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deshalb in vielen Fällen den Polizei V. u. V. Zuchthaus und Festungshaft wahlweise an und bestimmt (8. 20), daß auf Zuchthaus nur dann erkannt werden darf, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprun- gen ist.
Auch bei der Auslieferung (s. d.) wird der Gegensatz von gemeinen und Polizei V. u. V. von Be- deutung.
Völkerrechtlicher Grundsatz ist, daß wegen Polizei V. u. V. eine Auslieferung nicht stattfindet.
Anhaltspunkte dafür, was darunter zu verstehen sei, finden sich in den Ablieferungsverträgen nicht. Der Grundsatz selbst ist übrigens nicht unangefoch- ten. Er ist bereits in mehrern Verträgen durch die sog. Belgische Attentatsklauscl (Attentat Iaquins auf Napoleon III. im Sept. 1854) durchbrochen, nach welcher als Polizei V. u. V. nicht angesehen wer- den soll der Angriff gegen das Oberhaupt einer fremden Negierung oder gegen Mitglieder seiner Familie, wenn dieser Angriff den Thatbestand des Totschlages, Mordes oder Giftmordes bildet.
An- dererseits ist die Meinung vertreten worden, daß internationalen Angriffen (z. B. der Anarchisten) gegenüber auch internationale Vereinbarungen Platz zu greifen hätten. -
Vgl. von Liszt, Gutachten zum 16. Deutschen Iuristentag (Berl. 1882).
Inder österreichischen Strafrechtswissenschast hat man den Begriff der polit.
Delikte zu definieren gesucht als diejenigen vorsätzlichen widerrechtlichen Handlungen und Unterlassungen, welche die Rechts- güter der Unverletzlichkeit des Staatsganzen, der Staatsverfassung, des Staatsoberhauptes und sei- ner Herrscherstellung, des successionsfähigen Re- gentenhauses, der gesetzlichen Thronfolgcordnung, der obersten Organe der Staatsgewalt und ihrer verfassungsmäßigen Wirksamkeit, der Sicherheit und Machtstellung des Staates im Innern sowie in der internationalen Staatengemeinschaft, der Autorität der öffentlichen Behörden, der Ausübung der staats- bürgerlichen Nechte entweder verletzen oder gefähr- den und ihrer Befchaffenheit nach immer oder wenig- stens in der Regel auf polit.
Beweggründen be- ruhen. Auf der Bestimmung des Etaatsgrund- gesetzes vom daß über Polizei V. n. V. Geschworene urteilen sollen, beruht die Bestimmung der Einleitung zur Strafprozeßordnung, welche die Aburteilung des Hochverrats, der Störung der öffent- lichen Ruhe, des Aufstandes und Aufruhrs und ein- zelner Fülle der öffentlichen Gewalttbätigkeit, aber nicht der Majestätsbeleidigung an die Schwurgerichte verweist.
Daß eine Auslieferung wegen Polizei V. u. V. (als welche aber nicht ein gegen die Person eines fremden Souveräns oder gegen Mitglieder feiner Familie verübter Mord, Meuchelmord oder Ver- giftung angesehen werden sollen) nicht erfolgt, ist in verschiedenen ^taatsverträgen, die Österreich [* 1] mit andern Staaten abgeschlossen hat, vorbehalten.
Politische Vereine, s. Vereinswesen.
Politur, s. Polieren. Politurleiften, s. Goldleisten.
Politz, czech. Folios, Stadt in der österr.
Bezirks- hauptmannschaft Braunau in Böhmen, [* 2] an der Met- tau und der Linie Chotzen-Halbstadt der Ostcrr.- Ungar.
Staatsbahn, Sitz eines Bezirksgerichts (218,6? (lkm, 27213 E.), hat (1890) 2602 meist czech. E.; Leinen- und Baumwollweberei.
Die Politzer Wände sind ähnliche phantastische Felsgebilde wie die Adersbacher und Weckelsdorfer.
Pölitz,KarlHeinr.Ludwig,Publizist,geb.17.Aug. 1772 zu Ernstthal, studierte in Leipzig [* 3] Philosophie, Geschichte und Theologie, habilitierte sich 1794, wurde 1795 Professor an der Ritterakademie ^' Dresden, [* 4] 1803 außerord.
