mehr
Kjökkenmöddinger fehlt jede Kornfrucht. Am häufigsten ist unter den vorgeschichtlichen Weizenfunden Triticum vulgare und zwar die kleinere Spielart desselben, von Heer deshalb als T. antiquorum bezeichnet. Spelz (T. spelta) fehlt unter den vorgeschichtlichen Funden gänzlich, auch die Römer [* 2] scheinen ihn noch nicht gekannt zu haben. Vereinzelt, z. B. auch unter den trojanischen Funden, kommt das Einkorn (T. monococcum) vor, häufiger der Bartweizen (T. turgidum), wahrscheinlich ein Kreuzungsprodukt.
Die Heimat des Weizens sucht Vortragender in den Gebieten zwischen Ägypten, [* 3] Kleinasien und Griechenland. [* 4] Die Gerste [* 5] dagegen stammt wohl aus Ägypten, wo sie sich in den ältesten Grabkammern findet, während sie unter den Funden Europas seltener ist als der Weizen. Am häufigsten findet sich die sechszeilige Gerste sowie eine kleinere Art derselben (Hordeum sanctum Heer), minder häufig die zweizeilige, nirgends die vierzeilige, die wohl erst in späterer Zeit durch Kreuzung jener beiden gezüchtet worden ist.
Den Roggen erwähnt zuerst Plinius, er gibt an, die Tauriner in den Alpen [* 6] bauten Secale. Früher und südlicher ist keine Spur des Roggens zu finden, weder in den altägyptischen Gräbern noch in den Schweizer Pfahlbauten [* 7] der Steinzeit. [* 8] Die indischen und semitischen Sprachen besitzen keinen Ausdruck für Roggen. Der älteste Roggenfund gehört dem Pfahlbau von Olmütz [* 9] (Bronzezeit) an; dann tritt die Frucht häufiger in den mittelalterlichen slawischen Ansiedelungen auf.
Jedenfalls haben die Slawen den Roggen, dessen Name selbst slawisch ist, aus Osteuropa (Rußland) nach Westen gebracht. Hafer [* 10] war in Assyrien, Judäa, Ägypten unbekannt. In China [* 11] wird er etwa 800 n. Chr. zum erstenmal erwähnt. Die ältesten Haferfunde entstammen dem bronzezeitlichen Pfahlbau von Montelier, der Petersinsel und Hallstatt. Diese drei südlich der Alpen gelegenen Funde sind die einzigen bis zum Mittelalter, wo dann der Hafer nördlich der Alpen erscheint und häufig angetroffen wird.
Das Hafermus der alten Deutschen, welches Plinius erwähnt, erscheint dem Redner deshalb nicht ganz zweifellos; als Heimat des Hafers betrachtet er die Ostseeländer. Die wilde Art des Weinstocks ist in Europa [* 12] heimisch, und zwar erscheint die Gattung Vitis bereits in der Tertiärzeit. Aus der Steinzeit liegt ein Fund von Rebenresten vor, der dem Pfahlbau Bovere im Scheldethal entnommen wurde. Mehrfach stieß man auf Weintraubenkerne in den italienischen Terramaren.
Diese Kerne gehören einer kleinen, vermutlich wild wachsenden Art des Weinstocks an. Ob diese Art auch angebaut wurde, ist zweifelhaft; nirgends in den Terramaren finden sich Spuren von Geräten zur Kelterung des Weins. Auch die Topfreste der Terramaren sind aus so porösem Stoff, daß sie nicht zur Aufbewahrung des Weins gedient haben können. Dagegen ist im alten Griechenland die Rebenkultur im ausgedehnten Maß betrieben worden. Schon Homer beschreibt sie. Als Heimat des Weinstocks bezeichnet Redner den Süden des Kaukasus. Das Schlußergebnis der Ausführungen geht dahin: Die ersten Kulturpflanzen treten in der jüngern Steinzeit auf;
neben Weizen und Gerste finden sich Bohnen, Erbsen, Linsen, Flachs, Hirse, [* 13] Weintrauben.
Der Mensch der ältern Steinzeit trieb noch keinen Pflanzenbau, er lebte vielmehr von Jagd und Fischfang, bis, wie Redner vermutet, die Arier den Ackerbau nach Europa verpflanzten.
