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so ist der Schiedsvertrag hinfällig. Der Schieds- spruch ist schriftlich abzufassen, von dem Schieds- richter zu unterschreiben, in Ausfertigung den Par- teien zuzustellen, das Original unter Beifügung der Beurkundung der Zustellung auf der Gerichtsschrei- berei des zuständigen Gerichts niederzulegen; er ist mit Gründen zu versehen, wenn nicht der Schieds- vertrag etwas anderes statuiert. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkung eines rechts- kräftigen gerichtlichen Urteils; aus gesetzlich (Civil- prozeßordn. §. 867) bestimmten Gründen nur kann seine Aufhebung beim zuständigen Gericht be- antragt werden; eine Zwangsvollstreckung indessen kann aus ihm erst stattfinden, nachdem durch staats- gerichtliches Urteil ihre Zulässigkeit ausgesprochen ist. Wie durch Vertrag, so kann auch durch letzt- willige Verfügung, Vercinsstatut u. s. w. ein Schieds- gericht augeordnet werden. - Eine besondere Art der Schiedsgerichte sind die im Gewerbeverkehr vor- kommenden Einigungsämter und Gewerbe- gerichte (s. d.); bezüglich der letztern enthält §. 108 der Deutschen Gewerbeordnung vom die nähern Bestimmungen. - Schiedsrichter, die sich haben bestechen lassen, oder die sich einer Beugung des [* 1] Rechts schuldig machen, werden nach ßß. 334 und 336 des Reichsstrafgesetzbuches mit Zuchthaus bestraft. Im Staats recht ist in allen Streitfällen, in denen es an einer richterlichen Gewalt fehlt, die Un- terwerfung unter einen schiedsrichterlichen Spruch das natürlichste und einfachste und in vielen Fällen einzige Mittel der Veileguug, wenn es nicht zum Kriege kommen soll; daher hat das Schiedsgericht in völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Verhält- nissen ein besonders wichtiges Anwendungsgebiet. Im Mittelalter diente dasselbe bei dem Verfall der Gerichtsgewalt des Kaisers zur Abwendung der Fehde; die Landfriedensgefetze machten es den Für- sten, Herren und Korporationen zur Pflicht, für eine bestimmte Zeit und innerhalb eines gewissen Ge- bietes auf alle Selbsthilfe zu verzichten und ihre Streitigkeiten vor Korrichtern oder Schiedsrichtern auszutragen.
Die Zusammensetzung des Schieds- gerichts war öfters im Landfrieden bestimmt, und man pflegte dann das Schiedsgericht selbst als den Landfrieden zu bezeichnen. Der Ewige Landfriede von 1495 machte die schiedsrichterliche Austragung den Reichsunmittelbaren zur verfassungsmäßigen Pflicht und schuf dadurch eine wirkliche Austrägal- instanz (s. Austrägalgericht) an Stelle von ordent- lichen Reichsgerichten. Auch die Deutsche [* 2] Vundes- akte, welche jede gewaltthätige Selbsthilfe unter den deutschen Vundcsstaaten verbot, verpflichtete die- selben, ihre staatsrechtlichen Streitigkeiten vor der sog. Bundesausträ'galinstanz zu erledigen, und ebenso sind im jetzigen Deutschen Reiche die Einzel- staaten verfassungsmäßig verpflichtet, ihre Streitig- keiten gütlich auszugleichen und sich nötigenfalls zu diesem Zweck an den Bundesrat zu wenden (Reichs- verfassung Art. 76, Abs. 1). Auch für Verfassungs- streitigkeiten zwischen der Regierung und den Land- ständen eines deutschen Staates wurde durch einen Bundesbeschluß von 1834 ein Bundesschiedsgericht eingeführt, von dieser Einrichtung aber niemals cin praktischer Gebrauch gemacht.
