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bild, die Darstellung einer Person oder eines Gegenstandes mit in fatir. Absiebt angeordneten Übertreibungen einzelner ihrer Eigenschaften oder Erscheinungsformen. Die Karikatur gehört sowohl dem Gebiet der bildenden Künste wie dem der Litteratur an als Satire (s. d.). Sie ist eine komische Sitten- und Charakterschilderung, die ihren Witz an den lächerlichen Erscheinungen der Menscken und Tiere ausläßt. Schon das griech. und röm. Altertum kannte und gebrauchte die in religiösen und polit.
Dingen. In der altchristl. Zeit war Satan ein häufi- ger Gegenstand der und die fratzenhaften Tier- ungetüme, die verherten Zwittergestalten mit unge- heuern Mäulern, Tiger-, Affen- und Krötenbeinen, wie sie an den Kirchenportalen des Mittelaltero vorkommen, sind ebenso viele auf den Teufel und seine Sippschaft. Auch die Juden wurden vielfach Gegenstand der Karikatur, indem man sie mit dein Schwein [* 1] in lächerliche Verbindung brachte. Für eine spätere Art von Karikatur scheint das satir.
Epos «Reineke Vos» (s. d.) das erste Vorbild geliefert zu haben. Bald ist es der Esel in allen Verwandlungen geistlicher Würden, in der Mönchskutte, mit rotem Kardi- nalshut, am Beichtstuhl lauscbend, oder der Fuchs [* 2] als Moralprediger auf der Kanzel; bald der Tod in Gestalt eines menschlichen Gerippes, der Leute aus allen Ständen, vom Papst und Kaiser herab bis zum Bettler und Narren, zum unwillkomme- nen Tanze abholt. (S. Totentanz.) Mit Beginn der Buchdruckertunst und der technischen Verviel- fältigungsmittel der Zeichnung hub eine Glanzzeit der Karikatur an, der die Kämpfe der Reformation den Stoff boten.
Lutas Cranach, Tobias Stimmer, Nikolaus Manuel Deutsch waren die Vertreter der meist gegen den Papst, vielfach aber auch gegen die Re- formatoren gerichteten Angriffe mittels Holzschnitt und Kupferstich. Während des 16. Jahrh., besonders während des Dreißigjährigen Krieges, wurde die politische Karikatur neben den weitverbreiteten über die Unsitten der Zeit (Trinken, Kleiderpracht, Volks- bedrückung-) fortgefübrt, ohne daß sie höhern künst- lerischen Wert erlangt hätte.
Diesen gab ihr zuerst um die Mitte des 18. Jahrh, in England Hogartb (s. d.), der mit bisher nicht gekannter Schärfe die Zeitschäden grausam geißelte und weniger in der Absicht, Lachen als Abscheu zu erwecken, gegen das Laster auftrat. Durch ihn wurde die englische auf eine bisher von keiner Nation erreichte Höhe cr- boben. Männer wie James Gillray (1757-1815), Thomas Rowlandson (1756-1827), George Cruik- shank (s. d., 1792-1878) und auch Isaat Cruit- shank haben, unterstützt durch das hochentwickelte Leben Englands, die Art Hogarths fortgesetzt. In gleichem Sinne arbeitete in neuerer Zeit John Leech (1817 - 64), George du Maurier, Charles Keene u. a., denen sich in harmloserer und künst- lerisch abgerundeter Weise Miß Kate Greenaway, M. R. Caldecott und Walter Crane (geb. 1845) an- schlössen.
Das Hauptblatt für die englifche Karikatur, der «I'nncii», zeichnet sich noch heute durch die feste, stilvolle Haltung sowie durch echt künstlerische Hand- habung der Karikatur aus. (s. d.) ins Leben gerufen batte, war wefentlich durch die hugenottischen Kämpfe, die des 18. Jahrh, durch die Modethorheiten beeinflußt; erst mit der Revolu- tion begann sie politisch und damit geschichtlich be- deutungsvoll zu werden, doch blieb sie zumeist noch im Groteskkomischen stehen und trat nur anonym Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen. hervor.
