einer bestimmten Anlauffarbe bei Stahl von der Härte desselben und in noch höherm Grade von seiner Zusammensetzung abhängt,
daß aber nicht minder die Art der Erwärmung, die Höhe der Temperatur und die Dauer ihrer Einwirkung von wesentlicher Bedeutung
ist. Der Eintritt des Orange und des Dunkelblau erfordert auf gehärtetem Stahl durchweg eine erheblich
höhere Temperatur als auf ungehärtetem. Für Meergrün tritt bei deutschem und englischem Stahl dieser Unterschied ebenso
deutlich hervor, nur bei Wolframstahl wird er fast unmerklich, vermutlich, weil bei diesem sehr harten Material die zur Erzeugung
des Meergrüns erforderliche Temperatur zureicht, um die voraufgegangene Härtung wieder aufzuheben.
Der Einfluß der Zusammensetzung des Stahls macht sich schon bei deutschem und englischem Stahl, in viel
höherm Grade aber bei Wolframstahl geltend. Bei deutschem und englischem Stahl, nicht aber bei Wolframstahl zeigt sich ein
überraschender Unterschied zwischen Vollkörpern und Ringkörpern derselben Stahlsorte. Dunkelblau tritt z. B.
bei Vollkörpern aus gehärtetem deutschen Stahl in kürzerer Zeit und bei wesentlich höherer Temperatur
auf als bei Ringkörpern.
Dieser Unterschied war lediglich von der oben beschriebenen Art der Erhitzung abhängig und verschwand bei gleichartiger Erwärmung.
Besonders wichtig ist der Nachweis, daß die Temperatur allein für den Eintritt einer bestimmten Farbe nicht maßgebend ist,
daß vielmehr auch die Dauer ihrer Einwirkung in Betracht kommt. Es gelang, schon bei verhältnismäßig
sehr niedrigen Temperaturen fast alle Anlauffarben zu erzeugen. So wurde ein Stahlstück dunkelblau bei 180° nach etwa 9 Tagen, bei
230° in 50 Stunden, bei 290° in 7-15 Minuten, bei 380° in weniger als 20 Sekunden.
Bei 105° waren 17 Tage erforderlich, ehe überhaupt eine Färbung eintrat. Dabei ist es aber zweifelhaft,
ob beliebig hohe Farben bei jeder noch so niedrigen Temperatur erzeugt werden können; vielmehr scheint bei sehr langsamer
und gleichmäßiger Entstehung der Oxydschicht diese eine gewisse Stärke nicht zu überschreiten und dann bei gleichbleibender
Temperatur Schutz gegen weitere Oxydation zu bilden. Vielleicht gibt es für jede Stahlsorte und jeden einzelnen
Farbenton eine gewissermaßen kritische Temperatur, über welche hinaus die Erhitzung des Stahls getrieben werden muß, wenn
jener Farbenton erreicht werden soll.
Läßt man gehärteten Werkzeugstahl bis Dunkelblau an, so erhält man trotz aller Vorsicht fast niemals
ganz gleichmäßige Flächen, immer zeigen sich Flecke, die von härtern, sich später färbenden Stellen herrühren. Die Anlauffarben bilden
also auch ein sicheres Mittel zur Erkennung nichthomogener Teile in gehärteten Stahlflächen. Ungehärteter Stahl von gleicher
Zusammensetzung zeigte jene Ungleichmäßigkeiten in der Färbung nicht, und diese verschwanden auch, sobald man die
Färbung über Dunkelblau hinaus bis zum Hellblau oder Meergrün trieb, d. h.
sobald man die Enthärtung weit genug ausdehnte.
Dieselben Farben, welche auf Stahl erscheinen, lassen sich gleichmäßig und schön auch auf Gußeisen erzeugen. Kupfer und Messing
zeigen überraschend schöne von denen man aber in der Technik kaum Anwendung macht. Man benutzt andre
Methoden zur Färbung dieser Metalle, doch zeigen die neuen Versuche, daß die Erzeugung der Anlauffarben manche Vorzüge vor jenen Methoden
besitzt, namentlich eine viel weiter gehende Nüancierung gestattet und haltbarere Färbungen liefert, zumal wenn man bei
möglichst niedrigen Temperaturen arbeitet.
