herbeigeschleppter
Insekten
[* 2] sowie kokonlose Ameisenpuppen. Bisweilen stellen sich die Ameisen diesen
Käfern feindlich gegenüber,
welche sie aber durch den
Geruch eines an der Hinterleibspitze ausgeschiedenen weißen Tröpfchens zu beruhigen wissen. Ähnlich
verhalten sich andre
Käfer
[* 3] aus den
Gattungen Stenus, Thiasophila, Homalota und Hetaerius. Die
Larven von Dinarda verhalten
sich wie die
Käfer, sind flink und ganz selbständig im
Gegensatz zu den unbeholfenen ameisenähnlichen
und von den Ameisen ganz abhängigen
Larven von Lomechusa und Atemeles.
Beziehen die Ameisen ein neues
Nest, so tragen sie letztere und wahrscheinlich auch die
Käfer hinüber, während die Ameisengäste
der zweiten
Kategorie den Weg zur neuen
Kolonie selbst suchen und auch finden. Neben der dritten
Gruppe
typischer Ameisenkäfer, zu denen besonders die
Gattung Myrmedonia gehört, unterscheiden Wasmann und
Forel noch zufällige
Ameisengäste, die auch noch frei, außerhalb der Ameisenkolonien, leben und durchaus nicht von den Ameisen abhängen.
Sehr wichtig und interessant ist die von Wasmann beobachtete
Thatsache, daß, während die Ameisen verschiedener
Kolonien stets einander feindlich gesinnt sind, die Ameisengäste von den Ameisen verschiedener
Kolonien und sogar verschiedener
Arten freundlich behandelt werden, vorausgesetzt, daß im Naturzustand die betreffende Käferart bei den betreffenden
verschiedenen Ameisenarten als
Gast auftritt. Auch die
Blattläuse sind den Ameisen gegenüber international.
Bezüglich der Ameisenähnlichkeit
(Mimikry) mancher Ameisengäste, welche bei andern ganz fehlt, kommt
Wasmann zu folgenden
Resultaten: Zwischen den echten Ameisengästen und ihren gewöhnlichen, bez.
ursprünglichen Wirtsameisen besteht meist in der
Größe und Färbung, oft auch in der Gestalt, eine gewisse
Ähnlichkeit.
[* 4] Am vollkommensten ist dieselbe nicht bei den höchsten Ameisengästen (Clavigeriden), sondern bei jenen,
die durch zudringliches, ameisenähnliches Benehmen sich besonders auszeichnen (Lomechusa-Gruppe).
Zwischen den regelmäßigen Ameisenfeinden und deren gewöhnlichen, bez. ursprünglichen
Wirtsameisen herrscht in
Größe und Färbung, meist auch in der Gestalt eine mehr oder minder täuschende
Ähnlichkeit; bei
den häufigsten
Arten ist diese
Ähnlichkeit am vollkommensten. Lebt dieselbe Käferart bei mehreren, an
Größe und Färbung bedeutend verschiedenen Ameisenarten, so stimmt sie mit jener überein, gegen die sie des
Schutzes am
meisten bedarf. Zwischen den indifferent geduldeten Ameisengästen und ihren Wirtsameisen findet sich gewöhnlich keine
Ähnlichkeit,
nur bei solchen, die häufig die mißtrauische
Aufmerksamkeit der Ameisen erregen, tritt eineÄhnlichkeit in der
Färbung auf. Die
Larven von Atemeles und Lomechusa ahmen in Gestalt,
Haltung und Benehmen die Ameisenlarven nach.
Schon von frühern Forschern ist festgestellt worden, daß die Amazonenameise (Polyergus) unfähig ist, selbst zu fressen;
sie leckt wohl gelegentlich
Wasser oder
Honig, wenn sie zufällig mit dem
Kopfe hineingerät, aber niemals
sucht sie neben ihr liegende
Nahrung auf und verhungert, wenn nicht ein Sklave kommt
und sie füttert. Ihr Nahrungsbedürfnis
treibt sie nicht zum Fressen an, sondern nur zur Anbettelung von andern Ameisen. Sie vermag die Beziehung, die zwischen
dem Nahrungsbedürfnis und der Stillung desselben durch eigne Nahrungssuche und Nahrungsaufnahme obwaltet,
nicht zu erkennen.