Besonders lebhaft entwickelte sie sich unlei dem Direktorium, wo ihr C. Vernet zuerst eine künstlerische Gestaltung gab. Doch überwog noch der engl. Einfluß und Hogarths Beispiel. Erst durch die Lithographie wurde die Karikatur allgemeiner verbreitet. Ihr wendeten sich namhafte Künstler, wie Delaroche, Boulange, M. Mayeux, Raffet, Le [* 3] Poittevin, zu. Dock [* 4] erst unter König Ludwig Phi- lipp kam es zur Gründung bedeutenderer Witz- blätter. Ch. Philivon gründete 1830 «I^^ariea- wi-6», welche bis zu ihrem Untergang 1835 heftig den König angriff, seit 1832 unterstützt durch «1.6 Oliariv^ri», welcher bis heute die hervorragendsten Zeichner beschäftigt. Als folche sind zu nennen Honore Daumier (gest. 1879), der sich durch Sitten- bilder auszeichnete, Gavarni (s. d., gest. 1866) und Grandville (s. d., gest. 1847), die eigentlichen Gründer der geistvollen, bissigen, aber dabei doch künstlerischen in Frankreich, und der sich an sie anschließende Amedee de Noe (gest. 1879). Unter dem zweiten Kaiserreich fanden diese ein reiches Feld für ihre Thätigkeit. Es war seit 1848 das «.Imn'iial i)0ui- i-ii'6», Welches 1856 seinen Titel in «^ouriiIi ainuLlmt» umänderte und als solches vor- zugsweise die oft an das sehr Gewagte grenzende Geißelung soeialerZustände sich zur Aufgabe machte. Gustave Tore (s. d., gest. 1883) und vorzugsweise Nadar (eigeutlich Felix Tournachon, geb. 1820 zu Paris) [* 5] und Gill (eigentlich L. A. Gösset de Guinnes, geb. 1840 zuParis) lieferten hervorragende politische Karikatur, während Alfred Grevin (gest. 1892) in seinen Darstellungen kokette Frauen bevorzugte.
Eine ähn- liche Richwng schlug Mars [* 6] (eigentlich Maurice Vonvoisin, geb. 1849 zu Verviers) ein. In Deutschland [* 7] begann im 18.Jahrh.der Witz nach dem Vorbilde Hogarths bildlichen Ausdruck zu erlangen, namentlich durch Ludwig Riepen- hausen (1765 - 1840) und Joh. David Schubert (1761 - 1822), Johann Adam Klein und Johann Christian Erhard. I. H. Namberg (1763 - 1840) und E. Th. Amadeus Hoffmann (1776-1822) ar- beiteten^ mehr und mehr selbständig werdend, in diesem ^inne, namentlich während der Französi- schen Revolution und der auf sie folgenden Kriege fort.
Mit dem Emporblühen der deutschen Kunst bekam die Karikatur den ihr eigenen Zug des Humor- vollen; Ludwig Nichter, Hasenelever, Hosemann, Pletsch, Hentschel, Neureuther waren die meist ohne die Absicht zu kränken schaffenden Darsteller des «Biedermanns'), des deutschen Kleinbürger- tums. Erst das I. 1848 brachte eine politische Karikatur von künstlerischem Wert. Im Mai 1848 wurde der ^Uadderadatsch» (s.d.) gegründet, welcher in Wilhelm die tonangebend für Jahrzehnte in der deutschen Karikatur wirkte. In München [* 8] erscheinen seit 1845 die «Fliegenden Blätter» (s. d.),
die aber bald ihre polit. Tendenz aufgaben, um ganz dem Humor zu dienen; ihre Mitarbeiter haben sie mit meister- haften Arbeiten bereichert und den deutschen Geist der auf das höchste gesteigert. In den «Leucht- kugeln», welche in München 1848-51 erschienen, den «Düsseldorfer Monatsheften» (1847-63) u. a. Blättern traten namentlich die Düsseldorfer Künstler Schrödter, Henry Ritter, Achenbach, Rethel als .^arikaturenzeichner hervor. Den Höhepunkt er- reichre der «Kladderadatsch» während der preuh. zionfliktszeit und im Kampf gegen Napoleon III.; neben ihm wirkte mit Zeichnungen von Herbert ¶