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Die bisherigen Fortifikationssekretäre heißen Bauwarte und zwar Festungsbauwarte erster und zweiter Klasse, entsprechend den Zeugleutnants, und Festungsoberbauwarte erster und zweiter Klasse, entsprechend den Zeughauptleuten. Sie gehen aus den Wallmeistern hervor, welche ihre technische Ausbildung auf der Festungsbauschule erhalten. Der Etat beträgt 38 Festungsober- und 94 Festungsbauwarte sowie 264 Wallmeister.
Die Munitionsfabriken in Danzig [* 2] und Erfurt [* 3] sind nach Erweiterung derjenigen in Spandau [* 4] eingegangen. Die Pulverfabrik in Spandau ist für die Herstellung rauchlosen Pulvers vergrößert worden. Festungsgefängnisse bestehen noch in Danzig, Dömitz, Graudenz, [* 5] Köln, [* 6] Neiße, [* 7] Rastatt, [* 8] Spandau, Straßburg [* 9] i. E., Torgau [* 10] und Wesel. [* 11] Die Stadtumwallungen der Festungen Koblenz, [* 12] Wesel und Rastatt sollen geschleift, Neiße als Festung [* 13] aufgegeben, Graudenz als wichtiger Weichselübergang mit Eisenbahnbrücke für nach Rußland führende Bahnlinien als Festung wiederhergestellt werden. Die Offiziere der Fußtruppen, welche bis dahin den Offiziersdegen trugen, haben durch Kabinettsorder vom einen Degen mit Korbgefäß in vernickelter Stahlscheide und Reiterkoppel mit Tressenbesatz erhalten. Seit Unterstellung der Feldartillerie unter die Armeekorps erhalten die Generale von der Artillerie bei ihrem Aufrücken vom Generalleutnant in die höhere Charge den Diensttitel »General der Artillerie«.
II. Gliederung der deutschen Feldartillerie vom
Regimentsnummer | Besteht aus Anzahl Abteilungen zu | Summe der Batterien | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
3 | 2 | 3 | 2 | 3 fahrenden, 1 reitenden | ||
fahrenden Batterien | reitenden Batterien | |||||
1. u. 2. Garde, 1-10,14.15, 31, 35; 1., 2 u. 3. bayr. | 3 | - | - | 1 | - | 11 |
11.12 | 3 | - | 1 | - | - | 12 |
13,16.18, 20.36. | 3 | 1 | - | - | - | 11 |
17,19.21-24, 26 bis 30, 32; 4. bayr. | 3 | - | - | - | - | 9 |
25 | 1 | - | - | - | 1 | 7 |
33 | 2 | 1 | - | - | - | 8 |
34 | 2 | - | - | 1 | - | 8 |
5. bayr. | 2 | - | - | - | - | 6 |
Zur Litteratur: Rott, Die Wehrpflicht im Deutschen Reiche systematisch bearbeitet (Kassel [* 14] 1890);
H. v. Arnim, Garnisonkarte der deutschen Armee (Berl. 1890).
[Flotte.]
Im August 1889 ist das Panzerfahrzeug Siegfried (von 3495 Ton., 16 Knoten Fahrgeschwindigkeit, armiert mit drei 24 cm Kanonen L/35 in Barbetttürmen und 6 Schnellfeuerkanonen) vom Stapel gelaufen. Nach dem verbesserten Siegfriedtyp sollen bis 1895 auf Grund des Programms für die Flottenvermehrung des Marinerats 1889/90 noch 9 Panzerfahrzeuge erbaut werden, welche zum Schutze der Kanal- u. Flußmündungen (Nord-Ostseekanal, Elbe-, Weser-, Ems-, Oder-, Weichselmündung) bestimmt sind, und von denen im Herbst 1890 der Beowulf vom Stapel lief.