Bei der Ausführung der Operation
muß das Metall zunächst mit Säure gebeizt werden, um eine Oxydschicht
zu entfernen, das Luftbad ist genügend groß zu nehmen, und zur Erzielung höherer Farben ist notwendig, durch ein bis auf
den Boden des Luftbades reichendes Metallrohr beständig Luft in seinem Strahl zuzuführen. Messing zeigt eine wesentlich andre
Farbenfolge als Kupfer, die kupferreichen Zinklegierungen verhalten sich dem Kupfer, die zinkreichen dem
Messing ähnlich.
Nickel zeigt eine der des Stahls ganz ähnliche Farbenfolge, von seinen Legierungen gab nur eine nickelarme Neusilbersorte schöne,
denen des Messings nahekommende, sie aber insbesondere in den höhern Reihen an Glanz noch übertreffende Farben, alle nickelreichern
Legierungen zeigten dagegen beim Anlaufen marmorierte Flächen, als ob sie von ganz ungleichmäßiger Beschaffenheit
wären und das Kupfer in Punkten oder Linien an der Oberfläche sich abgesondert hätte.
Inwieweit die in der Physikalisch-technischen Reichsanstalt ausgeführten orientierenden Versuche für die Praxis Wert gewinnen
werden, ist abzuwarten, sie scheinen indes die Basis für mancherlei wichtige technische Manipulationen
zu bilden. In dieser Beziehung sind noch zwei Versuche zu erwähnen. Wenn man auf einer durch Anlaufen etwa stahlweiß oder
rot gefärbten Kupfer- oder Messingplatte mit Kupferstechergrund oder einem andern säurebeständigen Mittel Zeichnungen entwirft,
die Platte hierauf in verdünnte Salpetersäure taucht und endlich den Ätzgrund mittels Benzin entfernt, so
erhält man metallisch glänzende Bilder auf matt geätztem Grunde. Es lassen sich auf diese Weise sogar zweifarbige Bilder herstellen,
indem man bei einiger Übung durch eine Stichflamme die einzelnen Teile der Platte verschieden färben kann.
Besonders leicht ist diese Doppelfarbigkeit in den höhern Farbenreihen zu erzielen, wo Rot und Grün einander
sehr naheliegen; so macht es z. B. nicht viel Mühe, Bilder mit roten Blumen, aber grünen Stengeln und Blättern zu erzeugen.
Der andre Versuch betrifft die gute Isolationsfähigkeit der den höhern Reihen angehörigen Anlaufschichten; für technische
Zwecke dürfte diese Eigenschaft schwer verwendbar sein, weil die Schichten äußerst dünn und dabei überaus
spröde, also zu leicht der Zerstörung ausgesetzt sind. Möglich wäre es aber, daß für manche wissenschaftliche, elektrische
Zwecke die Isolierung fertig zusammengestellter Metalle durch Anlassen im Luftbad von Nutzen werden könnte.
Claes, schwed. Historiker, geb. 1839, ward 1868 Dozent der Geschichte an der Universität zu Upsala und 1883 Bibliothekar
daselbst;
er unterrichtete die Söhne des Königs Oskar in der neuern Geschichte. Annerstedt schrieb (in schwedischer Sprache): »Die
Begründung der schwedischen Herrschaft in Livland« (1868);
»Geschichte Englands 1603-88« (1876);
»Geschichte
der Universität Upsala« (Bd. 1,1877).
Auch redigierte er 1878-79 die »Nordisk Tidskrift« und ist an der Herausgabe
der »Scriptores rerum Suecicarum medii aevi« beteiligt.
So viel auch in den letzten Jahren gegen die Erblichkeit durch äußere Umstände und Lebensverhältnisse
veranlaßter Änderungen von Gestalt und Entwickelung der Organismen gelehrt und geschrieben worden ist,
bleibt die Thatsache der erblichen in so vielen gleichmäßigen Wirkungen (z. B. in der Übereinstimmung der Organisation der
mehr
festwachsenden Tiere, der Höhlenbewohner und Tiefseetiere, der Wüstenpflanzen und -Tiere, der Schmarotzerpflanzen und Tiere)
so augenfällig erkennbar, daß schon dadurch jene Theorie in eine sehr schwierige Lage gerät (vgl. Erblichkeit). »Über den
Einfluß der festsitzenden Lebensweise auf die Tiere und über den Ursprung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung
oder Knospung« hat Arnold Lang (Jena 1888) eine größere Abhandlung veröffentlicht, die manche neue Gedanken
und Thatsachen bringt.
