denn der Raum zwischen den Unterkieferästen ist ebenso eng wie bei diesem, die Kinnwand aber noch dicker und nach hinten
stark geneigt, so daß sich der Befund sogar dem bei nichtanthropoiden Affen nähert. Da nun das Sprachvermögen und
die Vorbereitung der Organe zu demselben als das wichtigste Merkmal der Erhebung des Menschen über das
Tier angesehen werden müssen, so muß man nach Gaudry zugeben, daß in diesem Punkte der höchststehende unter den fossilen
Anthropoiden weiter vom Menschen entfernt steht als die heute lebenden Anthropoiden, Ergebnisse, die sich freilich nur schwer
mit den Folgerungen der frühern Untersuchung an derselben Tierart vereinigen lassen. Es wird dies dadurch
erklärt, daß der Lartetsche Kiefer einem jungen Individuum angehört habe, bei dem der Prognathismus noch nicht so entwickelt
war wie bei dem jetzt gefundenen vollentwickelten, und es ist bekannt, daß auch die jetzt lebenden Anthropoiden in der Jugend
viel menschenähnlicher sind als im Alter. Daraus hätte man aber schließen müssen, daß dies für die
ausgestorbenen Anthropoiden überhaupt anzunehmen sei, nicht bloß für ihre Jugend, und es ergibt sich hier ein noch ungelöster
Widerspruch mit der Theorie, der sich zum Teil dadurch löst, daß die ältern Menschenrassen ebenfalls ein wenig vorragendes
Kinn zeigen.
[* ] Über Areal und Bevölkerung s. Bd. 17, S. 15, doch ist zu bemerken, daß noch ein Teil der ehemaligen Provinz
Dongola zu Ägypten gehört, nämlich das Nilthal oberhalb Wadi Halfa bis zur Ortschaft Akasche. Die Landwirtschaft
hat aus der von englischen Ingenieuren geleiteten Stromregulierung des Nils bereits große Vorteile gezogen, indem das Wasser
dieses Flusses infolge derselben viel besser ausgenutzt wird, als es früher der Fall war. Dieses sowohl als die hohen Preise
für Baumwolle, das Herabgehen des Zinsfußes und eine minder schwere Besteuerung (Aufhören der Fronen 1889)
haben die Fellachen in den Stand gesetzt, einen erheblichen Teil der Hypotheken abzutragen. Die Baumwollernte betrug 1888-89:
2,722,954 Kantar zu 44,5 kg, die Zuckerernte 1889: 937,934 Kantar (gegen 1,135,416 Kantar im J. 1888). Tabak darf jetzt
nur noch auf 1500 Feddans zu 4301 qm gebaut werden. Ein- und Ausfuhr während der letzten drei Jahre stellten sich wie folgt
(in ägypt. Pfund zu 21 Mk. 25 Pf.):
1887
1888
1889
Wareneinfuhr für den Konsum
8137054
7738343
7020961
Ausfuhr von ägypt. Produkten
10876417
10418213
11953196
Einfuhr von Münzen
3066740
2038956
1900418
Ausfuhr von Münzen
1898062
2642900
1963699
Durchfuhr
-
698992
749568
Den Ländern nach verteilten sich Ein- und Ausfuhr von Waren im J. 1889 wie folgt:
Einfuhr
Ausfuhr
Großbritannien
2539381
7744540
Britische Kolonien
589920
26332
Frankreich und Algerien
715700
908681
Türkei
1422950
320553
Österreich-Ungarn
657687
986689
Rußland
353863
647376
Italien
216501
816077
Deutschland
50664
2968
Die
wichtigsten Artikel der Einfuhr waren 1889 Baumwollenstoffe (1,048,000 Pfd.), Getreide u. Mehl (750,398 Pfd.), Steinkohle
(441,000 Pfd.), Metalle und Metallwaren (517,116 Pfd.), Bauholz (292,000 Pfd.), Kaffee (254,292 Pfd.), Tabak und Zigarren (272,000
Pfd.). Die Ausfuhr bestand fast ausschließlich aus Produkten der Landwirtschaft, als Baumwolle (3,206,202
Kantar im Werte von 8,547,716 Pfd.), Baumwollsamen (2,098,589 Ardeb, Wert 1,453,891 Pfd.), Zucker (733,378 Kantar, Wert 496,796
Pfd.), Bohnen (432,084 Ardeb, Wert 326,836 Pfd.) und Weizen (203,716 Ardeb, Wert 165,608 Pfd.). Der Handel mit dem Sudân ist seit wieder
gestattet, doch ist die Ausfuhr von Waffen, Munition und Getreide verboten (s. Suakin). Die Eisenbahnen hatten 1887 eine
Länge von 2012 km, sie beförderten 3,244,112 Personen und hatten bei einer Ausgabe von 587,556 Pfd. eine Einnahme von 1,305,680
Pfd. Postämter gab es 1888: 171; die Telegraphenleitungen hatten 1889 eine Länge von 5841 km.
