Ländern die Eidesformeln abgeändert oder wenigstens nicht streng ausgelegt. Indessen bot die äußerlich meist unerschüttert
gebliebene «Rechtsbeständigkeit» der alten Bekenntnisse der neuerwachten
Orthodoxie eine Handhabe, die alten Eidesformeln wieder geltend zu machen und gegen «Irrlehrer»
und
«Ketzer», wie in
Mecklenburg
[* 1] und
Preußen,
[* 2] mit Absetzungen vorzugehen. Neuerdings ist der alte Bekenntniseid
in einigen Landeskirchen, z. B. der sächsischen, wieder gemildert worden. –
Vgl. E. Zimmermann, Der Glaubenseid
(Marburg
[* 3] 1863).
Religions- oder
Bekenntnisfreiheit, das
Recht, einen von der Staatsreligion abweichenden
Glauben zu
vertreten. Das Gegenteil davon ist der Gewissens- oder
Glaubenszwang. Die kath.
Kirche bestreitet das
Recht der Glaubensfreiheit grundsätzlich
und die Encyklika
Pius' IX. vom erklärt die Glaubensfreiheit für deliramentum
(Wahnsinn). Die prot.
Kirchen
müssen sie grundsätzlich anerkennen, wenn sie auch öfter thatsächlich davon abgewichen sind. Das
Christentum im
Sinne seines
Stifters verlangt diese
Anerkennung der Glaubensfreiheit; doch ist dieselbe erst nach furchtbaren Kämpfen erreicht worden.
Erst der moderne
Staat, voran Nordamerika,
[* 4] dann England,
Frankreich,
Deutschland
[* 5] u. s. w. haben die Glaubensfreiheit gewährt,
d. h. zugestanden, daß die
Religion im Genuß und in der Ausübung staatsbürgerlicher
Rechte keinen Unterschied begründet
und daß jede
Religionsgesellschaft öffentlich ihren
Kultus üben darf. Doch hat der
Staat naturgemäß das
Recht, die Schranken
zu ziehen, welche die Gleichberechtigung der verschiedenen Bekenntnisse, der öffentliche Friede und
das Staatswohl setzen, nötigenfalls sogar mit Verbot und Unterdrückung bedrohlicher Erscheinungen vorzugehen. (S.
Toleranz.)
–
(lat. regula fidei, d. h. Richtschnur des
Glaubens), die kurzen auf
Grund des
Taufsymbols (s. d.) gegebenen und daher meist nur auf
Vater, Sohn und
Geist sich beziehenden
Angaben des kirchlichen
Glaubens, in denen die ältesten kath. Kirchenväter des 2. und 3. Jahrh.
die Richtschnur für die
Orthodoxie im Unterschied von aller Ketzerei aufstellten. Auch behaupteten sie,
daß diese Glaubensregel der
Kern der in den apostolisch begründeten Gemeinden lebendig erhaltenen mündlichen apostolischen Überlieferung
sei, und zugleich die kurze Zusammenfassung des gesamten Schriftinhalts.
Ihre Echtheit und vor allem ihr
Alter gebe ihr den Vorzug vor allen abweichenden und eben deshalb spätern
Formulierungen und Lehrmeinungen. Sie bekämpften damit besonders das
Vorgeben der Gnostiker (s. Gnosis), daß auch ihre
Lehre
[* 6] auf apostolischer Überlieferung beruhe. –
Vgl.
Caspari, Ungedruckte, unbeachtete und wenig beachtete
Quellen zur Geschichte
des
Taufsymbols und der Glaubensregel (3 Bde., Krist.
1866–75);
ders.,
Alte und neue
Quellen zur Geschichte des
Taufsymbols und der Glaubensregel (ebd. 1879).
Joh.
Rud., Chemiker und
Arzt, geb. 1604 zu
Karlstadt in
Franken, lebte längere Zeit in
Salzburg,
[* 7] in
Kitzingen
[* 8] in
Bayern,
[* 9]
Frankfurt
[* 10] a. M. und Köln,
[* 11] zog 1648 nach
Holland und starb 1668
in
Amsterdam.
[* 12] Glauber widmete sich der Bereitung
wertvoller chem.