Prof. Ascherson ergänzte den Vortrag durch einige Bemerkungen über die Stammformen unsrer Getreidearten, wie solche durch neuere und neueste Forschungen bestimmt worden sind. So hat Körnicke überzeugend nachgewiesen, daß der Roggen nicht, wie früher angenommen, von dem in den Steppenländern wachsenden Secale fragile, sondern von dem am östlichen Mittelmeer heimischen S. montanum abstammt. Die Urform unsers Weizens ist das Einkorn (Triticum monococcum), welches von T. dicoccum wohl zu unterscheiden ist. Die Gerste ist auf Hordeum spontaneum zurückzuführen; Taubert hat diese Art neuerdings in der Kyrenaika wild wachsend angetroffen. Auch der Hafer stammt von Arten, die im Gebiete des Mittelmeers [* 14] heimisch sind.
In der dritten Sitzung berichtete Prof. Schaaffhausen über die Fortschritte des Schädelkatalogs; man dürfe hoffen, es werde der knöcherne Kodex der Schädellehre [* 15] mit seinen genauen Angaben über 9-10,000 Schädel binnen zwei Jahren vollendet sein. Bei Erwähnung der Vorschläge zur Erweiterung der Körpermessung gedachte Redner der an Studierenden der Universität Cambridge ausgeführten Messungen. Die jungen Leute standen im Alter von 19-24 Jahren. Sie wurden nach ihrer geistigen Begabung in drei Gruppen geteilt, und es zeigte sich nun, daß bei den minder Begabten der Schädel bereits mit dem 19. Lebensjahr seinen größten Umfang erreicht hatte, während er bei den Bestbeanlagten bis zum 24. Jahre wuchs.
Die Körperkraft war aber bei den geistig Unbedeutendern merklich höher als bei den geistig Höherstehenden; sie erreichte durchschnittlich im 23. Jahre ihren Höhepunkt, und auch die Atmungsgröße entsprach dem, insofern die Lungen im 23. Jahre ihre höchste Leistung äußerten. Prof. Ranke - München [* 16] berichtete über Rekrutenmessungen in Bayern, [* 17] welche von der Militärbehörde unter der Bedingung gestattet worden waren, daß die Leute zu denselben nicht gezwungen werden sollten.
Indessen entzogen sich von 1200 Rekruten nur 9 den Messungen, die ohne Störung des Aushebungsgeschäfts, aber mit einem Kostenaufwand von 25 Pf. pro Mann ausgeführt wurden. Man nahm dabei mit Ausnahme der Ohrhöhe alle in Wien [* 18] als wünschenswert bezeichneten Maße. Generalarzt Friedrich befürwortete die Ausführung derartiger Körpermessungen in größern Spitälern. Die vorgeschichtliche Karte von Deutschland [* 19] schreitet rüstig fort und wird bereits im nächsten Jahre in großen Teilen vorliegen.
Nunmehr sprach Dr. Finke - Münster [* 20] über die Urgeschichte Westfalens bis zur Einführung des Christentums. Redner widmete eingehende Erörterung der vielumstrittenen Schlacht im Teutoburger Walde, besprach dann die geschichtliche Entwickelung der einzelnen germanischen Stämme, soweit sie Westfalen [* 21] berührt haben, und schloß mit einem Überblick über die Entwickelung der Kulturzustände auf der roten Erde während der besprochenen geschichtlichen Periode.
An den Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Debatte zwischen Virchow und Nordhoff über das Alter der westfälischen Hünengräber. Für den nächstjährigen Kongreß wurde dann Königsberg [* 22] gewählt. Aus der Vorstandswahl gingen Virchow als erster, Schaaffhausen als zweiter und Waldeyer als dritter Vorsitzender hervor. Dann sprach Dr. Hachwitz - Bochum [* 23] über die volksgebräuchlichen Freudenfeuer, Osterfeuer, Johannisfeuer. Bei seinen Forschungen ist dem Redner aufgefallen, daß wo die Osterfeuer nach Süden aufhören, die Johannisfeuer beginnen. Erstere hat Redner verfolgt von Zerbst [* 24] aus über Bernburg, [* 25] den Südharz, den Kyffhäuser, die Hainleite, das Eichsfeld, den Hüffelsberg bei Eschwege bis zum Meißner. Im hessischen Lande fand er sie ¶
mehr
nicht mehr vor, plötzlich aber wieder im Siegener Lande. Er bittet nun um Nachrichten, wie weit das Osterfeuer nach Osten und Westen über die bezeichnete Strecke hinausgeht, ebenso über die Verbreitung der mit den Freudenfeuern verbundenen Volksbräuche. Prof. Ranke - München berichtet über die Durchforschung der Steinbachhöhle bei Sulzbach in Bayern. Beim Aufräumen eines längere Zeit durch herabgeworfene Steine verschüttet gewesenen Ganges fand man eine schräge Mauer, aus Geröllsteinen und Höhlenschlamm errichtet, und hinter dieser Mauer, welche einen Felsenspalt verschloß, eine große Anzahl Skelette, deren Schädel ausgesprochene Dolichokephalie zeigten, während die der jetzigen Bevölkerung [* 27] brachykephal sind. In Verbindung mit der Beschaffenheit der bei den Skeletten gefundenen Gefäßscherben rechtfertigt dieser Umstand den Schluß, daß diese unterirdische Begräbnisstätte vor oder während der Völkerwanderung angelegt ist.
