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amerik. Ärztell wird noch vielfach angenommen, daß Zersetzungsprodukte organischer Stoffe für die Ent- stehung der Diphtheritis in Betracht kämen; mangelhafte Ab- fuhrsysteme, schlechte Kanäle, defekte Syphons, durck welche Kanalgase in die Wohnung dringen konnten, bat man für die Hltiologie der Diphtheritis herangezogen. Alles dies jedoch ist völlig unbegründet und läßt sich mit den heutigen Anschauungen über die Natur der Infektionserreger gar nicht vereinigen. Lokale Ein- flüsse (Bodenstruktur, Grundwasserstand, Boden- verunreinigung , Luftbesckaffenbeit, Beschaffenheit der Häuser) sind auf die Ausbreitung von keinem Einfluß oder treten wenigstens vollkommen zurück gegenüber andern Momenten.
Die Bevölkerungs- dichtigkeit ist hauptsächlich ausschlaggebend für die Zahl der Diphtheriefälle. Vielfach ist auch bebauptet worden, daß die Kinder wohlhabender Eltern mehr gefährdet seien; allein es baben Kaiser für Berlin [* 1] und Flügge für Vreslau nachgewiesen, daß gerade das Umgekehrte der Fall ist. Besonders ausge- sprochen ist bei der Diphtheritis die Altersdisposition. Wäh- rend die Erkrankung im ersten Lebensjahre zurück- tritt, steigt die Disposition schnell im zweiten und dritten Jahre, um dann im sechsten Jahre allmäh- lich wieder abzunehmen; vom elften Jahre an ist sie bereits gering, vom fünfzehnten Jahre an ist sie fast vollkommen erloschen.
Die Erkrankungen an D. von 18W bis 18W in Breslau [* 2] nach Flügge: Im Alter von Jahren Diphtherie-ertrankungen 1886-90 Durchschnittlich pro Jahr Lebende der betreffenden Altersklasse Auf 1000 Lebende jährlich erkrantl 0-1 160 32 7393 4,32 1-2 574 115 6682 17,18 2-3 813 163 6143 26,47 3-4 787 157 6184 25,45 4-5 655 131 5783 22F5 5-6 660 132 5640 23,4" 6-7 113 6031 18,73 7-8 550 110 5952 13,51 8-9 325 65 6201 10,48 9-10 258 52 6311 8,17 10-11 126 25 5765 4,37 11-12 150 .".0 5738 5,23 12-13 125 25 5639 4,43 13-14 65 13 5645 2,30 14-1'" 41 8 4511 1,52 15-1" 35 7 5521 !,'_'.'! 16-17 32 5979 1,0? 17-18 35 7 5983 1,17 18-19 23 5 5942 0,75 19-20 22 4 6097 0,72 Hinsichtlich der Verhütung der Diphtheritis wird eine sorgsame Beaufsichtigung der Kinder am meisten leisten.
Man gewöhne diese daran, daß sie nicht alle Sachen in den Mund stocken, halte sio von einem zu ausgedehnten und intimen Verkebr mit andern fern und versuche sie beizeiten gegen Erkältungskrank- heiten abzuhärten; denn em Kind, welches zu Ka- tarrhen neigt, ist mehr gefährdet als ein abgehär- tetes Kind. Jede Erkrankung an D. sollte polizeilich ge- meldet werden. Das erkrankte Kind ist streng zu iso- lieren, und wo das nicht angängig ist, in einem Hospital unterzubringen.
Die Pfleger des kranken Kindes sollen mit gesunden möglichst nickt in Berüh- rung kommen. Keine auch nicht die geringste Hals- entzündung darf zu Epidemiezeiten vernachlässigt werden. Besonders sind antiseptische Mundspülun- gen von Vorteil, indem diese die Bakterien abtöten, bevor sie schädlich wirken. Nach Ablauf [* 3] der Krankbeit ist eine sachgemäße Desinfektion [* 4] erforderlich. Die Behandlung der Diphtheritis mußte sich bis vor kurzem darauf beschränken, durch Betupfen mit anti- septischen Flüssigkeiten die eingewanderten Erreger abzutöten, die Kräfte des Patienten durch reichlichen Weinqenuß hoch zu halten, das Fieber durch Bäder und Medikamente zu dämpfen und durch die Tracheo- tomie einer Erstickungsgefahr vorzubeugen.
