forlaufend
Menschen-281
geschlechts. Man unterscheidet primäre und sekundäre Lagerstätten. In erstern findet man die Überreste von Tieren, die bei Lebzeiten in den Höh- len Unterschlupf gesucht hatten und dann hier auf irgend eine Weise durch Menschen oder andere Tiere ums Leben gekommen waren;
ferner Spuren mensch- licher Kultur, wie zerschlagene Tierknochen, Kohlen und Asche, auch primitive Geräte von Stein oder Knochen, [* 1] oder äußerst selten ganze menschliche Ge- beine. Bei den sekundären Lagerstätten wurden die Fundstücke durch elementare Kräfte, bei geolog.
Um- wälzungen, besonders durch.
Wasserstuten in die Höhle gespült oder eingeschwemmt.
Die Knochen sind dann fast immer «gerollt», d. h. an den Kanten abgeschliffen, und liegen im wüsten Chaos durch- einander.
Viele Knochen in den mitteleurop.
Höhlen, die am besten untersucht sind, stammen von Tieren, die jetzt überhaupt ausgestorben oderdoch aus Europa [* 2] ganz oder größtenteils verschwunden sind;
so findet man Mammut, Rhinoceros, Höhlenlöwe, Höhlen- bär, Hyäne, Auerochs, Riesenhirsch, Renntier u. s. w. und daneben von noch jetzt lebenden Wolf, Fuchs, [* 3] Dachs, Ziege, Gemse, Hirsch, [* 4] Hase [* 5] und vor allem, wenigstens in einzelnen Gegenden, in besonders großer Anzahl das Pferd. [* 6] - Was die verhältnis- mäßig sehr wenigen menschlichen Überreste anbetrifft, so hat man von verschiedenen Seiten eine Rasse des europ.Höhlenmenschen in paläolitbischer, resp. vorsintflutlicher Zeit konstruieren wollen, und be- sonders den 1856 in der Nähe des Wupperthales in einer kleinen Höhle gefundenen sog. Neanderthal- Schädel als typischen Repräsentanten derselben an- gesehen, eine Meinung, die besonders von Schaaf- kausen in Bonn [* 7] vertreten und von Virchow, der den Schädel für den eines an ^rtki-itig ckronica äsfor- ui3,Q8 leidenden Individuums, sowie von K. Vogt, der ihn für den Schädel eines Idioten bielt, scharf bekämpft wurde.
Die schmale flache Hirnschale des Neanderthal-Menschen ist von elliptischer Form mit außerordentlich großen Stirnhöhlen und stark vor- springenden Augenbrauenknochen, die dem Kopf zu seinen Lebzeiten allerdings einen wilden, fast tieri- schen Ausdruck verlieben haben muffen. Die zahlreichsten und berühmtesten Höhlen und zu gleicher Zeit reichhaltigsten, was das Fundmaterial anbetrifft, befinden sich in Belgien [* 8] (Spicnncs, Fur- fooz, Frontal, Chaleux, Engis und Engihoul) und Frankreich (La Madelaine, Les Eyzies, Le [* 9] Moustier, Mentone und archäologisch vom selben Charakter die Schwemmgebiete im Seine- und Sommetbal);
erst in zweiter Linie kommen die in Deutschland [* 10] (Hohle- fels-, Gailenreuther Höhle, Rabensteiner Höhle, Baumannshöhle, zahlreiche im Rheinland und in Westfalen [* 11] fowie die Stationen von Taubach bei Weimar, [* 12] Tiede und Westeregeln in Vraunschweig) und der Schweiz [* 13] (Thayingen), in England lWookey-, Traum-, Kmt-, Victoriahöhle) und Österreich-Ungarn [* 14] (Mammuthöhle, Drachenhöhle, Vyciskalahöhle und Liszkovahöhle).
Wissenschaft bilden die Artefakte, die wenn auch noch so roh bearbeiteten Waffen [* 15] und Gerätschaften, die die alten Höhlen- bewohner in ihren Behausungen hinterlassen haben, das Wertvollste, und es ist erstaunlich, eine wie kolossale Menge an Beilen, Messern, Schabern, Mei- ßeln u. s. w. manche, wie besonders belg. Höhlen ge- liefert haben.
