mehr
»Verläßlichkeit in Beziehung auf das betreffende Gewerbe« (§ 23 des österreichischen Gesetzes vom betreffend die Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung) zu prüfen. In welcher Art vollends soll sich die Behörde von der im Gesetz geforderten »besondern Befähigung« ein Bild verschaffen? Am Ende trifft aber die Staatsverwaltung eine schwere Verantwortung, wenn sie nicht würdigen oder weniger fähigen Unternehmern die Konzession verleiht und dadurch das Publikum veranlaßt, dem betreffenden Auskunftsbüreau, welchem man andernfalls mit der größten Vorsicht entgegengetreten wäre, von vornherein vertrauensvoll zu begegnen.
Hiernach wäre auf diesem Gebiet an dem
Grundsatz der
Gewerbefreiheit festzuhalten; denn die solide Geschäftswelt,
welche den
Ruf der
Auskunftsbüreaus begründet und verbürgt, wird nur mit ehrenhaften und gut fundierten
Häusern verkehren,
Schwindelunternehmungen, welche allerdings gerade auf dem Gebiet des Auskunftsw
esens sich breit machen, werden daher stets
doch nur ein kurzes Dasein fristen.
Geschäftsumfang. Das größte Auskunftsbüreau in Deutschland [* 2] ist das von W. Schimmelpfeng in Berlin, [* 3] welcher bis zur Begründung seines Büreaus im J. 1872 Leiter der Filiale von Lesser u. Liman in Frankfurt [* 4] a. M. war. Die folgenden Zahlen veranschaulichen die Entwickelung dieses Büreaus im Laufe der letzten neun Jahre:
Geschäftsjahr | Personal | Abonnenten | Schriftliche Auskünfte | Kostenfreie Nachtragsberichte |
---|---|---|---|---|
1881 | - | - | 217628 ¹ | - |
1882 | 106 | 12441 | 257399 ¹ | - |
1883 | 144 | 15245 | 354766 | - |
1884 | 155 | 15685 | 410896 | - |
1885 | 164 | 16497 | 450651 | 39185 |
1886 | 223 | 18442 | 507239 | 40000 |
1887 | 242 | 21058 | 579402 | 50000 |
1888 | 272 | 22307 | 614974 | 60000 |
1889 | 283 | 23796 | 750000 | 55566 ¹ |
¹ Nur vom Zentralbüreau in Berlin.
Andre bedeutendere Auskunftsbüreaus sind die von Lesser u. Liman in Berlin, Wm. Schmeißer u. Komp. in Frankfurt a. M. und Wyß, Müller u. Komp. in Berlin. Die Höhe der Auskunftsgebühr beträgt in Deutschland:
Ein Abonnement von Zetteln | Bei Schimmelpfeng Deutschland u. Österreich-Ungarn | Bei Lesser u. Liman über Firmen in | Bei Wyß, Müller u. Komp. Deutschland u. Österreich-Ungarn | |
---|---|---|---|---|
Domizilplätzen des Büreaus | sonstigen Orten Deutschlands und Österreich-Ungarns | |||
Mark | Mark | Mark | Mark | |
500 | 460 | - | - | - |
400 | 370 | - | - | - |
300 | 280 | - | - | - |
200 | 190 | 120 | 225 | - |
100 | 100 | 70 | 120 | 105 |
50 | 55 | 40 | 65 | 60 |
25 | 30 | 22 | 35 | 33 |
10 | 15 | 10 | 15 | 14 |
6 | 10 | - | - | - |
Die Auskünfte über das Ausland werden gegen größere oder kleinere Zuschlagssummen erteilt. Weit höhere Gebühren berechnen die beiden größten amerikanischen Büreaus, The Mercantile Agency of America und The Bradstreet Company. Dieselben verlangen von ihren Abonnenten für fortlaufende Informationen über 100 Firmen eine Gebühr von 400 Mk., über 75 Firmen 325 Mk., über 25 Firmen 150 Mk., über 10 Firmen 100 Mk., über eine Firma 20 Mk. Außerdem kosten die in Amerika [* 5] üblichen Referenzbücher der Mercantile Agency in einer Auflage 100 Mk., in zwei Auflagen 150 Mk., in vier Auflagen 275 Mk.
