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stellenden Thatbestandes die nötige Rechtsbelehrung, an deren Grundsätze die Geschworenen gebunden sind. Ihr Nichtschuldig hat die Bedeutung der Definitiv- entscheidung; im Fall des «Schuldig» hat sich der Richter nur noch mit der Bemessung der Strafe zu beschäftigen. Zuweilen giebt jedoch die Jurv nur ein Specialverdikt, indem sie bloß gewisse Thatum- stünde als erwiesen annimmt und die Entscheidung der Frage, ob damit der Thatbestand des schuld- gegebenen Verbrechens, z. B. einer Fälschung, be- gründet sei, dem Gerichtshof überweist.
Obschon dem Vorsitzenden Richter das Recht zusteht, die Pro- tokollicrung des erteilten Wahrspruchs zu bean- standen und wegen Irrtümer oder vorgefallener Un- regelmäßigkeiten eine nochmalige Beratung der Jury zu veranlassen, auch bei Verdacht, daß der Spruch auf unerlaubte Weise entstanden sei, das Verfahren auszusetzen, so hält das engl. Recht im allgemeinen die Fiktion fest, daß ein ^. nicht irren könne, und es läßt sich deshalb das Urteil nicht durch den Nach- weis der Wahrheitswidrigkeit, sondern nur wegen mehr formeller Mängel aufechten, zu welchen jedoch die Nichtbeobachtung der Beweisregeln mit gehört.
Das hauptsächlichste Rechtsmittel, eine motion loi- g. nL^v trial zur Verweisung der Sacke vor ein anderes S., ist aber bei Anklagen wegen Verbrechen (l6loni68) meistens unzulässig, vielmehr kann hier nur durch Begnadigung geholfen werden. Zur Teilnahme am S. wurden bis zu dem Ge- setz vom in England unbescholtene Männer im Alter von 21 bis 60 I. berufen, die aus ihnen eigentümlichen Landcreien wenigstens 10, oder aus einem Hause wenigstens 20 Pfd. St. Jahres- einkommen beziehen und nicht dem abhängigen ^ol- datenstande oder der Beamten- oderHofdicnerklasse angehören; durch jenes Gesetz wurde dieser Census etwas erhöht.
Den Pairs, Geistlichen, Ärzten, Ad- vokaten, Apothekern und andern namhaft gemach- ten Personen steht ein gesetzlicher Vefrciungsgrund zur Seite. Das Verzeichnis der zum Schwurge- richtsdienst verpflichteten Personen wird im ganzen Lande alljährlich zusammengestellt und zur Entgegen- nahme etwaiger Reklamationen öffentlich ausge- hängt. Nack diesen Verzeichnissen fertigt der Ge- richtsschreiber bei den Quartalsitzungen die Urliste der Grafschaftsgeschworcnen, aus welcher der Lnerin" (s. d.) für jede bevorstehende Sitzungsperiode wenig- stens 48 und höchstens 72 auf die Dienstliste setzt und einberuft.
Dem Angeklagten steht frci, die ihm nicht Zusagenden, und zwar 20 obne Angabe von Gründen, zu verwerfen. Unter Umständen kann so- gar die vom 3k6i'iA eingereichte Dienstliste in ihrer Gesamtheit wegen Verdachts der Parteilichkeit ab- gelehnt werden. Dem Königsanwalt, der die An- klage führt, steht ein Verwerfungsreckt nicht zu. Neben den Geschworenen fungiert nur Ein rcchts- gelehrter Richter, der indes, wenn ihm ein Schuld- spruch rechtlich bedenklich erscheint, befugt ist, die Fällung oder Vollstreckung des Urteils auszusetzen und die Entscheidung eines aus den Oberrichtern Englands gebildeten Appellhofs einzuholen.
Auf dem Kontinent wurde das S. zuerst nach Frankreich durch die Nationalversammlung ver- pflanzt. Das Gesetz vom 29. ^cpt. 1791. führte die Anklage- und Urteilsjury ein; weitere Gesetze unter der wechselnden Herrschaft der Parteien ergingen sich in den verschiedenartigsten Organisationsversuchcn. Die hierbei gemachten Erfahrungen waren jedoch keineswegs befriedigend, und nach der Wiederher- stellung eines befestigten Zustandes erklärten sich viele Stimmen gegen die Jury.
