Offenbar stellen auch diese
Knollen
[* 2] ursprünglich Wasserspeicher vor, da sich die bemessenden
Pflanzen auch nach
Ablösung von
dem Wirtsstamm tagelang frisch erhalten. Die Beziehungen der
Knollen zu den in ihnen sich ansiedelnden
Ameisen sind nach Göbel
durchaus nicht aufgeklärt, weil auch hier ein direkter Nutzen der
Tiere für diePflanzen nicht nachgewiesen
werden kann. Mit demselben
Rechte könnte man bei der südamerikanischen
Tiliacee Bodelschwingia macrophylla, deren mit
Wasser
gefüllte Hohlstämme nach
Schomburgk regelmäßig von einer Laubfroschart
(Hyla venulosa) bewohnt werden, von einer
Anpassung
der
Pflanze an
Frösche
[* 3] sprechen. Jedenfalls aber haben die geschilderten
Knollen als Vorstufen zu ähnlichen Hohlbildungen
bei den echten
Ameisenpflanzen (s. d., Bd.
17) Bedeutung.
Eine
Reihe von Epiphyten besitzt Einrichtungen zum Ansammeln von
Humus, durch welchen es ihnen ermöglicht wird, ohne Bezug von
Nährstoffen
aus ihrem Wirtsstamm dennoch zu beträchtlicher
Größe heranzuwachsen. Der Vogelnestfarn
(Polypodium Nidus) auf
Java trägt
rings um seinen kurzen
Stamm eine große Zahl ansehnlicher
Blätter, die zusammen eine Art von
Nest bilden,
in welchem sich vermoderte
Blätter, Zweigbruchstücke u. dgl. ansammeln
und die
WurzelnNahrung finden.
AndreFarne
[* 4] besitzen sogen.
Nischenblätter, die sich mit breiter
Basis dicht an den
Stamm anlegen; entweder dienen als solche
gewöhnliche
Laubblätter, oder es tritt
Arbeitsteilung ein, indem die
Nischenblätter ihren Laubblattcharakter
verlieren. Für den ersten
Fall bietet z. B. das in
Java häufige,
ca. 2,5 m hohe
PolypodiumHeracleum ein schönes
Beispiel, dessen
kriechender
Stamm oberseits mit einer Doppelreihe starker, fiederteiliger
Blätter besetzt ist; letztere sitzen mit ihrer breiten,
herzförmigen
Basis dicht auf und können an dieserStelleHumus ansammeln.
Häufiger bilden aber die
Blätter, indem sie sich teilweise decken, die Außenwand einer
Nische, deren Hinterwand der Baumstamm
selbst herstellt, während der
Stamm des
Farns den
Abschluß nach unten bildet. In einer solchen
Nische sammeln sich oft bedeutende
Humusmassen an, die von den Farnwurzeln durchzogen und ausgenutzt werden; auch nach dem
Absterben der
Blätter bleibt die Humusmasse als starker Vorsprung oder auch in Treppenform auf dem Tragstamm erhalten.
Eine kleine Zahl von
Polypodium-Arten (z. B. P. quercifolium) erzeugt zweierlei
Blätter, nämlich gestielte
Laubblätter von
gewöhnlicher Form und Bedeutung nebst eichenblattartig gestalteten größern, ungestielten
Nischenblättern; letztere bilden
auch in diesem
Falle durch dichtes Anlegen an den
StammRäume, in welchen sich Humusmassen ansammeln. Sie
sterben rasch ab und färben sich braun, aber ihre starken
Rippen bleiben lange Zeit hindurch stehen und halten den
Humus fest.
An den Keimpflanzen des genannten
Farns treten zuerst gestielte, einfache
Blätter und abwechselnd mit diesen
ungestielte mit breiter
Basis auf, später finden sich neben typischen
Nischenblättern auch solche, welche den
Charakter von
Laub- und
Nischenblätternin sich vereinigen und dauernd grün sind.
Noch eigentümlicher sind die
Anpassungen des
Blattes bei
der
Gattung Platycerium, die ebenfalls zwei verschiedene Blattformen erzeugt, nämlich gestielte und geweihartig verzweigte
Laubblätter und außerdem
Nischen- oder
Mantelblätter, die von frühern
Autoren zum Teil für Prothallien
gehalten worden sind.
