Kopenhagens, die in drei
Jahren vollendet sein sollte; auch für die
Anschaffung von Kriegsmaterial und den
Bau vonKriegsschiffen
wurden mehrere
Millionen bestimmt, welche das
Folkething gestrichen hatte. Obwohl für die
Landesverteidigung, für welche über
1½ Mill. an freiwilligen
Gaben eingegangen waren, seit 1885 mehr als 40 Mill. bereits ausgegeben waren
oder noch ausgegeben werden mußten, obgleich ferner 1876 bis 1889 über 70 Mill. für das Eisenbahnwesen verwandt worden,
belief sich der Kassenbestand des
Staates auf 62 Mill. Kr. Die
Minister äußerten sich daher in öffentlichen
Reden sehr selbstbewußt
und wollten selbst von einem
Ausgleich mit der
Linken nach Beendigung der Seebefestigung nichts wissen,
da die
Linke ja ganz uneinig sei und daher die Verantwortung für einen
Ausgleich nicht übernehmen könne; auch werde die
Regierung durch einen solchen
Vertrag zu sehr gebunden und die zeitgemäße Verstärkung
[* 2] der dänischen Wehrkraft beeinträchtigt.
Die
Neuwahlen für das
Landsthing im
September 1890 fielen freilich nicht günstig für dies
Selbstbewußtsein
der
Minister aus, indem die
Rechte bei derselben zwei Sitze an die Sozialdemokraten und einen an die
Linke verlor. Dies auffällige
Anwachsen der Sozialdemokraten, welche schon auf dem
Lande sich verbreiteten, war eine bedenkliche
Folge des langjährigen
Streites zwischen den
Konservativen und den
Demokraten.
Der
Reichstag wurde eröffnet und ihm das
Budget für 1891 vorgelegt, welches mit 54½ Mill.
Kr. Gesamteinnahme und 59 Mill. Gesamtausgaben einen Fehlbetrag von 4½ Mill. aufwies.
Für die Seebefestigung
Kopenhagens waren 3 Mill. Kr. ausgeworfen. Die Mehrheit des
Folkethings zeigte sich wie bisher allen
Vorlagen derRegierung grundsätzlich abgeneigt, und dieselben wurden daher zum größern Teile wiederum
nicht zu
Gesetzen erhoben. Die
Regierung sprach es ganz offen aus, daß sie auf das Zustandekommen eines
Finanzgesetzes nicht
rechne.
Gleichwohl machte sich die
Spaltung dieser Mehrheit in eine sogen. dänische (Bauernpartei) und eine europäische
Linke (die
Radikalen) mehr und mehr geltend. Die dänische
Linke beantragte im
November 1890 die Herabsetzung der
Zuckersteuer
und die
Erhöhung der
Biersteuer im
Interesse des Bauernstandes. Die
Radikalen waren hiermit höchst unzufrieden, da die
Biersteuer
die
Einnahmen der
Regierung vermehren mußte, und verbanden sich um so enger mit den Sozialisten, was den
Gegensatz verschärfte.
Litteratur. Die dänische Litteratur des letzten Jahrzehnts zeigt, im großen und ganzen
fast unverändert, die gleiche
Physiognomie, die sie während der litterarischen
Kämpfe zwischen 1870 und 1880 erhalten
hatte. Wenige ältere Dichter verharrten noch in den
Bahnen der Nachromantik und des Skandinavismus, die
Mehrzahl der wirklichen
Talente, denen sich unvermeidlicherweise auch eine Anzahl von nachahmenden Nichttalenten anschloß, bekannte sich zu
einem
Realismus, der vielfach mit politischem und sozialistischem
Radikalismus, mit dem Anschluß an die neuere
Philosophie und
Naturwissenschaft zusammenfiel, bei einzelnen
Naturen aber die poetische
Naivität aufhob.
