verglichen, sind die
Ausgaben für 1890/91 um 1,052,000 Mk. höher, die
Einnahmen um 553,000 Mk. niedriger veranschlagt. Die
Staatsschuld betrug 69,815,050
Mk. und hat gegen das Vorjahr um 377,900 Mk. abgenommen. Von der für die
Anlage des
Freihafens ausgeworfenen
Summe von 34½ Mill. Mk. waren 25 1/7 Mill. Mk.
verausgabt, und zwar 23 1/7 Mill. Mk. für Bremen,
[* 2] der Rest für Bremerhafen.
Zur Bremsung von Eisenbahnzügen sind in den letzten Jahrzehnten mehrfach elektrische
Bremsen
[* 3] versucht worden.
Gerade der
Gedanke der Verwendung der
Elektrizität
[* 4] zu diesem
Zweck hat etwas sehr Verlockendes, weil sie eine
ungemein schnelle Bewegungsübertragung von der
Lokomotive
[* 5] bis zum letzten
Wagen eines Eisenbahnzuges gestattet. Es ist daher
eine ganze
Reihe von elektrischen
Bremsen entstanden, welche jedoch nirgendwo dauernd und in größerm
Umfang Verwendung gefunden
haben.
Immerhin bieten sie in konstruktiver Hinsicht manches
Interessante. Bei der Achardbremse wird ein runder, stabförmigerElektromagnet
verwendet, der, um seine Längsachse drehbar, parallel zu einer Wagenachse aufgehängt ist. Die ringförmig verstärkt ausgeführten
Pole stehen dabei zwei auf der Wagenachse angebrachten
Scheiben gegenüber.
Soll gebremst werden, so wird ein
elektrischer Strom
durch den
Magneten entsendet; durch den
Magnetismus
[* 6] werden die
Pole gegen die
Scheiben fest angelegt, so
daß sie wie
Reibungsräder wirken, die
Pole von den
Scheiben in Drehung versetzt werden und auf ihre
Achse eine
Kette aufwickeln,
durch welche die Bremse angezogen wird.
Diese Bremse ist natürlich nicht selbstthätig. Ein mit derartiger Bremse ausgerüsteter Zug
ist 4 Jahre lang
zwischen
Tours
[* 7] und Les
Sables d'Or ohne
Störung gelaufen. Die Parkbremse wirkt durch eine
Stange, welche
durch ein auf einer Wagenachse befestigtes Exzenter fortwährend hin und her bewegt wird. An ihrem Ende, gegenüber einem
mit Sperrzähnen versehenen
Rade einer Kettentrommel, ist eine Sperrklinke angebracht, welche jedoch für gewöhnlich ausgerückt
ist und erst in den Bereich des Sperrrades kommt, wenn ein
elektrischer Strom geschlossen wird.
Dann wird das
Rad ruckweise umgedreht und eine zur Bremse führende
Kette auf die
Trommel aufgewickelt und so angezogen. Ein Gegensperrkegel
verhindert die Rückbewegung der
Trommel beim Rückgang des beweglichen Sperrkegels. Wird der elektrische
Strom unterbrochen,
so hört letzterer auf zu wirken, der Gegensperrkegel aber hält die Bremskette gespannt, also die in
Thätigkeit. Um die Bremse zu lüften, muß ein
Strom in einer zweiten Leitung entsendet werden, welcher den Gegensperrkegel aushebt.
Die Bremse arbeitet nur bei geringen Fahrgeschwindigkeiten befriedigend. Bei der Cardbremse nötigt ein
elektrischer Strom zwei
Trommeln zum
Eingriff ineinander; die eine wird von einer Wagenachse aus mittels einer
Kette beständig
in
Umdrehung erhalten, die andre trägt die Bremskette und legt durch ihre
Umdrehung die an. Hier wird also durch den elektrischen
Strom eine Art
Kuppelung
[* 8] eingerückt. In ähnlicher
Weise wirkt die Waldumer Bremse. Bei dieser liegt unter jedemWagen
eine wagerechte
Welle, welche den
Kern eines in einer
Trommel eingeschlossenen
Magneten bildet.