Die
Nischenblätter von Platycerium grande sind ungestielt, haben eine sehr breite
Basis und
sitzen dem
Baume, auf welchem der
Farn wächst, oder auch den ältern Blättern des letztern dicht auf; ihr oberer Teil steht dagegen
vom
Stamme ab und ist in eine Anzahl von
Lappen geteilt. Die absterbenden untern Teile bilden eine Anzahl von dicht übereinanderliegenden
Blätterlagen, zwischen denen sich die
Wurzeln des
Farns ausbreiten, während die Oberteile im
Verein mit dem Tragstamm eine
mächtige
Nische herstellen, in der sich
Humus von demGewicht mehrerer
Zentner ansammeln kann.
Die
Mantelblätter von Platycerium alcicorne dagegen bilden unverzweigte, der Unterlage dicht angedrückte
Organe und schützen
die darunter liegenden
Wurzeln, indem sie sich wie
Blätter eines
Buches zahlreich aufeinanderlegen und schnell absterben. Da
genannter
Farn auf seinen
Wurzeln zahlreiche Adventivsprosse zu erzeugen pflegt, welche zunächst nurMantelblätter
bilden, so entstehen an dem Tragstamm oft mächtige, ganz aus den abgestorbenen
Lagen der
Mantelblätter gebildete
Polster.
Den
Mantelblättern ähnliche
Organe treten auch bei der epiphytischen
Orchidee Oncidium Limninghii auf, bei welcher die
Blätter
und die linsenförmig abgeflachten
Knollen sich ebenfalls der Unterlage dicht anlegen; letztere dienen teils als Reservespeicher,
teils als Schutzdecke für die darunter liegenden
Wurzeln. Eine indische
Asklepiadee (Conchophyllum imbricatum) hat paarweise
gegenüberstehende, fleischige, unten muschelförmig ausgehöhlte
Blätter, welche ebenfalls die darunter liegenden, aus dem
dünnen Stammteil der
Pflanze entspringenden
Wurzeln schützen.
Denkt man sich die konkave Unterseite dieser
Blätter noch mehr vertieft, so entstehen
Urnenblätter, wie
sie die merkwürdige Dischidia Rafflesiana
Javas zeigt. Auch bei dieser
Asklepiadee stehen die
Blätter in
Paaren, aber sie erzeugt
außer schlauchförmigen auch gewöhnliche flache
Blätter; ihre
Urnenblätter haben eine enge, meist nach
oben oder seitlich
stehende Mündung, und ihr zur
Regenzeit mit
Wasser gefüllter Innenraum wird regelmäßig von einem Wurzelgeflecht
eingenommen, so daß hier also das
Blatt
[* 5] gleichzeitig die
Rolle eines Wasserspeichers und eines Wurzelschutzorgans ausübt.
Die
Rätsel der
Vererbung haben im verflossenen Jahre mehrere Untersuchungen gezeitigt, vor allem ein Werk
mit statistischen Untersuchungen von
Francis Galton, einem
VetterDarwins
(»Natural inheritance«, Lond. 1889), in welchem der
Beweis geführt wird, daß jede
Abweichung der Eltern vom
Mittel nur in geringem
Maße Aussicht hat, vererbt zu
werden, daß vielmehr bei den Nachkommen meist ein
Rückfall zum
Mittel bemerklich ist.