Arzneimittel und der Verbesserung technischer Prozesse. Er verbesserte das
Verfahren zur Abscheidung der flüchtigen
Säuren aus den
Salzen und machte eingehende
Studien über die Natur der
Salze und deren wechselseitige
Zersetzungen, wobei er
eine klare Einsicht in die Prozesse gewann, die später als Vorgänge der chem.
Wahlverwandtschaft bezeichnet
wurden.
Seine chem. und mediz.
Geheimmittel verkaufte er um hohe Preise.
Über 40 Werke von seiner
Hand
[* 13] sind erhalten, die fast sämtlich
lat.
Titel führen, aber deutschen
Text haben; viele sind ins
Lateinische und in andere
Sprachen übersetzt. Die wichtigsten
sind: «Furni novi philosophici» (5 Bde.,
Amsterd. 1648),
«Miraculummundi» (2 Bde.,
ebd. 1653),
«Pharmacopoea spagyrica» (ebd. 1654–67),
«Tractatus de natura salium» (ebd. 1658). Besondere Erwähnung verdient
sein weitblickendes
Urteil in nationalökonomischen Fragen, wie es sich in seinem siebenbändigen Werke «ProsperitasGermaniae» (Amsterd. 1657) bekundet. Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien als
«Operaomnia» (7 Bde., ebd. 1661; ein
Auszug daraus als «Glauberus concentratus», Lpz.
und Bresl. 1715).
GlaubersWundersalz,schwefelsauresNatrium,Natriumsulfat, Na2SO4, krystallisiert Na2SO4
+ 10H2O, wurde 1658 von
JohannRudolfGlauber (s. d.) unter dem
NamenSal mirabile Glauberi zuerst beschrieben. Es bildet
große farblose
Säulen,
[* 14] die einen kühlend-bittern
Geschmack besitzen, an trockner Luft zu einem weißen
Pulver von wasserfreiem
Salz
[* 15] zerfallen und sich bei gewöhnlicher
Temperatur in zwei
Teilen Wasser lösen. In der Natur findet
sich Glaubersalz krystallisiert wasserfrei als
Thenardit, in
Verbindung mit
Gips
[* 16] als
Glauberit, in
Verbindung mit schwefelsaurem
Magnesium
als
Astrakanit, ferner in bedeutender Menge in dem Wasser einiger SeenRußlands, in vielen Mineralwässern,
so in dem Karlsbader,
Püllnaer und Saidschützer Wasser, in den meisten Salzsolen und im Meerwasser. In einigen
Ländern wittert
es aus der Erde, z. B. in den eintrocknenden Seen der Ararasebene, bei
Bahia-Blanca in
Südamerika,
[* 17] in
Tirol
[* 18] zugleich mit
Gips
und
Steinsalz; auch findet es sich als Auswitterung an alten
Mauern, an denen es durch
Zersetzung von Kochsalz
mit
Gips entsteht.
Man erhält es in den chem. Fabriken bei der Bereitung der Salzsäure, der Salpetersäure aus
Chilesalpeter und des Salmiaks. Außerdem stellt man es aus dem Pfannenstein und der
Mutterlauge der Salinen dar. In neuerer
Zeit gewinnt man es auch im südl.
Frankreich aus den
Mutterlaugen der Seesalinen und als Nebenprodukt
bei der Verarbeitung der
StaßfurterSalze. Das krystallisierte
Salz wird als Abführmittel angewandt, das wasserfreie
Salz,
das technisch den
NamenSulfat führt, dient in großer Menge zur
Darstellung der
Soda, des
Glases und des
Ultramarins. – Glaubersalz kostet
im
Großhandel 5,5 bis 6 M. pro 100 kg in technisch reiner und 19–20 M. pro 100 kg in chemisch reiner Form. Die AusfuhrDeutschlands
[* 19] beträgt jährlich gegen 290000 Doppelcentner (einschließlich des sog. Bisulfats).
Das
Arzneibuch für das
Deutsche Reich
[* 20] führt zwei
Arten von Glaubersalz, das krystallisierte, Natriumsulfuricum,
und das entwässerte, Natrium sulfuricum siccum. –