Durch die Erwerbung Helgolands für das Deutsche Reich [* 15] hat die Küstenverteidigung einen wertvollen Stützpunkt für den Beobachtungs- und Vorpostendienst gewonnen. Welche Einrichtungen die Insel zu diesem Zwecke wie zu ihrer Verteidigung erhalten wird, darüber sind noch keine Bestimmungen getroffen. Beim Bau der neuen Schiffe [* 16] soll besondere Rücksicht auf deren ausgiebige Verwendung im strategischen Sicherungs- und Kundschafterdienst genommen werden. Im Herbste 1890 haben auf dem Artillerieschulschiff Mars [* 17] in Wilhelmshaven [* 18] Versuche mit dem gefesselten Luftballon auf See zum Zwecke weitreichender Beobachtung stattgefunden, welche günstig ausgefallen sind und vermutlich zur Einführung gefesselter Luftballons (s. Luftschiffahrt) [* 19] in die Marine führen werden.
Die höhern Techniker der Marine sind nach Maßgabe der vom preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten über die Ausbildung und Prüfung im Baufach für den Staatsdienst gegebenen Vorschrift vom derart organisiert worden, daß sich ihre Ausbildung, Prüfung (zwei vollwertige Staatsprüfungen), Rang- und Einkommensverhältnisse thunlichst denen der letztern gleichstellen. Hiernach führen seit die bisherigen Ressortdirektoren den Amtstitel Marineoberbaurat und Schiffbau- (bez. Maschinenbau- oder Hafenbau-) Direktor, die Betriebsdirektoren heißen Marinebaurat und Schiffbau- (bez. Maschinenbau-) Betriebsdirektor; es folgen dann als Bauinspektoren die Marineschiffbau- (bez. Maschinenbau- und Hafenbau-) Inspektoren (an Stelle der bisherigen Oberingenieure), als Baumeister die Marineschiffbau- (bez. Maschinen- oder Hafenbau-) Meister (an Stelle der bisherigen Ingenieure). Die bisherigen Ingenieuraspiranten führen den Amtstitel Marinebauführer. Die Seekadetten und Kadetten der Marine haben an Stelle des bisher von ihnen getragenen Infanterieseitengewehrs einen 50 cm langen Dolch [* 20] mit Elfenbeingriff und damaszierter Klinge in polierter Bronzescheide, welcher an einem aus blauem Wollgarn geflochtenen Gehänge getragen wird, erhalten.
Geschichte.
Das Ergebnis der Reichstagswahlen vom durch welche das 1887 geschlossene Kartell von 215 auf 135 Mitglieder gemindert wurde und die Mehrheit im Reichstag verlor, wurde allgemein als eine Niederlage des Reichskanzlers Fürsten Bismarck angesehen und daher von seinen Gegnern mit Jubel begrüßt. Da Bismarck aber erklärte, daß er den Kampf mit der ihm feindlich gesinnten, von den Ultramontanen, den Deutschfreisinnigen und den Sozialdemokraten gebildeten Mehrheit aufnehmen wolle, so sah man mit Spannung den Verhandlungen des neuen Reichstags entgegen.
Inzwischen hatte Kaiser Wilhelm II. die nötigen Schritte zur Ausführung seiner beiden Erlasse vom gethan. Der preußische Staatsrat wurde berufen, »um zu prüfen, wie die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit zu regeln sei, damit die Erhaltung der Gesundheit, die Gebote der Sittlichkeit, die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeiter und ihr Anspruch auf gesetzliche Gleichberechtigung gewahrt blieben«. Die Sitzungen des Staatsrats begannen 11. Febr.; der Kaiser nahm persönlich eifrigen Anteil an den Beratungen, welche sich auf die Ergänzung der Gesetzgebung über den Schutz der Arbeiter bezogen. Es wurden darauf die Einladungsschreiben an die industriellen Staaten Mittel- u. Westeuropas erlassen, ihre Vertreter nach Berlin [* 21] zu einer internationalen Arbeiterschutzkonferenz (s. d.) zu senden, »um die Herbeiführung gleichmäßiger internationaler Regelungen der Grenzen [* 22] für die Anforderungen anzustreben, welche an die Thätigkeit der Arbeiter gestellt werden dürfen«. Alle Staaten, auch die Schweiz, [* 23] welche schon 1889 zu einer solchen Konferenz eingeladen hatte, und ¶
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Frankreich, entsprachen der Aufforderung, und die Konferenz trat 15. März unter dem Vorsitz des preußischen Handelsministers v. Berlepsch in Berlin zusammen. Sie tagte bis 29. März. Bindende Beschlüsse konnte sie nicht fassen, sondern nur Gutachten und Wünsche formulieren, welche den einzelnen Regierungen vorzulegen waren und später Gegenstand diplomatischer Abmachungen werden konnten. Doch war man einig in der Ansicht, daß der arbeitenden Klasse, namentlich den Frauen und Kindern, ein erhöhter Schutz, eine größere Sicherung ihrer materiellen, physischen, moralischen und intellektuellen Kräfte zu gewähren sei, soweit die Sicherheit der Existenz und das Gedeihen der Industrie, von dem auch das Gedeihen der arbeitenden Klasse abhängig sei, es gestatteten. Kaiser Wilhelm beschloß auf Grund der Beratungen des Staatsrats und der Arbeiterschutzkonferenz, sofort dem neuen Reichstag diesem Zwecke dienende Gesetzentwürfe vorlegen zu lassen.
