1884 das ihm von
Depretis angebotene
Kriegsministerium ab, weil der Finanzminister auf die von ihm gestellten
Bedingungen nicht
einging, nahm aber im April 1887 das ihm abermals angebotene
Portefeuille und behielt dasselbe auch unter
Crispis Leitung.
Die
Organisation der neugebildeten afrikanischen Kolonialtruppen ist sein besonderes
Verdienst. -
SeinBruderFrancesco
Bertolé-Viale ist Generalkommandant der 19. Militärterritorialdivision zu
Neapel.
[* 2]
Francesco, ital.
Historiker, geb. 1836 zu
Mantua,
[* 3] ward Gymnasiallehrer, dann
Professor der Geschichte in
Neapel,
jetzt in
Bologna. Außer zahlreichen weitverbreiteten geschichtlichen
Büchern für die
Schule schrieb er auf
Grund der deutschen
kritischen Forschung eine »Storia Romana« (1864),
»La gioventù di C.
Cavour« (das. 1887) u. a. In der »Nuova
Antologia«, für welche er viele
Aufsätze schrieb, sprach er sich 1876 gegen die
Feier der
Schlacht bei
Legnano aus, deren Bedeutung
für die italienische
Nation er leugnete, wodurch er einen lebhaften litterarischen Streit hervorrief.
(spr. bänar),PaulAlbert, franz.
Maler, geb. 1849 zu
Paris
[* 4] als Sohn eines Künstlerpaars,
das ihm von Kindheit an die
Liebe zur
Malerei einflößte, brachte, nachdem er als
Schüler der
École des beaux-arts den römischen
Preis errungen, mehrere Jahre in
Rom
[* 5] zu, fand aber durch das
Studium der klassischen
Meister keine
Förderung seiner eigenartigen
Richtung. Sie kam auch nach seiner Rückkehr nach
Paris nicht zum Durchbruch, obwohl
er den Erfolg hatte,
daß ein
Bild: der
Herbst, 1874 vom
Staate angekauft wurde. Besnard brauchte lange Zeit, um den ihm zusagenden Weg zu finden, und
erst in
London,
[* 6] wohin er sich um 1880 mit seiner
Frau, der Bildhauerin
Charlotte Dubray, begeben hatte,
entfaltete sich seine Eigenart.
Der graue englische
Himmel
[* 7] scheint in ihm die Sehnsucht nach
Licht
[* 8] und
Sonne
[* 9] geweckt zu haben, und dieses
Streben kam zunächst
auf einigen Frauenbildnissen zum
Ausdruck, die er von
London in den
PariserSalon schickte. Nach
Paris zurückgekehrt, wurde er
mit der Ausschmückung der Vorhalle der Pharmazeutenschule beauftragt, die er in so lichten
Tönen durchführte,
daß diese
Malereien dicht an die Art der
Impressionisten streifen; doch fanden diese
Darstellungen auch insofern
Anerkennung,
als sie von einigen mit den freien, natürlichen Gestalten der florentinischen Fresken verglichen wurden.
Seitdem erhielt er vom
Staate und von der Stadt noch andre Aufträge für öffentliche Gebäude. Zu dem
Besten, was er auf diesem Gebiet lieferte, gehört die für das Stadthaus bestimmte
Allegorie der Stadt
Paris: »Fluctuat nec
mergitur«, ein Fahrzeug, welches, von rüstigen
Frauen gelenkt, bei Lichterglanz unter einer Seinebrücke hindurchgleitet
(1885), und der
Morgen, der
Mittag, derAbend des
Lebens, drei Wandgemälde für den Trauungssaal der
Mairie
des ersten
Arrondissements. Im weitern Verlauf seiner Thätigkeit verlor sich Besnard immer tiefer in die wunderlichsten
Farbenexperimente und künstlichsten Beleuchtungseffekte, wofür neben einigen Bildnissen: die
Frau, die sich wärmt, und
die
Vision einer
Frau besonders charakteristische
Beispiele sind: erstere kehrt, völlig
entblößt, vor
einem (nicht sichtbaren)
Kamin sitzend, dem
Beschauer den
Rücken zu, der von dem
Feuer rötlich und violett angestrahlt wird,
und führt eine
Tasse mit einem wärmenden
Getränk zum
Munde, und die
Vision einer
Frau besteht darin, daß ein halb entblößtes
Mädchen in einem mit phantastischen
Blumen erfülltenGarten
[* 10] wie eine Hellseherin in die Weite starrt.
