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übernahm er 1888 im Ministerium Freycinet selbst dies Portefeuille. Baïhaut ist ein eifriger Schutzzöllner.
Seite 18.97 Jahres-Supplement 1890-1891
übernahm er 1888 im Ministerium Freycinet selbst dies Portefeuille. Baïhaut ist ein eifriger Schutzzöllner.
auf der niedrigsten Stufe organischen Lebens stehende Gebilde, welche nach Gestalt, Wachstum und Fortpflanzung zum Pflanzenreich zu zählen sind. Das einzelne Individuum repräsentiert den Wert einer (Pflanzen-) Zelle; [* 3] die nächsten, etwas höher organisierten Verwandten der Bakterien sind die Algen. [* 4] Schon Leeuwenhoek (1675) hat im Mundspeichel Bakterien gesehen, Ehrenberg suchte dieselben zu systematisieren und rechnete sie zum Tierreich. Cohn wies in den 50er Jahren die Zugehörigkeit der Bakterien zu den Pflanzen nach und teilte sie in Kugel-, Stäbchen- und Schraubenbakterien.
Ein lebhafter Streit wurde dann jahrelang darüber geführt, ob es wirklich verschiedene konstante Arten von Bakterien gebe, eine Systematik also möglich und berechtigt sei, oder ob nicht vielmehr die Bakterien die Fähigkeit besitzen, sich jeweils den Verhältnissen, unter welchen sie gerade leben, anzupassen und so unter wechselnder Gestalt und mit wechselnden Funktionen aufzutreten. Der Hauptvertreter dieser letztern Richtung war Nägeli. Eine Entscheidung der wichtigen Frage war nicht möglich, solange es nicht gelang, durch ein geeignetes Züchtungsverfahren die ihrer Gestalt nach verschiedenen Formen zu isolieren und dann ihren weitern Entwickelungsgang zu beobachten.
Das geeignete Verfahren einer solchen Trennung der einzelnen Bakterienkeime voneinander und der Züchtung derselben hat R. Koch in der Anwendung der festen Nährböden kennen gelehrt (s. Bakterioskopische Untersuchungen, Bd. 2). Vermittelst dieses Verfahrens ist dann festgestellt worden, daß es eine große Menge verschiedener Bakterienarten gibt, welche allezeit konstant bleiben und sich nach Gestalt, Lebenserscheinungen und Funktion aufs deutlichste voneinander unterscheiden.
Eine Systematik derselben im streng botanischen Sinn läßt sich indessen noch nicht aufstellen und man beschränkt sich zur Zeit noch auf die Unterscheidung, welche schon Cohn gegeben hat, in Kugelbakterien oder Mikrokokken, Stäbchenbakterien oder Bacillen und Schraubenbakterien oder Spirillen (auch Spirochaeten oder Vibrionen genannt). Als den Bakterien nach Form und Lebenseigenschaften sehr nahe verwandt, jedoch nach ihrem Entwickelungsgang von denselben verschieden, wären dann noch die Sproßpilze oder Hefen und die Schimmelpilze zu nennen.
Die Bakterien sind Zellen, welche aus einer Membran und aus Protoplasma bestehen; die Existenz eines Zellkernes wurde bisher in Abrede gestellt, doch haben neueste Untersuchungen (Ernst, Bütschli) es wahrscheinlich gemacht, daß wenigstens bei gewissen Arten dennoch ein Kern vorhanden ist; derselbe würde nach den genannten Forschern den größten Teil des Zellleibes ausfüllen. Die Größe der einzelnen Bakterienarten schwankt etwa zwischen 0,0002 und 0,02 mm; selbst die größern derselben stehen also ziemlich an der Grenze des mikroskopisch noch Sichtbaren.
Eine Anzahl von Bakterien ist mehr oder weniger lebhaft beweglich, ja die Art ihrer Bewegung hat schon an und für sich zuweilen etwas für die betreffende Spezies Charakteristisches. Die Bewegungen werden ausgeführt vermittelst sogen. Geißelfäden, welche sich an den Polen oder entlang den Seiten des Bacillenkörpers befinden. Andre Arten werden stets unbeweglich gesunden, an diesen lassen sich dann auch keine Geißelfäden nachweisen. In früherer Zeit war man der Meinung gewesen, daß das Aufhören der Beweglichkeit gleichbedeutend sei mit dem Tode der Bakterien; jetzt wird das erloschene Leben nur noch aus der erloschenen Vermehrungsfähigkeit geschlossen.
