substanzen, die durch ihre gegenseitigen Wirkungen die Explosion hervorrufen. In diesem Falle mischt man möglichst innig brennbare Substanzen, wie Schwefel und Kohle, mit sauerstoffreichen, die Verbrennung bewirkenden Substanzen, wie Kaliumnitrat oder Kaliumchlorat. Bald erfolgt die Explosion durch die Zersetzung eines Körpers von bestimmter Zusammensetzung, wie Schießbaumwolle, Nitroglycerin, Kaliumpikrat, Knallquecksilber u. a. m. Bei diesen Körpern finden sich im allgemeinen die verbrennenden und verbrennlichen Elemente vereinigt und gewissermaßen im Innern des Moleküls nebeneinander gelagert, so daß eine Art innerer Verbrennung erfolgen kann und infolge hiervon eine viel energischere und viel schnellere Aktion eintritt als bei mechanischen Gemengen.
Die explosive Substanz kann entweder allein Verwendung finden, oder im Gemisch mit einem trägen Körper, welcher die Heftigkeit der Explosion abzuschwächen, d. h. einen brisanten Explosivstoff in einen einfach treibenden oder dislozierenden zu verwandeln, bestimmt ist. Dies ist z. B. beim gewöhnlichen Dynamit, dem Gemisch aus Nitroglycerin und Kieselgur, oder der nassen sowie paraffinierten Schießbaumwolle der Fall. Umgekehrt kann man die explosive Substanz mit einer ähnlichen mischen, um ihre Wirkung zu verstärken, wie bei den Dynamiten mit aktiver Basis (Nitroglycerin und Schießbaumwolle).
Dem entsprechend kann eine vollständige Verbrennung bei der Explosion erfolgen, z. B. beim Silberoxalat, das in Kohlensäure und metallisches Silber zerfällt; oder es fehlt an Sauerstoff, wie beim Kaliumpikrat und der Schießbaumwolle, oder endlich Sauerstoff ist im Überschuß vorhanden, wie beim Nitroglycerin. In letzterm Falle kann man die gesamte Energie der explosiven Substanz ausnutzen, wenn man ihr einen verbrennlichen Körper in geeigneter Menge beimischt, wie Kohle oder noch besser Schießwollpulver. Fehlt der explosiven Substanz Sauerstoff, so kann ihr ein sauerstoffreicher Körper, wie Kaliumchlorat oder Kaliumnitrat, beigemischt werden.
Die Zusammensetzung der Explosionsprodukte einer explosiven Substanz ist im voraus bekannt, wenn dieselbe genug Sauerstoff enthält, um ihre Elemente in beständige Verbindungen umzuwandeln und auf den höchsten Grad der Oxydation zu bringen, was z. B. beim Nitroglycerin der Fall ist. Genügt der Sauerstoff zu einer vollständigen Oxydation nicht, so variieren gewöhnlich die gebildeten Zersetzungsprodukte mit den Explosionsbedingungen, d. h. mit der Temperatur, dem Druck etc. Dies ist z. B. der Fall beim gewöhnlichen Schießpulver, [* 7] der Schießbaumwolle und dem Kaliumpikrat, dann muß für jeden speziellen Fall durch besondere Analyse die Zusammensetzung der Explosionsprodukte ermittelt werden.
Daß dieselbe explosive Substanz sich in sehr verschiedener Weise zersetzen kann, das hängt ab von der relativen Geschwindigkeit, mit der die Zersetzung erfolgt, und von der Temperatur, bei der dieselbe sich vollzieht. Außer den Zersetzungsprodukten, die nach erfolgter Abkühlung auftreten, müssen auch noch die Zersetzungsprodukte untersucht werden, die entstehen während der Dauer der Explosion und im Augenblick, bei welchem die explosive Substanz die höchste Temperatur erreicht hat, d. h. es muß die Dissociation berücksichtigt werden.
