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Kaiserreichs wie während der Restauration als eine revolutionäre
Demonstration, und erst mit der Inli- revoluüon erlebte
sie ihre
Auferstehung. Die Me- lodie der Marseille
[* 1] wurde früher allgemein Rouget de Lisle zugeschrieben; andere nannten
als Kompo- nisten einen Chevalier d'Huna, den Violinvirtuosen
Al. Voucher, I. F.
Reichardt, einen unbekannten Kapellmeister
Holtzmann u. s. w. Jetzt ist nachge- wiesen, daß Nouget de Lisle den
Text seiner
Hymne zum
Teil mehrern
Sätzen der
Tragödien
«Esther» und «Athalie» von Racine entnahm, während er die
Melodie notcngetreu von einer Nummer des Ora- toriums
«Esther» von
Jean Vaptiste Lucien Grison abgeschrieben hat. -
Vgl. A. Loth, 1^6 cl^nt äs HI. 6t 8on veiitadls lluteur (Par. 1886);
Nciber, Arbeitermarseillaise («Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet»),
ein Licblingslied der deutschen Socialdemokraten, wurde von
Jakob Audorf nach der Melodie
der französischen Marseille
gedichtet. Marseille
(spr. -ßäj).1)Arrondissementim
franz. Depart. Vonches-du-Rhone, hat 649,94 ykm, (1891) 445784
E. mit 18 Gemeinden und 11
Kan- tonen. - 2) Hauptstadt des Depart. Vouches-dn- Rhöne,
Frankreichs erste
sowie nach
London,
[* 2] Liver- pol und
Hamburg
[* 3] die bedeu- tendste Seehandclsstadt Euro- pas, liegt in 43" 17' nördl.
Br. und 5"
23^ östl. L. von Green- wich, zwischen den Rhönemün- dnngen und
Toulon,
[* 4] am Fuße der felsigen
Ausläufer der
pro- vencal.
Alpen
[* 5] und an einer östl.'Bucht des Golfe du Lion. Marseille
hat (1891) 305523, als Gemeinde 403749 (1896: 447 344)
E., darunter etwa 80000 Italicner.
Die Jahrestemperatur be- trägt 14,3°, die des Januars 6,4°, die des Julis 22,i° 0., die Regenmenge 514
mm. Der häufige
scharfe Nordwestwind bringt schroffe
Temperatur- wechsel. (Hierzu ein Stadtpl an.)
Anlage und Bauten. Marseille
besteht
aus der
Alt- und der Neustadt,
[* 6] welche beide durch die Rue
Canne- biere, den Cours Velzunce, die Rue d'Air und den Boulevard
des
Dames geschieden sind. Mit der Rne de
Rome bilden der Cours Velzunce und die Rne d'Air eine schnurgerade
Straße, die teilweise mit
Alleen besetzt ist.
Durchkreuzt wird der Cours durch die von Osten nach Westen znm alten Hafen ziehende prächtige Rue Cannebiere und Rue Noailles und deren östl. Fortsetzung (Allie de Meilhan und Boulevard de la Madeleine), die belebteste Straße. Die Altstadt, der größere und volkreichere Teil, zieht sich hufeisenförmig auf höherm Terrain zu dem alten Hafen hinab und hat enge, steile und winklige Gassen und unansehnliche Häuser; sie ist der Sitz des Ge- werbfleiftes wie der Not und des Lasters; die Ha- fenarbeiter, darunter viele Italiener, überhanpt die ärmern Leute wohnen hier. Im Norden [* 7] dieser Alt- stadt liegt der Stadtteil Ville maritime, den die Rue de la Republique mit dem alten Hafen ver- bindet.
Die Neustadt, östlich und füdlich vom Cours Velzunce, hat schöne
Straßen, zum
Teil palastähn- liche Häuser und Hotels.
Zahlreiche frühere Vor- orte sind jetzt Stadtteile. Im ganzen trägt Marseille
, ob- gleich uralt,
einen durchweg modernen Charakter. Unter den
Kirchen sind zu nennen: die 1852 begon- nene, 1893 eingeweihte
Kathedrale am Quai
de la Ioliette, eine
Basilika
[* 8] im romcm.-byzanl.