Juristische Haftbarkeit der Auskunftsbüreaus. Betrachten wir zunächst die Stellung, welche der Inhaber eines Auskunftsbüreaus im Privatrechtsverkehr einnimmt. Es ist eine vielumstrittene Frage, ob der Leiter eines Auskunftsbüreaus als »Kaufmann« im Sinne des Art. 4 des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches zu gelten habe. Das Reichsoberhandelsgericht hat diese Frage in einer Entscheidung vom bejaht, jedoch nur im Hinblick darauf, daß der Auskunftserteilende aus andern Gründen (infolge des Betriebs von Inkassogeschäften) bereits Kaufmann war. Demnach hätte der Leiter eines lediglich zur Erstattung von Auskünften bestimmten Büreaus nach der Ansicht des höchsten Gerichtshofs die Kaufmannseigenschaft nicht. Übrigens ist diese theoretisch sehr interessante Frage von nur geringer praktischer Bedeutung, da alle einschlägigen Rechtsfragen nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (nicht des Handelsrechts) zur Entscheidung gelangen.
Von hervorragendem Interesse ist zunächst die rechtliche Stellung des Auskunftsbüreaus gegenüber dem Anfragenden. Das Rechtsverhältnis, welches zwischen den beiden Kontrahenten besteht, ist nach der juristischen Terminologie ein Werkvertrag (locatio conductio operis). Daraus folgt, daß beide Teile, wenn eine anderweitige Verabredung nicht getroffen ist, kraft Gesetzes sich gegenseitig für jede noch so geringe Fahrlässigkeit verantwortlich sind (Haftung für culpa levis).
Dem Abonnenten erwächst erst dann ein Anspruch auf Schadenersatz, wenn er nachzuweisen vermag, daß die fahrlässigerweise gegebene Auskunft Ursache eines Vermögensschadens war (Nachweis des Kausalzusammenhanges). Nun wird aber von den Auskunftsbüreaus, welche eine so schwere Haftung ohne die größte Gefährdung nicht auf sich nehmen können, durch besondere (meist gedruckte) Vertragsklauseln »jede Verantwortlichkeit« für unrichtig erteilte Auskünfte von vornherein abgelehnt. Die Gültigkeit solcher Abmachungen steht juristisch außer Zweifel. Nur wegen Arglist (dolus) haften die Büreaus stets. Denn eine Vereinbarung, durch welche die Haftung für Arglist ausgeschlossen wird, ist, da sie gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Dagegen liegt in der oben genannten Klausel die nach richtiger Ansicht rechtlich zulässige Ablehnung der Verantwortung für eine noch so weitgehende Fahrlässigkeit (culpa lata).
Was die Höhe des zu leistenden Schadenersatzes betrifft, so haftet das Auskunftsbüreau dem Anfragenden nicht nur für den effektiven Schaden, sondern auch für den entgangenen Gewinn.
Sehr häufig wird in den Vertragsklauseln (s. oben) dem Anfragenden die Verpflichtung auferlegt, die Auskunft der Büreaus »diskret« zu benutzen. Für den Fall der Indiskretion müsse der Anfragende für jeweden ^[richtig: jedweden] Schaden haften, welchen das Büreau hierdurch erleide. Daneben wird nicht selten das Recht der Einziehung des noch laufenden Abonnements als Konventionalstrafe ausbedungen. Auch diese Abmachungen sind rechtlich verpflichtend. Nur für den Fall, daß das Büreau sich durch die Auskunft einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat (s. unten), besteht für den Abonnenten keine Pflicht zur Diskretion, ¶
mehr
da das Verschweigen rechtswidriger Handlungen nicht Gegenstand einer Obligation sein kann.
Am schwierigsten ist wohl die Beantwortung der Frage, ob und wann der »Angefragte«, d. h. der Kreditsuchende, über welchen den thatsächlichen Verhältnissen widersprechend ungünstig berichtet worden ist, einen Anspruch aus Schadenersatz gegen das Büreau hat. Nach gemeinem Rechte, welches wir in allen von uns aufgeworfenen Fragen unsrer Entscheidung zu Grunde gelegt haben, ist ein Anspruch begründet, aber nach richtiger Ansicht nur dann, wenn die Auskunft doloserweise erteilt wurde.