Die Fortpflanzung der Bakterien geschieht in den meisten Fällen durch Zweiteilung der Individuen (daher die Bezeichnung Spaltpilze); die Teilung erfolgt in querer Richtung. Bei manchen Bacillenarten wird jedoch eine echte Fruchtbildung beobachtet: in einer Reihe von Bacillen, welche durch wiederholte Querteilung der Individuen zu einem Faden [* 5] (sogen. Scheinfaden) herangewachsen sind, bilden sich unter geeigneten (Temperatur- und Ernährungs-) Bedingungen runde oder ovale glänzende Körper (Sporen), welche in regelmäßigen Abständen voneinander stehen, in andern Fällen treten ebensolche Körper im Innern der frei liegenden einzelnen Bacillen an einem oder beiden Enden oder in der Mitte derselben auf.
Solche Sporen besitzen eine weit größere Widerstandskraft als die betreffenden Bacillen selbst: zerfallen die letztern, so bleiben die Sporen am Leben;
sie können jahrelang und unter ungünstigsten Verhältnissen ohne äußere Lebensthätigkeit ihre Entwickelungsfähigkeit bewahren.
Sobald sie aber wieder auf günstigere Existenzbedingungen treffen, beginnt in ihnen neues Leben; sie wachsen zu Bacillen aus, welche gänzlich mit denjenigen übereinstimmen, aus welchen sie hervorgegangen sind. Die Sporen ertragen jahrelanges Eintrocknen, tagelange Einwirkung starker Desinfektionsmittel und manche stundenlang selbst ziemlich hohe Hitzegrade, ohne zu Grunde zu gehen. So bereiteten die Sporen der in der Gartenerde vorkommenden Bacillen dem Konservieren von Früchten große Schwierigkeiten, und die Sporen der Milzbrand- und der Tuberkelbacillen machen die Desinfektion [* 6] bei diesen Krankheiten zu einer der schwierigsten Aufgaben der Seuchenprophylaxis.
Eine echte Fruchtbildung (Sporenbildung) findet bekanntlich auch bei den Schimmelpilzen statt; der Hergang ist dort indessen ein etwas andrer als bei den Bakterien. Die Hefen, welche relativ große, rundliche oder ovale Zellen darstellen, vermehren sich durch Sprossung, indem aus einer (großen) Mutterzelle zunächst eine kleinere Tochterzelle und aus dieser noch eine und wohl noch einige weitere Tochterzellen hervorgehen; sind diese zu einer gewissen Größe herangewachsen, so schnüren sie sich voneinander ab, um dann selbst wieder zu Mutterzellen zu werden.
Über den Ursprung der Bakterien bestand durch Jahrzehnte große Meinungsverschiedenheit, indem viele Forscher von der Vorstellung einer Urzeugung nicht ablassen wollten. Man glaubte an die Möglichkeit der Entstehung so niederer Lebewesen unmittelbar aus unorganisierter organischer Materie. Grund zu dieser Annahme gab die Beobachtung, daß in Flüssigkeiten, in welchen z. B. durch Kochen, wie man glaubte, alle organisierten Keime abgetötet waren, dennoch wieder Fäulnis oder Gärung eintrat, auch wenn dieselben vor Luftzutritt völlig geschützt waren.
