die
Hinrichtung eines Verbrechers zur Sühne begangenen Unrechts. Je nachdem diese
Hinrichtung in mehr
oder weniger schmerzhafter
Weise vollzogen wurde, unterschied man im ältern
Strafrecht zwischen geschärfter (qualifizierter)
und einfacher Todesstrafe. Nach dem Strafsystem der peinlichen
GerichtsordnungKarls V. waren als geschärfte Todesstrafen der Feuertod,
das
Pfählen, das
Rad, das Vierteilen und das
Säcken oder Ertränken in Übung, während die
Strafen des
Stranges und des
Schwertes
sowie die militärische
Strafe der
Kugel oder des
Arkebusierens als die leichtern und einfachen
Arten der Todesstrafe galten.
Nach der deutschen Strafprozeßordnung
müssen dazu zwei
Gerichtspersonen, ein
Beamter der Staatsanwaltschaft, ein
Gerichtsschreiber
und ein Gefängnisbeamter zugezogen werden. Der Ortsvorstand hat zwölf
Personen aus den Vertretern oder
aus andern achtbaren Mitgliedern der
Gemeinde abzuordnen, um der
Hinrichtung beizuwohnen. Außerdem ist einem
Geistlichen von
dem Religionsbekenntnis des Verurteilten und dem Verteidiger sowie nach Ermessen des die
Vollstreckung leitenden Beamten auch
andern
Personen der Zutritt zu gestatten.
Der
Leichnam des Hingerichteten ist den
Angehörigen desselben auf ihr Verlangen zur einfachen, ohne Feierlichkeit
vorzunehmenden
Beerdigung zu verabfolgen. An schwangern oder geisteskranken
Personen darf die Todesstrafe nicht vollstreckt werden.
IhreVollstreckung ist überhaupt nur zulässig, nachdem die Entschließung des Staatsoberhaupts ergangen ist, von dem Begnadigungsrecht
keinen
Gebrauch machen zu wollen. Als militärische Todesstrafe, die in
Fällen des
Kriegsrechts aber auch gegen
Zivilisten zur Anwendung kommt, ist die
Strafe des Erschießens gebräuchlich.
Über die Zulässigkeit der an und für sich ist, seitdem
Beccaria für ihre Abschaffung eingetreten, also seit mehr denn 100
Jahren,
Streit. Wenn dabei vielfach Unklarheit herrscht, so kommt dies besonders daher, weil man oft zwei
Fragen
nicht gehörig auseinander hält: die rechtsphilosophische, ob dem
Staate das
Recht zusteht, dem
Staatsbürger zur Sühne begangenen
Unrechts das
Recht auf die
Existenz abzusprechen, und die rechtspolitische, ob es, wofern man und zwar wohl mit
Recht die erste
Frage bejaht, zweckmäßig sei, von ebendiesemRecht noch
Gebrauch zu machen.
Bis zur Mitte des 18. Jahrh. ist die Berechtigung und die Zweckmäßigkeit
der Todesstrafe im allgemeinen nicht bezweifelt worden. Die mit dem Rechte der Talion (s. d.) verbundenen Anschauungen
ergaben die Notwendigkeit der Todesstrafe von selbst. Von Beccaria (s. d.) datiert der noch heute bestehende Streit um ihre Berechtigung.
Die Gegner der Todesstrafe bestreiten vom sittlichen und religiösen Standpunkte aus dem Staate das Recht, ein Menschenleben zu vernichten;
die Todesstrafe sei die roheste, einer höhern Kulturstufe nicht angemessene Strafform.
Außerdem sei sie mit den Besserungszwecken der Strafe nicht vereinbar; die abschreckende Wirkung sei zwar zuzugeben, dieselbe
Wirkung könne aber auch durch andere Strafmittel, bei denen die Gefahr, einen etwaigen Irrtum nicht wieder gut machen zu
können, minder groß sei, erreicht werden. Das alles schließt aber nicht aus, daß die Todesstrafe unter
Umständen unentbehrlich ist. Die Wirkungen jedes Strafensystems und die Bedingungen seiner Zweckmäßigkeit sind sehr kompliziert.
Zu diesen Bedingungen aber gehört in erster Linie die Übereinstimmung des Systems mit den herrschenden ethischen Anschauungen,
und die Frage nach Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe sollte ohne Rücksicht auf die
jeweiligen realen Volkszustände nicht gelöst werden.
