Von seiner unvollendeten »Geschichte des schweizerischen
Freistaats
und
Kantons St.
Gallen« (Zür. 1868,2 Bde.)
erschien der dritte
Band:
[* 5] »Geschichte von 1830 bis 1850« (Einsied. 1890), herausgegeben
von seinem Sohn
Alexander Baumgartner.
zu dem ein weiterer
Band, das 18. Jahrh. umfassend, in Aussicht steht. Außerdem veröffentlichte er die biographischen
Schriften: »Palestrina« (Freib. 1877) und »Orlandus de
Lassus« (das. 1878);
[* 26] Geschichte. Von den drei
Anträgen, welche das bayrische Abgeordnetenhaus im
November 1889 mit der geringen
Mehrheit von zwei
Stimmen angenommen hatte (s. Bd. 17, S. 103), wurde von der Reichsratskammer der erste über
das
Placet Anfang 1890 für formell unzulässig erklärt, der zweite, über die Altkatholiken, durch
Übergang zur
Tagesordnung erledigt, wobei indes eine
Prüfung der
Frage, ob die Altkatholiken die Zugehörigkeit zur katholischen
Kirche mit
Recht beanspruchen könnten oder nicht, mehrfach empfohlen wurde.
Die Zentrumspartei setzte nun ihre
Drohung, den verhaßten
Ministerpräsidenten v.
Lutz bei der Beratung des Kultusetats entschieden
zu bekämpfen, ins Werk. Rücksichtslos strich die Zentrumsmehrheit im Finanzausschuß auf
Antrag des
ReferentenDaller alle
Erhöhungen der Ausgabeposten, ohne auf die materielle Würdigung überhaupt einzugehen; letzteres
erklärte sie nur dann thun zu wollen, wenn die
Regierung die Altkatholiken, welche infolge der Leugnung der
Unfehlbarkeit
von der
Kirche ausgeschlossen wurden, wegen dieses Ausschlusses als von der
Kirche losgelöst betrachte und behandle. Das
Ministerium,
dessen
Geschäfte der auswärtige
Minister v.
Crailsheim
[* 28] an
Stelle des schwer erkranktenMinisters v.
Lutz
leitete, beschloß in dieser
Frage nachzugeben und trat zu diesem
Zweck mit den kirchlichen Behörden in
¶
mehr
Unterhandlung. Das Kapitularvikariat des Erzstifts München-Freising beantragte von neuem bei der Regierung, die Ausschließung
der Altkatholiken aus der katholischen Kirche zunächst für die MünchenerDiözese, wo noch die meisten Altkatholiken u. der
altkatholische Zentralverein Bayerns sich befanden, als auch auf staatlichem Gebiet wirksam anzuerkennen; diese Bitte sei
schon dadurch gerechtfertigt, daß die Altkatholiken das Vatikanum leugneten; davon abgesehen, leugneten
sie auch den Primat des Papstes und das Dogma der unbefleckten Empfängnis und seien auch wegen dieser Häresienipso facto exkommuniziert.
Eine von Lutz unterzeichnete Entschließung des Kultusministeriums vom erfüllte diese Bitte, jedoch nicht wegen
der Leugnung des Vatikanums, für das das königliche Placet nicht erteilt sei, sondern weil der zuständige
kirchliche Richter zwei andre formale Häresien festgestellt habe, welche die Ausschließung der Altkatholiken aus der Kirche
bedingten. Gleichzeitig wurde dem altkatholischen Zentralverein eröffnet, daß die Regierung die Altkatholiken nicht mehr
als Katholiken betrachten und behandeln, vielmehr ihre religiösen Rechte nach § 2 der zweiten Verfassungsbeilage
bemessen werde.
