und die ungeheuern
Rüstungen
[* 2] dieser beiden Mächte Deutschland
[* 3] in der That gefährdet war und alle seine
Kräfte anspannen mußte,
um seinen Nachbarn die Lust zu einem Angriffskrieg zu benehmen. Die
Lage der
Dinge war seit 1884 und 1885, als Deutschland seinen Kolonialbesitz
[* 4] zu erwerben begann, erheblich verschlechtert, und so konnte es als ein
Gewinn angesehen werden, wenn einiges
vom Kolonialbesitz geopfert, das übrige aber so gesichert wurde, daß nun die wirtschaftliche Thätigkeit einen kräftigen
Aufschwung nehmen konnte. Die Bedeutung
Helgolands für die deutsche
Kriegsflotte, besonders für die Benutzung des
Nordostseekanals,
wurde nachdrücklich betont. Die
Insel wurde 9. Aug. von den deutschen Behörden in
Besitz genommen.
Das Sozialistengesetz trat außer
Kraft,
[* 5] ohne daß irgend welche
Störung der öffentlichen
Ruhe eintrat. Die sozialdemokratische
Partei hielt sofort in
Halle
[* 6] einen internationalen Parteitag, auf welchem sie sich aber großer Mäßigung und Zurückhaltung
befleißigte, wenn sie auch die Entlassung
Bismarcks und die Aufhebung jenes
Gesetzes als ihre
Siege feierte.
Der
Reichstag trat im
November wieder zusammen, nachdem kurz zuvor der Kriegsminister v.
Verdy zurückgetreten und durch den
General v.
Kaltenborn-Stachau ersetzt worden war. Da die
Kommission die Beratung des Arbeiterschutzgesetzes noch nicht beendet
hatte, so beschäftigte sich der
Reichstag mit der Beratung des Reichshaushaltsetats für 1891/92, der
nach dem Regierungsentwurf in
Einnahme und
Ausgabe mit 1,130,645,880 Mk. abschloß. Die fortdauernden
Ausgaben des Reichsheers
zeigten einen Mehrbedarf von 25¾ Mill.
Die
Verhandlungen über den Reichshaushaltsetat wurden mit einer längern
Unterbrechung durch die Weihnachtsferien bis Mitte
Februar 1891 fortgesetzt und schlossen mit einer eingehenden mehrtägigen
Erörterung der Kolonialfrage.
Der
Vertrag mit
England vom fand im allgemeinen Billigung, und die Geldforderungen der Reichsregierung für die
Entwickelung
der
Kolonien wurden von allen
Parteien des
Reichstags mit Ausnahme der
Deutschfreisinnigen und der Sozialdemokraten genehmigt,
da die
Pläne der
Regierung sich als maßvoll und besonnen erwiesen.
Der
Reichskanzler v.
Caprivi konnte sich darauf berufen, daß auch sein Vorgänger die Rücksicht auf das gute
Verhältnis zu
England stets besonders betont habe. Ein deutschfreisinniger
Antrag auf Ermäßigung der zum
Schutz der
Landwirtschaft eingeführten
Zölle wurde im
Januar vom
Reichstag abgelehnt. Mitte
Februar begann die Beratung derNovelle zur
Gewerbeordnung
(des Arbeiterschutzgesetzes), welche die
Kommission endlich durchberaten hatte, und nahm wegen der widerstreitenden
Interessen
und der deshalb zahlreich eingebrachten
Anträge viel Zeit in Anspruch.
Nach dem
Untergang des gefährlichen Rebellenführers
Buschiri behauptete sich
noch Bana
Heri, der frühere
Wali von Saadani, im
Süden von Mkwadja. Hier wurde
er bei einer Rekognoszierung von
LeutnantSchmidt
bei Mlembule entdeckt und vom
MajorWißmann, der bei Saadani mit 500 Mann gelandet war, in einer stark befestigten
Stellung angegriffen. Nach einem gleichzeitigen
Angriff in der
Fronte und der rechten
Flanke wurden die feindlichen
Verschanzungen
erstürmt, aber Bana
Heri entkam und setzte sich südwestlich davon bei Palamaka in einer hügeligen und bewaldeten Gegend
fest.
