Verwitterungsprodukte in den Vertiefungen des
Landes verzögert ebenso die Erreichung des untern Denudationsniveaus. Kommen
die beiden Denudationsniveaus für die Gestaltung der ganzen Erdoberfläche in Betracht, so wird in jeder einzelnen Gegend
eine
Annäherung derselben wahrnehmbar sein, so daß man ein örtliches unteres und oberes Abtragungsniveau unterscheiden
kann.
Letzteres wird durch die höchsten
Erhebungen bezeichnet, ersteres durch die tiefsten
Punkte, welche
das fließende
Wasser in der betreffenden Gegend einnimmt.
Vgl. A. Penck, Über
Denudation der Erdoberfläche (in den
»Schriften
des
Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse«,
Wien
[* 2] 1887).
[* 5]freisinnigePartei erlangte bei den Reichstagswahlen vom bei denen sie besonders das
Kampfwort: »Gegen das
Kartell« ausgab und allen Gegnern desselben Unterstützung lieh wie von ihnen empfing, eine bedeutende
Verstärkung
[* 6] und stieg auf 64 Mitglieder, so daß sie die drittstärkste
Partei war und der zweite Vizepräsident aus ihr
gewählt wurde. Der Rücktritt
Bismarcks erweckte bei einem Teile der
ParteiHoffnungen auf Berücksichtigung
seitens der
Regierung und den
Wunsch nach entgegenkommender
Haltung, dem aber E.
Richter sich siegreich widersetzte. Die
Partei
verhielt sich also bei den Reichstagsverhandlungen nach wie vor ablehnend, namentlich gegen die Militärvorlagen.
[* 5]Litteratur.EineJahresübersicht des litterarischen
Lebens und der litterarischen
Produktion kann, wenn sie
nicht zur reinen Aufzählung von Schriftstellernamen und Büchertiteln werden soll oder eines von jenen
weit auseinander liegenden
Gnaden- oder
Jubeljahren der
Dichtung behandelt, in denen sich eine
Reihe hochbedeutender
Erscheinungen
zusammendrängt, kaum anders als gewisse allgemeine
Sätze und
Beobachtungen, die im vergangenen Jahre gegolten haben und im
nächsten wiederum gelten werden, wiederholen.
Das seit unsrer letzten Übersicht der deutschen Litteratur verflossene Jahr zeichnete sich leider minder
durch die
Erweckung neuer, vielversprechender
Talente, durch Vollendung oder Hervortreten besonders epochemachender
Schöpfungen
als durch die Verluste an hervorragenden Vertretern denkwürdig aus, die die deutsche Litteratur im gedachten Zeitraum betroffen
haben.
Rasch nacheinander sind
LudwigAnzengruber,
GottfriedKeller, der greise
Eduard v.
Bauernfeld,
Gustav
zu
Putlitz, von vielen minder gekannten
Namen zu schweigen, vom
Tode entrafft worden; einige von ihnen an der spätesten
Grenze
des
Lebens und poetischer Schöpferkraft, andre, wie
Anzengruber, aus der Mitte ihres
Strebens und ihrer Thätigkeit, in allen
aber verlor das deutsche litterarischeLeben der Gegenwart maßgebende und vorbildliche Persönlichkeiten,
deren Zahl sich mehr und mehr zu lichten beginnt.
Muß ein falscher Autoritätsglaube und eine chinesische Autoritätsgeltung unbedingt jedem geistigen und künstlerischen
Gebiet zum Unheil gereichen, so hat umgekehrt der völlige Mangel bewährter und allgemein anerkannter geistiger
Autoritäten
leicht eine gewisse
Anarchie, eine
Koterieherrschaft anspruchsvoller Mittelmäßigkeiten im
Gefolge, die
man der deutschen Litteratur künftiger Jahrzehnte unmöglich wünschen kann. Mit gutem
Rechte richtet sich die
Hoffnung der
ernsten
Freunde der Litteratur auf die kräftigere Entfaltung mancher Begabung, die mit einzelnen
Anläufen Bedeutendes verheißen
hat, ohne doch bisher zur Bedeutung im höchsten
Sinne des
Wortes gelangt zu sein. Es ist nutzlos, fortgesetzt
auf die
Flut derÜberproduktion zu schelten, da diese einerseits mit geschädlichen Verhältnissen und Bedürfnissen, namentlich
mit der Unzahl der
Zeitungen und
Zeitschriften, anderseits mit dem gesteigerten, geradezu nervösen Abwechselungsbedürfnis
der Zeit im Zusammenhang steht. Es ist ein
Irrtum, an wachsende Lesesucht und Bücherleidenschaft zu glauben,
und wenn in diesen
Dingen ein statistischer Nachweis möglich wäre, würde sich wahrscheinlich eine starke Abnahme des Lesebedürfnisses
herausstellen, die stärkere
Teilnahme an den Tageserscheinungen der Litteratur wird durch beständig größere Gleichgültigkeit
gegen die wertvollen und bleibenden
Schöpfungen der Vergangenheit erkauft.
Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, daß der eifrigste
Leser nicht im stande sein wird, auch nur
den zehnten Teil der Neuheiten der
Nationallitteratur im engern
Sinne, der in
Deutschland
[* 7] alljährlich auf den Büchermarkt
geworfen wird, zu genießen, um zu dem bezeichneten
Resultat auch noch dasjenige einer unerfreulichen Zersplitterung der
Teilnahme
und des
Urteils zu erhalten. Der Mangel maßgebender kritischer
Zeitschriften, die wenigstens in den
Kreisen
der
Bildung ein gewisses Gleichmaß zu fördern vermochten, ist gleichfalls so oft beklagt wie die
Überproduktion; am Ende
aber muß man zugestehen, daß eine sachliche und eingehende Würdigung der Massenerscheinungen die
Kräfte einer litterarischen
Zeitschrift beinahe ebenso sehr übersteigen würde wie die
Kraft
[* 8] des einzelnen Beurteilers.
Bemerkenswert ist die
Thatsache, daß eine gewisse
Teilnahme an den Darbietungen der lyrischen
Dichtung, die eine Zeitlang vollständig
geschwunden schien, sich wieder zu zeigen beginnt. Auf die ersten Regungen dieser
Teilnahme, die immer noch täuschende sein
können, gründet sich die Wiederbelebung des Cottaschen »Musenalmanachs«,
der am
Schlusse des
Jahres unter
OttoBrauns Redaktion zum erstenmal nen erschienen ist und fortgesetzt werden soll. Unter den
ältern Dichtern, deren
Lyrik eine allmähliche Verbreitung gewinnt, ließ
TheodorFontane, dessen lebensvolles und echtes,
dazu anspruchsloses
Talent sich neuerdings einer lang versagten Würdigung erfreut, seine »Gedichte«
in neuer, eigentümlich und erfreulich vermehrter
Auflage erscheinen.
welche die Eigenart und die erkannten Vorzüge
des
Poeten wieder aufweisen, einzelne
Perlen Linggscher
Lyrik einschließt, aber eine weitere innere
Entwickelung oder
Steigerung
nicht bekundet. Von anerkannten
Lyrikern veröffentlichte
AdolfWilbrandt
»Neue Gedichte«,
WilhelmJensen eine
Sammlung: »Im Vorherbst«,
AlbertMöser eine vierte lyrische Sammlung:
»Singen und
Sagen«, und eine mannigfach umgearbeitete,
in ihrem formellen
Werte noch gesteigerte Neuauflage der ersten Sammlung seiner »Gedichte«.
RichardVolkmann-Leander hinterließ als Scheidegruß
»Alte und neue Troubadourlieder«, in denen die liebenswürdige und sonnige
Natur des
Lyrikers noch einmal zu
Wort kam.
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mehr
Hervorzuheben sind ferner die »Gedichte« von Fr. Eggers, die von FelixDahn eingeleiteten Gedichte vonL. Rafael, die Sammlung
»Homo sum« von JuliusHart, in der freilich die Reflexion,
[* 10] die nicht vollständig in poetisches Fleisch und Blut umgewandelt ist,
eine beträchtliche Rolle spielt, der Dichter aber in einer Einleitung: »Die Lyrik der Zukunft«, seine besondere
Weise apologetisch vertritt. Der Spruchpoesie gehören die Sprüche und Stachelreime Otto v. Leixners: »Aus der Vogelschau«,
die »ModernenXenien« ErnstZiels und die satirischen Gedichte »Mit der Diogeneslaterne« von Albert Gehrke an. Die revolutionär-pessimistische
Flüchtlingspoesie vertritt mit entschiedenem Talent und wilder Leidenschaftlichkeit Karl Henckell in seinem
»Diorama«.
Von den zahlreichen epischen Dichtungen, die meist wohl besser als gereimte Erzählungen zu bezeichnen wären, haben nur einige
wenige die Teilnahme eines größern Publikums gewinnen können. Vielleicht verbreitet sich nichts so langsam als größere
erzählende Gedichte.Ad. Sterns »JohannesGutenberg«, von dem eine neue durchgesehene Auflage erschien, hat
zu diesem Erfolg 17 Jahre gebraucht; ein Gedicht wie Konr. FerdinandMeyers »Engelberg« ist im gleichen Zeitraum erst in dritter,
die prächtigen »Seegeschichten« von HeinrichKruse erst in zweiter Auflage erschienen.
Eine Ausnahme bilden die erzählenden Dichtungen von Jul. Wolff, die durch eine neue: »Die Pappenheimer«, ein Reiterlied, vermehrt
wurden und gleich Scheffels »Trompeter von Säckingen« eine Reihe von Nachahmern hinter sich dreinziehen.