Festwachsende Tiere gibt es nur im Wasser, da nur dieses bewegliche Element einesteils die erforderliche Nahrung herbeizuführen,
anderseits die Befruchtung und Neuansiedelung von Keimen zu bewirken im stande ist und die Gefahren des Verdurstens
und Austrocknens ausschließt. Festsitzende Tiere finden sich daher unter allen Klassen von Süßwasser- und Meerestieren mit
Ausnahme der Wirbeltiere, es gehören hierher die Vorticellen unter den Infusorien, die Schwämme, Korallen und Hydroidpolypen
unter den Cölenteraten, die Röhrenwürmer, Moostierchen und Manteltiere unter Würmern und Wurmverwandten, mit Schalen oder Byssus
festwachsende Muscheln unter den Weichtieren, die Haarsterne und Seelilien unter den Echinodermen und die
Rankenfüßer unter den Krebsen.
Da man alle festgewachsenen Tiere von frei lebenden Ahnen ableitet, wie ja auch der junge Keim und bei vielen selbst die ersten
Larvenstadien freilebend sind, so muß ein gewisser Vorteil mit der Anheftung für diese Tiere verbunden
sein, der hauptsächlich in der Sicherung ihres Aufenthalts an der nahrungsreichern Küste und in der Tiefsee, wo ein beständiger
Nahrungsregen von oben herab stattfindet, bestehen mag, sofern Sturm und Wogen ihre fortreißende Gewalt an ihnen verlieren.
Die gleichmäßigen Veränderungen bestehen dabei hauptsächlich in folgenden Punkten:
1) Verlust der Bewegungsorgane, die nun überflüssig werden. Hier ist besonders das Verhalten
der Muscheln lehrreich, die sich sonst ihres muskulösen Fußes als eines oft sehr mächtig ausgebildeten, weit vorstreckbaren
Kriechwerkzeugs bedienen. Beiden sich festsetzenden Muscheln wird dieses große keilförmige Organ alsbald sehr viel kleiner,
z. B. bei den Miesmuscheln, die sich mit dem sonst nur der zeitweiligen Anheftung dienenden Sekret der
Fußdrüse, dem sogen. Byssus, dauernd festheften.
Ganz rudimentär geworden ist der Fuß bei den Austern, die seiner nie mehr bedürfen, während die jungen Rankenfüßer ihre
Beine, die ihnen zum Schwimmen dienten, zu ganz andern Organen umbilden, wenn sie vor Anker gegangen sind.
Dafür entwickelt sich bei einer großen Anzahl dieser Tiere ein für viele derselben völlig neues Organ, der muskulöse,
biegsame Stiel, der dem bewegten Element zähen Widerstand zu leisten im stande ist und bei manchen Rankenfüßern auch dem
nachbarlichen geschlechtlichen Verkehr dienen soll.
Bei den letztern wie auch bei den Röhrenwürmern, vielen Korallen und Moostierchen kommt die Entwickelung
eines starken Außenskeletts oder einer Röhre, in die sich die fluchtlosen Tiere in der Gefahr zurückziehen können, hinzu,
um ihre Sicherheit zu erhöhen, und die Umbiegung des Verdauungsrohrs, so daß die Auswurfsöffnung neben dem Munde aus der
Panzeröffnung hervortritt, ist eine weitere Folge dieser Umhüllung. Bei den Tunikaten oder Manteltieren
enthält der Mantel bedeutende Anteile einer sehr widerstandsfähigen Cellulose, die freilich nach neuerlicher Entdeckung von
Ambronn auch in den Körperbedeckungen vieler Krebse und Insekten gefunden wurde
und also im Tierreich häufiger vorkommt, als
man bisher glaubte.