Seit- dem jedoch von Nehring (s. d.) 18W das Diph- therieh eilserum entdeckt worden ist, ist man in der Lage, auch den Krankheitsprozeß selbst wirksam zu bekämpfen und die schädlichen Wirkungen des Torins zu paralysieren. Behring sand, daß das Blutserum von Tieren, denen erst abgetötete, später wachsende Dosen lebender Diphtheriekulturen eingespritzt wor- den sind, im stände ist, eine bestimmte Menge Torin für den Körper unschädlich zu machen. Als Normal- antitorinlösung wird ein Serum bezeichnet, von dem 0,i ecin hinreicht, 1 cem einer bestimmten Normal- giftlösung (diese hat die Konzentration, daß 0,4 ccm hinreichen, 1 KZ Meerschweinchen sicher zu töten) un- giftig zu machen; dieses enthält 1 Normalantitorin- einheit.
Von den Farbwerken vormals Meister, Lucius ^ Brüning in Höchst a. M. wird unter staat- licher Kontrolle Heilserum mit bestimmtem Anti- toringehalt dargestellt. Die das Tiphtherieheil- mittel enthaltenden Fläschchen sind der Einwirkung des Lichts zu entziehen und an einem kühlen, aber frostfreien Orte aufzubewahren. Unter dieser Vor- ausfetzung bleibt der Wirkungswert monatelang nnvermindert. Vor Zerfetzung durch Mikroorganis- men ist das Mittel durch einen Gehalt von 0,5 Proz. Karbolsäure geschützt.
Zur Zeit werden in den Apo- theken Sera von verschiedenen Konzentrationen ver- kauft. Bis vor kurzem gelang es nicht, stärkeres Serum darzustellen, als daß in'i ccui 100-200 Im- munisierungseinheiten (ahgckürzt: I.-Iil.) waren. Von diesem Serum sind vier verschiedene Fläschchen im Handel. Nr. 0: Fläschchen mit gelber Etikette, enthaltend 200 I.-ll., dessen Inbalt genügt, um ge- sunde Kinder und erwachsene Personen gegen die Erkrankung zu schützen, und da angewendet werden soll, wo die Hausgenossen eines dipbtheriekranken Menschen geschützt werden sollen (Immunisierungs- dosis); Nr. I: Fläschchen mit grüner Etikette, enthält die einfache Heildosis -^ 600I.-N., welche für solche Fälle genügt, bei welchen gleich nach dem Ausbruch der Krankheitssymptome die Behandlung mit Heil- serum begonnen wird; Nr. II: Fläschchen mit weißer Etikette, enthaltend 1000 I.-ll.; Nr. III: Fläschchen mit roter Etikette -^ 1500 I.-I^. Da bei diesem alten Serum 1 ccm nur 100-2001.-N. enthielt, so mußte bei schweren Diphtberiesallen, wo 1500 und mehr Immunisierungseinbeiten^ injiziert werden sollten, eine große Quantität ^crnm eingespritzt worden, was mancherlei unangenebme Nebenwir- kungen mit sich brachte; jetzt ist es gelungen, hoch- wertiges Serum zu gewinnen, von dcm 1 ccin 500 und mehr Immunisierungseinheiten enthält.
Dieses hochwertige ^erum wird nicht etwa durch einen KonzentrationZprozeß aus minderwertigem dargestellt, sondern es ist ein unmittelbar aus dem Tierkörper gewonnenes Serum. Die Schwierigkeit, dieses Resultat zu erzielen, sowie namentlich die stärkere Abnutzung des Ticrmaterials haben dazu genötigt, das hochwertige Serum teurer zu be- rechnen, und zwar kosten 100 I.-N. von 300fachem Serum 15 Pf., von 400fackem 60 Pf., von 500fachem und darüber 80 Pf., wäbrend für Serum bis zu 2001.-N. in 1 oom .")5 Pf. für 1001.-N. angerechnet ¶