Indessen entschied sich Napoleons (üoäs li'iusti-uetioQ ei-imiusiie von 1808 für Beibehaltung wenigstens der Urteilsjury bei Anklagen wegen Verbrechen (oi-imes), wennschon unter Änderungen. Die Jury wurde aus den höchst- besteuerten des Departements und sog. Kapacitäten, d. h. Angehörigen des Beamten- und Gelehrten- standes gebildet, über deren Auswahl der Präfekt entschied. An Stelle des die Anklage erledigenden «Schuldig» oder «Nichtschuldig» der engl. Jury tritt nach der franz. Idee von der Teilung der Gewalten die Sondcrung zwischen «That» und «Recht» im Schwurgerichtsverfahren.
Nur über erstere sollen die Geschworenen entscheiden und zwar an der Hand [* 1] von Fragen, die der Präsident des Assisenhofs schriftlich formuliert. Das Erfordernis der Einstimmigkeit des Wahrspruchs ist aufgehoben und dem Assisenhofe ein Einwirkungsrccht zur Verbesserung von irrtümlichen Aussprüchcn der Geschworenen zuerkannt. Neuere Gesetze haben bieran vieles geändert. Besondere Er- wähnung verdient das Gesetz vom welches die Geschworenen zur Annahme «mildernder Umstände» (circ0ii3iHiic68 HttenuHutsL) ermächtigte.
Die Zusammensetzung der Gesetze vom 21. Nov/i872 und Das früher übliche Resumö (s. o.) des Präsidenten wurde durch Gesetz vom beseitigt. Nach dem Vorgange Frankreichs kamen die S. auch in andern Ländern, wie Belgien, [* 2] Italien, [* 3] der Schweiz, [* 4] Rußland, Österreich, [* 5] Griechenland [* 6] und den deutschen Einzelstaaten in Geltung. Im neuen Deutschen Reich und in Österreich ist das Verfahren in seinen Hauptzügen wesentlich übereinstimmend gestaltet, und zwar für Österreich durch die Straf- prozeßordnung vom §§. 297 fg., und das Gesetz betreffend die Gcschworenenlisten vom selben Tage, für Deutschland [* 7] durch das Gerichts- verfafsungsgesetz vom ßß. 79 fg., und die ^trafprozehordnung vom 1. Febr.1877, §8-276 fg. Das jetzt in Deutschland und Österreich geltende Recht ist danach folgendes: I. Bildung der Gcschworenenlisten.
Wäh- rend in Deutschland die Urliste für die Auswahl der Schöffen (s. Schöffengericht) zugleich als Urliste sür die Auswahl der Geschworenen dient, wird letztere in Österreich durch eine aus dem Gemeindevorsteher und zwei von ihm aus der Gemeindevertretung ge- wäblten Mitgliedern bestehende Kommission ent- worfen, 8 Tage ausgelegt, nach Prüfung der er- hobenen Einsprüche richtig gestellt, dem Bczirks- hauptmann zur Nachprüfung übersandt und von diesem nach Beifügung seiner Bemerkungen dem Präsidenten des Gerichtshofs erster Instanz vor- gelegt.
Das östcrr. Gesetz erfordert für das Amt des Geschworenen Vollendung des 30.Lebensjahres, Lesens- und Schreibcnskunde, Heimatsberechtigung in einer Gemeinde der im Reicksrat vertretenen Königreiche und Länder, wenigstens einjährigen Wohnsitz in der Gemeinde, außerdem aber einen Vermögens- oder Vildungscensus. Es soll nämlich nur berufen werden, wcr entweder mindestens 10 Fl. (an Orten mit mehr als 30000 E. 20 Fl.) direkte Steuer entrichtet oder dem Stande der Advokaten, Notare, Professoren und Lehrer an Hoch- oder Mittelschulen angehört oder an einer inländischen Universität den Doktorgrad erlangt hat. Falls in- dessen die Urliste eines Gerichtshofssprengels nicht wenigstens 800 hiernach berufene Personen enthält, ¶