Hugo de
Vries (»Intracellular-Pangenesis«,
Jena
[* 7] 1889) hat die Pangenesistheorie
Darwins (Bd. 5, S. 725) zu neuem
Leben zu erwecken gesucht, indem er
Darwins Keimchen (Pangene),
die
Träger
[* 8] der erblichen
Eigenschaften, als in jeder
Zelle,
[* 9] und zwar im
Zellkern, vertreten annimmt, sich
dort durch
Teilung vermehren läßt, aber ihren
Transport durch den
Körper, worauf
Darwin den eigentlichen
Nachdruck legte, leugnet
und sich darin den sogleich näher zu besprechenden Weismannschen
Ansichten anschließt. Dafür, daß die Vererbungskräfte
vornehmlich oder einzig in den
Kernen der Befruchtungszellen zu
¶
mehr
suchen sind, hat Boveri interessante experimentelle Beweise geliefert, indem er die Leichtigkeit, Bastardformen gewisser Seeigel
durch künstliche Befruchtung
[* 11] zu erzielen, und ein Verfahren der Gebrüder Hertwig, Seeigel-Eier zu entkernen, benutzte, um Mittelformen
von Echinus
[* 12] microtuberculatus und Sphaerechinus granularis aus teilweise oder völlig entkernten Eiern der letztern Art zu
erzielen. Da die Bastardform mit keiner der beiden Eltern zu verwechseln ist, so ergab sich leicht, daß
gewisse Larven, die nur denen der väterlichen Art ähnlich waren, aus entkernten Eiern der mütterlichen Form stammen mußten,
während die richtigen Bastardformen (von denen manche unter dem Größenmittelmaß waren) aus den gar nicht oder nur
teilweise entkernten Eiern hervorgegangen sein mußten. Damit scheint der Beweis erbracht, daß die erblichen Tendenzen wirklich,
wie bereits die Gebrüder Hertwig und viele andre Naturforscher angenommen hatten, nur in den Zellkernen, nicht im Plasma wohnen.
Die Frage nach den Grenzen
[* 13] der Vererbung ist in den letzten Jahren mit ungemeiner Lebhaftigkeit erörtert
worden, nicht allein, weil die Dichter der neuen naturalistischen Schule, wie Zola, Ibsen, Echeparay, Hauptmann etc., dieselbe
mit Vorliebe zum Gegenstand ihrer Romane und Dramen gemacht haben, sondern weil von einer Reihe angesehener Naturforscher die
Erblichkeit von außen erworbener Eigenschaften vollständig geleugnet wurde. Es ist dies die Weismannsche Schule,
welche von der Theorie einer Kontinuität des Keimstoffs ausgeht, d. h. von der Vorstellung, daß das im Körper der jeweiligen
Träger vorhandene Artplasma von diesen nicht aus den Körpersäften neu erzeugt, sondern nur ernährt, vermehrt und
weitergegeben werde, sofern es aus demselben Keimbildungsstoff abgesproßt sei, aus dem die Träger selbst entstanden
sind und so in ununterbrochener Folge weiter zurück bis an den Anfang der betreffenden Lebenslinie. Nach dieser Auffassung,
die sich sehr stark den alten Vorstellungen der Präformationslehre nähert, gibt es somit gar keine Erblichkeit im gewöhnlichen Sinne,
denn der Keimstoff soll ja hiernach im wesentlichen derselbe bleiben und kann deshalb nur solche Eigenschaften
und Fähigkeiten entfalten, die in demselben von Anfang an lagen.
Die Anfänge dieser neuen Auffassung reichen bis 1876 zurück, in welchem Jahre gleichzeitig GustavJäger in Deutschland
[* 14] und
Francis Galton in England auf die schon Jahrzehnte ältern Beobachtungen hinwiesen, daß bei gewissen Tieren, namentlich Insekten,
[* 15] die Entwickelung des Eies zum jungen Tiere damit beginnt, daß sich ein kleiner Zellenteil von der Hauptmasse
des zum Körperaufbau dienenden Keimstoffs absondert, um, in das Innere des sich bildenden Körpers aufgenommen, dort den Grundstock
des sich später vermehrenden Keimzellenvorrats zu bilden.
Obwohl das Auftreten von Keimzellen bei höhern Tieren meist erst viel später zu beobachten ist, so wurden
jene Wahrnehmungen und die daran geknüpften Schlüsse doch von den oben genannten Naturforschern verallgemeinert, und Jäger
meinte, daß der Keimstoff sich nach geschehener Befruchtung ganz allgemein in zwei Anteile spalte, einen ontogenetischen (Personalteil
Raubers), aus dem sich der Körper des neuen Sprößlings aufbaut, und einen phylogenetischen (Germinalteil
Raubers), der im Körper desselben aufgespeichert bleibt, um sich daselbst durch Zellteilung zu vermehren und den Stamm für
die Absprossung neuer Fortpflanzungszellen zu bilden. Somit
wäre ein ununterbrochener Zusammenhang nur für die Keimzellen
gegeben, nicht aber für die den Körper (soma) aufbauenden somatischen Zellen, die erst sekundär aus
den erstern entstehen, welche alle erblichen Anlagen der Art in ihren Kernen enthalten und bewahren, während die somatischen
Zellen nur absterbende, vergängliche Formen bilden.