2) Verlust der Sinnesorgane, die dem festsitzenden Tier weder für Orientierung noch für Nahrungserwerb,
Flucht etc. nötig sind, und damit auch Vereinfachung des Nervensystems als Folge. Dafür bildet sich ein neuer, für die Ernährung
und Atmung wichtiger Tastfühler- (Tentakel-) Kranz um die Mundöffnung aus, der zugleich die Nahrung festhält und in den Mund
führt, durch seine Ähnlichkeit mit einer Blumenkrone und durch das Spiel der Fühlfäden den hierher gehörigen
Würmern, Moostierchen, Polypen, Korallen, Seerosen und Seelilien eine gewisse Anpassungsähnlichkeit verleiht und bei Tiergruppen,
die diese (meist nur scheinbare) radiäre Anordnung auch in den frei lebenden Angehörigen bewahren, wie den Echinodermen, die
Vermutung erweckt, daß sie einer früh vor Anker gegangenen und erst nachträglich wieder frei gewordenen
Gruppe ihren Ursprung verdanken. Wir beobachten ein solches nachträgliches Freiwerden radiärer Bildungen bei Hydroidpolypen,
Medusen und Haarsternen, und der Vorgang ist gewöhnlich mit einem sogen. Generationswechsel verbunden, indem das frei werdende
Strahlstück die geschlechtliche Fortpflanzung und Verbreitung der Kolonie besorgt.
Die meisten dieser Tiere sind Hermaphroditen, doch finden sich bei manchen von ihnen, namentlich bei den Rankenfüßern, höchst
komplizierte geschlechtliche Verhältnisse, bei denen zwerghafte Männchen, die fast nur aus einem in der Jugendzeit frei
beweglichen Geschlechtsapparat mit rudimentären Gliedmaßen bestehen, sich an dem festgewachsenen, 100mal größern Weibchen
festklammern und von demselben mit ernährt werden. Fast allen diesen festwachsenden Tieren ist ein großes
Sprossungs- und Wiederergänzungs- (Regenerations-) Vermögen für verlorne Gliedmaßen eigen, was als eine natürliche Kompensation
für ihre Unfähigkeit, zu fliehen, erscheint.
Lang bringt diese Vorgänge in Zusammenhang und hält die bei vielen dieser Tiere vorkommende Kolonienbildung durch Sprossung
für eine Folge der starken Regenerationsfähigkeit, sofern erstere der bessern Ernährung des Stockes dient.
Da diese Tiere nämlich ihre Nahrung nicht im weitern Umkreis suchen können, aber an Orten, wo Nährstoffe für ein festsitzendes
Tier vorhanden ist, auch viele ihren Tisch gedeckt finden, und ein entschiedener Vorteil darin liegt, wenn bei
solcher zufälligen Nahrungszuführung viele Mundöffnungen für ein gemeinsames Zirkulations- u. Verdauungssystem vorhanden
sind, so stärken und breiten sich diese Kolonien beständig durch ungeschlechtliche Sprossung aus Knospen am Stielgrund aus,
während die im Generationswechsel entstehenden und sich ablösenden Geschlechtstiere für Anlage neuer Kolonien an entferntern
Orten sorgen.
Ja, da solche Stock- und Kolonienbildung eigentlich nur für festwachsende Tiere von Vorteil und Bedeutung
ist, so hält Lang auch die schwimmenden Kolonien gewisser Korallen (Seefedern), Manteltiere (Feuerwalzen), Moostiere (Cristatella-Arten)
u. a. für von neuem flott gewordene, ursprünglich festgewachsene Kolonien. Ein besonderes Interesse knüpft sich natürlich
an solche Fälle, bei denen man den Einfluß eines bestimmten Wechsels der Lebensbedingungen auf einen
Organismus direkt verfolgen und denselben vielleicht durch eignes Zuthun in einen andern verwandeln kann. Aber solche
Fälle sind nur sparsam bekannt, und darum hatte die von Schmankewitsch entdeckte Wandlung eines kleinen Kiemenfußkrebses
(Artemia salina),
mehr
der im Meer lebt und an der Bildung des Meerschaums an der kyprischen Küste, aus welchem die kyprische Göttin hervorgestiegen
sein soll, den hauptsächlichsten Anteil nimmt, bei erhöhtem Salzgehalt aber allmählich alle Schwanzborsten und Schwanzlappen
einbüßt und in eine kleinere, unter anderm Namen schon früher bekannte Art (Anpassung Milhausenii) der Salzseen
übergeht, durch allmähliche Aussüßung des Lebenselements aber den gewöhnlichen Süßwasserkiemenfüßern (Branchipus-Arten)
ähnlich wird, immer ein großes Interesse erweckt.
