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Schöpfungen an die Seite zu setzen. Auf kritischem Gebiet (in den »Preußischen Jahrbüchern«, der »Contemporary Review« und »Saturday Review«) ein Vermittler zwischen England und Deutschland, [* 2] dann auch mit Italien, [* 3] hatte er in diesen beiden Ländern den größern Teil seines Lebens zugebracht. Seine letzte Arbeit erschien in der »Weser-Zeitung«.
Drama.
Von
Shakespeare abgesehen, versorgt sich die englische
Bühne der Gegenwart zum großen Teil mit
Stücken,
die aus dem
Französischen herübergenommen und im Anpassungsprozeß auch gewöhnlich etwas gesäubert sind, mit Dramatisierung
bekannter
Romane und mit litterarisch recht wertlosen
Spektakelstücken. Doch gelingt bisweilen ein
Original-Lustspiel, seltener
ein ernstes
Drama. Von den besonders hervorragenden Versorgern der
Bühne sei zunächst
Henry
Arthur
Jones
genannt, der in diesem Jahre zwei Erfolge hatte, mit dem »Middleman«, der
an die Arbeiterbewegung anknüpft, und mit »Judah«, in dem die moderne
Wundersucht, die Hungerexperimente und die religiöse
Schwärmerei gewisser
Klassen von
Dissidenten behandelt werden, gegen
welch letztere der Verfasser schon früher zu
Felde gezogen.
Arthur Pinero wagt sich nicht an so heikle
Stoffe, doch zeigen seine neuen
Stücke:
»Sweet Lavender« und »The Profligate«, Bühnengewandheit
und errangen Massenerfolg.
Justin
Huntly
Mac Carthy, mit größerer litterarischer Bedeutung, lieferte leichte
Stücke,
Robert
Buchanan, bekannt als Bühnenbearbeiter alter
Romane, erntete diesmal mit einem eignen
Stoff: »That
Doctor
Cupid«, vielen Erfolg.
Größern Anspruch auf Beachtung hat das
Drama
»Beau
Austin«, das R. L.
Stevenson in
Gemeinschaft mit W.
Englische
[* 4]
Henley brachte. Im
Singspiel hatten
Gilbert und
Sullivan, die Verfasser des
»Mikado«, einen neuen Erfolg mit »The Gondoliers«.
Ibsens »Nora« und »Die
Stützen der
Gesellschaft« ließen das
Publikum ziemlich kalt, noch weniger erbaut
war es von
Buchanans Bearbeitung Dostojewskis. Die Aufführung eines
Dramas über
Mohammed, von
Hall
[* 5]
Caine, das
Irving mit
Glanz
inszenieren wollte, wurde durch den Einfluß indischer Mohammedaner verhindert.
Unter den Buchdramen nimmt
Richard
Garnetts »Iphigenia in
Delphi« durch
Entwurf und poetische
Diktion die
erste
Stelle ein. Dem
Stücke sind metrische Übersetzungen aus verschiedenen klassischen
Autoren angehängt. Ein neuer Schriftsteller,
James Thornely, trat mit dem historischen
Schauspiel
»Stanley« hervor. Seine
Hoffnung, das geschickt angelegte
Stück auch auf
die
Bühne zu bringen, erfüllte sich bisher nicht. Der
Held desselben ist der siebente
Graf von
Derby, einer
der treuesten und unglücklichsten
Führer der königlichen
Truppen im englischen
Bürgerkrieg.
Ein andres Erstlingswerk ist Fräulein Alice Sargants »Endymion's Dream«, in welchem sie, nach Boccacio, Chaucer und Dryden, die Geschichte von Palamon und Arcite dramatisiert. Viele schöne, wirklich poetisch-gefühlte Stellen in dem Stücke, das an die Masken [* 6] des 17. Jahrh. erinnert, berechtigen zu weitern Hoffnungen für die junge Dichterin. Roden Noels »Modern Faust« sei nur erwähnt, um den nimmer vergehenden Reiz des alten Vorwurfs anzudeuten.
Roman.
