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In den in der königlichen Klinik abgehaltenen Sitzungen sprach Ponfick - Breslau [* 2] über Leberresektion und Leberrekreation. Bei chirurgischen Eingriffen in die Leber kommen vor allem ihre zentrale Lage im Kreislauf [* 3] und die die venöse Zirkulation beherrschenden Wechselbeziehungen des Pfortadersystems in Betracht, viel weniger die sekretorische Funktion der Leber, welche für die Unterhaltung des Lebens nicht so wichtig erscheint. Die Versuche wurden durch Abbinden [* 4] einzelner Stücke mittels Catguts an Kaninchenleber angestellt u. lieferten überraschende Resultate.
Bei Entnahme von 0,25 des Leberparenchyms wurde der Eingriff durchaus leicht ertragen. Bei Entnahme der Hälfte traten anfangs Störungen ein, nervöse Symptome, Appetitlosigkeit, indes erholten sich die Tiere nach wenigen Tagen und hielten sich monatelang gesund. Bei Entfernung von 0,75 der Leber waren die Tiere im Anfang sehr stark angegriffen, aber mehr als ein Dutzend der Tiere hat die Operation vollkommen überstanden. Nach diesen Operationen trat nun eine unerwartet energische Neubildung von Lebergewebe ein; es wurde alles Entnommene gedeckt, ja es kann sogar eine Vermehrung über das normale Volumen hinaus stattfinden. In fünf Tagen wurden 80 Proz. der entnommenen Substanz neu gebildet; je radikaler der Eingriff, desto rascher verlief die Rekreation.
Israel und Wolff berichteten über gelungene Züchtung des Strahlenpilzes (Actinomyces) außerhalb des tierischen Organismus und Übertragung seiner Reinkultur aus Tiere. Die Kenntnis der Aktinomykose wies bisher eine Lücke aus, da über die Reinkultur des Pilzes noch keine Übereinstimmung herrschte, namentlich war noch keine Impfinfektion gelungen. Nun haben die Genannten eine solche erreicht. Sie kultivierten den Pilz [* 5] anaerobisch auf Agar und in Hühnereiern und erzielten zwei sehr verschiedene Formen, die aber, entsprechend auf das andre Nährmaterial gebracht, ineinander übergingen.
Bei der Impfung [* 6] auf Kaninchen [* 7] entstand typische Aktinomykose. Lauenstein - Hamburg [* 8] berichtete über sehr günstige Erfolge, die mit Macewens Radikaloperation der Brüche erzielt worden sind, König - Göttingen [* 9] über Klumpfußbehandlung. Die eine Zeitlang angewandten blutigen Operationen zur Beseitigung von Klumpfuß [* 10] haben sich so wenig bewährt, daß man wieder zum Redressement (Zurechtbiegen des verkrüppelten Gliedes) zurückgekehrt ist. König hat letztere in einfacher Weise so ausgebildet, daß jetzt kaum noch ein Klumpfuß derselben widerstehen dürfte.
Die Methode hat sich so gut bewährt, daß die Göttinger Klinik von Patienten jetzt förmlich überschwemmt wird. Vor dem Redressement erleichtern zwei Schnitte dasselbe außerordentlich: die Tenotomie der Achillessehne und die Durchschneidung der Plantaraponeurose. Der Fuß wird mit seiner stärksten Prominenz, wo dieselbe sich auch befindet, auf ein dreikantiges Holz [* 11] als Hypomochlion gelegt, und indem der Operateur den vordern und hintern Teil bis zum Unterschenkel hinaus als eine Masse in die volle Hand [* 12] nimmt und das Gewicht seines darübergelegten Körpers als Belastung auf die beiden Händehebel wirken läßt, werden die verbogenen Knochen [* 13] mit hörbarem Krachen auseinander gesprengt.
Dann wird eine starke Dorsalbiegung des Fußes erzwungen. Nach dem Redressement wird der Fuß nur mit einem leichten Verband [* 14] umhüllt und der Patient möglichst bald zum Gehen gebracht. Es sind 3-4 Sitzungen zur Erreichung des guten Resultates notwendig; in jeder derselben wird der Punkt der jeweiligen größten Prominenz angegriffen. Es folgte die Geschichte zweier bemerkenswerter Fälle von Gehirnverletzung. Rosenberger - Würzburg [* 15] behandelte einen Knaben, dem das Seitenwandbein eingeschlagen war.
Der Knabe vermochte weder zu sprechen noch durch Gesten sich verständlich zu machen, obschon man deutlich merkte, daß er verstand, was man von ihm wollte. Er schüttelte oder nickte mit dem Kopfe, wenn man ihm dies vormachte, selbständig aber war er dazu nicht im stande. Es erwies sich, daß eine Eiterung an der verletzten, obenhin verheilten Stelle vorhanden war. Die Entfernung mehrerer Knochensplitter und Reinigung der wiedergeöffneten Wunde führten schließlich zur Heilung.
Zuerst gewann das Kind die mimische Ausdrucksfähigkeit, später auch die Sprache [* 16] wieder. Der zweite Fall betrifft einen Mann, der eine Verletzung des linken Seitenwandbeines durch Schlag erlitten hatte. Nach anscheinend erfolgter Heilung stellten sich Anfälle epileptischer Art ein, die sich nach Zahl und Heftigkeit rasch steigerten, und bei denen unter anderm sehr starke Krämpfe im rechten Bein zu beobachten waren. Die Untersuchung der Wundstelle ergab das Vorhandensein eines feinen Fistelganges. Derselbe wurde bis in die Tiefe des Gehirns hinein verfolgt, wobei man auf eine große, mit Eiter gefüllte Höhlung stieß. Nach Entfernung des Eiters heilte die Wunde aus, der Kranke ist völlig genesen und Hoffnung auf dauernden Erfolg vorhanden.