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Urs Hafner, Neue Zürcher Zeitung, NZZ vom 6.1.2014
Der «Brockhaus» lebt als Vorhang oder Kunstobjekt. Als Enzyklopädie ist er Geschichte.
Der «Brockhaus», der Bildungsschatz des deutschen Bürgertums, hat den Anschluss an das digitale Zeitalter verpasst. Mit ihm verschwindet ein emanzipatorisches Konzept des Wissens aus der Zeit der Aufklärung.
Der «Brockhaus» ist Geschichte. Der Medienkonzern Bertelsmann, dem das bekannteste Nachschlagewerk in deutscher Sprache gehört, liess Mitte letzten Jahres verlauten, er führe die «Brockhaus-Enzyklopädie» nicht weiter. Die 21. Auflage von 2006 wird also die letzte bleiben. Die Online-Version soll noch eine Weile aktualisiert werden, bevor auch sie eingestellt wird.
Das Ende des «Grossen Brockhaus», wie das Werk die längste Zeit seines langen Bestehens hiess – die erste, sechsbändige Auflage erschien zwischen 1796 und 1808 –, kündet nicht das Ende der Lexikografie an, im Gegenteil. Trotz Schwierigkeiten, Schreibende zu rekrutieren, verläuft der Aufstieg der Online-Enzyklopädie Wikipedia nach wie vor kometenhaft. Die weltweit am sechstmeisten besuchte Website ist die neue enzyklopädische Autorität des Wissens schlechthin. Und noch nie waren auf dem Buchmarkt so viele Lexika zu so vielen möglichen und unmöglichen Themen erhältlich wie heute. (Ein Lexikon ist wie eine Enzyklopädie ein Nachschlagewerk, hat aber nicht deren umfassenden Anspruch.)
Freilich sind die Käuferinnen und Käufer – aus naheliegenden Gründen – kaum mehr an zentnerschweren Grossreihen interessiert. Die Verkaufszahlen etwa des kurz vor dem Abschluss stehenden vierzehnbändigen «Historischen Lexikons der Schweiz» sind eingebrochen. Die «Encyclopaedia Britannica», noch traditionsreicher als der «Brockhaus», hat die gedruckte Ausgabe vor zwei Jahren aufgegeben, konnte sich aber offenbar erfolgreich ins Netz retten. Das hat ihr deutsches Pendant verpasst.
Der «Brockhaus»: Viele Tränen ruft sein Ableben nicht hervor. In der schönen neuen Medienwelt, in der das Digitale und das dynamisch Bewegte eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben, wirken die in schwarzes Leder eingebundenen Wälzer, auf deren Rücken goldfarbene Lettern prangen, wie biedere, überflüssige Dinosaurier. Sie sind fast chancenlos im Wettbewerb gegen die smarten Tablets und das Internet. Die dreissig Bände des «Brockhaus» bieten zwar 300'000 Artikel, doch die deutschsprachige Wikipedia stellt bereits über eineinhalb Millionen bereit – und das obendrein noch kostenlos.
Und ist heute, in der hochinnovativen «Wissensgesellschaft», ein Lexikon nicht sowieso veraltet, kaum dass es gedruckt ist? Und: Geben Enzyklopädien nicht sowieso nur das wieder, was allgemein akzeptiert ist, also die herrschende Meinung und den Mainstream? Pressen sie die quecksilbrige Materie des Wissens nicht staubtrocken in ihre Schemata, klassifizieren sie nicht Gedanken und Einfälle, um sie ihrer Lebendigkeit zu berauben? Schliesslich: Sind Enzyklopädien letztlich nicht Werke eines – vorwiegend von Männern kultivierten – Wahns, die das Unmögliche wollen, nämlich alles wissen und alles Wissen sammeln und mit diesem Wissen, wie allen voran Wikipedia, auch noch die Welt verbessern?
Eine kompromisslose Attacke gegen das enzyklopädische Wissensmodell ritt der 1948 verstorbene französische Autor Antonin Artaud: Es erlaube irgendwelchen Pedanten, ihre «geistigen Beschränktheiten zu kanalisieren». Im Umfeld des Surrealismus kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Gattung der Anti-Nachschlagewerke auf, etwa das (im Jahr 2005 ins Deutsche übersetzte) «Kritische Wörterbuch», zu dessen Autoren Georges Bataille und Michel Leiris zählten.
Die wenigen Einträge dieses Werks, die, selbstredend nicht alphabetisch geordnet, «Nachtigall», «Mund», «Schlachthof» oder «Fabrikschornstein» heissen, griffen die bildungsbürgerliche Schöngeisterei und das Überlegenheitsgefühl der «weissen Rasse» an. Thematisiert wurden, anders als von vielen klassischen Lexika, die Kehrseiten der Zivilisation, die dunklen im Menschen schlummernden Kräfte, das Verdrängte und Unscheinbare.