Die gesamte Wärmemenge, die während einer explosiven Reaktion entwickelt wird, kann auf experimentellem Wege in einem Kalorimeter gemessen werden. Sie kann berechnet werden, wenn man von den mechanischen Wirkungen absieht, immer dann, wenn ¶
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die Produkte der explosiven Reaktion genau bekannt sind, und wenn man von vornherein die Bildungswärme der ursprünglichen Substanzen sowie der Produkte aus ihren Elementen kennt. Zieht man die erste Menge von Wärme von der zweiten ab, so erfährt man die während der Explosion entwickelte Wärme.
Die entwickelte Wärme ist ein Maß für das Arbeitsmaximum, das von der explosiven Substanz geleistet werden kann, wenn sie unter dem Atmosphärendruck zur Wirkung gelangt. Diese Menge von Wärme ist mit der Zahl 425, d. h. mit dem mechanischen Wärmeäquivalent, zu multiplizieren, um diese Arbeit in Kilogrammetern zu erhalten. Das Produkt ist der Wert ihrer potenziellen Energie.
Das entstandene Gasvolumen und seine Temperatur sind der konstante Bestimmungsfaktor für den entwickelten Druck, wenn die explosive Substanz sich zersetzt. Das Gasvolumen, auf 0° und 760 mm Barometerstand reduziert, kann entweder durch das Experiment beobachtet oder für jede genau bekannte Reaktion berechnet werden. Die Temperatur kann direkt gemessen werden, wenigstens im Prinzip, in Wirklichkeit ist diese Messung bei den in Betracht kommenden sehr hohen Temperaturen außerordentlich schwierig. Man weiß bisher nur, daß die Explosion des Schießpulvers eine höhere Temperatur entwickelt, als zur Schmelzung des Platins (1900°) erforderlich ist. Die theoretische Berechnung liefert nicht brauchbare Resultate.
Der im Entstehungsmoment der explosiven Reaktion entwickelte Druck kann entweder im voraus berechnet oder direkt gemessen werden mit Hilfe verschiedener Apparate, der Gasdruckmesser, durch an metallischen Organen bewirkte Deformationen (Eindrücken eines Meißels in eine Metallplatte oder Komprimierung von Kupfercylindern oder Pressung von Bleicylindern in einen konischen Kanal [* 9] von kleinerm Durchmesser). Die mit diesen Apparaten erhaltenen Deformationen werden verglichen mit den Deformationen, die man durch genau bekannte, mittels hydraulischer Pressen hervorgebrachte Drucke erhält.
Die Methoden, die vorgeschlagen worden sind, den durch die explosiven Substanzen entwickelten Druck zu berechnen aus dem Gasvolumen und der Wärmemenge, welche von ihnen erzeugt wurde, verdienen nur dann Berücksichtigung, wenn die erhaltenen Resultate mit den auf experimentellem Wege erhaltenen übereinstimmen.
Bei allen Explosivstoffen spielt die Zeitdauer der Reaktionen eine wesentliche Rolle. Einmal hervorgerufen, vollzieht sich die Reaktion von selbst, indem sie sich entweder durch einfache, allmähliche Entzündung oder durch fast augenblickliche Detonation fortpflanzt. Diesen Beginn der Reaktion hat man Zündung genannt, was eine erste lokale Erhitzung bedeutet. Der Beginn der Reaktion kann indessen auch von einem Stoß, einem Druck, einer Reibung [* 10] herrühren. Um sich zu entwickeln, bedarf die Reaktion einer sie einleitenden Arbeit; die explosive Substanz muß auf eine gewisse Anfangstemperatur gebracht werden, das Schießpulver z. B. auf 315°, das Knallquecksilber auf 190°. Ohne diese Notwendigkeit könnte keine explosive Substanz im voraus dargestellt und in Magazinen gelagert werden.