Forel hatte bereits gezeigt, daß eine sehr kleine
Ameise,
Solenopsis fugax, in den Wandungen der
Nester größerer
Arten gräbt
und deren
Brut gelegentlich raubt und verzehrt. Die
Existenz solcher zusammengesetzter
Nester, in welchen thatsächlich
zwei feindliche
Arten hausen, ohne daß ein Zusammenwohnen in gleichen
Räumen stattfindet, ist von Wasmann
bestätigt worden.
Der achte internationale Amerikanistenkongreß tagte 14.-20. Okt. 1890 in
Paris.
[* 5] In seiner Eröffnungsrede behandelte
Quatrefages die
Frage nach dem Ursprung der amerikanischen
Stämme. Er verwarf die
Theorie von der ursprünglichen
Existenz artlich
verschiedener Menschenstämme und suchte im Hinblick auf die Verhältnisse im
Tierreich zu zeigen, daß
der
Mensch von einer verhältnismäßig beschränkten Ursprungsstätte aus durch
Wanderungen über den Erdball sich verbreitet
haben müsse. Die Verbreitung der polynesischen
Stämme durch derartige
Wanderungen sei bereits erforscht, für die amerikanischen
Stämme aber seien noch Ausgangspunkt,
Ziel und
Richtung der
Wanderung festzustellen.
Am ersten Arbeitstag wurde dasMusée du
Trocadero besichtigt, wo namentlich die Gegenstände von Tenenepanco
am Abhang des Popokatepetl
Interesse erregten. Die hier gefundenen Kinderleichen kennzeichnen den
Ort als eine Stätte, wo
in alter Zeit dem Tlaloc, dem
Gotte des
Regens und der
Berge,
Kinder geopfert wurden. Am Nachmittag überreichte
Peñafiel sein
großes Werk überMexiko,
[* 6] welches in
Berlin
[* 7] gedruckt wird, und dann sprach Marcou über den Ursprung des
NamensAmerika.
[* 8]
Marcou hatte schon früher den
Namen von der
Sierra de Amerique oder
Sierra de Amerisque abgeleitet und darauf hingewiesen,
daß
Amerigo Vespucci, nach dessen Vornamen, wie allgemein angenommen wird, der
NameAmerika gebildet worden ist,
vor 1506 sich Alberigo genannt habe.
Nun zeigte aber
Jimenez de la
Espada, daß in alten
Berichten und
Karten der
NameSierra de
Amerique gar nicht erscheint, und daß
Vespucci sich bereits 1492 und 1495
Amerigo genannt habe. Der
Kongreß stimmte daher
mit großer Einhelligkeit der Bemerkung des Vorsitzenden Hellmann bei, daß diese
Frage nun wohl für
immer von dem
Programm der Amerikanistenkongresse abgesetzt sei.
Marcel erwähnte einen
Globus der Bibliothèque
Nationale, welcher 1513 angefertigt sein dürfte und wohl eins der ältesten
Dokumente ist, auf denen der
NameAmerika erscheint. Eine
Meerenge durchschneidet das Land in der
Höhe vonPanama.
[* 9] Zum
Schlusse sprach Gaffarel über die Entdeckungsfahrten der Portugiesen in der Kolumbianischen
Epoche, an denen besonders
die
FamilieCorteReal beteiligt war. Die erste durch
Dokumente bezeugte
Fahrt machte Gaspard
CorteReal 1500, welcher auf derselben
die
Terra verdex, wahrscheinlich
Neufundland oder
Labrador, entdeckte.
Auf einer
Fahrt im folgenden Jahr, von welcher nur ein
Schiff
[* 10] zurückkehrte, wurden ziemlich hoch im N.
gelegene Gebiete
(Baffinsbai) erreicht und bei den Bewohnern der
Küste venezianische Glasperlen als
Schmuck angetroffen. Gaspard
ebenso wie sein
BruderMiguelCorteReal, der ihn 1502 aufzufinden suchte, blieben verschollen, das
Interesse der Portugiesen
aber lenkte sich nach der
EntdeckungBrasiliens durch
Cabral andern Gebieten zu, und man überließ den
Franzosen die Erschließung der im N. gelegenen Gebiete.
