mehr
IV. Regelung der Arbeit jugendlicher Arbeiter.
1) Soll die Arbeit jugendlicher Arbeiter, welche die Kinderjahre (III, 2) bereits überschritten haben, in gewerblichen Anlagen gewissen Beschränkungen unterworfen sein? 2) Bis zu welcher Altersgrenze sollen diese Beschränkungen stattfinden? 3) Welche Beschränkungen würden vorzuschreiben sein? 4) Sollen für gewisse Kategorien der Betriebe Ausnahmen von der allgemeinen Regel vorgesehen werden?
V. Regelung der Frauenarbeit.
1) Soll die Tag- oder Nachtarbeit der verheirateten Frauen gewissen Beschränkungen unterworfen werden? 2) Soll die Arbeit in Fabriken für alle Frauen und Mädchen gewissen Beschränkungen unterworfen werden? 3) Welche Beschränkungen wären in diesem Falle zu empfehlen? 4) Sollen für gewisse Kategorien der Betriebe Ausnahmen von der allgemeinen Regel vorgesehen werden, und welches wären im vorliegenden Falle diese Kategorien?
VI. Ausführung der von der Konferenz angenommenen Bestimmungen.
1) Sollen Maßregeln hinsichtlich der Ausführung der von der Konferenz anzunehmenden Bestimmungen und hinsichtlich der Überwachung dieser Maßregeln getroffen werden? 2) Empfiehlt es sich, Delegierte der beteiligten Regierungen von Zeit zu Zeit zu einer Konferenz einzuberufen, und welche Punkte sollen ihre Beratungen umfassen?
Die Konferenz hatte den Charakter einer freien Konferenz, ihre Beschlüsse sind für die beteiligten Regierungen nicht bindend. Das in der ersten Sitzung (15. März) angenommene Geschäftsreglement bestimmte, daß das Ergebnis der Beratungen einer Schlußredaktion unterzogen und in einem Protokoll festgestellt werden sollte, welches im übrigen der Prüfung der beteiligten Regierungen unterworfen bleibt. Die Beschlüsse wurden deshalb in der Form von Wünschen gefaßt.
Was die Behandlung der Fragen betrifft, so sah zwar der Art. 2 des Geschäftsreglements eine allgemeine Diskussion über die einzelnen Fragen vor, aber jeder Delegierte hatte eine gewisse Scheu, eine solche Diskussion zu veranlassen, weil zu befürchten war, daß die Delegierten aller Staaten eingehend ihre Instruktionen und die vielfach divergierenden Gesichtspunkte auseinandersetzen würden und dadurch ein erwünschtes Ergebnis der Beratungen in Frage gestellt werden könnte.
Man einigte sich daher in der zweiten Sitzung (17. März) auf den Vorschlag von Deutschland [* 2] dahin, sofort drei Kommissionen zu ernennen, eine für die Arbeit in Bergwerken, eine für die Sonntagsruhe und eine für die Arbeit der Kinder, jugendlichen Arbeiter und Frauen, welche die einzelnen Fragen des Programms beraten und das Ergebnis der Beratung der Konferenz vorlegen sollten. In der dritten Sitzung (22. März) wurde dieser Beschluß noch dahin ergänzt, daß die zweite Kommission (die für die Sonntagsruhe) auch Punkt VI des Programms, d. h. die Frage untersuchen solle, in welcher Weise die von der Konferenz gefaßten Beschlüsse in Ausführung gesetzt werden sollen. Den Delegierten wurde eine ausführliche, von dem deutschen Geheimen Oberregierungsrat Lohmann verfaßte Zusammenstellung der Gesetzgebung der beteiligten Staaten, betreffend die Regelung der Sonntagsarbeit und der Arbeit der Kinder, jugendlichen und weiblichen Arbeiter, übergeben.