Die genannten Werkzeuge [* 16] sind zum bei weitem größten Teil aus Feuerstein, selten aus Kalkstein, Sandstein, Quarzit oder andern Gesteinen hergestellt und unterscheiden sich durch ihre unendlich rohen, aber meist sehr typischen Formen sehr von den Gerätschaften der jüngern Steinzeit, [* 17] in der die schönen, regelmäßig geformten und fein polierten ^teingeräte gearbeitet wurden.
Die Äxte besonders sind in der ältesten Zeit oft nur so außerordentlich roh zubehauen, daß sie das Auge [* 18] eines Laien wohl nie als von Menschenhand gefertigte Werkzeuge be- trachren würde.
Die bessern Stücke haben etwa die Form einer Mandel, d. h. sie sind in der Mitte ziem- lich stark gewölbt und zeigen auf der einen Seite eine etwas stumpfere rundliche, auf der andern eine flachere, ein wenig mehr zugespitzte Schneide.
Ferner kommen besonders häusig Messer [* 19] vor (die sog. Flint- späne), in den verschiedensten Größen bis 15,20 und mehr Centimeter, die kunstgerecht von einem großen Nucleus (Mutterkern) abgeschlagen wurden;
ferner Meißel [* 20] und Schaber, dolch- und pfeilspitzenartige Ge- räte. Neben diesen Steinartefakten kommen auch zahlreickc Geräte, Waffen, ja auch Schmucksachcn und andere Fundstücke von Knochen vor, Beile, Meißel, Harpunen mit sorgfältig ausgearbeiteten Wider- haken, Pfriemen, ziemlich zierlich gearbeitete Nadeln [* 21] mit und ohne Öhr, auch Ringe, alle möglichen zum Teil mit fein eingeritzten Linien versehene Zierstücke, die wohl als Körperschmuck anzusehen sind, durch- bohrte Tierzähne, die man, wie auch in späterer Zeit, als Halsschmuck [* 22] verwandte u. s. w. Einzelne Fundstellen, wie besonders La Madclaine und Les Eyzies in Frankreich und Thayingen in der Schweiz, haben auch ganz seltsame Stücke mit bildlichen Dar- stellungen, Gcweihstücke, Knochen- und Steinplatten mit den mehr oder weniger vollkommenen Zeich- nungen von Elentieren ^ vom Mammut, Hirsch, Bär u. s. w. geliefert.
Einzelne diefer angeblich ur- ältesten menschlichen Kunstwerke sind nicht ohne tech- nische Fertigkeit und ein gewisses Schönheitsgcfühl hergestellt.
Die meisten dieser Stücke und besonders die vollkommener gearbeiteten sollten aber überall mit großer Vorsicht aufgenommen werden, denn auch viele Autoritäten, wie befonders Lindenfchmitt in Mainz, [* 23] haben sich sebr energisch gegen ibre Echt- heit erklärt.
Auf jeden Fall sind sehr viele Fälschun- gen vorgekommen, und es ist jetzt ost nicht mehr möglich, unter dem vorhandenen Material das Echte vom Falschen zu unterscheiden.
Welches Alter diese Höhlentempel haben, ist nicht genau anzugeben.
Natürlich gehören Höhlen Wohnungen nicht nur der ältern Steinzeit an;
auch in den spätern prähistor.
Perio- den, im Mittelaltcr und in der Neuzeit wurden Höh- len gelegentlich als Schlupfwinkel und Wobnungen, auch als Begräbnisplätze benutzt und enthalten in ibren obcrn Kulturschichten Gegenstände aus den ver- schiedensten Zeitperioden, die vom Standpunkt der eigentlichen Höhlenforschung von keinem so großen wissenschaftlichen Interesse sind. -
Vgl. Fraas, Die alten Höhlenbewohner (Berl. 1873);
B. Dawkins, Die und die Ureinwohner Europas (aus dem Englischen von Spengel, Lpz. 1870).
Höhlengänse, s. Fuchsenten.
Höhlenhyäne, s. Hyäne. Höhleninfekten, s. Höhlentiere.
Höhlenkrebs, s. Grottenkrebs.
Höhlenmensch, s. Höhlenfunde.
Höhlenstein, s. Tropsstein.
Höhlentempel, Fclsentempel, Grotten- tempel, aus den Felsen ausgehauene Tempel, [* 24] die besonders im westl. Teil von Vorderindien, im Religionsgebiet der Buddhisten und Vrahmanisten häufig sind. Berühmt sind die Höhlentempel zu Adsckanta, ¶