Bosnien.
[* 2] Ein höchst erfreulicher volkswirtschaftlicher Fortschritt ist heute fast auf allen Gebieten wahrzunehmen. Im Interesse der Hebung [* 3] des Bergbaues besteht schon seit 1881 in Sarajevo eine Berghauptmannschaft, und die an Kohle, Eisen, [* 4] Mangan, Antimon, Chrom, Blei, [* 5] Silber und Gold [* 6] reichen Bergwerke (teils Staatseigentum, teils im Besitz der durch die Regierung begründeten Gewerkschaft Bosnia, welche die an die Bosnabahn sich anschließende Montanbahn bis Cevljanovic gebaut hat) versprechen einen baldigen Aufschwung.
Von den vielen Säuerlingen, Solen und Heilquellen erfreut sich die nur wenig eisenhaltige Arsenquelle in Srebenica (Guberquelle) bereits eines großen Absatzes außerhalb des Landes. Die landwirtschaftliche Produktion wird durch Gründung von Unterstützungsfonds in den einzelnen Bezirken gefördert, und 1881-83 wurden auch Kolonisationsversuche gemacht. Die Regelung der in Bosnien besonders wichtigen Agrarfrage läßt sich erst nach Beendigung des Katasters anstreben; bei derselben sind zumeist die Kmeten (Bauern), welche 50 Proz. der Bevölkerung [* 7] ausmachen, interessiert, die Lösung dieser Frage wird aber dadurch erschwert, daß die Begs und Agas (2 Proz. der Bevölkerung) außer den Pachtgütern der Kmeten keinen eignen Allodialbesitz haben, und kann wohl nur allmählich durch gesetzliche Beschränkung der Pachthöhe und durch Erleichterung der freien Besitzerwerbung seitens der Kmeten erzielt werden.
Bis Ende 1889 sind 9921 Kmetenfamilien Eigentümer ihrer Pachtgründe geworden. Um den Landbau zu heben, wurden 3 landwirtschaftliche Stationen für Ackerbau und Viehzucht, [* 8] 2 Obst- und Weinstationen und 2 Hengstedepots (letztere in Sarajevo und Mostar) errichtet. Was insbesondere den Weinbau betrifft, so stand dessen gedeihlicher Entwickelung die von dem Produkt zu entrichtende, verhältnismäßig hohe Abgabe hindernd im Wege. Mit Rücksicht darauf, daß die sonnigen Gelände der Herzegowina und eines Teiles von Bosnien (s. unten) dem Rebenbau sehr günstig gelegen sind, die Weine aus Mostar, Ljubuski, Stolac, Konjica und Trebinje sich schon längst eines guten Rufs erfreuen und dieser landwirtschaftliche Zweig thatsächlich eine bedeutende Einnahmequelle der Bevölkerung bildet, hat die Regierung im Juli 1890 eine teilweise Aufhebung des gesetzlichen Weinzehnts in der Art bewilligt, daß in bisher unproduktiven Gegenden neu angelegte Weingärten zehn Jahr lang, von der Anlage an gerechnet, von der 10proz.
Weintraubensteuer befreit sein sollen. Die ohnedies sehr ausgedehnte Schafzucht wird eventuell durch Erlaß oder Ermäßigung der Kleinviehsteuer unterstützt. Der große Holzreichtum des Landes hat durch langjährige Verwüstungen viel gelitten, daher vor allem eine Regelung der komplizierten Verhältnisse der ein Gebiet von 2,6 Mill. Hektar Waldland umfassenden Landesforsten und der Waldservituten not thut. Diese ist bereits in 30 Bezirken beendet; überdies wird die Ausbeute der Staatswälder seit 1887 rationeller betrieben.
Bis zur Okkupation besaß Bosnien nur eine gewerbliche Industrie, jetzt beginnt sich jedoch auch die Fabrikindustrie zu entwickeln. Heute bestehen daselbst bereits mehrere Brauereien, eine Spiritusfabrik, eine Papierfabrik, mehrere Posamentier- und Filztuchfabriken sowie kunstgewerbliche Ateliers für Teppichproduktion und drei große ärarische Tabaksfabriken (letztere beschäftigen 1300 Arbeiter und 100 Fuhrleute). Daß der bosnische Handel, in dessen Interesse Handelsschulen errichtet wurden, heute ein viel lebhafterer ist, verdankt er zum Teil der systematischen Verbesserung der Straßen und den neuen Eisenbahnlinien.
Erstere haben eine Länge von 3465 km, jene der Bahnen hingegen beträgt 561 km. Infolge der Erweiterung des Bahnnetzes stieg die Zahl der Zivilreisenden in zehn Jahren von 5489 auf 156,459, die Tonnenzahl der Zivilfrachtgüter von 3402 auf 83,411. Für das Post- und Telegraphenwesen, welches sich im Militärbetrieb befindet, besteht eine Direktion mit 87 Post- und Telegraphenämtern. Daß nebenbei auch den Interessen einzelner Städte die erforderliche Sorgfalt zugewendet wird, erhellt daraus, daß zum Behuf der gründlichen Beseitigung der bisherigen sanitätswidrigen Übelstände und des bei den häufigen Bränden äußerst fühlbaren Wassermangels in Sarajevo 1890 mit bedeutenden Kosten eine in alle Stadtteile reichende große Hochquellenwasserleitung errichtet wurde und zu diesem Zwecke das frische und gesunde Wasser der Moschtschanitza aus dem Gebirge in die bosnische Hauptstadt geleitet wird.
Den Sicherheitsdienst besorgen die Gendarmerie, ein Streifkorps und 32 bosnische Truppenkompanien. Die finanzielle Lage gestaltet sich günstig, denn der Staatsvoranschlag für 1890 ergibt einen Überschuß von 51,501 Gulden (1889 nur 49,509 Guld.). Die wichtigsten Posten der auf 10,187,650 Guld. veranschlagten Einnahmen sind: Forstbetrieb 483,200 Guld., Zehentablösung 2,710,000, Einkommen- und Hauszinssteuer 685,000, Kleinviehsteuer 360,000, Zoll 708,000, Tabaksmonopol 2,936,400, Salzmonopol 1,067,000, Verzehrungssteuern 310,000, Stempel und Gebühren 582,000 Guld. Die Ausgaben hingegen belaufen sich auf 10,136,149 Guld. Hiervon entfallen auf: Zentralleitung 727,690 Guld., innere Verwaltung 5,227,241 (darunter 1,148,000 für militärische Zwecke), Finanzverwaltung 3,515,218 und Justizverwaltung 666,000 Guld. Der Okkupationskredit, d. h. das Mehrerfordernis für die in Bosnien befindlichen österreichisch-ungarischen Truppen über den normalen Friedensbedarf, beträgt 4,365,000 Guld.-
Zur Litteratur: Stix, Das Bauwesen in und der Herzegowina (Wien [* 9] 1887) und Eichler, Justizwesen Bosniens und der Herzegowina (das. 1889), beide Werke von der Landesregierung herausgegeben;
Walter, Beitrag zur Kenntnis der Erzlagerstätten [* 10] Bosniens (Sarajevo 1887);
Ludwig, Die Mineralquellen Bosniens (Wien 1890).