All diesen Kritiken an dem – auf Papier gedruckten – Modell des Enzyklopädischen wohnt mehr als nur ein Funke Wahrheit inne. Doch wer in diesem Modell nur Biedermeier, Starrsinn und Reaktion sieht, macht es sich zu einfach. Auch wenn der «Brockhaus» seine hohe Zeit in der Ära des Nationalismus hatte, so lebt in ihm noch immer ein emanzipatorisches Grundanliegen der Aufklärung weiter: Dass der Einzelne selbst denken lernen möge, damit er mit seinen Mitmenschen räsonieren könne und die Welt also vernünftiger werde. Denn: Wer räsoniert, nimmt Wissen nicht als gegeben hin und macht es – zur Zeit der Aufklärung und auch nachher keine Selbstverständlichkeit – öffentlich.
Gegen den Willen von König und Kirche brachten die französischen Aufklärer Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond d'Alembert 1751 bis 1772 die achtundzwanzigbändige «Encyclopédie» heraus, die erste moderne Enzyklopädie überhaupt. Neben anderen steuerten Rousseau und Voltaire Beiträge bei, die letztlich alle die Freiheit des Denkens einforderten. Der «Brockhaus» wurde von Friedrich Arnold Brockhaus begründet, einem liberalen Demokraten, der mehrfach mit der Zensur in Konflikt geriet.
Der 1823 verstorbene Verleger gab unter anderem politische Zeitschriften und die umstrittenen Memoiren des Schriftstellers Giacomo Casanova heraus. Zunächst hiess der «Brockhaus» im Untertitel «Conversations-Lexikon». Darin mag die altbackene Konversation unter älteren Herren anklingen, die man mit dem Nachschlagewerk assoziiert: Wie sie, sich in der guten Stube über Gott und die Welt auslassend, bei der Frage nach der Höhe der ägyptischen Pyramiden ins Trudeln geraten und im entsprechenden Band den korrekten Sachverhalt nachschlagen. Einer von ihnen wird triumphiert haben.
Doch der italienische Ausdruck «conversazione» bedeutet viel mehr als nur «seichtes Geschwätz und den Austausch von Höflichkeitsfloskeln»: Konversation nämlich als «soziale Praxis des Debattierens und Urteilens», wie die Soziologin Claudia Honegger kürzlich geschrieben hat. Der «Brockhaus» hatte sich also das emanzipatorische Programm der Aufklärung gar auf seine Fahnen geschrieben. Seine Leser und Leserinnen sollten, frei nach Kant, durch den öffentlichen Gebrauch der Vernunft die Wahrheit öffentlich darstellen. Dieses Programm ist heute, im informationsüberfluteten Zeitalter der sich voneinander abkoppelnden digitalen Parallelöffentlichkeiten, nicht minder relevant.
Die Enzyklopädie wird im digitalen Zeitalter nicht aussterben, im Gegenteil, aber sie verändert mit der Digitalisierung ihre Funktion und Bedeutung. Durch die permanente Aktualisierung mit neuen Daten und die – theoretisch – grenzenlosen Verlinkungsmöglichkeiten gewinnt das Lexikon immens an zusätzlichem Faktenwissen – und verliert zugleich an narrativer Gestalt und dadurch an Sinnhaftigkeit. Welche Art von Wissen wird es künftig vermitteln? Eines, das nicht erzählt und daher auch nicht räsoniert, sondern parzelliert, addiert und aufdatiert wird? Reine Faktenhuberei jedenfalls führt direkt in den Blödsinn.
Interview:
Hans-Albrecht Koch ist Professor für Literaturgeschichte an der Universität Bremen und Honorarprofessor an der Humboldt-Universität Berlin. Neuste Publikation, zusammen mit Gabriella Rovagnati (Hg.): Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien. Frankfurt am Main u. a. 2013.
Herr Koch, bedauern Sie das Ende der «Brockhaus-Enzyklopädie»?
Sehr. Mit dem «Brockhaus» geht nicht nur die Ära der gedruckten Enzyklopädien zu Ende, sondern auch eine Phase der Kulturgeschichte, die sich mit dem Versuch, von sich Abstand zu nehmen, selbst reflektiert hat: Im «Brockhaus» finden Sie einen Querschnitt durch das Wissen aller Fachgebiete auf gleichem historischem Stand.
Bietet Wikipedia nicht einen ungleich grösseren Querschnitt?
Nein. Wikipedia bietet den neusten Stand des Wissens, aber keinen Querschnitt und keine Reflexion über das Zustandekommen des Wissens. Wikipedia interessiert sich mehr für die behandelte Sache als für deren Geschichte. Das zeigt sich an der unterschiedlichen Qualität der Beiträge: Während die naturwissenschaftlich-technischen Artikel solide sind, fehlt den geisteswissenschaftlichen Texten oft die Tiefe. Für die Behandlung kultureller Themen braucht es Erfahrung und Zeit zum Lesen gerade auch alter Texte. Darum erhalten Literaten den Nobelpreis in viel höherem Alter als etwa Physiker.