Der Schwerpunkt [* 3] der Verhandlungen lag in den Kommissionssitzungen, dort wurden die einzelnen Gegenstände eingehend besprochen. Die Kommissionsberichte wurden in der vierten Sitzung (26. März) verlesen, die Beratung und Beschlußfassung über dieselben im Plenum erfolgte in zwei weitern Sitzungen der Konferenz (27. und 28. März). Eine eigentliche Debatte über die Anträge der Kommissionen fand nicht mehr statt, es wurden im wesentlichen nur kurze Erklärungen der Delegierten über die Stellung ihrer Regierungen zu den einzelnen Anträgen abgegeben, die zumeist auch schon in der Kommissionsberatung vorgebracht worden waren, und alle Anträge der Kommissionen genehmigt. In der letzten, siebenten Sitzung (29. März) wurde das Schlußprotokoll mit dem Wortlaut der von der Konferenz ausgesprochenen Wünsche festgestellt.
Wir geben nachstehend einen Bericht über die Verhandlungen bezüglich der einzelnen Gegenstände des Programms und den Wortlaut der Konferenzbeschlüsse.
I. Die Regelung der Arbeiten in den Bergwerken.
In der Kommission, in welcher Dänemark, [* 4] Portugal, [* 5] Schweden [* 6] und die Schweiz [* 7] nicht vertreten waren, wurden bei der Beratung der einzelnen Fragen von den Delegierten die gegenwärtigen Zustände und die gesetzlichen Bestimmungen in ihren Ländern geschildert.
1) Die erste Frage betraf die Frage des Verbots der unterirdischen Arbeit für Kinder unter einem gewissen Alter und für Personen weiblichen Geschlechts. Bezüglich der Kinderarbeit in Bergwerken zeigen die Gesetzgebungen sehr große Unterschiede. In Österreich [* 8] beträgt für die Arbeit über Tage das Altersminimum der Zulassung des Kindes 12 Jahre, mit Beschränkungen, welche seine physische Entwickelung und die Erfüllung der staatlichen Schulpflicht sicherstellen.
Für die Arbeit unter Tage ist diese Grenze auf 14 Jahre erhöht. In Ungarn [* 9] ist das Zulassungsalter für die Bergwerke dasselbe wie für alle Industrien (10 Jahre); ein Unterschied zwischen Arbeit über und unter Tage wird nicht gemacht. Aber die Fabrikinspektoren sind bemüht, die Zulassung der Kinder unter 14 Jahren in den Bergwerken zu beschränken. Thatsächlich arbeiteten in den Bergwerken im J. 1889 nur 9 Kinder von 12 Jahren und 780 von 12-14 Jahren. In Belgien [* 10] beträgt das Altersminimum seit 1884 für die Tagesarbeit 12 Jahre (bis 1884 nur 10 Jahre), für die Nachtarbeit kann der König die Zulassung vom 14. Jahre an gestatten.
Unter den in Erzgruben unterirdisch beschäftigten Arbeitern (1070) gibt es keine einzige weibliche Person und nur 15 jugendliche Arbeiter unter 18 Jahren. Dagegen sind in den Kohlenbergwerken 2747 Kinder von 12-14 Jahren und 4792 jugendliche Arbeiter von 14-16 Jahren beschäftigt; die Verwendung derselben wird als unumgänglich notwendig bezeichnet, da ihnen bei dünnern Schichten das Zuschütten zur Sicherung der gesundheitlichen Verhältnisse, des Aufenthalts im Bergwerk sowie der Befestigung der Abbausohlen obliegt. In Frankreich dürfen Kinder unter 12 Jahren und Mädchen bei unterirdischen Arbeiten nicht verwendet werden.
