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Geruchssinn ist einer der niedern Sinne, indem seine Funktion sich aus die Fortleitung gewisser Empfindungen, die nur durch materielle Eindrücke hervorgebracht werden, beschränkt und die Menschen, denen er, was nicht so selten ist, gänzlich fehlt, nur geringe Genüsse entbehren, während ihre geistige Ausbildung dadurch nicht im mindesten gehemmt wird. Von größerer Bedeutung hingegen ist der Geruchssinn für die materiellen Lebensverrichtungen, was man namentlich durch die Beobachtung vieler Tiere erkennt, denen er zur Ernährung und Fortpflanzung ihres Geschlechts unentbehrlich ist.
Das Organ des Geruchssinns beim Menschen ist die Nase [* 1] (s. d.), in der sich der Geruchs- oder Riechnerv (nervus olfactorius), der in den vordern Lappen des Großhirns (s. Gehirn, [* 2] S. 677 b) entspringt, verbreitet und in seinen peripherischen Endorganen, den Riechzellen, mit der hindurchströmenden Luft die Eindrücke empfängt, für deren Aufnahme er bestimmt ist. Diese Riechzellen befinden sich zwischen den Epithelzellen der sog. Riechschleimhaut, d. i. des Teils der Nasenschleimhaut, der den obern Teil der Nasenscheidewand und die beiden obern Nasenmuscheln überkleidet, und stellen langgestreckte schmale Zellen von spindelförmiger Gestalt und zwei ausläuferartigen Fortsätzen dar, deren einer etwas dickerer mit einem abgestutzten Ende frei an der Oberfläche der Epithelschicht endigt, wogegen der andere dünnere nach abwärts in die Schleimhaut geht und mit den Riechnervenfasern zusammenhängt. Auch fast alle Tiere haben Geruchsorgane (s. d.); bei den höherstehenden sind sie oft viel entwickelter als beim Menschen und befähigen zu erstaunlichen Leistungen.
Was den Vorgang des Riechens anlangt, so sind es höchst wahrscheinlich chem. Einwirkungen, durch welche die Riechstoffe die Geruchsnerven erregen, und zwar ist es durchaus erforderlich, daß die betreffenden chem. Agentien eine gasförmige Form besitzen, denn flüssige, stark riechende Substanzen, wie Kölnisches Wasser, in der Rückenlage bei herabhängendem Kopf in die Nase gebracht, bewirken durchaus keine Geruchsempfindung. Weiterhin ist Feuchtigkeit der in der Nase befindlichen Schleimhaut und das Vorbeistreichen der Luft an dieser notwendige Bedingung der Geruchsempfindung. Je schneller dieser Luftstrom durch das Geruchsorgan geführt wird, um so deutlicher ist die Geruchsempfindüng; aus diesem Grunde ziehen wir, wenn wir einen guten Geruch besser genießen wollen, die Luft bei erweiterten Nasenlöchern und geschlossenem Munde kräftiger in die Nasenhöhle zur Riechschleimhaut hinauf und schneller durch die Nase hindurch (d. i. das sog. Schnuppern oder Schnüffeln), und aus dem nämlichen Grunde hört beim Anhalten des Atems oder beim Atmen durch den Mund jedwede Geruchsempfindung auf.
Manche Riechstoffe können noch in überraschender Verdünnung gerochen werden; so riecht die Luft noch nach Brom, wenn 1 ccm derselben nur 1/30000 mg Brom enthält, ja von Moschus wird noch 1/2000000 mg, von Mercaptan sogar 1/4600000000 deutlich gerochen. Die Verwandtschaft zwischen Geruch und Geschmack ist so eng, daß bei vielen Empfindungen zwischen beiden sich keine bestimmte Grenze feststellen läßt. Krankheiten des Geruch bestehen entweder in einer gänzlichen Aufhebung oder in einer besondern Stimmung desselben, in welcher Geruchsempfindungen sich zeigen, die andere gesunde Menschen nicht haben. Bei den krankhaften Veränderungen liegen oft Krankheiten des Geruchsorgans (chronische Katarrhe, Eiterungen u. dgl.) oder allgemeine Nervenkrankheiten, z. B. Hypochondrie und Hysterie, zu Grunde.
Vgl. Bernstein, [* 3] Die fünf Sinne des Menschen (Bd. 12 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», 2. Aufl., Lpz. 1889);
von Vintschgau, Physiologie des Geruchssinns (in Hermanns «Handbuch der Physiologie», Bd. 3, Tl. 2, ebd. 1880);
Zack, Riechen und Geruchsorgan (Wiesb. 1885).