Dieser Schritt des Ministeriums befriedigte keine Partei, weder die Altkatholiken, die sich im Stiche gelassen glaubten, noch
die Ultramontanen, welche das Placetrecht der Regierung überhaupt nicht anerkennen wollten. Gleichwohl erklärte der Abgeordnete
Geiger21. März in der Kammer namens der Zentrumsfraktion, daß dieselbe nun, nachdem die Regierung die thatsächlichen
Verhältnisse bezüglich der Altkatholiken beseitigt und die kirchliche Obrigkeit den Erlaß vom 15. März utiliter acceptiert
habe, in die materielle Prüfung der im Ausschuß aus politischen Gründen abgelehnten Positionen des Kultusetats eintreten wolle
und deren Zurückverweisung an den Ausschuß beantrage. Dem BeispielMünchens folgten auch die übrigen
BischöfeBayerns, zuletzt im August die von Eichstätt
[* 30] und Regensburg,
[* 31] und damit waren die Altkatholiken, ohne gehört worden
zu sein, zu einer privaten Kirchengesellschaft herabgedrückt, was sie schmerzlich empfanden, aber ein Gegenstand des Streites
zwischen Staat und Kirche beseitigt, ohne daß die Regierung ihr Recht des Placets aufgegeben hätte.
Bei der erneuten Beratung des Kultusetats im Ausschuß unterließen es die Ultramontanen allerdings nicht, manche Forderungen
der Regierung zu bemäkeln, und die streitbaren Dorfpfarrer, die in ihrem Namen das Wort führten, ergingen sich besonders über
die bildenden Künste in höchst fragwürdigen Auslassungen und würden gern die für Bilderankäufe beantragten
100,000 Mk. gestrichen haben, wenn nicht PrinzLudwig in der Reichsratskammer entschieden für die Pflege der Kunst im InteresseMünchens und Bayerns eingetreten wäre.
Anfang Mai genehmigte der Landtag das gesamte Budget in der Höhe von 280 Mill. und bewilligte die Verwendung der 24 Mill. betragenden
Überschüsse aus dem Jahr 1887 und 11 Mill. aus dem Jahr 1888 zu erhoffende Mehreinnahmen für außerordentliche Bauten
und Staatsanlagen. Die Zentrumspartei brachte darauf noch den Antrag zur Annahme, daß die Regierung aufgefordert werden solle,
im Bundesrat für Herabsetzung der Militärdienstzeit auf zwei Jahre zu wirken. Durch Erlaß des Prinz-Regenten
wurde der Landtag bis auf weiteres, d. h. bis 1892, vertagt.
Unter den Ergebnissen der Session erweckte hauptsächlich bloß das finanzielle Befriedigung, indem es die günstige Lage
der
FinanzenBayerns bewies. Die Schlichtung der kirchlichen Frage fand nicht in gleichem MaßeAnerkennung, weil man vielfach die
Nachgiebigkeit der Regierung für unnötig erachtete. In Übereinstimmung mit dem Regenten hielten es die
Minister für wünschenswert, jeder Störung des kirchlichen Friedens vorzubeugen, und zu diesem Zwecke richtete der Prinz-Regent16. Mai ein
Handschreiben an den Erzbischof Thoma gegen die Absicht, 1890 den deutschen Katholikentag in München
[* 32] abzuhalten, nachdem ebendaselbst 1889 der
bayrische Katholikentag abgehalten worden und hierbei die hetzerischen demagogischen Elemente allzusehr
hervorgetreten waren. Der Prinz-Regent sprach sein aufrichtiges Bedauern über jene Absicht aus, weil die Abhaltung des Katholikentags
in München nicht geeignet sei, hier den Frieden zu erzielen und zu festigen, der von den ruhig Denkenden aller Kreise
[* 33] der Stadt
dringend gewünscht werde. Die Vertrauensmänner des katholischen Komitees beschlossen, sofort den Wunsch des Regenten zu erfüllen,
und verlegten die Versammlung nach Koblenz.
[* 34]
Minister v. Lutz, der schon den ganzen Winter leidend, zuletzt sogar schwer erkrankt war, erbat, da er vorläufig keine Aussicht
auf Genesung sah, seine Entlassung von seinen Ämtern als Ministerpräsident und Kultusminister
und erhielt dieselbe, da sie erwartet war, sofort bewilligt. Zum Ministerpräsidenten wurde der auswärtige Minister v. Crailsheim,
zum Kultusminister der bisherige Polizeipräsident von München, v. Müller, ernannt. Da dieser in kirchlicher wie politischer
Hinsicht auf demselben Standpunkt stand wie Lutz, so bedeutete der teilweise Ministerwechsel durchaus
keine Änderung des bisherigen Regierungssystems.
Zur Litteratur: Brecher, Darstellung der geschichtlichen Entwickelung des bayrischen Staatsgebiets (Berl. 1890);