Der kaum übersehbare Stoff auf dem Gebiet des Romans legt unsrer Übersicht Beschränkungen auf, wenn dabei auch eins und das andre beiseite gelegt wird, ohne daß es eben zum Unkraut gehörte. In dem Vaterlande Defoes hat sich keine Veranlassung gefunden, mit Erfolg den modischen sogen. Realismus zu predigen. Zolas und seiner Anhänger Evangelium des Schmutzes hat nie durchgreifend auf die englische Litteratur eingewirkt, und seit der Reiz der Neuheit davon abgestreift, wendet man sich mehr und mehr davon ab. Was die Form betrifft, so hat man angefangen, nach dem Vorgang der Franzosen, Deutschen und Amerikaner, mehr die Novelle zu pflegen, und die Monatsschriften leisten dieser Begünstigung der »short story« kräftig Vorschub.
Von den anerkannten
Meistern des
Romans ist in diesem Jahre
William
Collins geschieden (gest. in
London).
[* 7] Er war lange Jahre ein Liebling desjenigen Teils des
Publikums, der am Sensationellen Wohlgefallen hat. Aber auch
eine junge vielversprechende
Kraft
[* 8] verließ uns in
Fräulein Amy
Levy; mit ihrem
Buche »Reuben
Sachs«, aus der Judenwelt, schien
ein heller
Stern am Litteratur
himmel aufzugehen.
Die meisten der alten
Leiter haben uns
Neues geliefert.
James
Payn: »The word and the will« und »The
burnt million«, in dem letztern
Buche ebenfalls stark die Judenwelt streifend und mit altbewährtem
Talent der
Erzählung und
des
Dialogs starke
Schlagschatten der
Sensation verbindend.
Walter
Besant: »The hell of St.
Paul's«, geschichtlich,
und eine Fortsetzung von
Ibsens »Nora«, hochtragisch schließend: »The doll's
house - and after«.
William
Black: »The new prince
Fortunatus«, mit schottischer Szenerie, Liebhabertheater und
Dilettanten verspottend, und »The penance of
John
Logan«.
Robert
Louis
Stevenson: »The
Master of Ballantrae«, eine Geschichte aus der Jakobitenzeit, in
Schottland spielend, von vielen
für das beste
Buch des begabten Verfassers gehalten. R. D.
Blackmore: »Kit and Kitty, a story of
West
Middlesex« und »Springhaven«,
um 1805 spielend, wo
England durch eine
Landung
Napoleons bedroht war, ein äußerst lebendiges
Buch, von vielen seinem berühmten
»Lorna
Doone« an die Seite gestellt. Rider Haggard: »Cleopatra«, phantasievoll und farbenprächtig, aber
durch das Ausspinnen der Rachepläne ermüdend, und »Beatrice«, aus dem
modernen
Leben, nicht immer erbaulich.
Christie
Murray: »John Vele's guardian«, eine liebenswürdige Geschichte aus dem englischen
Landleben, von denen er bereits in »Aunt
Rachel« ein reizendes
Beispiel gegeben, und in Gemeinsamkeit mit H.
Herman: »The
Bishop's
Bible«,
»Wild Darrel« und »A dangerous cat's paw«.
Marion
Crawford: »Witch of Prague« (unvollendet),
den Hypnotismus ausbeutend, und das sehr günstig aufgenommene: »A cigarette-maker's romance«, das in München [* 9] spielt.
Von Schriftstellerinnen mit feststehendem Ruf traten mit neuen Romanen auf: Frances Eleanor Trollope mit »Madame Leroux«;
F. Mabel Robinson mit »A woman of the world«;
Bertha Thomas mit »The house on the scar«, einer Geschichte aus Devonshire;
Annie Edwardes mit »Pearl-powder«;
Rhoda Broughton mit »Aias«, Frau Alexander mit »Blind fate« und Frau Oliphant mit »The mystery of Blencarrow«, »The Duke's daughter«, »Neighbours on the green«, »Lady Car« und »A poor gentleman«.