Stoß, Druck, Reibung u. a. m. sind nur unter der Voraussetzung wirksam, daß auch sie eine lokale Erhitzung der explosiven Substanz bewirken. Je nach den Bedingungen, unter denen diese Erhitzung erfolgt, kann die Zersetzung derselben explosiven Substanz bei sehr verschiedenen Temperaturen und ebenso mit sehr verschiedenen Geschwindigkeiten erfolgen. Im Zusammenhang hiermit steht die Sensibilität der explosiven Substanzen. Eine Substanz ist sensibel für die geringste Temperaturerhöhung, eine andre für einen Stoß, eine andre detoniert bei der leisesten Reibung. Die Sensibilität hängt ab von der Initialtemperatur, der die explosive Substanz ausgesetzt wurde, ferner von der Substanzmenge, auf welche sich die Arbeit des Stoßes oder der Reibung verteilt, d. h. von der Kohäsion der explosiven Substanz.
Die mehr oder weniger lange Dauer einer Reaktion ändert kaum die Menge der durch die vollständige Zersetzung einer gegebenen Explosivstoffmenge entbundenen Wärme. Können sich die entwickelten Gase aber ausdehnen, dann wird der Anfangsdruck um so geringer sein, als die Zersetzung der betreffenden Explosivstoffmenge längere Zeit dauern wird. Erlaubt eine sehr rapide Zersetzung der ganzen, in einem geschlossenen Raume befindlichen Explosivstoffmasse dem Anfangsdruck, die kolossale Größe seiner theoretischen Grenze zu erreichen oder sich ihr zu nähern, so wird es schwierig sein, Gefäße herzustellen von genügender Widerstandsfähigkeit, um die Explosionsgase eingeschlossen zu halten.
Hieraus erklärt sich der Einfluß widerstandsfähiger Umhüllungen und der Verdämmung, ein Einfluß, der bemerkt wird sowohl bei langsam als bei schnell sich zersetzenden explosiven Substanzen. Da aber die Explosionsprodukte fortdauernd Wärmeverluste erfahren infolge von Berührung, Leitung und Strahlung und somit eine Abkühlung, welche die Temperatur und daher auch den Druck sowie die Geschwindigkeit der chemischen Reaktion vermindert, so erleidet der Anfangsdruck eine Abschwächung, die um so geringer sein wird, je schneller die explosive Substanz sich zersetzt, je enger der Raum ist, in welchem dieselbe sich eingeschlossen befindet, und je widerstandsfähiger die Wandungen desselben sind.
Aber selbst bei in schwacher Umhüllung oder unter einer Wasserschicht, ja sogar bei an freier Luft befindlichen explosiven Substanzen zeigt sich das gleiche Verhalten. Denn wenn die Dauer der Reaktion ins Ungemessene abnimmt, so entwickeln die entbundenen Gase einen Druck, der mit solcher Geschwindigkeit anwächst, daß sogar die in der Umgebung befindlichen festen, flüssigen und selbst luftförmigen Körper nicht Zeit finden, sich in Bewegung zu setzen und ihnen allmählich nachzugeben; diese Körper setzen dann der Ausdehnung [* 11] der Gase Widerstände entgegen, die denen, welche ein fester Einschluß bietet, zu vergleichen sind.
Ein Tropfen Chlorstickstoff kann auf einem Uhrglas detonieren, ohne dasselbe zu zertrümmern, während, wenn man ihn mit ein wenig Wasser bedeckt, das Glas [* 12] zerschmettert wird. Je nachdem sich mehr oder weniger große Massen einer explosiven Substanz zersetzen, kann die Art ihrer Zersetzung sich verschieden gestalten, ein Verhalten, das bei den spontanen Zersetzungen großer Explosivstoffmengen beobachtet wird. Zuerst langsam bei gewöhnlicher Temperatur, wird die Zersetzung schneller unter dem Einfluß der von ihr bewirkten Temperaturerhöhung, indem die Wärme auf die Anfangsreaktion eine neue Reaktion folgen läßt, die mehr Wärme entwickelt; hierdurch erhöht sich die Temperatur noch weiter, so daß die Reaktion eine stürmische wird und schließlich eine allgemeine Explosion eintritt. Auf diese in Laboratorien oft beobachtete Thatsachen hat man sich berufen, um die spontanen Explosionen der Schießbaumwolle und des Nitroglycerins zu erklären. Sie haben dahin geführt, als besonders gefahrvoll eine explosive ¶