Der «Brockhaus» ist – wie die anderen, aber weniger populären Konversationslexika, der «Meyer» oder der «Herder» – ein Produkt, das sich vor allem an das Bildungsbürgertum wandte. Ist seine Weltsicht «bürgerlich» eingeschränkt?
Gerade nicht! Natürlich schlägt sich in einem Lexikon die Grundanschauung einer Zeit nieder, was zur Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zwischen einzelnen Artikeln führen kann. Und natürlich diente der «Brockhaus» mit seinen in goldgeprägtes Leder gefassten Bänden, die im Salon gut und gerne drei Regalbretter füllten, auch repräsentativen Zwecken. Doch durch das ziellose, zufällige Blättern und Stöbern kommen Sie vom Hölzchen aufs Stöckchen: Sie stossen auf Wissen, das Sie gar nicht gesucht haben. Autoren wie etwa Rilke haben so mit dem Lexikon gearbeitet. Es bringt Ihnen einen ungeahnten Erkenntnisgewinn. Sie schweifen ganz unbürgerlich von Ihrem Thema ab, wie der Benutzer der Freihandbibliothek, der zwischen den Regalen herumflaniert.
Erlaubt Wikipedia nicht ein schnelleres und weiter verzweigtes Stöbern?
Nein, Wikipedia führt Sie viel straffer am Zügel als ein gedrucktes Lexikon, weil Sie meist nur auf sachlich verwandte Stichworte weitergeleitet werden. Damit Sie mich nicht missverstehen: Als zur Modernisierung bereiter Traditionalist benutze auch ich regelmässig Wikipedia, auch wenn ich nie begriffen habe, warum das Lexikon mich ständig duzt. Für die schnelle Abfrage von Daten oder naturwissenschaftlichem Wissen ist Wikipedia sehr geeignet.
Hat der «Brockhaus» über die bürgerlichen Schichten hinaus gewirkt?
Das hat er in jedem Fall. Der «Brockhaus» stand nicht nur in vielen deutschen – vorwiegend bürgerlichen – Wohnstuben, sondern auch in jedem deutschen Schulzimmer. Der Lehrer hatte ihn immer zur Hand. Gerade Volksschullehrer als soziale Aufsteiger haben dem Lexikon grösste Bedeutung beigemessen. Freilich verband sich mit dem «Brockhaus» oft auch eine naive Vorstellung von Wissen: Es ist so, wie es im Buche steht. Gegen ein zu statisches Bild von Wissen empfiehlt sich der regelmässige Blick in Wikipedia: Nach nur ein paar Wochen sind manche Einträge stark verändert, und die Einträge zur selben Sache in verschiedenen Sprachen weichen oft gravierend voneinander ab, spiegeln sozusagen das alte Nationalverständnis von Enzyklopädie.
Ende des 18. Jahrhunderts erschien die erste Auflage des «Brockhaus», 2006 die letzte. Hat er sich in dieser Zeit stark verändert?
Natürlich, wie jedes Menschenwerk ist auch der «Brockhaus» von den Umständen bestimmt und verändert sich dementsprechend. Die jeweils dominanten politischen Strömungen haben sich in ihm niedergeschlagen. Wahrscheinlich hat der «Brockhaus» dem Antisemitismus seit der sogenannten Gründerzeit mehr den Weg geebnet als Hitlers «Mein Kampf», der kaum gelesen wurde. In jedem Lexikon finden Sie problematische Informationen. Während Kant den Geisterglauben widerlegte, hielt Johann Georg Walchs Lexikon fest, unter welchen Umständen Geister aufträten. Lexika sind die Arrieregarde des Wissens. Und nicht nur die Inhalte verändern sich, sondern auch der Sprachduktus, der zum Spiegel einer Zeit wird. Die enzyklopädische Ordnung des Wissens, also die systematische Versammlung allen bekannten Wissens, ist eine Obsession der Aufklärung. Sie richtete sich gegen die Vereinnahmung des Wissens durch die Autoritäten.
Besitzt auch Wikipedia eine herrschaftskritische Stossrichtung?
Nur beschränkt, wie die klassischen Lexika insgesamt. Eine wirklich aufklärerische Sicht der Dinge pflegte nur der französische Schriftsteller Pierre Bayle mit seinem «Dictionnaire historique et critique», der Ende des 17. Jahrhunderts erschien und vom deutschen Frühaufklärer Johann Christoph Gottsched ins Deutsche übersetzt wurde. Dieses lexikografische Modell ist bis heute unerreicht geblieben. Bayle hat unter jedem Stichwort zuerst die damit verbundenen Irrtümer genannt und seine Meinung zur Sache erst am Ende formuliert – mit einem Fragezeichen! Fragen sucht man kaum in einem Lexikon. Bayles Werk ist denn auch nicht populär geworden.