Die dänische Bücherproduktion, ohne in Massenproduktion auszuarten, zeigte doch beständiges Wachstum. Die nahe
Verbindung
mit der stamm- und sprachverwandten norwegischen
Litteratur erweiterte und verengerte zugleich das Wirkungsgebiet der dänischen
Dichter, im allgemeinen erfreuten sich die Norweger größerer Geltung und Verbreitung in
Dänemark
[* 4] als
umgekehrt die dänischen
Talente in
Norwegen.
[* 5] Von ältern Dichtern gab Kristian
Arentzen eine ausgewählte u. abschließende
Sammlung seiner Gedichte heraus.
Der bejahrte Lustspieldichter
Hostrup, der nach Aufgabe seines
Amtes als
Pfarrer wieder für die
Bühne zu schreiben begann,
vermehrte die Anzahl seiner
Lustspiele mit
»Under Snefog«, einem geschickten Werke, in welches die geistigen
und politischen Regungen der neuen Zeit hineinspielen, ohne jedoch einen über dem Ganzen ruhenden idyllischen Schimmer zu
verwischen. Die jüngern
Poeten, die beim Beginn der von G.
Brandes angeregten und geführten geistigen
Revolution als eine
geschlossene
Gruppe erschienen, sind seitdem in dem
Maße auseinander und ihre eignen Pfade gegangen, als
die natürliche Begabung und subjektive Darstellungslust die Oberhand über die bloße
Tendenz erhielten.
Auch die politischen innern
KämpfeDänemarks wurden hier einflußreich; während ein Teil der
Poeten und belletristischen
Schriftsteller im Zusammenhang mit der
Opposition blieb, schloß sich einander den
Konservativen an oder verleugnete
wenigstens die Zugehörigkeit zur radikalen Bauernpartei. Von Sophus
Schandorph erschienen eine neue Sammlung Gedichte, mehrere
größere und kleinere
Erzählungen, deren letzte, »Birgittes Skäbne«, eine sympathische
Schilderung dänischer Bauernverhältnisse bietet.
Das bedeutendste
Talent der jüngsten
Schule, Holger
Drachmann, ließ seinem prächtigen und erfolgreichen dramatischen
Märchen
»Es war einmal« zwei weitere dramatische
Dichtungen:
»Esther«,
»TürkischRokoko«, folgen, von denen letzteres
von
Publikum und
Kritik als die vorzüglichere anerkannt wurde, während ersteres nur mäßigen Erfolg errang. Seine jüngste
Sammlung Gedichte: »Sangenes
Bog«, ward von seiten der in der
Opposition stehenden
Kritik als ein
Abfall gegen die
Frische und
Vortrefflichkeit seiner frühern lyrischen Gedichte bezeichnet, ohne dem Dichter etwas von seiner Volkstümlichkeit
zu rauben.
Die hinterlassenen Gedichte des feinsinnigen und bedeutenden, zu früh aus dem
Leben geschiedenen J. P.
^[JensPeter] Jakobsen
wurden von dessen
Freunde Edvard
Brandes herausgegeben.
Letzterer selbst, als dramatischer Schriftsteller der bewußteste und
rücksichtsloseste Vertreter jener
Tendenz, die sich ausschließlich modern tauft, während sie vom ganzen
modernen
Leben nur einen Teil sieht und beachtet, hat die
Reihe seiner
Schauspiele mit »Kjärlighed«
(»Liebe«) und »Overmagt«
vermehrt.
zuneigt, schildert er doch mit großer Unparteilichkeit und Wahrheitsliebe die Charakterschwäche und Erschlaffung dessen,
was in Dänemark als Opposition gegen die Regierung hervortritt, in einer Reihe vorzüglich gezeichneter Figuren, er erweist sich
überhaupt unter den jüngst aufgetretenen dänischen Schriftstellern als einer der allerbegabtesten. Der unstete, aber sich
neuerlich merkwürdig klärende HermannBang vollendete einen Roman: »Tine«, und eine Sammlung von Erzählungen:
»Under Aaget«.