Man hatte von der Widerstandsfähigkeit mancher solcher Organismen, besonders ihrer Sporen, keine genügende Vorstellung. Wird nach den jetzt geltenden Vorschriften eine Flüssigkeit, wie Milch, Fleischbrühe u. dgl., sterilisiert, so hält sich dieselbe geradezu unendlich lange Zeit: die Urzeugung tritt nicht ein. Nur wenn ein oder einige Keime bei der Abtötung übriggeblieben sind oder der Verschluß gegen das Eindringen von Keimen nicht genügend sicher hergestellt ist, kommt es zur Entwickelung neuer Bakteriengenerationen. Es sind also auch die Bakterien dem Gesetz unterworfen: omne vivum ex vivo. Wie die ersten in die Welt kamen, wissen ¶
wir nicht. Thatsächlich hat man schon in Schliffen aus den Wurzeln fossiler Koniferen [* 8] und in kariösen Zähnen ägyptischer Mumien Bakterien gefunden. Sie müssen auch schon bestanden haben, solange es organisierte lebende Materie überhaupt gegeben hat. Heute wissen wir, daß sich Bakterien auf der ganzen Bodenoberfläche der Erde, in jedem Wasser und in der Luft suspendiert finden, daß sie in allen den Nahrungsmitteln, welche wir in rohem Zustande genießen, in großer Menge lebend vorhanden sind, daß unsre Mundhöhle, [* 9] unser Darmkanal unzählige Bakterien beherbergen, und daß sich auch auf unsrer Körperoberfläche und in unsrer Kleidung stets zahlreiche Bakterien befinden.
Die meisten Bakterienarten sind in ihrem Ernährungsbedürfnis außerordentlich anspruchslos; alle aber bedürfen zu ihrer Weiterentwickelung einen gewissen Wassergehalt des Nährsubstrats und eine gewisse Menge von Eiweiß und Kohlehydraten, doch kann diese für viele Arten äußerst gering sein. So findet selbst im destillierten Wasser eine rasche und lebhafte Vermehrung mancher Bakterien statt. Selbstverständlich steigert sich aber die Bakterienentwickelung nach Zahl und Mannigfaltigkeit der Arten in Eiweiß oder andre organische Stoffe enthaltenden Flüssigkeiten, z. B. in Bouillon, Zuckerlösungen, Aufgüssen von Pflanzen, im Harn und andern normalen oder krankhaften Exkreten.
Außer der Nahrung bedürfen die Bakterien jedoch noch einer gewissen Temperatur, welche für die verschiedenen Bakterien verschieden ist, aber im allgemeinen zwischen 5 und 45° liegt; doch beginnen einige Arten erst zwischen 50 und 70° zu wachsen. Anderseits ist das Aufhören des Wachstums unterhalb 5° nicht gleichbedeutend mit dem Tode der Individuen; man findet vielmehr selbst im Eis, [* 10] ja im Gletschereis, reichliche Bakterienkeime, welche ihre Lebensfähigkeit durch ihre Vermehrung alsbald darthun, wenn man sie in geeignete Temperatur- und Ernährungsverhältnisse bringt.
Gewisse Arten sind indessen in ihrer Entwickelungsfähigkeit an viel engere Temperaturgrenzen gebunden, z. B. die auf das streng parasitische Leben im menschlichen oder tierischen Körper angewiesenen Tuberkel- und Rotzbacillen. Des Luftsauerstoffs bedürfen die meisten Bakterienarten mehr oder weniger (Aeroben), doch gibt es auch solche, welche denselben entbehren können (fakultative Anaeroben), oder welche nur bei Entfernung allen Sauerstoffs gedeihen (obligate Anaeroben). Das Licht [* 11] ist im allgemeinen den Bakterien nicht förderlich; es mehren sich in neuester Zeit die Beobachtungen, welche ergeben, daß manche unter der Einwirkung direkten Sonnenlichts rasch absterben.
So klein der Kreis [* 12] der Lebensvorgänge der Bakterienzelle auch ist, so gewaltige Wirkungen bringen die in ihrer Gesamtheit durch ihre ungeheure Vermehrungsfähigkeit hervor, u. mehrere der wichtigsten Vorgänge im Haushalt der Natur, in der Land- und Hauswirtschaft werden durch Bakterien eingeleitet, gefördert, beendet oder auch durch andre Arten derselben gestört und vernichtet. Auch für unsern Körper haben gewisse, unsern Darm [* 13] bewohnende ohne Zweifel wichtige Funktionen beim Verdauungsprozeß zu übernehmen, anderseits ist die schädliche Wirkung, welche die parasitischen Bakterien als Erreger der gefürchtetsten Infektionskrankheiten ausüben, von größtem Belang für unser Leben Ihren hauptsächlichsten Lebensgewohnheiten und Wirkungen nach trennt man die in Saprophyten (s. d., Bd. 14, S. 318) und Parasiten.