In der zweiten
Sitzung unter dem Vorsitz von Altamirano, den
Quatrefages als Vertreter der präkolumbischen
Rassen vorgestellt
hatte, sprach
Seler über die
Wandmalereien der
Paläste von Mitla. Dieselben sind inRot undWeiß auf feinem
Stuckgrund im
Stile der alten Bilderhandschriften
¶
mehr
ausgeführt und enthalten eine ganze Anzahl bemerkenswerter mythologischer Figuren und Symbole. Der Vortragende, welcher die
Bilder kopiert hat, gedenkt sie in kurzem mit begleitendem Texte herauszugeben. Charnay wies in längerm Vortrag auf die Ähnlichkeiten
hin, die er zwischen den zentralamerikanischen Bauwerken und denen Ostasiens, Chinas und Kambodschas gefunden haben will.
Er folgert daraus, daß die amerikanische Rasse aus Asien
[* 12] eingewandert sei. Seler sprach dann abermals über altmexikanische
Goldschmiedekunst,
[* 13] Steinschneiderei und Federarbeit.
Leider ist von den Erzeugnissen dieser Arbeitszweige, die auf einer hohen Stufe der Vollendung standen, wenig übriggeblieben.
Die Goldsachen wurden von den Spaniern eingeschmolzen, und die Federarbeiten haben die Motten gefressen.
Nachdem aztekischen Texte des Geschichtswerks des P. Sahagun verwendeten die altmexikanischen Goldschmiede hauptsächlich Gold,
[* 14] das Silber nur zu Einlagen, zu einer Art Tauschierarbeit. Sie schnitzten ihre Modelle aus einem an der Sonne
[* 15] getrockneten Gemenge
von feinem Thon und Holzkohlenpulver und überzogen dieselben mit einer dünnen Wachsschicht.
Auch die Gußform wurde aus Thon und Holzkohle hergestellt. Das gegossene Stück machte man durch Erhitzen
in einem Alaunbad und dann in einem Bade von mit Salz
[* 16] gemischtem Lehm glänzend. Neben den gegossenen wurden auch getriebene
Schmuckgegenstände hergestellt. Die Federarbeit besteht zum Teil aus ganzen, mit Bambus versteiften und mittels Schnur und
Bindfaden aneinander gefügten Federn. In dieser Weise sind die vielgestaltigen Devisen gefertigt, welche die mexikanischen Kriegshäuptlinge
beim Tanze und auch in der Schlacht auf den Rücken geschnallt trugen.
Zur Herstellung von Federmosaik zerschnitt man die Federn und klebte sie auf Papier. Auf einer Grundschicht aus gewöhnlichen
billigern Federn wurde die eigentliche Malerei mit glänzenden, aus der Tierra Caliente eingeführten Federn
ausgeführt. Im Museum für Völkerkunde in Berlin befindet sich ein derartiger schöner Federmantel. Zum Schluß legte de la
Rada y Delgado alte, von der Expedition Ruiz y Pavon herrührende peruanische Geräte vor. Charakteristisch ist die Übereinstimmung
der Form von Stein- und Bronzegeräten. Der Stiel einer Bronzeaxt, die genau die Form des in einem Holzstiel
mit Schnur befestigten Steinbeils wiedergibt, zeichnet sich aus durch eine schöne Ornamentierung mit in die Bronze
[* 17] eingelegten
Silberplättchen.
Der Vortragende sprach ferner über die Schöpfungssagen der Tschigliteskimo von der Mündung des Mackenzie und legte eine
Anzahl Gebrauchsgegenstände der Mackenzie-River-Stämme und der westlichen Eskimo vor: Schaber, Nadelbüchsen, Harpunen, die
in Form und Anordnung die auffallendste Ähnlichkeit zeigen. Diese Gegenstände scheinen den in oben erwähnter
Tradition bezeugten gemeinsamen Ursprung der beiden zur Zeit weit entfernt voneinander wohnenden Zweige des Eskimostammes zu
bestätigen.