Professor der Philosophie in Leipzig, noch in demselben Jahre Professor des Natur- und Völkerrechts in Wittenberg, [* 5] wo er 1808 das Lehramt der Geschichte erhielt. 1815 kam er als Professor der sächs. Geschichte und Statistik wieder nach Leipzig;
er starb hier Seine an 30000 Bände starke Bibliothek vermachte er der Stadt Leipzig.
Außer seinen kirchlich-moralischen Schriften und denen über deutsche Sprache und Litteratur find zu nennen: «Handbuch der Weltgeschichte» (3 Bde., Lpz. 1805; 7. Aufl., von Bülau und Zimmer, 4 Bde., 1851-53),
«Handbuch der Gefchichte der souverä- uen Staaten des Rheinbundes)' (2 Bde., ebd. 1811), »Handbuch der Geschichte der souveränen Staaten des Deutschen Bundes» (Bd. 1 in 2 Abteil., ebd. 1817 - 18),
«Geschichte, Statistik und Erdbeschrei- bung des Königreichs Sachsen» [* 6] (3 Bde., ebd. 1808 -10), «Die Regierung Friedrich Augusts, Königs von Sachsen» (2 Bde., ebd. 1830),
«Die Staats- wissenschaften im Lichte unserer Zeit» (5 Bde., ebd. 1823 - neue Aufl. 1827),
sein Hauptwerk;
«Vermischte Schriften aus den Kreisen der Geschichte, der Staats- kunst und der Litteratur überhaupt» (2 Bde., ebd. 1831), «Staatswissenschaftliche Vorlesungen» (3 Bde., ebd. 1831-33).
Ein verdienstliches Unternehmen war die Herausgabe des Werkes «Die europ. Ver- sassungen seit 1789» (4Vde.,Lpz.1817-25; 2. Aufl., 3 Bde., 1833-34; Bd. 4, von Vülau, 1847). Politzer, Adam, Ohrenarzt, geb. zu Alberti in Ungarn, [* 7] studierte in Wien, [* 8] Würzbura, Paris [* 9] und London, [* 10] habilitierte sich in Wien als Docent der Ohrenheilkunde und veröffentlichte 1863 ein neues Heilverfahren gegen gewisse Formen der Schwerhörigkeit (Politzersches Verfahren), das in der künstlichen Eintreibung von Luft in die Eustachische Ohrtrompete besteht und sich als eine sehr wertvolle Bereicherung des ohrenärztlichen Heilschatzcs bewährt hat. 1871 zum außerord.
Pro- fessor der Ohrenheilkunde ernannt, begründete er eine außerordentlich reichhaltige Sammlung anatom. und pathol.-anatom. Präparate des Gehörorgans;
1873 wurde er zum Vorstand der ersten in Europa [* 11] gegründeten Universitätsklinik für Ohrenkranke und 1894 zum ord.
Professor ernannt. Außer zahlreichen Iournalaussätzen veröffentlichte er: «Beleuchtungs- bilder des Trommelfells im gesunden und kranken Zustand» (Wien 1865) «Lehrbuch der Ohrenheil- kunde» (Stuttg. 1878-82; 3. Aufl. 1893),
«Zehn Wandtafeln zur Anatomie des Gehörorgans» (Wien 1873),
«Plastische [* 12] Darstellungen der Krankheiten des Trommelfells» (1876),
«Die anatom. und histo- logische Zergliederung des menschlichen Gehörorgans im normalen und kranken Zustand» (Stuttg. 1889); «Atlas [* 13] der Veleuchtungsbilder des Trommelfells» Polize, soviel wie Police (s. d.).
l(Wien 1895). Polizei (vom lat. ^«Iltja,, grch.polit^iH, Staats- verwaltung), nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch die Maßregeln zum Schutz der öffentlichen Sicher- heit und Wohlfahrt, sowohl gegen unerlaubte Hand- lungen Einzelner als gegen schädliche Naturereig- nisse. Viele Schriftsteller verstehen darunter die ge- samte innere Staatsverwaltung mit Ausschluß der Rechtspflege, andere fcheiden auch das Militär- und Finanzwesen aus; noch andere beschränken den Be- griff noch mehr, indem sie auch die Anstalten zur Förderung des Wohlstandes, des Unterrichts und der Kultur davon ausnehmen. Im Gegensatz zu ¶