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durch richterliches Urteil ihre Stellen verlieren konn- ten. Mit Einziehung der Kronlehen und dem Er- werb fremder Länder errichteten die Könige, zur Be- förderung der Krongewalt und der Staatseinheit, auch in den neuen Gebietsteilen Parlament, die mit dem Pariser zusammen eine Korporation bildeten. Nach cinem ersten Anlaufe von 1302 wurden 1443 zu Tou- louse, 1453 zu Grenoble, [* 1] 1462 zu Bordeaux, [* 2] 1477 zu Dijon, [* 3] 1499 zu Rouen, [* 4] 1501 zu Air, 1553 zu Rcnnes, 1620 zu Pau, [* 5] 1633 zu Metz, [* 6] 1686 zu Douai, 1422 und 1676 zu Döle und Besancon, 1538 und 1762 zu Trsvour und 1775 zu Nancy [* 7] Parlament gegründet.
Das Parlament der Hauptstadt wußte jedoch durch sein Alter und seine Verbindung mit dem Hofe, die Größe seines Gerichtssprengels, durch be- sondere Privilegien, endlich durch den Grundsatz, daß es der Rechtsnachfolger des alten Pairshofs sei, besonderes Ansehen zu behaupten. Diese angebliche Rechtsnachfolgerschaft muhte dem Pariser Parlament auch in palit. Beziehung eine nützliche Deckung geben. Das Parlament war als eine Waffe des Königtums gegen die Seignorialgerichtsbarkeit emporgekommen, nur das Königtum hatte ihm seine große Stellung ver- liehen; seitdem es aber diese besaß, arbeitete es daran, das vom Herrscher verliehene Amt zum per- sönlichen Besitze zu machen und eine selbständige privilegierte Körperschaft auch der Krone gegenüber zu werden.
Das Mittel dazu gab ihm die durch Gewohnheit festgewurzelte Befugnis, die königl. Er- lasse in seine Register einzutragen (6ni-6Fi8tr6in6nt) und auf diese Weise zu publizieren. Der Krone war es erwünscht gewesen, durch diese Eintragung in die Bücher einer angesehenen, aber von ihr selbst ab- hängigen Körperschaft ihre Gesetze vor der öffent- lichen Meinung bekräftigen zu lassen. Das Parlament aber machte aus dieser Form eine Wafse, es machte aus dem Rechte der Eintragung ein Recht der Prüfung und der Zurückweisung und erhob sich gegen unlieb- same Ordonnanzen zur Ablehnung, die es durch Vorstellungen (i-6monti-anc68) begründete.
Durch königl. Gegenwart (s. I^it ds^uätice) erzwang dann häufig die Regierung die Eintragung. Diese Politik befolgte das Parlament schon gegen Lud- wig XI., mehr noch gegen Franz I. Die Konflikte nahmen seitdem kein Ende. Gestärkt wurde die Stellung der Parlament dabei durch die seit Ludwig XII. sich einbürgernde Käuflichkeit der Stellen. Da der Staat nie mehr die Kaufsummen, die nun jeder Nachfolger seinem Vorgänger zurückzahlte, wieder- erstatten konnte, so wurden die Parlamentsglieder vermöge ihres Eigentumsrechts gewissermaßen un- antastbar.
Heinrich IV. erlaubte endlich, mit Ein- führung der sog. Paulette, die Vererbung der Ämter. Es bildete sich durch beide Maßregeln eine Parlamentsaristokratie (nol)i6386 cl6 i-odsj; große Iuriftenfcrmilien behielten Generationen hindurch die Amter in ihren Händen; Mißbrauche entstanden unleugbar, während andererseits der ^tandesgeist eine im ganzen wirksame und reine Aufsicht über die Sittlichkeit der Gcsamtkörperschaft ausübte. In den Religionswirren großer Teil des Kampfes gegen die Ketzer zu; die «Magistratnr» (Richterfchaft) war im ganzen über- aus katholisch-konservativ.
Erst die span. Ausschrei- tungen der Liga (s. d.) trieben die doch stets fran- zösisch gesinnten Parlament auf die Seite Heinrichs IV. Richelieu veranlaßte Ludwig XIII., in dem I^it äe Mstice von 1640 den Parlament jede polit. Gewalt ein für allemal abzusprechen. Die Parlament rächten sich, indem sie das Testament Ludwigs XIII. vernichteten und der Königin Anna die ungeteilte Regentschaft über- ließen. Weil jedoch die Regentin an Mazarins Hand [* 8] die straffe Politik der vorigen Regierung fort- setzte, verbanden sich die Parlament mit den unzufriedenen Großen und veranlaßten dadurch die Unruhen der Fronde (s. d.), aus denen die königl. Gewalt nur um so stärker hervorging.