Die ägyptischen Finanzen besserten sich von Jahr zu Jahr in dem Grade, daß trotz erheblicher Steuernachlässe
die Einnahmen einen immer größern Überschuß über die Ausgaben lieferten. Die englische Regierung zog daraus den Schluß,
daß ihr vorherrschender Einfluß in Ägypten, welcher von der Anwesenheit einer Besatzungsarmee abhängig sei, aufrecht
erhalten werden müsse. Die Staatseinnahmen beliefen sich 1889 auf 9,716,000 Pfd., die Ausgaben auf 9,523,000,
und am Schlusse des Jahres befanden sich noch 1,100,000 Pfd. in der Staatskasse.
Direkte Steuern ergaben 5,249,000 Pfd. (wovon 4,893,000 Pfd. vom Land), indirekte Steuern 1,872,000 Pfd. (Zölle und Tabak 1,027,000
Pfd.) und die Eisenbahnen 1,302,000 Pfd. Von den Ausgaben kamen 271,000 Pfd. auf die Zivilliste, 4,221,000
Pfd. auf die öffentliche Schuld, 665,000 Pfd. auf den Tribut an die hohe Pforte, 589,000 Pfd. auf Eisenbahnen, 824,000 Pfd.
auf Polizei und Kriegsmacht. Für 1890 schätzte man die Einnahmen auf 9,650,000 Pfd., die Ausgaben auf 9,500,000 Pfd.; für 1891 Ein-
und Ausgaben bez. auf 9,820,000 und 9,320,000 Pfd.
Die öffentliche Schuld belief sich auf 103,426,640 Pfd., wozu noch die als Mukabalah bekannte innere
Zwangsanleihe, welche im J. 1930 durch jährliche Raten von je 150,000 Pfd. abgezahlt sein wird, und die Zinsen (194,000 Pfd.)
auf die von England angekauften Suezkanalaktien kommen. Eine von England 1889 vorgeschlagene Konvertierung
eines Teils der Schuld konnte 1890 durchgeführt werden, nachdem Frankreich seinen Widerspruch gegen diese dem Lande so günstige
Maßregel aufgegeben hatte. Jetzt steht die ägyptische Schuld wie folgt:
Garantierte Anleihe vom J. 1885.3 Proz.
9111100 Pfd.
Unifizierte Schuld zu 4 Proz.
55988920 -
Domanialschuld zu 5 Proz.
5173440 -
Daira Sanich und Daira Khassa
8587480 -
Anleihe vom J. 1890 zu 3½ Proz.
29400000 -
:
108260940 Pfd.
mehr
Von der 1890er Anleihe sollen 1,300,000 Pfd. auf Verbesserung der Bewässerung des Landes verwendet werden. Die bewaffnete Macht
Ägyptens besteht aus 60 englischen, 447 ägyptischen Offizieren und 10,283 Mann und bildet 12 Bataillone Infanterie, ein Regiment
Kavallerie, 6 Batterien und 3 Kamelkompanien. Die englische Okkupationsarmee hat eine Stärke von 3300 Mann.
Die ägyptische Polizeimacht zählt 6252 Mann. Die Kriegsflotte besteht aus 2 bewaffneten Dampfern und einigen kleinern Fahrzeugen,
welche den Zolldienst versehen.
Flora des alten Ägypten.
Die Angaben der alten Schriftsteller über Fauna und Flora des alten Ägypten haben teils durch die Wandmalereien, in viel ausgiebigerer
Weise aber durch Gräberfunde Bestätigung und Erweiterung gefunden. Die Untersuchung der nicht gebrannten
Ziegel hat namentlich die Kenntnis der kleinen Tiere, Insekten etc. gefördert, viel umfassendere Kenntnis aber als über die
Tierwelt haben uns die Gräberfunde über die Pflanzenwelt geliefert. 136 Pflanzen der altägyptischen Flora sind bis jetzt
mit ziemlicher Sicherheit ermittelt worden und unter diesen 20 Gräser und 4 Riedgräser, von denen Cyperus
Papyrus L. bekanntlich die größte Wichtigkeit besaß.
Von Getreidearten sind die Hirse (Panicum italicumL.), verschiedene Weizenarten (Triticum vulgareL.,T. turgidumL.,T.dicoccumL.,T. speltaL.), zwei Gersten (Hordeum vulgare L. und H. hexastichum L.) und Sorghum vulgare Pers. zu erwähnen.