In der Nachmittagssitzung des
dritten Kongreßtags wurde eine Abhandlung von Frau Nuttall vorgelegt, welche sich mit dem von
Hochstetter in der Ambraser Sammlung aufgefundenen altmexikanischen Federschmuck des Wiener Hofmuseums beschäftigt. Baron de
Baye sprach über Pfeilspitzen aus einem Mound in der Nähe der Missourimündung, Ehrenreich demonstrierte
Photographien der Indianerstämme, die er als Begleiter von den Steinens und auf seiner Fahrt den Araguay abwärts aufgenommen
hatte. Er hob hervor, daß die mongoloiden Eigentümlichkeiten, welche verschiedene Reisende bei den Botokuden und bei den
Stämmen des Innern haben wahrnehmen wollen, in Wirklichkeit nicht bestehen.
Deniker sprach über die Resultate der mehrjährigen wissenschaftlichen Expedition nach dem KapHorn, bei welcher die drei Stämme,
die auf Feuerland leben, in Bezug auf ihre physischen Eigentümlichkeiten und ihre ethnographischen Besonderheiten untersucht
wurden. Es sind Photographien aufgenommen, Leichen präpariert und mit zerlegten Hütten
[* 20] und ansehnlichen
Sammlungen von Gebrauchsgegenständen etc. nach Paris geschafft worden. Auch der Linguistik hat man gebührende Aufmerksamkeit
zugewendet.
Das betreffende Werk über diese Expedition soll demnächst erscheinen. Im Anschluß an diesen Vortrag berichtete Marcel über
wenig bekannte Reisen von Franzosen nach dem Feuerland. Erwähnenswert ist besonders der Bericht eines Flibustiers,
Jouan de la Guilbaudière, der 1695 in der Magelhaensstraße scheiterte und 11 Monate unter den Eingebornen zubrachte. Er hat
ein Vokabular von mehr als 300 Worten gesammelt, welches um so interessanter ist, als die ältesten Wortsammlungen des Feuerlandes
aus dem Ende des 18. Jahrh. stammen. De la Rada y Delgado sprach hierauf über die beiden Mayahandschriften
des MadriderMuseums, den Kodex Tro und den KodexCortez, und wies nach, daß sie die beiden Hälften einer und derselben Originalhandschrift
sind, welche ineinander gefügt ein Ganzes bilden.
Raynaud hob hervor, daß auch die Maya,
[* 21] die später die Tageszeichenzählung mit dem vierten Tageszeichen
der mexikanischen Zählung begannen, ursprünglich die Zählung mit dem ersten Tageszeichen der mexikanischen, chiapanekischen
und guatemaltekischen Zählung begannen. Er will danach zwei Kulturepochen unterscheiden: eine ursprünglichere, allgemein
mexikanische und eine spätere, höhere, im engsten Sinne yukatekische Kultur. Villanova y Piera berichtete über ein von Carles
im Gebiet des La Plata-Stroms in tiefen Schichten aufgefundenes Skelett
[* 22] mit stark abgenutzten Zähnen, die
auf vorwiegende Körnernahrung hindeuten. Zum Schluß legte Borsari die Statuten der neugegründeten italienischen amerikanischen
Gesellschaft vor und bat um Mitwirkung der Kongreßmitglieder namentlich behufs Herstellung eines möglichst vollständigen
Litteraturnachweises.
In der Sitzung des vierten Kongreßtags sprach Raoul de la Grasserie über die Bauivasprache, die zu der
großen Familie der Maypuresprachen gehört. In nahezu 50 Sprachen dieser Familie, für welche das nu als Präfix der ersten
Person so charakteristisch ist, daß von den Steinen dieselbe als Nu-Sprachen bezeichnet, hat Adam nicht die Spur eines Artikels
gefunden, u. er hält für zweifelhaft, ob es eine einzige amerikanische
Sprache
[* 23] gebe, die einen wirklichen Artikel ausgebildet habe. Adam beleuchtete dann gewisse Eigentümlichkeiten der Sprache der
Mosquito-Indianer, für welche Maisonneuve demnächst eine Grammatik publizieren werde, und Seler machte Mitteilungen
¶