Man erkennt sogleich, daß aus dieser neuen Ansicht tiefgreifende Folgeschlüsse für die Erblichkeitslehre entspringen müssen,
denn es werden hier zwei nebeneinander bestehende, sehr ungleichwertige Elementarteile des Körpers angenommen:
somatische oder Baustoffzellen, die aus den Keimzellen entstehen, und Keimzellen, die nicht aus somatischen Zellen, sondern
nur wieder aus Keimzellen entstehen können. Damit werden die somatischen Zellen, die den gesamten Körper mit Ausschluß des
Inhalts der Geschlechtswerkzeuge aufbauen, völlig dem Einfluß auf Erblichkeitserscheinungen entzogen, und Veränderungen,
die nur ihr Wesen berühren, ihre Erstarkung oder Schwächung nach bestimmten Richtungen, alles, was man als Anpassung, Fortschritt
und Rückgang des Körpers durch äußere Einwirkung bezeichnet, auch Erkrankungen etc., welche nur die Körperzellen
betreffen, können nicht auf die Keimzellen einwirken: es kann mit einem Worte keine der von erstern erworbenen
Eigenschaften geben.
Auch der Einfluß dieser neuen Anschauung der Dinge auf die Vorstellungen vom Werden der Lebewelt springt sofort in die Augen.
Denn die ältere, von ErasmusDarwin und Lamarck angebahnte Deszendenztheorie, nach welcher die Organe und Fähigkeiten der höhern
Organismen durch Anstrengungen des Körpers in bestimmten Richtungen, durch Übung und Kräftigung der
Organe, durch langsame Einflüsse von Klima,
[* 16] Land und Umgebung, durch Wechselwirkung mit andern Organismen und Anpassung an bestimmte
Bedürfnisse und Erfordernisse zu immer zweckmäßigern Formen fortgebildet sein sollen, könnte nicht richtig sein, wenn
solche Veränderungen des Körpers nicht erblich wären und sich nicht in bestimmten Richtungen summieren
könnten. Das durch äußere Einflüsse im Ringen des Individuums gegen dieselben Erreichte würde immer wieder mit demselben
verschwinden, die Nachkommenschaft müßte in dieser Beziehung jedesmal wieder von vorn anfangen.
Damit steigt die Frage auf, wie denn die Weismannsche Lehre
[* 17] von der Nichterblichkeit der durch äußere Verhältnisse und durch
die Anstrengungen des Organismus, sich mit denselben ins Gleichgewicht
[* 18] zu bringen, die Entstehung der zahllosen
Anpassungen an bestimmte Lebensverhältnisse und die durch die Paläontologie unwidersprechlich bewiesene Vervollkommnung der
Lebewesen im Laufe der geologischen Zeiten erklären wolle? Sie versucht dies, indem sie zu diesem Zwecke eine unbegrenzte Veränderungsneigung
im Keimbildungsstoff annimmt und sie durch die natürliche Zuchtwahl, d. h. das Überleben des Passendsten,
in die rechten, erfolgreichsten Wege leiten läßt. Es handelt sich also um eine gänzliche Verdrängung der sogen.
Lamarckschen (eigentlich ältern Darwinschen) durch die reine Darwinsche Zuchtwahltheorie. Als Hilfsmittel für die Erklärung
wird der dunkle Vorgang zu Hilfe gerufen, welchen man als die Austreibung der Richtungskörperchen (s.
Bd. 13, S. 817) bezeichnet hat, nämlich ein Austreten kleiner Keimstoffmengen aus den Keimzellen vor und nach der Befruchtung,
von welcher einzelne der zahlreichen, durch die beständige Kreuzung¶