in der Förderung egoistischer
Triebe und unlauterer Konkurrenz. Die Gewerbefreiheit paßt daher wie jede
Freiheit nicht für jede Kulturstufe
eines
Volks. Sie setzt ein hohes
Maß von Einsicht, Tüchtigkeit, Selbstbeherrschung und Aufopferungsfähigkeit des Einzelnen
voraus, welche Eigenschaften erst in allmählicher
Entwicklung gewonnen werden können; daher nach
Auflösung der
Zünfte das
Konzessionssystem regelmäßig den Übergang zur Gewerbefreiheit vermittelte. Aus den Wirkungen der Gewerbefreiheit erklärt
sich auch das in neuester Zeit wieder schärfer hervorgetretene Bedürfnis des Zusammenschlusses gleichartiger Interessen
in
Innungen (s. d.), Gewerkvereinen (s. d.)
u. s. w., sowie die
Notwendigkeit, die in einzelnen
Teilen durch die Gesetzgebung zu beschränken. (Weiteres s. unter Gewerbegesetzgebung.)
oder Genossenschaften schlechtweg, in
Österreich
[* 2] Bezeichnung für die
Innungen, d. h. die durch
die Gewerbeordnung geregelten
Verbände derjenigen, welche gleiche oder verwandte
Gewerbe in einer oder in nachbarlichen Gemeinden
betreiben. Selbst die im wesentlichen auf dem Princip der
Gewerbefreiheit aufgebaute Gewerbeordnung vom hatte
die Beitrittspflicht zu den Gewerbegenossenschaften festgesetzt, indem jeder, der im
Bezirke einer Genossenschaft das
Gewerbe, für welches ein
solcher
Verband
[* 3] bestand, selbständig betrieb, schon durch den
Antritt des
Gewerbes Mitglied der Genossenschaft wurde; dieselbe
Bestimmung findet sich auch in dem Gesetze vom betreffend die Abänderung und Ergänzung
der Gewerbeordnung.
Unter dem Einflusse dieses Gesetzes sind die Gewerbegenossenschaften wesentlich vermehrt worden, indem die Errichtung
von solchen, welche den Gewerbebehörden übertragen erscheint, in weitem
Umfange bewerkstelligt worden ist. Während nämlich
der Motivenbericht zur Regierungsvorlage einer neuen Gewerbeordnung von 1880 eine Gesamtzahl von 2570 Gewerbegenossenschaften ausweist,
bestanden 1891 nach einer offiziellen
Statistik 5113 Gewerbegenossenschaften, von denen freilich nicht alle eine nennenswerte Thätigkeit entwickelt
haben dürften.
Bei der großen
Ausdehnung,
[* 4] welche dem Genossenschaftswesen gegeben wurde, war es nicht möglich, bloß Gewerbegenossenschaften zu
errichten, welche ein einzelnesGewerbe umfassen; sondern häufig mußte, um die
Verbände nicht zu schwächlich
zu gestalten, die kaum im Interesse regen genossenschaftlichen Lebens gelegene
Vereinigung zahlreicher
Gewerbe zu einer Gewerbegenossenschaft
stattfinden, der oft ein ziemlich ausgedehnter
Bezirk zugewiesen wurde. So zählt die eben erwähnte
Statistik nur 722 Fachgenossenschaften,
d. i. Genossenschaften für einzelneGewerbe, auf, während 2252 sog. Kollektivgenossenschaften für Gruppen
verwandter
Gewerbe und 2139 sog. Reihengenossenschaften aufgezählt werden, die alle
Gewerbe eines
Bezirks in sich schließen.
Die Zwecke, welche das Gesetz den Gewerbegenossenschaften zuweist, sind sehr mannigfach. Neben der Forderung der gemeinsamen
gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder haben sie insbesondere
Sorge zu tragen für die
Erhaltung geregelter
Zustände zwischen den Gewerbeinhabern und ihren
Gehilfen, für ein geordnetes Lehrlingswesen, für die Gründung von Fachlehranstalten
u.s.w. Die Gewerbegenossenschaften haben ferner einen schiedsgerichtlichen
Ausschuß zur Austragung der zwischen den Genossenschaftsmitgliedern
und
den Genossenschaftsangehörigen,
d.
i. den Hilfsarbeitern, entstehenden Streitigkeiten zu bilden; auch können sie
Krankenkassen
für die
Gehilfen bilden.