Knaben von 12 bis 16 Jahren dürfen nur 8 von 24 Stunden arbeiten, mit einer Ruhepause von mindestens 1 Stunde; jede anstrengende Arbeit, wie Häuern, Bohren, Ausfüttern etc., ist ihnen untersagt; wenn sie bei den Wettermaschinen beschäftigt sind, dürfen sie nur 4 Stunden, mit einer halbstündigen Unterbrechung, beschäftigt werden. Nach einem neuen Gesetzentwurf, dessen Annahme wahrscheinlich ist, soll das Eintrittsalter auf 13 Jahre erhöht werden und eine Zulassung von ¶
mehr
Zwölfjährigen ausnahmsweise nur dann statthaft sein, wenn sie vorschriftsmäßige Zeugnisse über Schulkenntnisse und physische Befähigung beibringen. Im J. 1887 betrug in Frankreich und Algerien [* 12] die Zahl der Kinder und jugendlichen Arbeiter von 12-16 Jahren in den Kohlenbergwerken: unter Tage 4462, über Tage 3243, in andern Bergwerken: unter Tage 42, über Tage 239. Von den Delegierten wurde bemerkt, daß die Erhöhung der Altersgrenze auf 14 Jahre unter Beibehaltung einer Altersgrenze von 13 Jahren für die andern Industrien die Rekrutierung der Bergarbeiter in den Gegenden, wo die Arbeitskräfte wenig zahlreich sind, und wo folglich die Rekrutierung schwierig ist, sehr erschweren würde. In Großbritannien [* 13] ist den Knaben unter 12 Jahren und den Mädchen unter 16 Jahren die unterirdische Arbeit verboten, Knaben unter 16 Jahren dürfen nicht mehr als 54 Stunden wöchentlich und täglich nicht mehr als 10 Stunden unter Tage arbeiten.
In den Kohlenbergwerken arbeiteten im J. 1888 unter Tage: Knaben von 12-16 Jahren 42,046, Knaben von 12 Jahren vorübergehend 127, über Tage: Knaben von 12-13 Jahren 228, von 13-16 Jahren 8729, Mädchen von 12-13 Jahren 2, von 13-16 Jahren 303. In Italien [* 14] ist für unterirdische Arbeit das Zulassungsalter 10 Jahre. Kinder von 10-12 Jahren dürfen höchstens 8 Stunden täglich arbeiten, die Nachtarbeit derselben ist verboten. Knaben von 12-15 Jahren dürfen nachts nicht länger als 6 Stunden arbeiten. Im J. 1888 wurden beschäftigt in den sizilischen Schwefelbergwerken (Kinder unter 14 Jahren): Knaben 5966, Mädchen 20, in den Schwefelbergwerken der Romagna und der Marken: 50 Kinder, in den Bergwerken auf Sardinien: [* 15] 499 Knaben, 218 Mädchen. In Spanien gibt es hinsichtlich der Kinderarbeit keine allgemeinen Bestimmungen, nur bei den Quecksilberminen von Almaden ist die Arbeit Beschränkungen unterworfen; ein in Vorbereitung befindlicher Gesetzentwurf normiert das Minimalalter für die Arbeit unter Tage auf 9 Jahre. In Luxemburg darf vor vollendetem 16. Jahre keine Person bei unterirdischen Arbeiten verwendet werden.
Ein neuer Gesetzentwurf schützt auch die Jünglinge von 16-18 Jahren; er bestimmt, daß sie beim unterirdischen Bergbau [* 16] nur zu leichten Arbeiten herangezogen werden dürfen. In Holland gibt es nur einige Erzgruben und ein Kohlenbergwerk. Beschränkende Bestimmungen existieren nicht, können aber vom König erlassen werden. Thatsächlich ist kein Arbeiter unter 18 Jahren unter Tage beschäftigt. Auch in Norwegen fehlen gesetzliche Bestimmungen, thatsächlich arbeiten aber weder weibliche Personen noch Kinder in den Bergwerken.
Nach einem Gesetzentwurf sollen Kinder von 13-14 Jahren und weibliche Personen unter 18 Jahren nicht unter Tage arbeiten dürfen. In Deutschland ist die Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren unbedingt und die Beschäftigung unter Tage vor vollendetem 14. Jahre verboten. Im J. 1888 arbeiteten unter 295,824 Arbeitern 286 Kinder von 12-14 Jahren über Tage und 9548 jugendliche Arbeiter von 14-16 Jahren, von welchen 882 unter Tage und 8666 über Tage beschäftigt waren.