Eine neben der Mauer aufgefundene Brandstelle ergab keine weitere Aufklärung. Dr. Naue - München sprach über einen zu Mykenä [* 28] gefundenen Goldschmuck, dessen Charaktere auf barbarische Abstammung deuten. Nach der Ansicht des Vortragenden dürfte der Schmuck mit dem Zuge des Alarich nach Makedonien und Griechenland hinein zusammenhängen. Zum Schlusse sprach Prof. Waldeyer über die Gehirne des Menschen und der anthropoiden Affen. [* 29] Mit Hilfe vorzüglicher, in sehr großem Maßstab [* 30] angelegter Zeichnungen veranschaulichte der Redner die Form der in Betracht kommenden Gehirne mit ihren typischen Windungen und Furchen und erörterte die große Ähnlichkeit [* 31] des Menschengehirns mit demjenigen des Gorillas, des Schimpansen, des Orang-Utans und des Gibbons.
Diese Ähnlichkeit ist sehr viel größer als diejenige des Affengehirns mit dem Gehirn [* 32] tiefer stehender Tiere. Indessen sind doch auch regelmäßig wiederkehrende Unterschiede unverkennbar. Einmal ist beim Menschen eine gewisse von der Mittelrinne etwa auf halber Länge dieser und ungefähr rechtwinkelig zu ihr nach beiden Seiten auslaufende Furche, die beim Assen sehr lang und tief ist und deshalb Affenspalte heißt, nur angedeutet, ferner ist der Hinterhauptlappen beim Menschen ungleich mehr ausgebildet, was wiederum einen mehr longitudinalen Verlauf der diesen Lappen vom Scheitellappen trennenden Rinne veranlaßt, und endlich ist an der mit dem Sprachzentrum in Verbindung stehenden Hirnpartie das Menschengehirn viel reicher an Windungen, während beim Affen eine lange Furche diese Partie in zwei Teile zerlegt und so die Windungen abschneidet. Nach einigen Bemerkungen Virchows über die Festschrift: »Die Bilsteinhöhle bei Karthaus« wurde die Versammlung geschlossen.
Beim Besuch der Binoller Höhle auf einer der Exkursionen der Gesellschaft wurden eigentümliche Stalaktiten beobachtet. Während Stalaktiten ihrer Entstehung zufolge stets senkrecht herabhängen, findet man hier Zäpfchen, die unten scharf im rechten Winkel [* 33] umbiegen, wagerecht weitergehen, hierbei zuweilen sich krümmen und namentlich am Ende oft hakig aufwärts gebogen sind. Ein Erklärungsversuch nimmt den heftigen Luftzug zur Hilfe, der zur Zeit der Bildung dieser Zäpfchen durch die Höhle gegangen sein und die einseitige Verdunstung des kalkhaltigen Wassers bewirkt haben soll. Da nun aber ziemlich benachbarte Zäpfchen nach ganz verschiedenen Richtungen umbiegen, müßte man schon einen sehr häufigen Wechsel der Zugrichtung annehmen. Nun findet man aber gar einen Deckenzapfen, von welchem kleinere Zäpfchen nach verschiedenen Richtungen sich abzweigen, ähnlich dem Fußwerk einer Spinne. Da kann jene Erklärung kaum noch zutreffen. Vielleicht kann die Annahme einer allmählichen Verschiebung der Punkte des Abtröpfelns die Erklärung herbeiführen.