Die außerordentliche Fruchtbarkeit der Letztgenannten erscheint bei der allgemeinen Güte ihrer Werke rätselhaft. Dies kann nicht von den drei Schriftstellerinnen gesagt werden, welche wir zunächst nennen: Florence Marryat mit »Brave heart and true« und ¶
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»Blinsfeld«, Frau Braddon mit »One life, one love« und »The day will come«, einer schreckliche Geschichte, in welcher die Sünde des Vaters an seinem unschuldigen Kinde gerächt wird, und Ouida mit »Guilderoy«, »Syrlin« und »Ruffino«, einer Novellensammlung. Diese Autoren sind zwar sehr bekannt, und namentlich die letztere wird von kontinentalen Lesern vielfach überschätzt, die ernsthafte Kritik vermag sie aber nicht mit den vorher genannten auf dieselbe Stufe zu stellen.
Unter den Schriftstellerinnen, deren Namen dem Publikum noch mehr oder weniger neu sind, gedenken wir zunächst der Frau Dorothea Gerard, welche in »Recha« aus persönlicher Anschauung ein wenn auch wenig erfreuliches, aber schriftstellerisch gelungenes Bild der Juden und Christen in Galizien liefert und mit diesem Buche, wie mit ihren frühern: »Lady Baby« und »Orthodox«, sich rasch einen günstigen Platz errungen hat. Die Dame, welche unter dem Namen John Strange Winter lustige Soldatengeschichten schreibt, hat ihrem »Bootle's Baby« und »Bootle's Children« ein neues folgen lassen als »Ferrer's Court«.
Gertrud Hayward lieferte in ihren Erstlingswerken: »Dulcibel« und »Spencer Blackett« gute Charakterzeichnung. Aber die Kunst des Dialogs, die eigentliche Erzählungskunst, die von Thackeray und Anthony Trollope so hoch ausgebildet und die auch auf viel geringere Talente übergegangen, steht ihr bis jetzt noch nicht ebenso zu Gebote. Die Schriftstellerin, die sich unter dem Namen Rita verbirgt, gibt uns in »Sheba« ein ausgesprochen antiklerikales Buch von kräftiger Anlage.
Mit Spannung sah man dem ersten Roman der Frau Mona Caird entgegen, welche vor zwei Jahren die lebhafteste Diskussion eröffnete, indem sie in der »Westminster Review« die Frage aufwarf: »Ist die Ehe ein Irrtum?« Aber »The wings of Azrael« führte die Frage nicht weiter;
es war eben nur eine interessante Erzählung.
Frau Deland, welche im vorigen Jahre mit einer freireligiösen Erzählung: »John Ward, preacher«, debütiert hatte, veröffentlicht »Sidney, a novel«.
Lord Lyttons »Ring of Amasis« ist nicht eigentlich ein neues Buch, sondern die Auffrischung einer vor 25 Jahren geschriebenen Erzählung, die abenteuerlich-mystisch, aber auch lebendig und spannend ist.
Val. Prinsep lieferte in »Virginie, a tale of one hundred years ago« eine reizende Geschichte aus der Zeit der französischen Revolution, in welcher, dem Gebrauch entgegen, das Idyllische vorwiegt. Von Begabung zeugt der anonym erschienene historisch-philosophische Roman »Zeno, by a lady«.
Aus den Namen und Werken der minder bedeutenden Schriftsteller seien noch erwähnt: S. Baring-Gould mit »Jacquetta and other stories«, »The Pennycomequicks« und »Eve«;
Clark Russell mit »Marooned« und »An Ocean tragedy«;
R. Englische
Francillon mit »King or knave«;
W. Englische
Norris mit »The baffled conspirator«
und »Misadventure«;
J. ^[John] Cordy Jeaffreson mit »Cutting for partners«;
Julian Sturgis mit »Comedy of a county house«;
Hawley Smart: »Without love or licence«;