Während die erstern auf beliebigem organischen Nährsubstrat in der Natur vorkommen und mit Leichtigkeit auf solchem gezüchtet werden können, sind die letztern Bewohner des lebenden menschlichen oder tierischen Körpers, auf dessen Kosten sie leben und sich vermehren; die Erscheinungen, unter welchen dies von statten geht, bedingen das Bild der verschiedenen Infektionskrankheiten. Unter den parasitischen Bakterien unterscheidet man noch fakultative und obligatorische Parasiten; die fakultativen können sich auch außerhalb des Tierkörpers vermehren (z. B. die Erreger von Cholera, Typhus, Milzbrand), die obligatorischen sind völlig auf das parasitische Leben in ihrem Wirte angewiesen, und nur durch ganz besondere Kunstgriffe und Methoden gelingt es, einige Arten derselben künstlich zu züchten (z. B. Tuberkelbacillen, Rotzbacillen). Es ist einleuchtend, daß die Vermehrung der saprophytischen Bakterien nicht ohne Rückwirkung auf die zersetzungsfähige Substanz, welche denselben zur Nahrung dient, bleiben kann, denn einmal werden derselben gewisse Stoffe entzogen, wodurch schon eine Spaltung der chemischen Bestandteile des Nährmaterials bedingt wird, und zweitens gehen die Stoffwechselprodukte der Bakterien, die zum Teil zu den Alkaloiden gehören, in das Nährmaterial über und können weitere chemische Verwandlungen und Wechselwirkungen herbeiführen.
Bei der Züchtung der Bakterien wird z. B. die hierzu verwendete Nährgelatine von gewissen Bakterienarten verflüssigt (peptonisiert), von andern nicht, was häufig als willkommenes Unterscheidungsmerkmal benutzt wird. Auf solchen Vorgängen beruhen die verschiedensten, oft überaus komplizierten Vorgänge der Gärung und Fäulnis. Von großer Bedeutung ist für den Verlauf jeder Gärung die spezielle Art der bei derselben zur Entwickelung gelangenden Mikroorganismen, und in der Gärungsindustrie hängt das ganze Gelingen des herzustellenden Nahrungs- oder Genußmittels davon ab, ob die richtigen Arten von Gärungserregern zur Entwickelung kommen. Es ist durch die zahlreichen und gründlichen Untersuchungen der berufensten Forscher, wie Pasteur, Cohn, Brefeld u. a., als erwiesen zu betrachten, daß die Mikroorganismen die alleinige Ursache jeder Gärung sind, und daß der Gärungsvorgang als eine physiologische Leistung der betreffenden Mikroorganismen zu betrachten ist.
Die alkoholischen Gärungen werden durch gewisse Hefearten, die sauern Gärungen (Milchsäure-, Buttersäure-, Essigsäuregärung) durch bestimmte Bakterien hervorgerufen. Schon hieraus ist zu ersehen, wie unberufene Gärungserreger die beabsichtigte alkoholische Gärung (z. B. bei Bier oder Wein) stören und neben ihr eine saure Gärung herbeiführen können. Die Verwendung von Hefereinkulturen ist daher ein Ideal der modernen Brauerei. Aber so einfach, wie diese Sache scheinen mag, ist sie nicht; man hat, besonders bei noch kompliziertern Gärungsvorgängen (Käsebereitung), gefunden, daß in den verschiedenen Stadien der Vergärung nicht bloß eine einzige Art von Hefen oder Bakterien den richtigen Gärungsverlauf hervorruft, sondern daß zwei oder mehrere Arten spezifischer Mikroorganismen entweder gleichzeitig auf das zu vergärende Material einwirken müssen (Symbiose), oder daß eine Art der andern zu folgen hat (Metabiose), wenn die Gärung gelingen, der Käse den gewollten Geschmack und die richtige Reife erhalten soll. Auch die Fäulnis, die Zerlegung stickstoffhaltiger Substanzen, vorzugsweise der Eiweißkörper, wird ausschließlich durch Bakterien hervorgerufen; es bilden sich bei dieser Spaltung der Eiweißkörper durch Bakterien stinkende Gase [* 14] sowie gewisse Alkaloide, über deren wahre Beschaffenheit man erst in jüngster Zeit die wichtigsten Aufschlüsse erhalten hat. Das Ende der durch die Bakterien ¶