Der erstgenannte Roman, auf der InselAlsen während des deutsch-dänischen Krieges von 1864 spielend, behandelt mit wirklich
bedeutender Charakter- und Situationsdarstellung im einzelnen das Problem der innern Verwilderung sonst gut gearteter Naturen
durch den Krieg. Die letztere Sammlung enthält eine Reihe von Erzählungen und Skizzen, in welchen auf der
Schattenseite des Daseins lebende Menschen mit tiefgehendem Verständnis und Mitgefühl geschildert sind. Zu wahrhaft poetischer
Wirkung kann sich jedoch eine Darstellungsweise, die bis auf den Stil lediglich durch eindrucksvolle Wiedergabe gewisser Momente
zu wirken sucht, aber der Lebensdarstellung im ganzen ausweicht und in der epischen Kunst alle epische
Ruhe aufzuheben trachtet, schwerlich steigern.
KarlGjellerup schrieb die Romane: »Der schwarze Romulus« und »Minna« und eine Sammlung erotischer Gedichte:
»Buch meiner Liebe«. Der Schauplatz des erstern Romans, der die Geschichte eines Pferdes einschließt, ist Kopenhagen,
[* 7] der des
andern Dresden,
[* 8] wo der Verfasser einige Jahre hindurch wohnhaft war. Auch Gjellerup ist zweifelsohne zu
den mehr versprechenden jüngern Dichtern zu zählen und hebt sich durch einen gewissen künstlerischen Zug,
eine Art naiver Künstlerfreude
am dargestellten Leben über den tendenziösen Geist der neuern dänischen Litteratur.
Der Lyriker und DramatikerRudolfSchmidt, dessen Drama »Der verwandelte König« den Weg auch nach Deutschland
[* 9] gefunden hat, schrieb neuerlich ein kleines, während der französischen Revolution spielendes Drama. Der lyrische Dichter
E. v. d. Recke gab zwei Sammlungen von Gedichten: »Spredte Blomster« und »Gamle
og nye Digte hil En«, heraus, die hauptsächlich nach der Seite der poetischen Form gerühmt werden.
Ein zwischen der Dichtung und der Memoirenlitteratur stehendes Buch, das geradezu außerordentliches Aufsehen erregte, war
»En Rekrut fra 1864« (»Ein Rekrut von 1864«),
dessen Verfasser, HauptmannRist, mit Treue, Lebendigkeit und dem elegischen Reiz
aufrichtiger Mitempfindung die Erlebnisse eines jungen, liebenswürdigen, patriotischen Offiziers und in diesen Erlebnissen
die zerstörten Hoffnungen und schmerzlichen NiederlagenDänemarks während des letzten Krieges schildert.
Freilich riß das BuchWunden wieder auf, die eben zu vernarben begannen, erweckte die Erinnerungen an das traurigste Jahr der
neuern dänischen Geschichte, brachte aber auch mit großer poetischer Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe das Unheilvolle der
Täuschungen und phantastischen Stimmungen, denen sich der dänische Nationalstolz 1864 überließ, zur
Sprache.
[* 10]
Gleichfalls auf der Grenze persönlicher Erinnerungen und poetischer Darstellung steht ein Buch wie »Boganis Jagtbreve«. Mit
großer Frische und originellem Sprachklang schildert der Verfasser (Vilhelm Dinesen), der sich weit herumgetummelt hat, sein
Jägerleben in der freien Natur. Unter den jüngsten, neu auftauchenden Dichtern, von denen sich die dänische
Kritik etwas verspricht, sind der LyrikerNielsMöller, der Erzähler JohannesJörgensen,
ein Schüler J. P. ^[JensPeter] Jakobsens,
der eine Erzählung: »Foraarssagn«, herausgab, und der DramatikerKarl Larsen zu nennen, von dessen kleinern Schauspielen das
Drama »Ehre«, welches in preußischen Offizierskreisen spielt und eine gewisse Hinneigung zu Ed. Brandes
und dem Naturalismus oder Impressionismus bekundet, Schlagworte, die auch in der neuesten dänischen Dichtung ihre Zeit haben
wollen, bis sie mit neuen vertauscht werden.