Einerseits trägt die
Trommel ein
Rad, welches durch eine endlose
Kette mit einer als
Trommel für die Bremskette dienenden Hilfswelle
verbunden ist. Anderseits trägt auch die
Welle (der
Kern) des
Elektromagneten ein
Rad, welches auf sie von
einer Wagenachse aus eine beständige Drehung überträgt.
Wird ein
Strom durch den
Elektromagneten gesendet, so wirken seine
Pole auf innerhalb der
Trommel parallel zur
Achse angebrachte, radial verschiebbare Eisenstäbe anziehend, und zufolge der so
hervorgebrachten
Reibung
[* 9] muß die
Trommel an der Drehung des
Elektromagneten teilnehmen und die Bremskette anspannen. Je
stärker der elektrische
Strom ist, desto starker wird auch die
Reibung der Eisenstäbe, somit die Anspannung der
Kette und
die
Wirkung der Bremse werden. Der Stromerzeuger, eine Dynamomaschine, steht auf der
Lokomotive. Bringt man am letzten
Wagen eine
zweite Elektrizitätsquelle an, so wird die Bremse selbstthätig. - Sawiczeski wollteElektromagnete unmittelbar
bremsend auf die
Kränze der
Räder wirken lassen; die
Wirkung war jedoch nur schwach.
Siemens und Boothby brachten unter jedem
Wagen eine Dynamomaschine an, welche mittels
Schraube ohne Ende einen auf der
Achse
der Bremshebel sitzenden Zahnbogen bewegte.
Marcel Deprez ordnete kräftige
Elektromagnete an, deren
Pole eine auf einer
Wagenachse sitzende Kupferscheibe umfaßten. Die
Ströme, welche bei der Bethätigung des
Magneten in der
Scheibe erregt wurden,
sollten sich der Drehung der
Scheibe widersetzen, also bremsend auf die
Achse wirken. Als Hilfskraft wendeten Westinghouse
und
Carpenter die
Elektrizität bei ihren Luftdruckbremsen an,
um an den einzelnen
BremsenVentile zu öffnen,
kamen aber nach der Erprobung der schnell wirkenden Funktionsventile (s.
Band
[* 10] 17, S. 167) wieder davon ab.
Nach neuern Forschungen ist der Erfinder der gummierten Postfreimarke der Buchhändler
JohnChalmers aus
Dundee
[* 13] (gest. 1853), welcher den in allen Einzelheiten ausgearbeiteten
Vorschlag unter Beifügung von Probestücken
gummierter
Freimarken dem britischen Schatzamt vorlegte. Der
Vorschlag gelangte im
November 1837 zur Kenntnis des mit der
Prüfung
der Rowland Hillschen Postreformvorschläge beauftragten
Ausschusses aus dem
Hause derGemeinen und wurde 1840 ausgeführt.
Die Durchlochung der Briefmarkenbogen zur bequemern Abtrennung einzelner
Stücke ist 1852 von dem
EngländerArcher erfunden
worden, welcher dafür eine Belohnung von 4000 Pfd. Sterl. erhielt.
In der ganzen
Welt sind zur Zeit etwa 13,000 verschiedene
Postwertzeichen verausgabt. Die amtliche Sammlung
des Reichs-Postmuseums enthielt im
Oktober 1890: 11,600
Stück. Das 50jährige
Jubiläum der Briefmarke ist 1890 durch drei
Ausstellungen:
in
Wien,
[* 14]
Magdeburg
[* 15] und
London,
[* 16] gefeiert worden, von denen die letztere besonders großartig war. Seit 1889 hat auch
Berlin
[* 17] eine
Briefmarkenbörse. - 1889/90 betrugen die Herstellungskosten der in derReichsdruckerei für die deutsche
Reichspost angefertigten
Postwertzeichen 1,905,535 Mk. Zur Zeit liefert das
Institut täglich 1,500,000
Stück Zehnpfennigmarken.