Ludwig XIV. drückte die Parlament zu gewöhnlichen Gerichtshöfen herab. Dennoch hatten sie, als der König 1715 starb, ihre frühere Bedeutung nicht vergessen, und das Parlament von Paris [* 9] vernichtete sogleich die testamentarischen Bestimmun- gen des Königs, degradierte dessen legitimierte Söhne, sprach dem Herzog Philipp von Orleans die absolute Regentschaft zu und erhielt zum Lohne aus- drücklich das Remonstranzrecht zurück. Von da ab hat es nicht aufgehört, zu opponieren und der Re- volution die Wege zu bereiten.
Sein Widerstand gegen die gefährlichen Finanzprojekte Laws (s. d.) erweckte den Zwiespalt mit dem Hofe aufs neue. Das Parlament von Paris hielt eigenmächtige Plenarver- sammlungen (unions), faßte und veröffentlichte Be- schlüsse (arrötZ), die denen des Staatsrats entgegen- liefen, stellte endlich die Iustizpflege ein und wurde darin von den Parlament der Provinzen unterstützt. Der Regent nahm hingegen, auf Dubois' und Ärgensons Rat, der Korporation die polit. Befugnisse und ver- bannte das Parlament auf kurze Zeit von Paris nach Pon- tcise.
Mit der Mündigkeit Ludwigs XV. begannen die Streitigkeiten von neuem. Gerechter Einspruch gegen Mißbrauche der königl. Politik vereinigte sich mit dem Kampf für den Iansenismus und mit der selbstsüchtigen Ablehnung aller Versuche der Finanzminister, eine gerechtere, ausnahmslosere Besteuerung durchzusetzen. ( Frankreich, Bd. 7, S. 92.) Nur gegen die Jesuiten waren die Parlament mit der Regierung der Pompadour und Choiseuls einig; gleich darauf verschärfte sich der Gegensatz wieder.
Der Kanzler Maupeou (s. d.) schritt bis zur Auf- lösung der Parlament fort (1771); den unter ungeheurer Er- regung des Landes errungenen Erfolg der Krone opferte indes Ludwig XVI. sofort nach seiner Thron- besteigung durch Herstellung der alten Korporationen. Bald zeigte es sich wieder, daß die Parlament die Lage des Staates und die Bedürfnisse der Nation nicht be- griffen. Sie verhinderten die Neformbestrebungen des Königs, Malesherbes', Turgots, Neckers und stellten sich in Verbindung mit dem hohen Adel nock den letzten Besferungsversuchen des ^ncisn i-ögimc; entgegen.
Der Konflikt mit Lomenie de Briennc, der hieraus erwuchs, gab den Parlament eine letzte Popu- larität ; sie zerstörten diese durch Widerstand gegen den dem,dritten Stande günstigen Stimmmodus auf den I^tatä ALH6r3.ux. Mit den übrigen alten Gewalten, die sie so lange befehdet hatten, fielen auch die Parlament; die Nationalversammlung hvb sie 1790 auf.
Vgl. Voltaire, HiZtoirs än Mi-Ienient äs ?ari8 (Par. 1769);
Dufey, 1Ii8toii-6, act68 6t reinon- ti'^nc68 668 P3.ri6in6nt8 (2 Bde., ebd. 1826); Warnkönig und Stein, Franz.
Staats- und Rechts- geschichte (3 Bde., Bas. 1843-47);
Schaffner, Ge- schichte der Nechtsverfassung Frankreichs (4 Bde., Franks. 1845-50);
Flammermont, Kom0uti'5mc68 (lu M1'i6IN6Nt Ü6 ?ai'18 Z)6Iiä3M 16 18"^ 816Cl6 (Bd. 1, Par. 1888);
ders., 1^6 clia,nc6ii6i' Naup6Mi 6t 163 pari6ni6nt8 (ebd. 1883);
Hertz, Voltaire und die franz. StrafrechtZpflege im 18. Jahrh. (Stuttg. 1887). ¶