F. W. Robinson mit »A very strange family«.
Australien, [* 11] Westamerika, Indien, Irland haben uns neue Federn zugeführt. Ein pseudonymer Ralph Boldrewood schrieb: »The miner's right« und »Robbery under arms«, Erzählungen, in denen es wüst genug zugeht, aus denen man aber mancherlei über australische Zustände lernen kann. Ähnlich auf dem Grunde des Selbsterfahrenen fußend, aber mit höhern litterarischen Ansprüchen an sich selbst, liefert Arthur Paterson in seinem Erstlingswerk: »The better man«, ein höchst anziehendes, auch humorvolles Bild aus dem fernen Westen der Vereinigten Staaten, [* 12] vielfach an Bret Harte erinnernd. Phantastisch genug ist »The Rajah's heir«, in welchem der noch ungenannte Verfasser die scheinbar von ihm geglaubte Seelenwanderung einführt. Ein junger Schriftsteller von unzweifelhaft genialer Begabung ist Rudyard Kipling, der in glänzend geschriebenen Skizzen (»Black and white« u. a.),
voll von gesundem Realismus und Humor, das Leben der Eingebornen und Anglo-Indier in Krieg und Frieden vorführt.
Aus Irland bringt uns Fräul. Tighe Hopkins in »The Nogents of Carriconna« ein liebenswürdiges Bild des keltischen Lebens, voll Anmut, Phantasterei und Humor. Aber bitterer Ingrimm durchzieht ein andres irisches (zum großen Teil im Gefängnis entstandenes) Buch: »When we were boys«, von William O'Brien, dem Agitator. Von allen Romanen dieses Jahrs hat wahrscheinlich keiner einen so großen augenblicklichen Erfolg erlebt (drei Auflagen in rascher Folge), der aber hauptsächlich dem Umstand zuzuschreiben ist, daß das Buch in die gerade auf der Tagesordnung stehenden Bestrebungen der keltischen Katholiken in Irland eingreift. Mit mehr litterarischer Übung hätte der Agitator eine gedrungenere Geschichte des irischen Aufstandversuchs von 1867 schreiben können.
Ästhetik, Kritik, Litteratur
geschichte.
Für viele hat die Größe Shakespeares seine Zeitgenossen allzusehr in den Schatten
[* 13] gerückt. Aus diesem Halbdunkel, welches
allerdings nicht sowohl für den Fachmann auf dem Felde der Litteratur
geschichte als für die allgemein
gebildete Lesewelt besteht, hat der Dichter Algernon Swinburne den Ben Jonson hervorgezogen. Wie alles aus seiner Feder, ist
sein neuestes kritisches Buch: »A study of Ben Jonson«, mit großer Frische, ja mit Begeisterung geschrieben. »Kein Riese«,
sagt er von Jonson, »kam jemals dem Range der Götter so nahe.« Hier mag zur Elisabethischen Litteratur
gleich die englische
Bearbeitung von J. ^[Jean] Jusserands Buch: »The English novel in the time of Shakespeare« erwähnt werden, die er mit Fräulein
Lee herausgegeben, und in der die englische
Kritik eine der sorgfältigen, von einem Ausländer herrührenden
Ar betten erkennt, welche allmählich Tain es geistreiche Oberflächlichkeiten verdrängen. Eine andre solche Arbeit rührt
von einem Deutschen her: es ist Oskar Sommers Ausgabe des alten Thomas Malorys »Morte Darthur«, auf Grund der Urschrift von 1485,
wovon die beiden ersten Bände erschienen sind, deren Sorgfalt von der Kritik mit vieler Anerkennung hervorgehoben
wird, nur daß es Hrn. Sommer begegnet ist, manchen Ausdruck als archaisch anzusehen, der noch heute gang und gäbe ist.
Die große und kritische Ausgabe von Popes Werken, die vor langen Jahren durch Whitwell Elwyn begonnen, aber mit dem fünften
Bande wegen des Widerwillens, den ihm der Dichter einflößte, aufgegeben ward, ist nun mit dem zehnten
von Courthope beendet, welcher ein »Life and essay on Pope's place in English litterature«
beifügte. Das Werk wird als abschließend
betrachtet. Duncan Tovey hat herausgegeben: »Gray and his friends: Letters and diaries, in great part hitherto unpublished«;
L. B. Seeley: »Fanny Burney and her friends«.
In unser Jahrhundert treten wir mit Mrs. Shelley, der zweiten Gattin des Dichters und Verfasserin des ¶