Hier wurde er vom
Freiherrn von Gravenreuth aufgespürt und 9. und 10. März von
Wißmann wieder angegriffen.
Der Feind hatte sich in mehrere Abteilungen aufgelöst und verschwand, nachdem er einen vergeblichen
Sturm auf das deutsche
Lager
[* 8] versucht hatte. Da den Aufständischen infolge der
Blockade der
Küste zwischen
Bagamoyo und Mkwadja die Lebensmittel bald
ausgingen, unterwarf sich Bana
Heri6. April dem
Freiherrn v. Gravenreuth in Saadani, nachdem ihm
Begnadigung
und Rückgabe seiner Besitzungen zugesichert war.
Weniger Schwierigkeiten machte die Unterwerfung des südlichen Küstengebiets. Die Hauptmacht der Aufständischen hatte sich,
5-7000 Mann stark, in der Stadt
Kilwa Kivindje festgesetzt, die an der Seeseite durch
Bastionen und Palissadenreihen geschützt
war.
Wißmann erschien mit den
Kriegsschiffen Carola und
Schwalbe und mehreren andern
Dampfern2. Maivor der
Stadt, landete und umging sie von
Norden.
[* 9]
Als er sie 4. Mai an der Südwestseite angriff, zeigte es sich, daß sie auf der Landseite
keine
Befestigungen hatte und inzwischen vom Feinde geräumt war.
Wenige
Tage später wurde Lindi erobert, und Mikindani (südlich davon) unterwarf sich. Damit durfte der
Aufstand als unterdrückt gelten. Als dann Ende Mai
MajorWißmann seine Urlaubsreise nach
Deutschland antrat, wurde
Dr.
Schmidt
mit seiner Vertretung betraut. Dieser unternahm im Juli einen Zug
gegen die Mafiti nach dem Kingani, im
Oktober einen andern nach
dem
Rovuma (an der Südgrenze) und hatte kleine
Gefechte mit den Eingebornen, darunter mit Machemba, dem
Häuptling der Jao. Es kam hier zu keiner
Entscheidung, ebensowenig bei einer Expedition, welche
ChefRamsay mit vier
Kompanien
im
Dezember gegen Machemba unternahm; nach erheblichen Verlusten mußte sich jener aus Mangel an
Munition und Lebensmitteln
nach Lindi zurückziehen.
Inzwischen war zwischen dem
DeutschenReiche und
Großbritannien
[* 10] ein
Vertrag abgeschlossen worden, durch welchen die
beiderseitigen Interessengebiete in
Afrika
[* 11] abgegrenzt wurden. Durch dieses deutsch-englische
Abkommen erhielt Deutsch-Ostafrika folgende
Grenzen:
[* 12] im N. wurde bis zum
Victoria Nyanza
[* 13] die frühere
Grenze im wesentlichen beibehalten (s.
Britisch-Ostafrika), auf
der Westseite des
Sees wurde sie bis zur
Grenze des
Congostaats weitergeführt, wobei jedoch der Mfumbiroberg den Engländern
überlassen wurde.
Die Südgrenze folgt dem
Rovuma bis zur Mündung des Msinjeflusses, wendet sich dann zum Nyassasee, dessen
Ost-,
Nord- und Westufer
sie bis zur Mündung des Songweflusses begleitet. Sie geht dann diesen
Fluß aufwärts bis zum 32.° östl.
L. v. Gr. und führt weiter längs des Kilambo zum Tanganjikasee. Die Westgrenze
wird durch letztern
See und das sich nördlich daran anschließende Gebiet des
Congostaats gebildet. Der beiderseitige Güterverkehr
soll von jedem Durchgangszoll befreit sein zwischen dem Nyassasee und
Congostaat, zwischen dem
Niassa- und
dem Tanganjikasee, auf letzterm und zwischen ihm und der Nordgrenze der beiderseitigen Besitzungen.
¶
mehr
Großbritannien verpflichtet sich, seinen Einfluß aufzubieten, um den Sultan von Sansibar
[* 15] zur Abtretung seiner Besitzungen
auf dem gegenüberliegenden Festland und der InselMafia zu bewegen. Deutschland erkannte die Schutzherrschaft Großbritanniens
über die dem Sultan verbleibenden Besitzungen, d. h. die InselnSansibar und Pemba, an, verzichtete auf die Schutzherrschaft
über das Sultanat Witu und die Küste bis Kismaja und erhielt schließlich die InselHelgoland.