Von Palmen sind nur vier Arten bekannt geworden, unter ihnen in erster Reihe die Dattelpalme. Guirlanden von Blättern einer Weide
(Salix Safsaf Forsk.) bilden mit dazwischen gesteckten Blumen einen Hauptschmuck der Mumien.
Als Blumen benutzte man, wie namentlich die von Schweinfurth untersuchten wunderbaren Kränze und Guirlanden
beweisen, Pfefferminze (Mentha piperitaL.), Rosmarin, Jasmin (Jasminum Sambac Ait.?), Chrysanthemum coronariumL., Safflor (Carthamus
tinctoriusL.), Leontodon coronopifolium Desf., Acacia nilotica Del. und Sesbania aegyptiaca Pers. Die meisten dieser Blumen sind
gelb, weil Gelb die Farbe der Trauer war. Es sind indes auch andre Farben vertreten: ein Blauviolett bei
einer Kornblume (Centaurea depressa Bieb.) und einem Weidenröschen, weiß bei Nymphaea Lotus L., blau bei N.coerulea Sav. und
einem Rittersporn (Delphinium orientale Gray), rot bei Klatschmohn (Papaver Rhoeas L.) und der Malvacee Alcea ficifoliaL. Zu Kränzen
diente auch der Ölbaum (Olea europaeaL.), die Myrte (Myrtus communisL.), die Sellerie (Apium graveolensL.), die Weinrebe, ein Gurkengewächs, Citrullus vulgaris Schrad.,
und Mimusops Schimperi S. et H. Von Samen und Früchten sind außer den genannten Gräsern und Datteln die des Wacholders (Juniperus
phoeniceaL.), Zapfen der Pinie (Pinus Pinea L.) und Feigen (Ficus Sycomorus L. und F. Carica L.) zu erwähnen.
Ferner die schon genannte Mimusops Schimperi, Cordia Myxa, der Granatapfel und der Apfel, dann Wein, Orangen, Gurke (Cucumis ChateL.), Melone (C. Melo L.) und Flaschenkürbis (Lagenaria vulgarisL.). Hier sind auch die Zwiebeln zu erwähnen, von denen vier
Arten nachgewiesen wurden. Rizinussamen scheinen zweifelhaft zu sein. Von Unkräutern sind Wolfsmilch (Euphorbia
helioscopiaL.), Vogelknöterich (Polygonum aviculareL.), Ampfer (Rumex dentatusL.), drei Melden (Chenopodium hybridum L., C.muraleL., Blitum virgatum L.) und ein Salvei (Salvia spinosaL.) nachgewiesen. Es ist eigentümlich, daß
von den im ägyptischen
Florengebiet reichlich vertretenen Labiaten nur Reste der genannten drei Arten sich erhalten haben.
Auch Samen der als Unkraut häufig auftretenden Kompositen und Umbelliferen finden sich nur spärlich; von Kreuzblütlern sind
Rettich (Raphanus sativusL.), Hederich (Raphanistrum Lampsana Gärtn.) und Ackersenf (Sinapis arvensisL.), von Papilionaceen
Schotenklee (Medicago hispida Wild.) und Steinklee (Melilotus parviflora Del.) vertreten. Die meisten der gefundenen Samen
gehören der Familie der Schmetterlingsblütler an, aus welchen neben den oben erwähnten noch Lupine (Lupinus termis Forsk.),
Erbse (Pisum arvenseL.), Linse (Ervum Lens L.) und Bohnen (Vicia Faba L., V. sativaL.) zu nennen sind.
Die Baumwolle dürfte von Gossypium herbaceumL., das Leinen von Linum humile Mill. abstammen. Beide Gespinstpflanzen
werden noch heute in Ägypten kultiviert. Von Pflanzen, die zu kosmetischen Mitteln benutzt wurden, sind meist durch vergleichende
Sprachwissenschaft nachgewiesen worden der Kalmus (Acorus Calamus L.), der schon genannte Wacholder (Juniperus phoeniceaL.),
Zimt (Laurus Cassia L. undL. Cinnamomum Andr.) und eine Winde (Convolvulus ScopariusL.), Lawsonia inermis L.
und Moringa aptera Gärtn. Philologische Gründe machen es wahrscheinlich, daß Früchte von Sesamum indicum Dec. eingeführt worden
sind, wenn auch De Candolle meint, dies sei erst nach der griechischen Eroberung geschehen. Gummi arabikum wurde jedenfalls
schon von den alten Ägyptern benutzt.
Zur Litteratur: V. v. Strauß und Torney, Der altägyptische Götterglaube (Bd.
1, Berl. 1888); Wiedemann, Die Religion der alten Ägypter (Münster 1890); Hirschberg, Ägypten, geschichtliche Studien eines Augenarztes
(Leipz. 1890).