Für diese
Bilder erhielt Besnard auf der
MünchenerAusstellung von 1890 eine
Medaille erster
Klasse. hat auch in Pastell gezeichnet
und radiert.
Baulichkeiten und Gebäudeteile mannigfacher Art, im engern
Sinne vollständige Gebäude, hergestellt
gewissermaßen in einem einzigen
Stück aus
Beton.
Ihre Herstellung erfolgt derart, daß die Baukörper durch
Lehren
[* 16] und Einschalungen
als Hohlräume gebildet werden, welche man schichtenweise mit
Beton ausfüllt.
Letzterer besteht bald aus einem von vornherein
innig zusammengemischten
Gemenge von
Zement,
Sand u.
Kieseln oder Steinschlag in wechselndem Mischungsverhältnis,
bald aus einem mehr oder weniger fetten Zementmörtel mit eingelagerten größern
Ziegel- oder Bruchsteinstücken.
Ganze Baulichkeiten aus
Beton errichtet man bereits seit mehreren Jahrzehnten. Insbesondere sind es Nutzbauten; doch auch
auf Wohngebäude untergeordneter Bedeutung und geringen
Umfanges, wie
Arbeiterwohnungen, Bahnwärterhäuser u.
dgl., hat man die
Technik angewandt, freilich ohne daß dieselbe nennenswerte Verbreitung gefunden hätte. Denn den Vorzügen
der
Schnelligkeit der Ausführung und der (übrigens auch vielfach in Abrede gestellten)
Billigkeit gegenüber stehen die Nachteile
der Unwohnlichkeit und der Unmöglichkeit einer in ästhetischer Beziehung befriedigenden Behandlung.
Die
Räume solcher Betonhäuser sind, wie die
Erfahrung lehrt, feucht, dumpfig und, da der
Beton ein verhältnismäßig
guter Wärmeleiter ist, schwer zu erheizen; die Fußböden sind kalt, die
Dächer undicht. Mit einigem Erfolg hat man, namentlich
in Rußland, diesen Übelständen zu begegnen versucht durch
Anordnung von Luftschichten in den Wandungen, welche den Betonkörper
entweder in eine äußere und innere
Schale zerlegen, oder ihn als enge
Reihen von Schloten durchsetzen,
die man gleichzeitig zur Entlüftung der
Räume benutzt.
Werden sich die Betonbauten im engern
Sinne (man hat als solche übrigens auch
Brücken
[* 17] geringer
Spannweiten, Fabrikschornsteine etc. erbaut) schwerlich einbürgern, so wird die
Technik für einzelne Bauteile
ihre Bedeutung wohl behalten, insbesondere in der erweiterten, neuerdings weitverbreiteten Form der
Verbindung mit einer Eiseneinlage,
als sogen. Monierbauten (s. d.).
[* 18] Die Bevölkerungslehre oder Bevölkerungswissenschaft ist ein
Zweig der Sozialwissenschaften
und zwar derjenige, welcher sich mit
Stand und
Bewegung der
Bevölkerung,
[* 19] betrachtet nach Zeit,
Raum und Gesellschaftsklassen,
beschäftigt. Früher wurde sie meist als ein Teil der
Nationalökonomie angesehen und gipfelte in dem
sogen.
¶
mehr
Bevölkerungsgesetz. Erst in jüngster Zeit ist infolge der Fortschritte der Sozialwissenschaften im allgemeinen und der
Statistik im besondern ihre Stellung als besonderes Wissenschaftsgebiet zur Geltung und Anerkennung gekommen. Damit ergab sich
gleichzeitig auch die Möglichkeit und Notwendigkeit einer geschichtlichen Erforschung und Betrachtung der durch die Bevölkerungswissenschaft
der Kenntnis vermittelten gesellschaftlichen Erscheinungen, d. h. die Bevölkerungsgeschichte. Eine solche gehört jedoch erst
der allerjüngsten Zeit an, und ihre Resultate sind daher bis jetzt nur Stückwerk.