Gegenwärtig ist zur Ausgleichung solcher Streitigkeiten nach Reichs- versassung Art. 76, Abs. 2 das Reich zuständig. Der Austrag völkerrechtlicher Streitigkeiten durch Schiedsgerichte war schon dem Altertum ge- läufig. Bei den Griechen übertrug man die Ent- scheidung einem dritten Staate, wie die Athener und Megarer in ihrem Streit über Salamis an Sparta, welches dann eine Kommission von fünf Spartiaten damit beauftragte, oder einem ange- sehenen Bürger eines dritten Staates, wie Perian- der einen Streit zwischen Athen [* 3] und Mytilene über das Sigeische Vorgebirge, und Themistokles einen Streit zwischen Korinth [* 4] und Kerkyra über das Vor- gebirge Leukas entschied.
In dem Streit derselben Städte über die Pflanzstadt Epidamnos, der den Peleponnesischen Krieg herbeiführte, erboten sich die Kerkyräer vergeblich, die Entscheidung dem Delphi- schen Orakel zu überlassen. (Vgl. Schömann, Griech. Altertümer, II, 3. Aufl., Bert. 1873, S. 5 fg.) Bei den Römern entschieden die gemischten Gerichte der N6cup6i'iU0i-68 ebensowohl über Ansprüche von Staat gegen Staat, wie von Angehörigen verschie- dener Staaten gegeneinander.
In der Zerklüftung des mittelalterlichen Lehnstaates liefen Völker- und staatsrechtliche Schiedsgerichte ohne scharfe Schei- dung ineinander. Nur in den ruhelosen Macht- kämpfen des 16. bis 18. Jahrh, waren die völker- rechtlichen Schiedsgerichte nahezu verschollen, und so erklärt es sich, daß sie mehr wohlmeinend als ein- sichtig seit der Mitte dieses Jahrhunderts als ein ganz neues Universalheilmittel gegen den Krieg empfohlen wurden. (S. Friedensfreunde.) Daß die Schiedsgerichte diese Wirkung nicht haben kön- nen, ist ohne weiteres klar, wenn man davon aus- geht, daß sie nach Nechtssätzen entscheiden sollten.
Denn zu solcher Entscheidung ist nur eine der drei Arten völkerrechtlicher Ansprüche geeignet, die einen zulässigen Kriegsgrund (s. d.) abgeben, und in die- sem Kreise [* 5] bewegen sich ausnahmslos alle aus dem Altertum angeführten Fälle eines Schiedsgerichts und alle Beispiele desselben aus neuester Zeit. Von allen großen Kriegen der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ist aber keiner über solche Ansprüche entstanden. Nach welchen Rechtssätzen hätte z. B. 1853 und 1877 entschieden werden sollen, ob die Forderung begründet sei, daß die Pforte sich einer oder allen Großmächten gegenüber bezüglich der Be- handlung ihrer christl. Unterthanen vertragsmäßig binde? In vielen Fällen können dritte Mächte durch Intervention (s. d.) eingreifen, aber auch dieses Mittel versagt, wenn es sich um tiefgreifende geschichtliche Gegensätze handelt.
Auch der völkerrechtliche Schieds- spruch setzt einen Vertrag der streitenden Teile über den Gegenstand der Entscheidung und die Stellung des oder der Schiedsgerichte voraus, mit etwa über Ort und Zeit getroffenen Nebenbestimmungen. Es kann auch, wie im Vertrage von Washington [* 6] zwischen England und den Vereinigten [* 7] Staa- ten über den sog. Alabamastreit (s. Alabamafrage), eine bestimmte Fassung der einschlagenden Rechts- sätze vereinbart werden, wie sie von den Beteiligten als gültig anerkannt werden und das Schiedsgericht binden sollen.
In der Besetzung des Schiedsgerichts wiederholen sich noch immer die schon im Altertum üblich gewesenen Gestaltungen. Am häufigsten ist die Übertragung des Schiedsspruchs an das Ober- haupt eines monarchischen oder den höchsten Beam- ten eines republikanischen Staates und zwar so, daß diese in eigenem Namen, wenn auch mit dem erforderlichen Beirat, entscheiden. So wurden Schiedssprüche zwischen England und Portugal [* 8] über ihre afrik. Gebietsgrenzen und über die Dela- goabai von den Präsidenten der franz. Republik i Thiers und Mac-Mahon gefällt. In dem San ¶