Der Landsknechtston spielt in der erzählenden Dichtung der neuesten Zeit eine große Rolle; Gedichte, wie »Der Helfensteiner«,
ein Sang aus dem Bauernkrieg von JosephLauff, tauchen immer häufiger auf, und die Mode hat am Vorwalten dieses Tones
so gut ihren Anteil wie an der Vorliebe für die Butzenscheiben bei der Hausausstattung.
Eine besondere, mehr charakteristische als poetisch wertvolle, künstlerisch reife Leistung war das Gedicht »Eine
Fahrt ins neue Deutschland« von Armin Meinrad, in welchem ein aus Amerika
[* 11] wiederkehrender Flüchtling von 1849 seine
Eindrücke von unsern politischen Zuständen derb und drastisch schilderte. An poetischen Übersetzungen hat es gleichfalls
nicht gefehlt, die wertvollsten darunter waren die vier Bände »Italienische Dichter«, in denen PaulHeyse die Resultate langjähriger
Beschäftigung mit der italienischen Dichtung, Studien und Meisterstücke der Übersetzungskunst vereinigte.
Die dramatische Dichtung zeigt die alten Gegensätze eines Litteraturdramas, das auf die BühneVerzicht leistet, aber schon
seit Jahrzehnten nur noch in den seltensten Fällen ein lesendes Publikum gewinnen kann, und eines bühnengerechten Schau- und
Lustspiels von so ausgeprägter poetischer und litterarischer Wertlosigkeit, daß bei den meisten
Werken dieser Gattung und dieses Stils auf die Verewigung durch den Druck verzichtet wird. Unverkennbar aber ist man dieses
Zustandes allseitig müde, und in dem Maße, wie sich die
Aussichten der akademischen Dramatiker verringern, die lediglich
den Lebensinhalt früherer Tage immer neu wiederholen, um gewisse Formen zu retten, wird man auch der ganz
gehaltlosen, ausschließlich auf die Bühnenkonvenienz und Rollentradition gestellten Theaterstücke müde, deren Leere und
Nichtigkeit man sich kaum mehr in dem zum bloßen Schwanke herabgebrachten Lustspiel und der Posse gefallen läßt.
MaxHalbe: »Ein Emporkömmling«,
ArnoHolz
[* 12] und JohannesSchlaf: »Die Familie Selicke«, können Anlässe zu litterarischer Diskussion bieten, aber keine Eindrücke
hinterlassen, wie sie von der Bühne auch der naturalistisch Gestimmte fordert. Man braucht deshalb noch
gar nicht gering von diesen Versuchen zu denken, aber unter allen Umständen entsprechen dieselben keinem Gefühl u. Bedürfnis
der Massen. Näher diesem Bedürfnis kommen offenbar schon H. Sudermann mit seinen Dramen »Die Ehre« und »Sodom« sowie Heinr. Bulthaupt
mit »Der verlorne Sohn«.
Von Ernst v. Wildenbruch erschienen zwei in ihrer Stoffwahl und Behandlung so grundverschiedene Dramen,
daß man in einer andern als unsrer experimentierenden Periode sie schwerlich einem und demselben Dichter zugeschrieben haben
würde. Während »Der Generalfeldoberst«, ein phantastisch-historisches
und patriotisches Drama aus dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, sich den Versuchen nähert, der historischen Dramatik lyrische
Frische und lebendige Beweglichkeit durch eine neue Versbehandlung zurückzugewinnen, stellt »Die
Haubenlerche« ein peinliches Stück modernen Lebens dar und ist ohne alle Frage von den Bestrebungen des Naturalismus beeinflußt.
Unter den ältern dramatischen Dichtern hat PaulHeyse mit gewohnter Unermüdlichkeit zwei neue Schau- und Lustspiele: »Ein überflüssiger
Mensch« und »Gott schütze mich vor meinen Freunden«, und das Volksschauspiel »Weltuntergang« geschaffen;
Der Volksbühne, deren Existenz zur Zeit noch eine bestrittene ist, und die ein festes Heim nur in dem neuerrichteten Bühnenhaus
in Worms
[* 14] gefunden hat, von H. von Maltzahn in der Schrift »Die Errichtung deutscher Volksbühnen« vertreten, von R. Prölß in
»Das deutsche Volkstheater« bekämpft wurde, gehörten die inzwischen im Buchhandel veröffentlichten Lutherschauspiele
von OttoDevrient: »Luther«, und von A. Trümpelmann: »Luther und seine Zeit«, das Schauspiel »Hutten und Sickingen« von A. Bungert,
»GustavAdolf in Erfurt«
[* 15] von Ottomar Lorenz an. Alle diese und ähnliche poetischen Versuche wenden sich nicht an die stehenden
Theater,
[* 16] sondern an eine für einen bestimmten Aufführungszweck und ausschließlich für diesen
zusammentretende Spielgenossenschaft, die namentlich in
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