Dies darf nicht wundernehmen, da ja doch die ungleich ältere und mehr gepflegte Wirtschaftsgeschichte, welche überdies
mit der Bevölkerungsgeschichte auf das engste zusammenhängt, bis heute auch nur Stückwerk geblieben
ist. Dennoch aber ist es interessant und wertvoll, die bisherigen Resultate der bevölkerungsgeschichtlichen Forschung zusammenzufassen,
da deren Bedeutung in der That eine sehr große ist. Es bietet ja an sich schon einen eignen Reiz, die Zahlenverhältnisse
des Menschengeschlechts, der einzelnen Völker, welche im Verlauf der Zeit eine Rolle gespielt haben, und
der einzelnen Gesellschaftsklassen zu verfolgen und im ursachlichen Zusammenhang zu erkennen.
Man kann wohl sagen, daß hierüber höchst abenteuerliche und völlig ungerechtfertigte Vorstellungen bestehen, mit denen
die Wissenschaft noch immer im Kampf steht, ohne im stande gewesen zu sein, sie auszurotten. Dann aber bedenke man, welchen
Wert die Bevölkerungsgeschichte für die allgemeine geschichtliche Forschung Überhaupt besitzt.
Keine geschichtliche Darstellung ist im stande, sich ziffermäßiger Angabe über Größe und Stärke
[* 21] der Volksstämme, der Gesellschaftsklassen,
der Kriegsheere zu Land und zu Wasser, der Kolonien u. dgl. zu entschlagen.
Die vorwiegend politisch-geschichtlichen, dann aber auch die kulturgeschichtlichen Nachrichten der sogen.
Weltgeschichte erlangen erst durch einen dergestaltigen plastischen Hintergrund ihre wahre Bedeutung. Und
zwar liegt der Wert der Bevölkerungsgeschichte für die sogen. Weltgeschichte nicht nur darin, daß die Darstellung ungemein an Anschaulichkeit
gewinnt, sondern auch darin, daß die Aufhellung der Thatsachenzusammenhänge nicht selten von der Erkenntnis quantitativer
Verhältnisse geradezu abhängig ist.
Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die kulturgeschichtliche Forschung und zwar vornehmlich für
die Erforschung der klassischen Zeit und des mittelalterlichen Lebens. Je wichtiger der Klassizismus der griechisch-römischen
Welt für die Ausgestaltung des heutigen Geistes- und Völkerlebens überhaupt zu bezeichnen ist, desto notwendiger ist es,
diese Epochen der Geschichte der Menschheit auch auf gegründete Zahlenverhältnisse zu fundieren. Dazu
kommt dann noch ein weiteres Moment.
Die Methode der Bevölkerungslehre ist nahezu ausschließlich die statistische Induktion.
[* 22] Die Erkenntnis der einschlägigen
Phänomene wird nun um so vollkommener, je mehr wir im stande sind, dieselben nicht nur in der Gegenwart, sondern auch
im geschichtlichen Verlauf unter den verschiedenartigsten Darstellungsformen zu betrachten. Die wichtigen
Probleme des Sexualverhältnisses der Gebornen und in der Bevölkerung, des Altersaufbaues und der Absterbeordnung, der Wanderungen
etc. bieten in geschichtlicher Form ganz neue Gesichtspunkte dar, welche die durch die Betrachtung zeitgenössischer Vorgänge
vermittelte Erkenntnis wesentlich ergänzen.