Die Frage ist also nicht abstrakt, sondern konkret zu entscheiden. Jedoch hatte die Bekämpfung der Todesstrafe das
praktische und erwünschte Resultat, daß die Fälle der Todesstrafe gegen früher ganz erheblich vermindert worden
sind. Was zu wünschen bleibt, das ist, daß dem Richter gestattet werde, in den Fällen todeswürdiger
Verbrechen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände auf eine mildere Strafe zu erkennen. Die absolute Androhung der
Todesstrafe bestimmt Laienrichter leicht zu Freisprechungen, damit Härten vermieden werden, oder sie führt zu Härten,
die dann wieder durch eine übermäßige Inanspruchnahme der Intervention der Krone ausgeglichen werden
sollen. In Preußen
[* 15] wurden in vier Jahren unter 231 Todesurteilen bloß 16 oder weniger als 8 Proz. vollstreckt.
In Östereich ^[richtig: Österreich] hat man ungefähr 4 Proz. der für schuldig befundenen Mörder hingerichtet. Erheblich
höher ist der Prozentsatz in England: von den 299 in den J. 1879-88 zum Tode verurteilten Personen wurden
154, also über die Hälfte, hingerichtet, darunter 9 Frauen, welche gehängt wurden. Dagegen ist in Finland seit 1820, in
Belgien
[* 16] seit 1803 keine
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mehr
Hinrichtung vorgekommen, obwohl die Todesstrafe gesetzlich nie abgeschafft ist.
Gesetzlich beseitigt ist die in Rumänien (1864), Portugal (1867), Holland (1870),Italien
[* 18] (1889),San Marino (1848), Michigan
(1847), Rhode-Island (1852), Wisconsin (1853), Maine (1887), Columbia
[* 19] (1863), Venezuela
[* 20] (1864), Costa-Rica (1880). Ebenso kennt
sie der norweg. Strafgesetzentwurf von 1895 und der Schweizer von 1896 nicht mehr. In der Schweiz war sie 1874 für
unzulässig erklärt, schon 1879 aber außer für polit. Verbrechen wieder zugelassen. In Rußland besteht die Todesstrafe noch bei
Hoch- und Landesverrat, verbrecherischen Handlungen gegen den Kaiser und die Mitglieder des kaiserl. Hauses und schweren Quarantäneverbrechen.
In Deutschland
[* 21] hatten nur Oldenburg, Anhalt, Bremen seit 1848, Sachsen seit 1868 die Todesstrafe abgeschafft. In die
Reichsgesetzgebung wurde die Todesstrafe nach harten parlamentarischen Kämpfen aufgenommen. Sie findet Anwendung
bei Mord und bei Mordversuch am Kaiser, dem eigenen Landesherrn und dem Landesherrn des Aufenthaltsstaates (§§. 211, 80),
in gewissen Fällen des Sprengstoffgesetzes (s. d.); ferner als Strafe der Veranstalter und Anführer eines
zum Zwecke des Sklavenraubes unternommenen Streifzuges, wenn durch diesen der Tod einer der Personen, gegen welche der Streifzug
unternommen war, verursacht wurde (s. Sklaverei; Reichsgesetz vom Im deutschen Militärstrafgesetzbuch wird die
Todesstrafe für militär. Verbrechen im Felde (Fahnenflucht, Feigheit und Bruch des Ehrenwortes durch einen Kriegsgefangenen
u. s. w.) und zwar in 10 Fällen ausschließlich, in 8 Fällen wahlweise angedroht.
Ebenso tritt, außer in Bayern,
[* 22] nach Einführungsgesetz zum Reichsstrafgesetzbuch §. 4, wenn bestimmte Handlungen in einem
Teile des Bundesgebietes begangen werden, die der Kaiser in Kriegszustand erklärt hat, an Stelle lebenslänglicher
Zuchthausstrafe Todesstrafe. Die Todesstrafe wird im Felde durch Erschießen (s. Füsilieren) vollstreckt. Sonst geht die Vollstreckung der im
Frieden wegen eines gemeinen Verbrechens erkannten Todesstrafe auf die Civilbehörden über. Im Vollzuge der (s. Hinrichtung)
sind Verschärfungen weggefallen. Über die in den deutschen Kolonialgebieten s. Kolonialrecht (Bd. 17). Auch
das Österr. Strafgesetz und der Gesetzentwurf von 1891 hat die Todesstrafe. -
Vgl. Merkel, Lehrbuch des deutschen Strafrechts (Stuttg.
1889);
von Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts (8. Aufl., Berl. 1897) und die dortige Litteratur; Gruber,
Der Stand der in der Gesetzgebung und in der Praxis (im «Gerichtssaal»,
Bd. 44, 1891);