Die Funktionäre aus dem
Stande der Hilfsarbeiter wählt die ständig konstituierte sog. Gehilfenversammlung. Bei
vielen Gewerbegenossenschaften fällt die
Notwendigkeit der
Bildung der gedachten Institutionen fort, sofern nämlich, wie namentlich auf dem
Lande,
kein oder ein nur sehr spärliches Hilfspersonal vorhanden ist. 1891 besaßen 2857 Gewerbegenossenschaften schon Gehilfenversammlungen
mit genehmigten
Statuten; es bestanden ferner 2657 schiedsgerichtliche
Ausschüsse und 808 genossenschaftliche
Krankenkassen (und daneben noch 195 eigene Lehrlingskrankenkassen).
Die Gewerbegenossenschaften stellen heute einen beachtenswerten
Faktor im öffentlichen Leben
Österreichs dar, indem sie dem Gewerbestand zu einer
nicht zu unterschätzenden Organisation verholfen haben; ihre positiven Leistungen sind hingegen viel geringer anzuschlagen,
indem nur eine Minderzahl Wertvolles auf dem Gebiete des Fachschulwesens, der
Arbeitsvermittelung u. s. w. zu stande gebracht
hat. Auch die
Gehilfen haben sich manchmal ihrer
Vereinigung in der Gehilfenversammlung mit
Vorteil zu bedienen gewußt. –
Vgl.
Statist.
Studien über die
Entwicklung der österreichischen (in der
«Statist. Monatsschrift»,
Wien
[* 5] 1888); Seltsam
und Posselt, Die österr. Gewerbeordnung (2. Aufl., ebd. 1885); Weigelsperg, Kompendium der auf
das Gewerbewesen bezugnehmenden Gesetze (3. Aufl., ebd. 1889‒94); Heilinger, Österr. Gewerberecht
(ebd. 1894‒95);
Mataja,
Artikel Gewerbliche Genossenschaften (im «Österr. Staatswörterbuch»,
ebd. 1895).
und Einigungsämter. – Ⅰ. Gewerbegerichte sind die zur
Entscheidung von Streitigkeiten zwischen
Arbeitgebern und
Arbeitnehmern, sofern dieselben aus dem Arbeitsverhältnis sich ergeben, berufenen Gerichte.
Es handelt sich also um Streitigkeiten, die sich auf den
Antritt, die Fortsetzung oder Aufhebung des
Arbeits- oder Lohnverhältnisses,
auf die gegenseitigen Leistungen während der
Dauer desselben oder auf die
Ausstellung oder den
Inhalt gewisser Zeugnisse beziehen
sowie um die über Anrechnung und Berechnung der Krankenkassenbeiträge sich ergebenden Streitigkeiten
(§. 53,Absatz 2 des
Krankenversicherungsgesetzes vom Nach dem Gesetz vom ist die gewerbliche Rechtspflege
der charakterisierten Art gegenwärtig den Gewerbegerichten, den Innungsgerichten und den Gemeindevorstehern anvertraut.
Der Schwerpunkt
[* 6] liegt in den erstern, deren Einsetzung den Gemeinden und weitern Kommunalverbänden überlassen
bleibt. Sie sind staatliche Gerichte, die im
Namen des Landesherrn
Recht sprechen, und stehen mit den
Amtsgerichten auf einer
Stufe;
Berufung ergeht von ihnen an das Landgericht.
Das Gewerbegericht ist zusammengesetzt aus einem Vorsitzenden, dessen
Stellvertreter und mindestens vier
Beisitzern, von denen
zwei
Arbeitgeber, zwei
Arbeitnehmer sein müssen. Der Vorsitzende und sein
Stellvertreter dürfen weder
Arbeitgeber noch
Arbeitnehmer sein und werden durch den Magistrat oder durch die Gemeindevertretung gewählt. Eine besondere
Vorbildung, z. B. Befähigung zum Richteramte oder zum höhern Verwaltungsdienste, ist für
sie nicht vorgesehen. Die
Beisitzer werden in unmittelbarer und geheimer
Wahl in gleicher Anzahl von den
Arbeitgebern und
Arbeitern gewählt. Das
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