Unter den historischen Werken, die zur Jubiläumsfeier der Emanzipation des dänischen Bauernstandes 1788 erschienen, sind
zu nennen JohannesSteenstrups »Über die Entwickelung des Bauernstandes«, in welchem der Verfasser mit
großer Sachkenntnis die Angriffe zurückweist, die dänische Geschichtschreiber (besonders Allen) gegen die vermeintliche
Unterdrückung des sässigen und leibeignen Bauern der frühern Zeiten gerichtet haben, und E. Holms Festschrift »Hampen om
Landhorefomerne«, ein klares und gründliches, im schlichten Stile der dänischen Historik geschriebenes
Werk.
Troels Lund hat seine kulturhistorischen Schilderungen »Danmarks og Norges Historie i Slutn. af d. 16de Aarh.« fortgesetzt.
P. Hansen gab unter Mitwirkung mehrerer Litterarhistoriker und Philologen eine große »Illustreret
dansk Literaturhistorie« heraus, die mit 1870 abschließt. V. Vedel lieferte eine größere Abhandlung über »Guldalderen
i dansk Poesi«, in welcher er nach GeorgBrandes' Muster die psychologischen Motive, welche die dänische
klassische Litteratur dieses Jahrhunderts bedingten, zu erklären sucht. A. Dänische Jörgensen schrieb eine auf sorgfältige Bücher-
und Archivstudien gestützte Biographie des großen dänischen LyrikersJoh. Ewald. H. Schwanenflügel schrieb zum Jubiläum des
Dichters Ingemann (1889) die Lebensgeschichte desselben, an die sich eine Auswahl
aus Ingemanns Gedichten anschloß. F. Könning verfaßte eine Biographie des großen dänischen Sprachforschers Rasmus Rask.
Fr. Nielsen gab eine interessante Denkschrift über N. F. S. Grundtvigs »Religiöse Udvikling« und suchte in derselben der einflußreichen
Persönlichkeit des geistvollsten, aber auch anspruchsvollsten der dänischen Theologen gerecht zu werden.
Der Politiker N. Neergaard begann eine geschichtliche Darstellung der politischen EntwickelungDänemarks zwischen 1848-66: »Under
Junigrundloven«, auf Grundlage einer reichen Sammlung von Dokumenten. Unter den erschienenen Selbstbiographien sind »Livserindringer«
des verstorbenen Philologen Madvig und »Oplevelser« des Dichters S. Schandorph als die wichtigsten zu nennen; daß letztere
durch die Vorzüglichkeit der Darstellung über ersterer steht, liegt in der Natur der Talente, von denen
diese Lebensschilderungen herrühren.
Die dänische Ethnographie
[* 11] wurde mit einem vortrefflichen Werke des Pfarrers Feilberg: »Dansk Bondelio, isär fra Vest-Jylland«,
bereichert. Von Schriften, welche fremde Völkerkunde und Geschichte behandeln, waren die hervorragendsten: P. Andrä, »Via
Appia II-III«, gut geschriebene Beiträge zur Anleitung für Archäologen, die diese klassische
Straße befahren;
GeorgBrandes' vorzügliche und geistvolle Schilderungen des Lebens und der Litteratur in Polen und Rußland
unter dem Titel: »Indtryk fra Polen og Rusland«, in zwei Bänden.
Werke philosophischer Richtung von einiger Bedeutung waren
H. Höffdings »Ethik« (die ins Deutsche
[* 12] übertragen ward) und A. C. Larsens beide Werkchen: »Lystfölelse
og Sädelighed«, »Fremtidens Religion« und eine kritische Untersuchung in modernem Geiste:
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