Ist der Auskunfterteilende auch strafrechtlich wegen ungünstiger Berichte verfolgbar? Zunächst sei hier allgemein bemerkt, daß die weitverbreitete Ansicht, jeder Leiter eines Auskunftsbüreaus müsse bei der Abfassung seiner Berichte ängstlich darauf Bedacht nehmen, daß er mit dem Strafrichter nicht in Berührung komme, der Begründung entbehrt. Die Praxis lehrt, daß die Gerichte mit derartigen Strafprozessen sich selten zu befassen haben, und daß solche Prozesse in den allerseltensten Fällen mit einer Verurteilung des Auskunftgebers endigen. Einer Abänderung des geltenden Strafrechts zu gunsten der Auskunftsbüreaus bedarf es daher unter den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen nicht.
Selbstverständlich sind die Auskunftsbüreaus nicht wegen jedes ungünstigen Berichts verantwortlich, mag derselbe auch dazu beitragen, den Kredit des Angefragten zu gefährden oder ihn gar »in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen«. Sobald dem Büreau der Nachweis gelingt, daß die von ihm aufgestellten Behauptungen der Wahrheit entsprechen, ist es in keinem Falle strafbar (§ 186 des Strafgesetzbuchs). Aber auch dann, wenn dieser immerhin schwierige Beweis nicht zu führen ist, wird der Richter nach geltendem Rechte den Auskunftgeber freisprechen müssen.
Selbst für den Fall, daß das Büreau mit einer unverzeihlichen Fahrlässigkeit bei der Krediterkundigung zu Werke gegangen ist, wird der geschädigte Kreditnehmer durch Anrufen des Strafrichters eine strafrechtliche Ahndung nicht erwirken. Denn es unterliegt nach der herrschenden Judikatur des Reichsgerichts keinem Zweifel, daß dem Auskunftgeber der Schutz des § 193 des Strafgesetzbuchs zur Seite steht. Nach dem genannten Paragraphen sind Äußerungen, welche »zur Wahrnehmung berechtigter Interessen« gemacht werden, nur dann strafbar, wenn »das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht«.
Die Büreaus nehmen ebenso wie der Private, welcher seinem Geschäftsfreund Auskunft erteilt, berechtigte Interessen wahr, indem sie das Urteil des Anfragenden über die Kreditwürdigkeit der angefragten Firma begründen oder unterstützen. Büreaus, die es mit ihrer schweren und verantwortungsvollen Aufgabe Ernst nehmen, werden nicht absichtlich ihren Bericht in eine beleidigende Form kleiden. Sie handeln aber innerhalb der Grenzen [* 7] des § 193 und sind nicht strafbar, wenn sie die erhaltenen Informationen deutlich und ungeschminkt wiedergeben.
Nur in einem Falle ist der Auskunftgeber strafbar, nämlich dann, wenn er wider besseres Wissen eine unwahre Thatsache berichtet und dadurch absichtlich den Kredit des »Angefragten« gefährdet (§ 187 des Strafgesetzbuches). Hier kann natürlich von einer Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht die Rede sein, da der Anfragende ja gerade durch die Auskunft irre geleitet wird. Es bedarf keiner Ausführung darüber, daß diese Bestimmung dem Rechtsgefühl des Volkes, der Geschäftswelt und aller redlichen Inhaber von Auskunftsbüreaus vollkommen entspricht.
Ebenso wie auf dem Gebiet des Zivilrechts ein Anspruch des Kreditsuchenden auf Schadenersatz rechtlich nur dann begründet ist, wenn der Auskunftgeber doloserweise ungünstig über ihn berichtete (s. oben), ebenso setzt sich der Leiter des Büreaus nur in dem Fall einer strafrechtlichen Verfolgung aus, da er in arglistiger Weise den Kredit des Angefragten schädigt. Der zur Diskretion verpflichtete Abonnent aber ist zivilrechtlich nicht belangbar, wenn er eine solche Auskunft dem Angefragten zur Geltendmachung seiner Rechte aushändigt (s. oben).
Vgl. W. Schimmelpfeng, Die Konsulate und die Krediterkundigung im Ausland (Berl. 1884), O. Gerlach, Die berufsmäßige Krediterkundigung in Deutschland (in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik«, neue Folge, Bd. 20, Heft 2);
Eheberg im »Handwörterbuch für Staatswissenschaften«, Bd. 1 (Jena [* 8] 1890).