Nicht zum wenigsten gilt dies bezüglich der enorm wichtigen Frage des sogen. Bevölkerungsgesetzes. Im 17. und 18. Jahrh.
war die Bevölkerung der
europäischen Staaten im allgemeinen eine sehr dünne, und es entwickelte sich demgemäß eine Richtung
in der Bevölkerungslehre, jene der Populationisten (Süßmilch, Sonnenfels, Justi etc.), welche die Hebung
[* 23] der Volkszahl als
Aufgabe der Staatsverwaltung hinstellten und zahlreiche konkrete Maßnahmen hierfür empfahlen, unter
welchen die Kolonisation nicht an letzter Stelle zu nennen ist. Im Gegensatz dazu entwickelte gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
in EnglandMalthus seine Ansichten über das Bevölkerungsgesetz, welche auf das gerade Gegenteil hinausliefen und von der Anschauung
einer bereits gegenwärtig bestehenden oder doch in Zukunft zu erwartenden Übervölkerung getragen wurden.
Die Ereignisse der auf Malthus folgenden Zeit gaben ihm scheinbar recht, indem mit dem allgemeinen Aufschwung der Industrie
und der Verdichtung des Verkehrs eine außerordentlich starke Bevölkerungszunahme erfolgte. Im Zusammenhang damit sehen wir
in der Bevölkerungslehre Richtungen vertreten, welche auf Abhilfe dieser Übervölkerung hindrängen.
Dazu gehört die vornehmlich im DeutschenReich vertretene kolonialpolitische Richtung, dann aber der sogen. Neomalthusianismus
(vertreten von Stille u. a.). Diese letztgenannte Richtung will die rasche Vermehrung derVölker durch Maßregeln hindern, welche
eine verminderte Fruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts zur Folge haben sollen. Dabei kann man sagen, daß im allgemeinen
über die Zukunft des Menschengeschlechts vom Standpunkte des Verhältnisses zum Nahrungsspielraum ziemlich
trübe Ansichten verbreitet sind, über welche man sich allerdings nur selten genaue Rechenschaft abgibt.
Zur nüchternen und eigentlich wissenschaftlichen Beurteilung des Bevölkerungsgesetzes, d. h.
des Verhältnisses der Volkszahl zum Nahrungsspielraum im Verlauf der Entwickelung der Völker, ist es nun durchaus
nicht genügend, nur die gegenwärtigen oder jüngstvergangenen Verhältnisse zur Untersuchung heranzuziehen; es ist vielmehr
erforderlich, den Blick historisch zu erweitern und zur Bevölkerungsgeschichte zu greifen, soweit dieselbe überhaupt Nachrichten
zu geben vermag.
Dabei gelangen wir dann zur Einsicht, daß es nicht angeht, von einem allgemeinen Gesetz der zahlenmäßigen Entwickelung des
Menschengeschlechts im allgemeinen zu sprechen, sondern daß eine solche Regelmäßigkeit nur betreffs einzelner Völker angenommen
werden darf. Hiermit aber stehen wir vor einer für jedes Volk sehr wichtigen Kenntnis. Indem wir im großen und ganzen der
geschichtlichen Entwickelung die Völker in die Geschichte eintreten, sich entwickeln, absterben oder sich erneuern
und ununterbrochen weiter bestehen sehen, erkennen wir auch die Stellung, welche ein jedes konkrete Volk in seinem historischen
Entwickelungsgang im gegenwärtigen Moment einnimmt.
Diese Erkenntnis ist aber wichtig, um den steten Rivalitätskampf zu verfolgen, welchen die Staaten im Verlauf der Zeit führen.
Die zeitweise HegemonieGriechenlands, dann Roms, der stete Rückgang der politischen Macht Frankreichs,
das Anwachsen der politischen und ökonomischen Bedeutung der Vereinigten Staaten
[* 24] Nordamerikas, all diese Erscheinungen finden
eine sehr natürliche Auflösung bis in die letzten Ursachen durch das Zurückgehen auf die populationistischen Veränderungen
dieser Völker. Somit unterliegt es keinem Zweifel, daß die Bevölkerungsgeschichte von hohem Interesse und hoher Bedeutung
ist, und daß eine Zusammenfassung ihrer Resultate selbst jetzt schon wertvoll genannt werden kann, wo diese letztern noch
als sehr lückenhaft hinzustellen sind.
¶