Denn durch bloße allmähliche Vermehrung oder Verminderung des Salzgehalts ließ sich eine und dieselbe Tierart in drei verschiedene
Formen überführen, die bisher nicht nur als verschiedenen Arten, sondern sogar verschiedenen Gattungen
angehörig betrachtet worden waren. Eine Umwandlungsfähigkeit von ähnlicher, in andrer Richtung noch größerer Bedeutsamkeit
hat Boas kürzlich bei einer Garneelen- oder Granatart (Palaemonetes varians Leach.), welche im südlichen Europa ausschließlich
im Süßwasser (in Seen, Teichen und Bächen), im Norden aber im See- und Brackwasser lebt, nachgewiesen. Bei dieser Krebsart, die
dem bekannten vielgenossenen Ostseegranat (fälschlich Krabbe genannt) in Gestalt und Größe nahekommt, wird weniger die äußere
Gestalt, die nur geringe und nicht einmal beständige Unterschiede zeigt, als vielmehr die gesamte Entwickelungsweise von der
Veränderung des Lebenselements beeinflußt.
Es ist nämlich an die Stelle der Entwickelung aus frei lebenden Larven der Salz- und Brackwasserform eine
direktere Entwickelung aus Eiern bei der Süßwasserform getreten, so daß mehrere der ersten Larvenformen übersprungen werden
und die Larven erst auf einer höhern Entwickelungsstufe aus dem Ei kommen, weshalb dieses ein größeres Nährmaterial enthält
und das achtfache Volumen des Eies der Salzwasserform einschließt. Die ausschlüpfende Larve ist größer,
aber eigentlich plumper gebaut als die der Salzwasserform und auch weniger geschickt, sich selbst zu ernähren, was bei dem
aufgespeicherten Nährmaterial auch nicht nötig ist. Es scheint dies fast ein allgemeines Gesetz zu sein, denn auch unser
Flußkrebs zeigt nicht die komplizierte Metamorphose der Meerkrebse, und dasselbe bemerkt man bei einer
Vergleichung der Strudel- und Ringelwürmer (Turbellarien und Anneliden), die nur im Meere als selbständig schwärmende Larven
auftreten, im Süßwasser dagegen erst in einem fertigern Zustand ans Licht treten.
Der Grund mag darin liegen, daß das Süßwasser gewöhnlich nicht so reich an der für die winzigen Larven geeigneten
Nahrung ist, weshalb dort nur solche Formen überleben, deren Eier mit einem reichern Dottermaterial ausgestattet wurden, was
wiederum kaum ohne Abänderung der mütterlichen Eileiter geschehen kann. Das Interessante dabei ist, daß sich diese verschiedene
Ausstattung hier bei einer und derselben Art erkennen läßt, ohne daß dieselbe in ihrer Endform wesentlich
verändert wurde.
Etwas Ähnliches findet man beiden zu den niedern Krebstieren gehörigen Wasserflöhen (Daphniden), welche im Sommer bei günstigen
Lebensverhältnissen lebendige Junge gebären, im Herbst, wenn die Wassertümpel, in denen sie leben, austrocknen, dickschalige,
dotterreichere Dauereier erzeugen, die den Winter überdauern, und in manchen Fällen (namentlich bei Leptodora) eine mit
der vielen Meerkrebsen aller Klassen gemeinsamen Urlarvenform (Nauplius) ihre Entwickelung beginnen.
Allein dieses schon seit dem vorigen Jahrhundert bekannte Verhalten ist bei
weitem nicht so beweisend für die Anpassungslehre,
weil es sich hierbei um zwei verschiedene Klassen von Eiern handelt; die Sommereier, aus denen die fertigen Jungen hervorgehen,
sind nämlich unbefruchtete weibliche Eier, und erst die Dauereier entstehen aus erneuter Befruchtung und
bringen wieder Junge beiderlei Geschlechts. Ähnlicher ist das Verhalten einer Fliege (Musca corvina), die im nördlichen Rußland
nur Eier liefert, welche nach der gewöhnlichen Weise durch einen Maden- und Puppenzustand hindurchgehen, während sie im südlichen
Rußland außer solchen abgelegten Frühjahrseiern im Hochsommer lebendige Junge aus größern Eiern erzeugt.
Alles dies bezeugt die Wandelbarkeit der Organismen den äußern Bedingungen gegenüber, und daß die Lufttemperatur auch bei
der Wandlung der oben erwähnten Garneele nicht ohne Einfluß ist, beweist schon der Umstand, daß die südliche Form derselben
immer nur im Süßwasser, niemals im brackigen oder eigentlichen Seewasser gefunden wird, wie die nordische.