- Zur Litteratur: Krause, Lehrbuch der
Philatelie (Leipz. 1889);
Lietzow, Handbuch der Filatelie (2. Aufl., Berl. 1888 ff.);
Rothschild,
Histoire de la poste et du timbre-poste (4. Aufl., Par. 1878);
Von der Ansicht ausgehend, daß für belagerte Festungen, denen aller Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten, die Taubenpost
insofern von höchster Bedeutung werden kann, als noch durch Brieftauben Nachrichten in die Festungen gelangen könnten, welche unter
Umständen auf den Fortgang der Belagerung und die allgemeine Kriegslage von größtem Einfluß sein
würden, wenn die Zuverlässigkeit dieses Verkehrsmittels in dauernder Friedensorganisation Gewähr finde, wurde Deutschland
[* 23] der erste Staat, welcher das Brieftaubenwesen in seine Heereseinrichtungen aufnahm. Da die Taube für den Flug in einer bestimmten
Richtung dressiert wird, so muß man für eine solche so viel Tauben
[* 24] bereit halten, daß sie, kurz vor
Beginn einer Belagerung vom Heimatsschlag nach dem andern Endort der Fluglinie geschafft, für die mutmaßliche Dauer der
Belagerung den Nachrichtendienst versehen können. Man rechnet für eine Linie gewöhnlich 200-250 Tauben und muß dann für
jede Linie, auf welcher man Verkehr unterhalten will, diese Zahl Tauben bereit halten, so daß für vier
Linien ein Taubenschlag von 1000 Köpfen erforderlich ist. Sind alle Tauben in ihren Heimatsschlag zurückgekehrt, so bleibt
nur übrig, dieselben für weitern Verkehr mittels Luftballons wieder hinauszuschaffen.
Vor einigen Jahren gelang es dem Leiter des Militärbrieftaubenwesens in Italien,
[* 25] Kapitän Malagoli, für
die LinieRom-Civitavecchia, 65 km Luftlinie, Tauben für den Hin- und Rückflug abzurichten. Er ließ die Tauben in Rom
[* 26] sich
paaren, wo demnach ihr Heimatsschlag war, fütterte sie aber nur in Civitavecchia, von wo sie, nach der Fütterung frei gelassen,
nach Rom zurückkehrten. Da sie hier nichts zu fressen bekamen, flogen sie bald von selbst nach Civitavecchia
und gewöhnten sich bald an diesen regelmäßigen Hin- und Herflug. A. J. Bronkhorstjun. in Haarlem
[* 27] hat durch diese Fütterungsweise
bereits 1878 zwischen Haarlem und Leiden,
[* 28] etwa 27 km, und später zwischen Haarlem und Utrecht,
[* 29] etwa 46 km, einen regelmäßigen
Verkehr durch Hin- und Herfliegen unterhalten; 1889 haben acht Tauben diesen Weg in 2,5 Monaten 421mal hin
und zurück gemacht, wozu im Durchschnitt 2,5 Stunden erforderlich waren; die Tauben flogen auch bei Sturm, Schnee,
[* 30] Nebel und Regen.
Hoerter hat den Hin- und Rückflug zwischen Hildesheim
[* 31] und Hannover,
[* 32] 28 km, vom Juni 1888 bis täglich
bei jedem Wetter
[* 33] unterhalten. Auch die deutschen Militärbrieftaubenstationen haben diese Flugweise schon mit Erfolg gefördert,
welche, wenn sie auch auf größere Entfernungen gelingt und sich dauernd bewährt, eine wesentliche Umgestaltung des Brieftaubenwesens
herbeiführen wird.