Stile, mit mehrern
Kuppeln und reich ausgestattetem Innern; die alte berühmte
Kapelle
Notre-Dame de la Garde, 1214 auf der nach ihr benannten
Felsenhöhe (146 m) im
Süden des alten
Hafens erbaut, ist durch eine große
Kirche im roman.-byzant.
Stile ersetzt, im In- nern, das ein Brand (1884) teilweise zerstört hat, mit Marmorsäulen und Wandgemälden, anf dem Turme mit einer Marienstatue geschmückt. Ein Ascenseur führt zur Felsenhöhe hinauf. Auf dem großen Platz zwischen Rue Varbaroux und Cours de Vil- liers steht die Kirche St. Vincent de Paul im got. Stil mit neuer Facade. Die St. Michaeliskirche, ein schöner got. Bau', faßt 4000 Menschen. Andere Kirchen sind: Notre-Dame du Mont-Carmel, die deutsch-evang. Kirche, die griech. Kapelle, die Syna- goge, die franz.-evang. Kirche und die uralte Kirche St. Victor. - Zu den bedeutendsten öffentlichen Gebäuden gehören: das Rathaus am Quai mit Bildsäulen und Karyatiden [* 9] von Puget, der 1858 -62 erbaute großartige Iustizpalast an der Rue Vrcteuil, die 1854-60 von der Handelskammer auf- geführte Börse in Form eines griech. Tempels mit schönen Reliefs, die Präfektur an der Rue de Rome im Renaissancestil, der erzbischöfl.
Palast, das Hötel- Dieu, das Gesundheitsamt (^onsiFiis) und der Triumphbogen an der Rue d'Air (1825-30). Das prächtigste Bauwerk ist das Chäteau d'Eau (Palais de Longchamp) in der östl. Vorstadt, mit dem natur- histor.Hliuseum und einer Bildergalerie in den Seiten- flügeln. Der Mittelbau enthält Kaskaden; dahinter liegt der Zoolog. Garten. [* 10] Unter den Plätzen zeich- nen sich aus der Börsenplatz, der St. Michaels-, der St.-Ferre'olplatz und der Platz des Iustizpalastes, wo die Statue Berryers steht.
Ostern 1894 wurde das Kriegerdenkmal enthüllt. Unter den Promena- den ist besonders der Prado zu bemerken, welcher 4 km lang in doppelten Platanenalleen von der Place Castellane nach SO. und zum Meere führt, und der Chemin de la Corniche am Ufer. Die Wasser- leitung liefert von der Durance her (382 in langer Aquädukt bei Roquefavour im Arcthal) 9000 1 in der Sekunde. Von der im Okt. 1891 begonnenen Kanalisierung wird eine Besserung der Gesundheits- verhältnisse erhofft.
In der Umgebung zahlreiche kleine Landhäuser, Vastidcs oder Cabanons. Marseille
ist Sitz des Präsekten, eines
Bischofs, des Kommandos
des 15.
Armeekorps, der 58. Infanterie- und der 15. Kavalleriebrigade, eines Gerichtshofs erster Instanz, Handelsgerichts,
einer
Handels- kammer, eines Gewerbegerichts und eines Haupt- zollamtes. In Garnison befindet sich ein
Teil des 61., das 141. Infanterie-, das 9. Hufarenregiment und die 15. Gendarmerielegion. Unterrichts- und Vildungswesen.
An der Spitze der Vilonngsanstaltcn steht die zur Akademie von Air gehörige Mathematisch - Naturwissenschaft- liche Fakultät (28 Docenten), die Medizinisch-Phar- maceutische Schule (26 Docenten) und die Freie jurist. Fakultät. Ferner bestehen eine höhere Han- delsschule, Kunstschule, Konservatorium für Musik, großes und kleines Priesterseminar, Landwirtschaft- liche Lehranstalt, Schiffsjungenschule, Anstalten für Taubstumme, Blinde, eine ^colo I^ei^uncs, eine Sternwarte [* 11] und ein botan. Garten. Die Bibliothek zählt 86000 Bände und 1300 Handschriften. Das Antiauitätemnuseum im Schloß Voreiy enthält wert- volle phönizische und röm. Altertümer; im Museum sind Bronzen, Gemälde (namentlich von ital. und Holland. Meistern) und Skulpturen sowie ¶