Hierüber kam es nun zu einem Zwiespalt zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler, der am 20. März mit Bismarcks Rücktritt endete. Bismarck hatte bisher verhindert, daß die wiederholten Anträge des Reichstags auf Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung vom Bundesrat berücksichtigt worden waren, weil er der Meinung war, daß die deutsche Industrie die erforderlichen großen Op ser im Wettkampf mit den übrigen Nationen nicht ertragen werde; überdies glaubte er, daß solche Gesetze die Begehrlichkeit der Arbeiter ins Maßlose steigern würden. Er hatte daher auch im Kronrat dafür gestimmt, das Sozialistengesetz in der von den Nationalliberalen beschlossenen Form (ohne Ausweisungsbefugnis) lieber abzulehnen und auf anderm Wege ein verschärftes Gesetz, das er für notwendig hielt, zu erzielen, während der Kaiser und die andern Minister mit jenem Gesetz sich zufrieden erklärten.
Damals hatte sich der Kaiser Bismarck gefügt. Nach dem Ausfall der Wahlen vom 20. Febr. hielt der Kaiser aber die Einbringung eines neuen Sozialistengesetzes für nutzlos, da der neue Reichstag es doch nicht annehmen würde, und beschloß, es ohne Ausnahmegesetz zu versuchen. Jedoch Bismarck erklärte, den Weg, den der Kaiser in der Arbeiterfrage einschlagen wollte, nicht mitgehen zu können, und reichte 18. März seine Entlassung ein, welche 20. März unter Verleihung hoher Ehren gewährt wurde.
Das Ereignis, das ziemlich unerwartet kam, da der junge Kaiser seit Beginn seiner Herrschaft wiederholt betont hatte, daß er auf Bismarcks bewährten Rat das höchste Gewicht lege, rief allgemeines Erstaunen hervor, zumal man anfangs die Ursache nicht deutlich erkannte. Die zahlreichen Feinde Bismarcks triumphierten; die Sozialdemokraten, auch die Deutschfreisinnigen rühmten sich, einen Sieg davongetragen zu haben. Die Anhänger des Reichskanzlers bedauerten seine Entlassung, glaubten aber auch, in den ernsten Willen und die klare Einsicht des Kaisers Vertrauen setzen zu können, und hielten mit ihrem Urteil zurück.
Ohne Frage sammelt sich gegen einen Staatsmann, der, wie Bismarck, fast 28 Jahre an der Spitze der preußischen, fast 20 Jahre an der der Reichsregierung gestanden hat, eine solche Menge persönlicher Gereiztheit unter den parlamentarischen Mitarbeitern und Gegnern, den nicht beschäftigten oder zurückgewiesenen Beamten, den zahlreichen, nach Einfluß strebenden Personen auf, daß seine Thätigkeit immer schärfern Reibungen ausgesetzt ist; viele Beispiele in der Geschichte, wie noch zuletzt das des ungarischen Ministerpräsidenten Tisza, beweisen dies.