[* 16]
Zugleich wurde ihr die Aufnahme einer Anleihe von 10½ Mill. Mk., zu 5 Proz. verzinslich, gestattet, deren
Ertrag innerhalb der nächsten 10 Jahre verwandt werden sollte, zunächst zur Betonnung der Häfen und zur Herstellung
von Beleuchtungsanlagen an der Küste. Das Reich gelangt in den Besitz der in jenen Gebieten eingehenden
Zölle, Steuern etc. und zahlt fortan an die Gesellschaft eine jährliche Summe von 600,000 Mk. Der Gesellschaft wird das Okkupationsrecht
an herrenlosen Grundstücken und Wäldern, Konzession zu Bergwerken, zur Anlage von Eisenbahnen etc. verliehen.
Neuerdings sind die definitiven Ergebnisse des Handels für das Jahr August 1888 bis August 1889 veröffentlicht worden. Sie
sind recht günstig, wenn man erwägt, daß das in Rede stehende Jahr ein Kriegsjahr war. Es betrug die
Einfuhr 2,5 Mill., die Ausfuhr 4,27 Mill. Mk.
Der Hauptverkehr ging über Bagomoyo, dann folgen Kilwa Kivindje, Dar es Salam und Pangani. Zur Einfuhr kamen besonders gefärbte
und bedruckte Baumwollstoffe, die Ausfuhr bestand aus Elfenbein, Kopal, Kautschuk, Sesamsaat, Reis, Bauholz etc. Elfenbein wird
meist über Bagamoyo, Kopal über Dar es Salam, Kautschuk über Kilwa ausgeführt.
Was die finanziellen Opfer anbetrifft, welche Deutsch-Ostafrika dem Reich auferlegt, so betrugen dieselben für 1890 bis 1891: 4½ Mill. Mk.,
darunter 3 Mill. Mk. für laufende Ausgaben. Nach langen Debatten bewilligte der Reichstag diese Summe Im Etat für
1891/92 verlangte die Regierung 3½ Mill. Mk. unter dem Titel: »Für Maßregeln zur Unterdrückung des
Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Interessen in Ostafrika«, doch hat die Budgetkommission beantragt, diese Summe um 1 Mill.
zu kürzen, und in diesem Sinn hat sich auch der Reichstag bei der zweiten Lesung des Etats (Februar 1891) entschieden.
Es erübrigt noch über die beiden wichtigen Expeditionen zu sprechen, welche 1890 in Deutsch-Ostafrika unternommen
sind. Emin Pascha trat, nachdem er von dem Unfall in Bagamoyo genesen war, in deutsche Dienste.
[* 20] Seine Aufgabe sollte
es sein, innerhalb der deutschen Interessensphäre mit den Häuptlingen zwischen dem Victoria Nyanza und Tanganjikasee Verträge
zu schließen, im Innern Stationen zu errichten und die drohende Verbindung zwischen den Arabern von Tabora und den Mahdisten
in der ehemals ägyptischen Äquatorialprovinz zu unterbrechen. Am 20. April brach Emin Pascha mit 500 Mann von Bagamoyo auf; unter
ihm kommandierten die Leutnants Langheld und Dr. Stuhlmann, unter andern begleitete Pater Schynse die Expedition.
In Mpwapwa traf man auf Dr. Peters und die von diesem geführte EminPascha-Expedition. Während diese sich zur Küste wandte,
drang Emin Pascha nach Unjanjembe vor, heißte in Tabora die deutsche Flagge und erreichte 27. Sept. Bussisi, das am Kreek des Victoria Nyanza
gegenüber der französischen Missionsstation Bukumbi liegt. Am 19. Okt. fuhr Emin Pascha über den See nach
der LandschaftKaragwe am Westufer, wohin ihm Stuhlmann zu Lande mit 144 Soldaten und 110 beladenen Trägern folgte. Emin Pascha
landete 31. Okt. in Bukoba
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