Hiernach schwankt in den Staaten die untere Altersgrenze für die Arbeit unter Tage zwischen 9 und 16 Jahren. Dem Antrag Deutschlands, [* 17] eine solche von 14 Jahren zu befürworten, widersprachen die Delegierten von Italien und Spanien für ihre Länder, weil das Jünglingsalter in denselben früher heranreife; sie acceptierten nur eine Altersgrenze von 12 Jahren. Mit Rücksicht auf die Erklärung der Delegierten von Belgien und Frankreich, daß eine Änderung ihrer Gesetzgebung über die bisherige, resp. beabsichtigte Grenze jedenfalls zur Zeit nicht möglich sei, wurde einstimmig von der Kommission beschlossen: »Es ist wünschenswert, daß die untere Grenze des Alters, innerhalb welcher Kinder bei unterirdischen Arbeiten beschäftigt werden dürfen, allmählich auf volle 14 Jahre erhöht werde, je nachdem die Erfahrung die Möglichkeit der Erhöhung dargethan haben wird.« Und mit neun Stimmen, unter Stimmenthaltung von Großbritannien und Frankreich, wurde hinzugefügt: »Für die südlichen Länder jedoch würde diese Altersgrenze die von 12 Jahren sein.« Frankreich enthielt sich der Abstimmung;
nicht weil es Einwendungen zu erheben hatte, sondern weil es in dieser Frage nicht interessiert sei, beschränke es sich darauf, von dem durch die südlichen Länder ausgesprochenen Wunsch Akt zu nehmen.
Großbritannien gab die Erklärung ab, daß es die Verantwortung nicht auf sich nehmen könne, den Kindern in den südlichen Staaten die Wohlthat der Erhöhung der Altersgrenze auf 14 Jahre vorzuenthalten. Im Plenum wurde der erste Satz mit 13 Stimmen (Stimmenthaltung von Dänemark, weil es keine Bergwerke hat, und Spanien), der Zusatz mit 10 Stimmen gegen 1 (Großbritannien) und 4 Stimmenthaltungen (Belgien, Dänemark, Frankreich, Schweiz) angenommen. Aus eine Untersuchung der Beschränkungen, welche die Arbeit der jugendlichen Arbeiter von 14-16 Jahren erfordern möchte, beschloß die Kommission nicht einzugehen; die Regelung dieses Punktes sei jedem einzelnen Staate zu überlassen.
Die Arbeit weiblicher Personen unter Tage war in Belgien vor Erlaß der Bergwerksordnung vom schon vom 12. Jahre ab gestattet. Der Artikel 69 dieser Ordnung schloß Mädchen unter 14 Jahren von dieser Arbeit aus. Ende 1887 beschäftigten die Kohlenbergwerke 77,490 Arbeiter, darunter 3961 Frauen und Mädchen unter Tage, aber nur ausnahmsweise verheiratete Frauen. Das neue Gesetz vom verbietet vom ab Mädchen und Frauen unter 21 Jahren die Arbeit unter Tage. In Spanien dürfen nach dem Gesetz von 1873 Frauen in den Bergwerken arbeiten, der Fall kommt aber nur selten vor. In Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Österreich ist jede unterirdische Arbeit weiblicher Personen verboten. In Italien und Holland besteht kein gesetzliches Verbot, aber weibliche Personen arbeiten nicht in den Bergwerken. In Holland kann nach einem kürzlich erlassenen Gesetz ein solches Verbot für Frauen und Mädchen jeden Alters vom König erlassen werden. In Luxemburg dürfen nach einem Gesetzentwurf Frauen und Mädchen jeden Alters nicht zur Arbeit unter Tage zugelassen werden. Schweden und Norwegen haben keine gesetzlichen Bestimmungen. Das Verbot der Arbeit weiblicher Personen unter Tage wurde in der Kommission einstimmig, ebenso im Plenum, hier mit Stimmenthaltung von Dänemark, angenommen.
2) Der zweite Gegenstand der Beratung war die Frage, ob der Arbeitstag in besonders gesundheitsgefährlichen Bergwerken Beschränkungen unterliegen solle. Einstimmig wurde in der Kommission und ebenso im Plenum, hier mit Stimmenthaltung von Dänemark, angenommen: »Es ist wünschenswert, daß in den Fällen, wo die Bergbaukunst nicht ausreichen würde, um alle Gefahren für die Gesundheit ¶