Wie man allgemein annimmt, ist es die Heimatsliebe, welche die Tauben nach ihrem Heimatsschlag zurücktreibt,
wie es aber kommt, daß die Tauben, diesem Drange folgend, den Heimatsschlag oft aus sehr großer Entfernung (bis 1600 km)
wiederfinden, das ist noch nicht genügend aufgeklärt. Schneider glaubt durch Versuche, die er bei Pößneck angestellt, nachgewiesen
zu haben, daß der Orientierungssinn, das Zurechtfinden mittels des Auges, die Tauben leitet, doch fehlen
hierfür die Beweise bei
Flügen von Rom oder Madrid
[* 34] nach Köln und Belgien, oder von Königsberg
[* 35] i. Pr. nach Elberfeld
[* 36] (980 km).
Die Annahme, daß Tauben nicht fähig seien, hohe Berge und weite Meeresflächen zu überfliegen, und daß Kälte, Schnee, Regen
etc. ihnen den Orientierungssinn rauben, ist durch Flugversuche als irrtümlich erwiesen. In Italien werden
die Tauben für den Verkehr zwischen den Sperrforts in den Alpen
[* 37] schon seit Jahren dressiert, dabei ist beobachtet worden, daß
sich dieselben mit großer Sicherheit über die zwischenliegenden hohen Berge hinwegfinden, z. B. vom Thal
[* 38] der Dora Riparia
in das des Chisone oder der Stura und umgekehrt, wobei sie häufig den in diesen Thälern wehenden heftigen
Stürmen mutig und mit Erfolg trotzen.
Auch zwischen dem 67 km in See vor Tönning liegenden Feuerschiff und Tönning besteht seit Jahren Taubenpostverbindung,
im Oktober 1883 konnte das Feuerschiff, welches, von einem Orkan losgerissen, abtrieb, dadurch gerettet werden, daß vier losgelassene
Tauben in 58 Minuten die Nachricht nach Tönning überbrachten. In Italien haben Flugversuche bei Temperaturen bis zu -14,6°
keinen Unterschied in der Flugsicherheit gegen höhere Temperaturen erkennen lassen. In Frankreich hat
man mit günstigem Erfolg Taubenschläge auf Kriegsschiffe gesetzt, in welchen sich die Tauben bald vollkommen heimisch machten
und sich selbst an den Geschützdonner gewöhnten, so daß sie während des Schießens ihren Schlag auf Deck aufsuchten.
Man erwartet deshalb Nutzen von der Taubenpost nicht nur im Verkehr der Handelsschiffe auf See, sondern auch
in der Kriegsmarine selbst während des Gefechts, sowohl für den Verkehr von Schiffen nach dem Lande als von hier nach Schiffen
in See und zwischen Schiffen eines Geschwaders, die wegen großer Entfernung durch Signale sich nicht mehr verständigen
können. In Italien sind 1888 bei einer großen Belagerungsübung vor Verona
[* 41] von hier nach Rom (415 km), Ancona
[* 42] (285 km), Alessandria
(200 km), Piacenza (115 km), Bologna (109 km) Brieftauben mit Erfolg verwendet worden. Es wurden Fluggeschwindigkeiten bis zu 95 km
in der Stunde beobachtet, die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 55 km; sie hängt von vielen Umständen
ab, kann aber zu 1 km in in der Minute im allgemeinen angenommen werden.
Von 271 bei diesen Übungen aufgelassenen Tauben gingen nur 23 verloren, verhältnismäßig die wenigsten auf den größten
Entfernungen, man schreibt das Verlorengehen deshalb weniger dem Verfliegen, als vorwiegend lokalen und zufälligen
Ursachen, namentlich dem Abfangen durch Raubvögel
[* 43] zu. Ob das Bestreichen der Tauben mit stark riechenden Ölen oder das Anbinden
einer leichten Bambuspfeife an die Steuerfedern die Raubvögel abschrecken wird, darüber fehlt es noch an hinreichenden Erfahrungen.
Das Abschießen durch den Feind ist weniger zu befürchten, da die Tauben in der Regel nicht unter 150 m
Höhe fliegen, noch weniger Erfolg verspricht das Abfangen durch gezüchtete Falken, das in Rußland umfangreich versucht wurde.
Die Belastung der Tauben mit Depeschen kann bis zu 1 g hinaufgehen. Für die
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