Wieviel mehr mußte dies nun bei Bismarck der Fall sein, der in der That durch Schroffheit und Rücksichtslosigkeit öfters empfindlich verletzen konnte. Auch bemerkte sein Nachfolger mit Recht, daß Bismarck, der die ganze Reichs- und Staatsverwaltung beherrschen wollte und den Anspruch erhob, daß nichts ohne sein Mitwissen im Ministerium beraten und dem Staatsoberhaupt vorgetragen werde, doch gewisse Zweige des Staatslebens in den Hintergrund treten, wichtige Reformen unerledigt ließ und den Gehilfen in der Regierung nur geringe Selbständigkeit einräumte. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, konnte der Rücktritt Bismarcks dem Kaiser seine Aufgabe erleichtern.
Nicht weniger als Bismarcks Rücktritt überraschte die Ernennung des Generals v. Caprivi zu seinem Nachfolger. Dem politischen Parteileben fernstehend, war er doch mit der parlamentarischen Geschäftspraxis vertraut, da er fünf Jahre (1883-88) an der Spitze der deutschen Admiralität gestanden und sich als ruhiger, rein sachlicher, aber gewandter Redner bewahrt hatte. Da der Reichstag nicht versammelt war, so nahm Caprivi im preußischen Landtag Gelegenheit, sich über seine Absichten zu äußern; er betonte, daß er den »alten Kurs« beibehalten werde. Dennoch hofften die Gegner des bisherigen Systems von dem neuen Reichskanzler Berücksichtigung ihrer Wünsche und kamen ihm mit Vertrauen entgegen. Zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes an Stelle des Grafen Herbert Bismarck, der am 26. März ebenfalls die erbetene Entlassung erhielt, wurde der bisherige badische Bundestagsgesandte, Freiherr Marschall v. Biberstein, ernannt.
Die achte Legislaturperiode des deutschen Reichstags wurde vom Kaiser selbst mit einer Thronrede eröffnet, deren größter Teil sich mit der sozialen Frage beschäftigte. Zunächst ergab sich aus der Nichterwähnung des Sozialistengesetzes oder eines Ersatzes dafür, daß die Reichsregierung in der That 1. Okt. auf das Ausnahmegesetz gegen die Bestrebungen der Sozialdemokratie zu verzichten gewillt sei. Dagegen erklärte die Thronrede, daß die verbündeten Regierungen sich überzeugt hätten, daß die von dem letzten Reichstag in Bezug auf den Arbeiterschutz, namentlich die den Arbeitern zu gewährende Sonntagsruhe und die Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, gemachten Vorschläge ihrem wesentlichen Inhalt nach ohne Nachteil für andre Interessen zu gesetzlicher Geltung gebracht werden könnten, und diese sowie andre Verbesserungen sollten in einer Umgestaltung der Gewerbeordnung ihren Ausdruck finden.
Als eine weitere Vorlage wurde die Neuorganisation der gewerblichen Schiedsgerichte angekündigt. »Je mehr«, hieß es dann, »die arbeitende Bevölkerung [* 25] den gewissenhaften Ernst erkennt, mit dem das Reich ihre Lage befriedigend zu gestalten bestrebt ist, desto mehr wird sie sich der Gefahren bewußt werden, die ihr aus der Geltendmachung maßloser und unerfüllbarer Anforderungen erwachsen müssen. In der gerechten Fürsorge für die Arbeiter liegt die wirksamste Stärkung der Kräfte, welche Ich und Meine hohen Verbündeten berufen und willens sind, jedem Versuche, an der Rechtsordnung gewaltsam zu rütteln, mit unbeugsamer Entschlossenheit entgegenzusetzen.« Zu der auswärtigen Politik übergehend, sagte die Thronrede: »Die dauernde Erhaltung des Friedens bildet unausgesetzt das Ziel Meines Strebens. Ich darf der Überzeugung Ausdruck geben, daß es Mir gelungen ist, bei allen auswärtigen Regierungen das Vertrauen zu der Zuverlässigkeit dieser Meiner Politik zu befestigen. Mit Mir und ¶